His Royal Highness - Drucie Anne Taylor - E-Book

His Royal Highness E-Book

Drucie Anne Taylor

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Beschreibung

Dacre *** Unter falschem Namen studiert die adlige Rowena in Amerika. Als sie noch ein Kind war, kehrte ihre Familie dem Hof und der Etikette den Rücken zu, seither genießt sie das Leben als Bürgerliche. Die Ruhe auf dem Campus hält an, bis Dacre Cunningham, Kronprinz von Liechtenstein, und sein Bruder Nicholas ihr Studium ebenfalls in Amerika aufnehmen. Rowenas Wege kreuzen die der Brüder und sie hofft, dass die beiden sie nicht erkennen. Als ihre Großmutter unerwartet verstirbt, findet Rowena sich in der Welt, der sie jahrelang ferngeblieben ist, wieder. Nach mehreren Begegnungen mit Dacre, dem sie zuvor ausgewichen ist, offenbart sie sich ihm. Von ihren und Dacres Eltern mit einer arrangierten Ehe konfrontiert, fängt sie an, zu rebellieren. Obwohl sie in Kindertagen mit dem Prinzen befreundet war, gefällt ihr die Vorstellung ganz und gar nicht, weshalb sie versucht, der Heirat zu entgehen, jedoch hat sie nicht damit gerechnet, dass Dacre all seinen Charme spielen lassen wird. Wird sie sich gegen ihn und seine Versuche, ihre Liebe und Zuneigung zu gewinnen, wehren können oder wird sie ihr Herz doch noch an ihn verlieren? *** Nicholas *** Rosalee Chapman hat bloß einen Wunsch: Sie will mehr über ihre Herkunft herausfinden. Aus diesem Grund engagiert sie einen Privatdetektiv, der sie nach kurzer Zeit nach Liechtenstein bestellt. Hals über Kopf reist die junge Journalistin in das kleine Königreich, in dem sie nicht nur auf Sprachbarrieren stößt, sondern auch über ihre Wurzeln stolpert. Schon am ersten Abend in dem fremden Land lernt sie den charmanten Nicholas, der ihr aus einer peinlichen Situation hilft, kennen. Zwischen den beiden funkt es gewaltig, doch Rosalees Vertrauen in die Männerwelt wurde vor einiger Zeit getrübt, weshalb sie Nicholas von sich stößt. Kann Nicholas Rosalees Herz gewinnen oder wird er sich von ihren Versuchen, ihn von sich zu stoßen, beeindrucken lassen und den Kampf um ihre Liebe aufgeben?

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His Royal Highness

DACRE & NICHOLAS

DRUCIE ANNE TAYLOR

Inhalt

Vorwort

Dacre

Dieses Buch

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Nicholas

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

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Über die Autorin

Weitere Werke der Autorin

Rechtliches und Uninteressantes

Copyright © 2017 Drucie Anne Taylor

Korrektorat: S.B. Zimmer

Umschlaggestaltung © D-Design Cover Art

Auflage 01 / 2024

Alle Rechte, einschließlich das, des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. Dies ist eine fiktive Geschichte, Ähnlichkeiten mit lebenden, oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Alle Markennamen, Firmen sowie Warenzeichen gehören den jeweiligen Copyrightinhabern.

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

Ich bin keine Adlige und kenne mich mit der höfischen Etikette nicht aus, dennoch wollte ich unbedingt dieses Buch schreiben. Sicher läuft es in den weltlichen Königshäusern heutzutage anders, als von mir in diesem Buch beschrieben, jedoch habe ich einiges zurechtgebogen, damit der Verlauf der Geschichte von Dacre und Rowena beibehalten werden kann.

Liechtenstein ist in Wahrheit ein Fürstentum, kein Königreich wie in diesem Buch beschrieben. Auch örtliche Gegebenheiten habe ich für den Verlauf der Geschichte angepasst.

Diese Geschichte ist rein fiktiv und entspricht nicht der Realität. Sollten Sie ein realitätsnahes Buch erwarten, muss ich Sie enttäuschen und bitte Sie, vom Lesen abzusehen, da sie Sie sicher nicht zufriedenstellen wird. Dacre und Rowena sind ebenso wie alle anderen handelnden Personen frei erfunden.

Also dann, ich wünsche Ihnen viel Spaß mit den fiktiven Royals.

Alles Liebe,

Drucie Anne Taylor

Dacre

HIS ROYAL HIGHNESS #1

Dieses Buch

Unter falschem Namen studiert die adlige Rowena in Amerika. Als sie noch ein Kind war, kehrte ihre Familie dem Hof und der Etikette den Rücken zu, seither genießt sie das Leben als Bürgerliche. Die Ruhe auf dem Campus hält an, bis Dacre Cunningham, Kronprinz von Liechtenstein, und sein Bruder Nicholas ihr Studium ebenfalls in Amerika aufnehmen. Rowenas Wege kreuzen die der Brüder und sie hofft, dass die beiden sie nicht erkennen.

Als ihre Großmutter unerwartet verstirbt, findet Rowena sich in der Welt, der sie jahrelang ferngeblieben ist, wieder. Nach mehreren Begegnungen mit Dacre, dem sie zuvor ausgewichen ist, offenbart sie sich ihm. Von ihren und Dacres Eltern mit einer arrangierten Ehe konfrontiert, fängt sie an, zu rebellieren.

Obwohl sie in Kindertagen mit dem Prinzen befreundet war, gefällt ihr die Vorstellung ganz und gar nicht, weshalb sie versucht, der Heirat zu entgehen, jedoch hat sie nicht damit gerechnet, dass Dacre all seinen Charme spielen lassen wird.

Wird sie sich gegen ihn und seine Versuche, ihre Liebe und Zuneigung zu gewinnen, wehren können oder wird sie ihr Herz doch noch an ihn verlieren?

Eins

Manche Mädchen träumen davon, eine Prinzessin zu sein, besonders, wenn sie die jungen Prinzen aus dem Hause Cunningham von Liechtenstein sehen, aber ich gehöre nicht zu diesen Mädchen oder besser gesagt: Frauen. Ich will bloß meine Ruhe haben, auch wenn Dacre und Nicholas heute an diese Uni kommen. Ich bin selbst adlig, aber meine Eltern haben sich irgendwann vom Hof zurückgezogen, um ein normales Leben mit uns zu führen. Um mich zu schützen, bin ich unter falschem Namen an dieser Universität immatrikuliert, damit mich niemand verfolgt – genauer gesagt lebe ich seit Jahren unter diesem falschen Namen. Mein letzter öffentlicher Auftritt fand statt, als ich zehn Jahre alt war. Das ist nun elf Jahre her, seitdem habe ich mich sehr verändert. Ich bin nicht mehr das kleine brünette Mädchen mit zu vielen Sommersprossen im Gesicht, das mit Dacre und Nicholas in ihrem Anwesen in Chestershire Verstecken gespielt hat. Jetzt bin ich eine erwachsene Frau, die kein Interesse daran hat, etwas mit diesen Männern zu tun zu haben, denn sie sind arrogant, hochnäsig und so eitel, dass sie sogar Narziss in den Schatten stellen würden, wäre dieser noch unter uns und nicht in einen See gefallen, als er sein Spiegelbild bewunderte. Sie sind die Prinzen von Liechtenstein, sie dürfen sein wie sie wollen, aber ich gehe ihnen lieber aus dem Weg. Ich gehöre nicht zu den Studentinnen, die schon den halben Tag auf dem Campus herumlungern, um einen Blick auf die beiden zu werfen, sondern sitze in der Bibliothek und versuche, zu lernen. Allerdings treiben sich auch hier übereifrige Damen herum, die die beiden Männer unbedingt sehen wollen. Ich überlege, ob ich all dem Kichern und Getuschel noch länger ausgesetzt sein möchte, denn einfacherweise könnte ich mir die Bücher ausleihen, um mich mit ihnen in meine Wohnung zurückzuziehen, aber ich würde gern hierbleiben, damit ich mich nicht von meinem Computer oder meinem Fernseher ablenken lasse.

Zwar hat mein Vater den Adel aufgegeben, jedoch nicht das Vermögen, sodass ich ein eigenes Apartment bekam, als ich herkam. Ich weiß nicht, warum Dacre und Nicholas erst jetzt mit dem Studium beginnen oder ob sie vorher woanders studiert haben. Es wundert mich auch, dass sie nicht nach Saint Andrews gegangen sind, sondern den weiten Weg in die Staaten auf sich genommen haben, um in Harvard zu studieren. Ich muss zugeben, dass ich mich ein wenig von der Vergangenheit verfolgt fühle. Als Kind war ich unsterblich in Dacre verliebt, er ist der Ältere der Zwillinge und Thronfolger von Liechtenstein, so wie ich das älteste Kind meiner Eltern bin. Damals wurde gemunkelt, ich solle einmal seine Königin werden, doch das wollte mein Vater mir ersparen. Er selbst wollte jahrelang aus dem goldenen Käfig ausbrechen und keines seiner Kinder in diesen einsperren. Ich bin froh, dass ich keine Gefangene meines Titels bin und ich nicht mit einem Haufen heiratswütiger Prinzen, Herzöge, Grafen oder anderen Adligen konfrontiert bin, die mich als Bereicherung für ihr Haus sehen würden. Ich kann gar nicht ausdrücken, wie unglaublich dankbar ich meinem Vater bin.

Neben mir räuspert sich jemand, weshalb ich meinen sowieso schon schweren Kopf hebe. »Ja?«

Vor mir steht ein Mann in schwarzem Anzug und er trägt eine Sonnenbrille auf der Nase sowie ein In-Ear-Funkgerät. »Verlassen Sie bitte die Bibliothek.«

Meine Augenbraue flippt in die Höhe. »Warum sollte ich?«

»Die königlichen Hoheiten suchen einen Rückzugsort und Sie stören.«

»Keine Sorge, ich sitze nur hier, um für mein Studium zu lernen. Ihre königlichen Hoheiten gehen mir an meinem nichtköniglichen Arsch vorbei«, beruhige ich ihn, anschließend senke ich den Blick wieder auf das Lehrbuch vor mir, um mich der menschlichen Anatomie zu widmen. Normalerweise müsste ich den Stoff längst draufhaben, aber ich frische mein Wissen gern auf, bevor die Vorlesungen wieder losgehen.

»Miss, ich scherze nicht.«

»Ich auch nicht«, gebe ich mich gelangweilt.

Dann legt er seine Hand an meinen Oberarm. »Miss, Sie müssen die Bibliothek nun verlassen.«

Ich stehe auf und schaue feindselig zu ihm hoch. »Wenn Sie noch einmal Ihre schmierigen Griffel an mich legen, befördere ich Sie auf den Boden der Tatsachen, verstanden?« Normalerweise fahre ich nicht so schnell aus der Haut, aber ich kann das süffisante Grinsen nicht ausstehen, das seine Lippen ziert.

»Miss, Sie werden mich nun nach draußen begleiten.« Er schließt seine Hand um meinen Arm – mir reicht’s.

Ich drehe mich, sodass er hinter mir steht, nutze Schwung und Hebelwirkung aus und befördere ihn über meine Schultern auf den Rücken. »Ich habe Sie gewarnt.« Anschließend setze ich mich zurück an den Tisch, konzentriere mich wieder auf mein Buch und vernehme Schritte, die sich uns eilig nähern, während Hüne Nummer eins stöhnend auf dem Boden liegt und dem Schulfach Erdkunde eine völlig neue Bedeutung gibt.

»Was ist hier los, Carter?«

»Die Dame weigert sich zu gehen«, keucht er und ich höre, dass er auf die Beine kommt.

»Miss, dürfte ich Sie kurz sprechen?«

Genervt verdrehe ich die Augen und drehe mich auf dem Stuhl zur Seite. »Hören Sie, ich verstehe, dass Sie die königlichen Hoheiten«, dieses Wort spucke ich geradezu aus, »beschützen müssen, aber ich tue den beiden nichts. Ich habe kein Interesse an ihnen, sondern möchte hier nur lernen und das möglichst in Ruhe. Ich verspreche Ihnen, wenn Sie mich in Frieden lassen, lasse ich Sie und Ihre Schützlinge ebenfalls in Frieden. Meinetwegen verziehe ich mich auch nach hinten, wo Sie mich nicht sehen können, aber ich verlasse die Bibliothek nicht, wenn ich für meine Vorlesungen lernen muss.« Ich bemühe mich wirklich, freundlich zu klingen, doch irgendwo zwischen den Sätzen, muss ich meine gute Erziehung vergessen haben, denn zuletzt hört man nur noch die Feindseligkeit aus meiner Stimme heraus.

»In Ordnung. Wenn Sie sich dann bitte zurückziehen würden, damit wir hier vorne alles sichern können, wäre das sehr hilfreich für uns.«

Ich nicke knapp. »Vielen Dank.« Anschließend sammle ich die drei Bücher und meine Tasche vom Tisch, dann verschwinde ich in den Gang mit den Lehrbüchern der medizinischen Fakultät.

»Ich hätte das der Dame nicht durchgehen lassen«, vernehme ich die Stimme eines Personenschützers.

»Sie scheint wirklich kein Interesse an den Hoheiten zu haben, also haben wir nichts zu befürchten. Wir sollten die Prinzen auch nicht darüber informieren, dass sich noch eine Dame in der Bibliothek befindet, sonst werden sie nach ihr suchen.«

Mit einer gehobenen Augenbraue gehe ich weiter, schließlich setze ich mich an ein Regal gelehnt auf den Boden, ziehe die Beine an und lege ein Buch gegen meine Oberschenkel gelehnt auf meinen Schoß, damit ich darin lesen kann. Neben mich lege ich meinen Block, um mir Notizen zu machen. Am liebsten wäre ich an dem Tisch sitzengeblieben, doch darauf hätten sich die Männer sicher nicht eingelassen.

Ich kann solche Pitbulls, die einem das Leben schwermachen, nicht ausstehen, und bin froh, dass ich nicht mehr von Leibwächtern umringt bin. Hoffentlich werde ich das auch niemals mehr sein.

Wie es das Karma so will, klingelt mein Handy, als in der Bibliothek absolute Ruhe herrscht. Fuck! »Hallo?«, melde ich mich leise.

»Liebes, wie geht’s dir? Bist du gut in Boston angekommen?«, fragt mein Vater.

Ich seufze schwer. »Ja, und stell dir vor, wer nun auch hier studiert.«

»Dacre und Nicholas Cunningham. Ich habe es in einer dieser Klatschsendungen gesehen, die deine Mutter so gern schaut, um auf dem Laufenden zu bleiben.«

»Mhm, warum hast du mich nicht vorgewarnt?«, möchte ich leise wissen, während in der Nähe Schritte ertönen.

»Weil ich selbst erst heute davon erfahren habe. Aber es ist ganz schön was los auf dem Campus, nicht wahr?«

»Ja, und ich bin nun in der Bibliothek eingesperrt, weil ich mich nicht von ihren Leibwächtern rausschmeißen lassen wollte.«

»Liebes, du kamst doch immer gut mit den beiden zurecht, mach dir deshalb keinen Kopf.«

»Dad, du hast dem Hof gemeinsam mit uns den Rücken gekehrt und ich will mit diesen Menschen nichts mehr zu tun haben. Jetzt habe ich das große Los gezogen, dass ich mit zwei notgeilen Liechtensteiner Thronfolgern und einer Horde Leibwächter in der Bibliothek festsitze. Ich wette, die lassen mich nicht einfach hier herausspazieren.«

»Vermutlich nicht. Gibt es denn nur einen Ausgang?«

»Leider ja.«

»Das ist suboptimal.«

Ich verdrehe die Augen. »Was du nicht sagst.«

»Rowena, spar dir den Sarkasmus und versuch einfach, dich aus der Bibliothek zu schleichen.«

»Wie soll ich das machen?« Schwarze, polierte Lackschuhe treten in mein Sichtfeld gefolgt von einem Räuspern, weshalb ich meinen Blick hebe. »Dad, ich glaube, ich muss auflegen. Ich melde mich später, okay?«

»In Ordnung, Liebes.«

»Bye.« Ich beende das Gespräch, stecke mein Handy in meine Hosentasche und sehe diesen Narziss erwartungsvoll an, der sich vor mir aufgebaut hat und auf mich herunterschaut. »Kann ich helfen?« Verdammt, meine Stimme ist leise und zittert.

»Darf ich fragen, wer Sie sind?«

»Nein, dürfen Sie nicht.«

Seine Augenbraue flippt in die Höhe. »Sie wissen, wer ich bin, oder?«

Statt ihm eine Antwort zu geben, schüttle ich einfach den Kopf.

»Nicht?«

»Nein, keinen blassen Schimmer. Wer sind Sie denn?«

»Ich bin Nicholas Cunningham, Prinz des Liechtensteiner Königshauses.«

»Sehr beeindruckend und ich bin eine Studentin, die hier in Ruhe lernen will, also?«

»Also, was?«, hakt er nach und ich sehe, dass ihm mein Spielchen keineswegs gefällt. Schon früher mochte er es nicht, wenn ich ihm ausgewichen bin, auch wenn ich mit zehn Jahren noch nicht so gut darin war wie heute.

»Also was machen wir jetzt? Belästigen Sie mich weiter oder darf ich hier in Ruhe lernen?«, frage ich überaus freundlich.

»Miss ... Wie war noch Ihr Name?«

»Den habe ich Ihnen noch nicht verraten.«

»Wie lautet er denn?«

»Miller«, erwidere ich und schlucke. »Evelyn Miller.« Das ist der Name, mit dem ich mich hier eingeschrieben habe. Der Lehrkörper weiß, dass ich unter einem Pseudonym immatrikuliert bin, da mein Vater und ich die Situation erklärt haben. Außerdem mussten der Dekan sowie alle Dozenten eine Schweigepflichterklärung unserer Anwälte unterzeichnen, sodass meine Identität geschützt ist. Mein Zeugnis wird natürlich auf Rowena Beauchamp-DeVille lauten, okay, mit meinen zahlreichen weiteren Vornamen, aber die muss ich nun nicht erwähnen, da sie wirklich peinlich sind. Mein Vater stammt aus dem Hause Beauchamp, meine Mom aus dem Hause DeVille. Mein Vater wird das Erbe meiner Großeltern vermutlich ausschlagen, auch wenn meine Tante eine morganatische Ehe führt. Ich bin überaus froh darüber, denn so war es ein Leichtes für meine Eltern, dem Hof den Rücken zu kehren. Nun gut, für meinen Vater war es leichter als für meine Mutter, denn sie umgab sich gern mit allerhand Gräfinnen, Baronessen und so weiter, aber mein Vater konnte dem Pomp nie etwas abgewinnen.

»Na gut, Miss Miller, Sie sitzen hier und lernen?«

»Sieht man das nicht?«, hake ich nach und deute auf meine Sachen, die ich neben mir ausgebreitet habe.

»Und warum hat vorhin Ihr Handy geklingelt?«

»Sitze ich hier im Verhörraum oder was läuft bei Ihnen schief?«, schnappe ich genervt.

»Ich will bloß wissen, ob Sie irgendwas von dem, was Sie in dieser Bibliothek gehört haben, an die Presse weitergegeben haben.«

»Oah«, stoße ich genervt aus. Wenn Nicholas wüsste, dass wir uns schon sehr lange kennen, würde er sagen, dass ich verbauert bin. »Auch wenn es Sie nichts angeht, aber ich habe bloß mit meinem Vater telefoniert. Er wollte mich vorwarnen, dass Sie und Ihr Bruder hier studieren werden, weil ich weder den Klatsch am Campus noch irgendwelche Magazine sehe oder lese. Ihre Leibwächter haben mich bereits belästigt und ich wette, in der Zeitung macht es sich nicht gut, wenn ich mich als weinerliche arme Studentin hinstelle, die von Ihnen belästigt und begrapscht wurde, deshalb würde ich Ihnen raten, mich jetzt in Ruhe zu lassen.« Herrgott, ich bin wirklich gut darin, eine elende Zicke zu sein. In Gedanken kichernd betrachte ich das Mienenspiel auf seinem Gesicht. All das, was seine Attraktivität ausmacht, ist in den letzten Sekunden entgleisten Gesichtszügen gewichen. Ich wette, er ist mindestens genauso blass wie die Seiten der Bücher, die uns umringen, aber ich möchte nicht aufstehen und die Farbtöne miteinander vergleichen.

Sein Mund klappt auf, zu, dann wieder auf, bevor er schließlich den Kopf schüttelt. »Verzeihen Sie die Belästigung, Miss Miller.«

»Wenn Sie mich jetzt in Ruhe die Bibliothek verlassen lassen«, ich verziehe das Gesicht über meinen Satz, »verzeihe ich Ihnen gern alles, was in Zukunft noch geschehen könnte.«

Er nickt knapp und streckt seine Hand aus. »Darf ich Ihnen aufhelfen.«

Zögerlich lege ich das Buch neben mich, anschließend ergreife ich seine Hand und finde mich schneller auf meinen Füßen wieder, als ich bis drei zählen kann. »Danke.« Ich wende mich ab, sammle die Bücher ein und schaue ihn schließlich wieder an. »Ich sortiere die Bücher noch weg, dann bin ich verschwunden.«

»Soll ich Ihnen zur Hand gehen?«

»Nein danke, das schaffe ich schon.«

Ein weiteres Nicken seinerseits, bevor er sich wegdreht und mich stehenlässt.

Erleichtert darüber, dass ich nicht verraten habe, wer ich wirklich bin, atme ich auf.

* * *

Nachdem ich die Bücher weggeräumt habe, mache ich mich auf den Weg zum Ausgang. Nicholas’ Gesicht geht mir nicht aus dem Kopf. Wenn ich ihn in den Klatschmagazinen meiner Mutter gesehen habe, weil die wieder über irgendeinen von ihm oder seinem Bruder verursachten Skandal berichtet haben, wurden ihm die Fotos nicht gerecht, das weiß ich jetzt.

»Oh, Miss?«, ruft mir jemand zu, als ich die Tür fast erreicht habe.

»Ja?«, frage ich und wende mich der Stimme zu. Sie kommt von dem wesentlich freundlicheren Leibwächter.

»Wir können die Tür leider nicht öffnen, weil sehr viele – wie sage ich es am besten ...«

»Willige Studentinnen?«, schlage ich vor.

Er nickt knapp. »Weil die Tür belagert wird.« Das Grinsen auf seinen Lippen ist erst aufgetaucht, als ich ihm meinen Vorschlag unterbreitet habe.

Ich seufze schwer. »Okay, da wir im Erdgeschoss sind, nehme ich das nächstbeste Fenster.« Anschließend wende ich mich ab und laufe zu den Fenstern. Um mich zu vergewissern, dass davor niemand lauert, schaue ich in den frühen Abend, der den Campus in sattes Rotorange taucht.

»Sind Sie sicher, dass Sie aus dem Fenster klettern möchten?«

»Ich bin sicher, dass ich Hunger habe und nach Hause möchte«, erwidere ich.

»Das war keine Antwort.«

»Doch, denn man sollte sich nie zwischen eine hungrige Frau und ihr Essen stellen«, entgegne ich amüsiert, öffne eines der Fenster und lehne mich hinaus. »Können Sie das gleich wieder schließen und mir eventuell meinen Rucksack anreichen, wenn ich draußen bin?«

»Aber sicher.«

»Danke.« Ich schwinge ein Bein nach draußen und sehe noch einmal nach unten. Es sind vielleicht zwei Meter, die es nach unten geht, dennoch habe ich Respekt vor dem Sprung.

»Miss?«

Ich schaue noch einmal in die Bibliothek und verdrehe die Augen. »Bitte?«

»Mein Bruder bittet Sie um Entschuldigung, falls Sie sich wirklich von ihm belästigt gefühlt haben«, sagt Dacre, anschließend schenkt er mir ein charmantes Lächeln. Schon als Kind hat er mich damit um den kleinen Finger gewickelt.

»Kein Problem, die Presse zahlt sicher gut für so eine Story und als Studentin kann man immer Geld brauchen«, scherze ich, zwinge mich zu einem Lachen und springe nach unten.

»Ist das Ihr Ernst?«, ruft er mir zu, als ich meine Kleidung abklopfe.

»Nein, das war ein Scherz, Euer Hoheit. Könntet Ihr mir vielleicht meinen Rucksack nach unten werfen? Ich würde auch für Euch knicksen«, necke ich ihn.

Lachend lässt er sich meinen Rucksack geben und wirft mir diesen zu. »Einen schönen Abend, Miss Miller.«

»Ebenso, danke.« Ich schultere einen der Riemen, wende mich ab und mache mich auf den Heimweg.

* * *

Als ich in meiner Wohnung bin, atme ich erleichtert auf. Natürlich hatten sich verdammt viele weibliche Studentinnen und Reporter vor der Bibliothek versammelt. Als man erkannt hat, dass ich aus einem Fenster gesprungen war und mir zugerufen hat, dass ich bitte warten soll, um ein paar Fragen zu beantworten, hatte ich schon mein Auto erreicht und konnte davonfahren, bevor man mich mit Fragen belästigt hat

Vom Hunger getrieben gehe ich in meine kleine Küche und werfe einen Blick in den Kühlschrank. Verdammt, ich war noch nicht einkaufen, weshalb mich bloß ein paar Bierflaschen und ein Dip für Nachos anlächeln. Scheiße! Seufzend greife ich zum Handy, wähle die Nummer des Pizzadiensts in der Nähe und bestelle eine große PizzaMargherita. Nachdem ich mich bedankt habe, rufe ich meinen Vater zurück.

»Beauchamp?«, meldet er sich freundlich.

»Hey, Dad, ich bin’s.«

»Bist du den Cunningham Zwillingen entkommen?« Er klingt amüsiert und ich weiß genau, dass er anfängt zu lachen, wenn ich ihm nun eine falsche Antwort gebe.

Ich räuspere mich. »Ja, ich konnte mich absetzen.«

»Durch das Fenster der Bibliothek, es war ganz groß in einer Eilmeldung.«

Ich seufze schwer. »Dein Ernst?«

»Leider ja, Liebes«, antwortet er amüsiert. »Wieso bist du aus dem Fenster geklettert?«

»Weil die Tür von Studentinnen und neugierigen Reportern belagert wurde«, entgegne ich mit verhagelter Laune. »Na ja, ich hatte keine Lust, ewig mit ihnen in der Bibliothek zu sitzen, weil Nicholas mich angesprochen hatte. Er war der Meinung, dass unser Telefonat vorhin eines war, das ich mit der Presse geführt habe.«

»Als ob du dich sofort bei der Presse melden würdest, weil du mit ihnen in einer Bibliothek festsitzt.«

»Du weißt doch, dass der Mann sich für den Mittelpunkt der Welt hält.«

»Dort sehen sich alle Cunninghams gern«, stimmt er mir zu, sicher nickt er, um seine Aussage zu untermalen.

»Ich weiß.«

Schließlich räuspert er sich. »Deine Mutter hat mir vorhin erzählt, dass deine Tante eine Einladung bekommen hat, die an dich adressiert ist.«

»Eine Einladung? Zu was werde ich eingeladen?«

»Sie kommt von den Cunninghams. Sie bitten dich, zum Herbstball in Liechtenstein zu erscheinen.«

»Warum sollte ich das tun?«, möchte ich wissen, denn in den letzten elf Jahren bekam weder ich noch sonst irgendwer irgendeine Einladung für mich.

»Sie bitten dich darum, ein Grund wurde nicht angegeben, aber sie möchten bis nächste Woche eine Antwort.«

Daraufhin atme ich tief durch. »Sag bitte ab.«

»Mit welchem Grund?«

»Muss ich mit einem Grund absagen, wenn sie mich ohne einen einladen?«, interessiere ich mich, denn ich weiß wirklich nicht, warum ich den Cunninghams Rechenschaft schuldig sein soll.

»Es wäre eine Sache, die die Höflichkeit gebietet.«

»Okay, dann sag mit dem Grund ab, dass ich keine Lust auf kleingeistige Affenärsche habe, die sich selbst für die Größten halten, habe«, schlage ich trocken vor.

Dad lacht auf, beruhigt sich aber schnell wieder. »Rowena Elisabeth Maribel Eleonore Beauchamp-DeVille ...«

Ich ziehe den Kopf ein, denn sagt er meinen vollen Namen, weiß ich, dass mir Ärger droht.

»Bitte nenn mir einen vernünftigen Grund.«

»Okay, mein Studium ist sehr fordernd und ich möchte keine Scheine riskieren, weil ich für ein Wochenende nach Liechtenstein fliege.«

»In Ordnung, ich gebe an, dass du zu der Zeit, zu der dieses Fest stattfindet, verhindert bist.«

»So kannst du es natürlich auch ausdrücken.«

»Deine Tante wird sich danach sicher bei dir melden.«

»Sie hat doch gar keine Nummer von mir.«

»Nicht?«

»Nein, diese Handynummer haben nur Mom, Etienne und du.« Mein jüngerer Bruder ruft mich allerdings so gut wie nie an, er schreibt häufiger und meistens schafft er es, mich aus dem Bett zu werfen, da ich ihnen wegen der Zeitverschiebung um fünf Stunden voraus bin.

»Darf ich sie deiner Tante geben?«

»Lieber nicht, immerhin will ich hier den Schein wahren und nicht als die erkannt werden, die ich bin. Du weißt, was los war, als ich damals vom Internat auf die öffentliche Schule gewechselt habe.«

Er seufzt. »Rowena, das ist elf Jahre her.«

»Und mir in Erinnerung geblieben, ich will wirklich nicht, dass es sich wiederholt.«

»Gut, dann werde ich in deinem Namen absagen.«

»Danke, Dad.«

»Und was gibt es sonst Neues? Wie waren die ersten Vorlesungen?«

»Die starten doch erst morgen, heute habe ich in der Bibliothek gesessen und mein Wissen aufgefrischt, immerhin habt ihr mich im ganzen Sommer nicht lernen lassen.«

Es klopft an der Tür.

»Bleib kurz dran, Dad, es hat geklopft.« Ich gehe an die Wohnungstür, senke das Handy und öffne sie. »Was machen Sie denn hier?«

Dacre lächelt mich an. »Sie waren vorhin so schnell weg, dass ich mich nicht richtig vorstellen konnte.«

»Und jetzt stalken Sie mich, Mr Cunningham?«

»Das wird doch nicht der Liechtensteiner Kronprinz sein, oder?«, vernehme ich Dads Stimme aus meinem viel zu laut eingestellten Handy.

Ich hebe den Finger, um Dacre zum Schweigen zu bringen, dann hebe ich es an mein Ohr. »Doch, er ist es. Ich glaube, wir beide haben heute kein Glück mit unseren Telefonaten. Ich melde mich morgen, okay?«

»In Ordnung. Du fehlst mir, Liebes, und wir lieben dich.«

»Ich euch auch. Bis dann.«

Er beendet das Gespräch, während Dacre mich interessiert ansieht. »Sie hätten das Telefonat meinetwegen nicht beenden müssen.«

»Sie hätten mich nicht stalken müssen«, erwidere ich trocken.

»Ich habe Sie nicht gestalkt, sondern bloß meinen Leibwächter bemüht, Ihre Adresse herauszufinden, immerhin haben Sie einen sehr beeindruckenden Auftritt hingelegt«, erwidert er lächelnd.

»Mehr war es ein beeindruckender Abtritt, immerhin bin ich wegen Ihnen und Ihrem Bruder aus einem Fenster gesprungen. Ich wette, das hat noch keine Frau für Sie getan«, sage ich überfordert, hoffe aber, dass ich freundlich klinge.

Er lacht leise. »Darf ich vielleicht reinkommen?«

Nur für einen Moment gehe ich meine Wohnung durch.

Habe ich irgendwo Fotos, die mich verraten könnten?

Nein, nicht, dass ich wüsste. Zumindest kann ich das Familienfoto auf dem Kaminsims auf die Nase legen, sodass er nicht auf die Idee kommen wird, die in mir zu sehen, die ich bin. »Was möchten Sie?«

»Mich mit Ihnen unterhalten.«

»Ich denke nicht, dass ich etwas mit dem Thronfolger des Liechtensteiner Königshauses zu besprechen habe.«

»Miss Miller, bitte erteilen Sie mir die Ehre.« Er schenkt mir ein charmantes Lächeln und ich wette, damit bekommt er scharenweise Frauen herum.

Ich seufze schwer. »Na schön.« Anschließend bewege ich mich von der Tür weg und verstecke eilig das Familienfoto im Wohnzimmer, damit er den Bilderrahmen gar nicht erst sehen wird. Ja, mein Verhalten erinnert wieder wenig an meine gute Erziehung, doch das ist mir egal. Ich will nicht bei Dacre punkten.

»Sie haben eine hübsche Wohnung«, sagt er, als er das Wohnzimmer betritt.

Wie ertappt schiebe ich die Schublade des nussbaumfarbenen Sideboards zu und drehe mich um, dann lehne ich mich gegen jenes Möbelstück. »Danke.«

Er hebt eine Augenbraue, sagt jedoch nichts, sondern deutet zum Sofa.

»Ja, setzen Sie sich.«

»Danke, Miss Miller.« Er geht zu der weißen Garnitur und nimmt auf dem Zweisitzer Platz, nachdem er sein Sakko geöffnet hat, während ich zum Sessel gehe. »Sie stammen nicht von hier, richtig?«

»Woher wollen Sie das wissen?«

Sein Mundwinkel zuckt, doch zu einem Lächeln lässt er sich nicht hinreißen. »Weil ich sehr gut darin bin, Akzente zu erkennen, auch wenn man Ihren nur erahnen kann.«

Als ich mich in den Sessel plumpsen lasse, hebe ich eine Augenbraue. »Dann sagen Sie mir doch, woher ich komme.«

»Es ist schwer, denn bei Ihnen vermischen sich zwei Akzente.«

»Und welche?«

»Zum einen klingen Sie Französisch, zum anderen Britisch.«

»Ach ja?«, hake ich nach. Er bemerkt meine Akzente, aber auf seinen deutschen Akzent werde ich ihn nicht hinweisen, denn darüber wird er sich bewusst sein.

»Ja.« Er lehnt sich nickend zurück. »Ich denke, Sie haben sowohl britische als auch französische Familie?«

»Das könnte sein, allerdings ist dem nicht so. Ich spreche bloß viel Französisch.« Wieder eine Lüge, denn meine Mutter stammt aus Frankreich, meine Großmutter väterlicherseits lebt dort und auch mit meiner Tante und ihrer Familie spreche ich meistens Französisch, da sie einen Franzosen geheiratet hat.

»Mit wem?«

»Mit einem sehr guten Freund, der ebenfalls an dieser Uni studiert«, lüge ich und möchte mir im nächsten Moment auf die Zunge beißen. »Vielleicht habe ich dabei den Akzent angenommen, immerhin spreche ich nur wenige Male in der Woche mit meiner Familie oder selten in Vorlesungen, sondern unterhalte mich wirklich mehr mit meinen Freunden aus Frankreich.«

Fuck, ich reite mich immer tiefer in die Scheiße!

»Dann ist zumindest dieser Teil ihrer Akzente erklärt.«

»Und ich stamme aus Großbritannien.«

»Woher genau?«, fragt er, anscheinend habe ich sein Interesse geweckt.

»Ich glaube kaum, dass Sie den Ort kennen.«

»Ich war bei der Luftwaffe und habe die erste Hälfte meines Studiums in Saint Andrews hinter mich gebracht. Ich denke, ich bin recht weit herumgekommen.«

Ich atme tief durch. »Aus Groombridge, das ist ein wirklich kleines Kaff.«

»Das habe ich tatsächlich noch nie gehört. Wo liegt es genau?«

»Zwischen Kent und East Sussex.« Und glücklicherweise weit von meinem Zuhause weg.

»In beiden Orten war ich oft, aber von Groombridge habe ich noch nie etwas gehört.«

»Das sagten Sie bereits.«

»Leben dort viele Menschen?«

»Vielleicht eineinhalbtausend oder ein paar mehr.«

Er möchte gerade etwas sagen, als es an der Tür klingelt.

»Das dürfte mein Abendessen sein.« Ich stehe auf und eile zur Tür, betätige den Öffner für die Haustür und warte darauf, dass der Pizzabote seinen Hintern zu mir in den ersten Stock schwingt.

»Hi, Miss Evelyn Miller?«, fragt er, als er mich erreicht hat.

»Ja, die bin ich. Was bekommen Sie?«, erkundige ich mich.

»Zwölf Dollar.«

Ich hole fünfzehn Dollar aus meiner Hosentasche und drücke sie ihm in die Hand. »Stimmt so, danke.« Anschließend nehme ich ihm die Pizza ab und schließe die Wohnungstür hinter mir.

»Störe ich Sie beim Abendessen?«

»Nein, wenn es Sie nicht stört, dass ich esse, während Sie reden.«

Warum habe ich ihn nicht gebeten, dass er geht?

Ich bin wirklich viel zu freundlich – okay, nur im Moment, denn morgen werde ich mich ihm gegenüber wieder wie ein Biest verhalten, damit er mich in Frieden lässt.

»Das stört mich nicht.«

Ich stelle die Pizza auf den Couchtisch und sehe ihn fragend an. »Kann ich Ihnen ein Glas Wein anbieten oder möchten Sie vielleicht ein Stück Pizza?«

»Wenn Sie eines entbehren können, denn ich habe zuletzt auf dem Flug hierher gegessen.«

»Ich hole Teller.«

»Und einem Glas Wein wäre ich auch nicht abgeneigt.«

»Ich hätte auch Bier da.«

»Auch davon würde ich eines nehmen.«

»Okay.« Ich gehe in die Küche. »Brauchen Sie Besteck?«

»Seit wann isst man Pizza mit Besteck?«

»Ich weiß doch nicht, wie Sie am Hof Ihre Pizza genießen.« Doch, ich weiß es und sie wird dort tatsächlich mit Messer und Gabel gegessen, was ich immer vollkommen daneben fand, auch heute noch. Ich hole zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank sowie zwei Teller aus dem Schrank, dann begebe ich mich zu ihm zurück. »Ich nehme an, Sie werden mit den Fingern essen.« Anschließend reiche ich ihm eine der Bierflaschen sowie einen Teller.

»Danke und ja, ich werde damit leben können.«

»Das ist sehr beruhigend.« Ich nehme wieder im Sessel Platz, schraube die Bierflasche auf und trinke einen Schluck, danach öffne ich die Pizzaschachtel. »Bedienen Sie sich, Euer Hoheit.«

»Vielleicht könnte ich heute Abend einfach nur Dacre sein? Es wäre mir lieber, als mit jemandem in meinem Alter förmlich zu sprechen.«

»Okay, Dacre.«

Einen Moment lang sieht er mich nachdenklich an. »Darf ich Sie Evelyn nennen?«, fragt er, nachdem er den Kopf geschüttelt hat, wohl um seine Gedanken zu vertreiben.

»Natürlich.«

»Danke, Evelyn.«

Ich lächle milde, dann nehme ich mir ein Stück Pizza, da er sich nicht bewegt. »Lassen Sie es sich schmecken.«

»Das werde ich versuchen«, erwidert er, als er die Pizza betrachtet.

»Es ist sicher kein Sternemenü, aber macht satt, und ich wette, Sie haben selten eine bessere Pizza gegessen, außer Sie waren schon mal in Italien«, lenke ich seine Aufmerksamkeit auf mich.

»Eine original italienische Pizza kann durch nichts in den Schatten gestellt werden.«

»Wohl wahr, aber wenn Sie sich jetzt kein Stück nehmen, werde ich diese Pizza allein essen.«

»Wollten wir uns nicht duzen?«

Ich seufze. »Dann nimm dir ein Stück oder ich esse sie allein.«

Dacre nimmt sich eines der Stücke von der wagenradgroßen Pizza und legt es auf seinen Teller. »Hast du vielleicht eine Serviette für mich?«

Ich deute auf eine silberne Box. »Nein, aber in der Box dort sind Taschentücher.«

»Danke.« Er öffnet sie und nimmt zwei heraus, die er auf seine Oberschenkel legt.

»Ich glaube, wenn du dich bekleckerst, würde niemand mit dir schimpfen«, sage ich amüsiert und beiße in mein Pizzastück.

»Nein, aber wenn ich nach Hause komme und nach Pizza rieche, würde mein Bruder mich wahrscheinlich erwürgen, weil er sich eher dafür begeistern kann als ich.«

Ich schmunzle. »Dann habe ich wohl den falschen Bruder zu Besuch.«

»Nun, bei Nicholas hast du keinen besonders guten Eindruck hinterlassen, nachdem du ihm damit gedroht hast, ihn bei der Presse als frivolen Lustknaben darzustellen.«

Diesmal muss ich lachen. »Ich wollte deinen Bruder loswerden, immerhin hat er mir unterstellt, dass ich mit der Presse telefoniert habe, obwohl ich nichts von dem mitbekommen habe, was ihr besprochen habt.«

»Nicholas ist recht panisch, seit seine letzte Affäre ein regelrechter Skandal wurde.«

»Tja, als zweiter in der Thronfolge sollte man sich nicht auf Pornodarstellerinnen einlassen«, sinniere ich.

»Woher weißt du das?«

»Meine Mutter verfolgt die Klatschnachrichten«, antworte ich. »Ich selbst bekomme so etwas immer nur am Rande mit oder sie erzählt es mir.«

»Aber gerade das hast du dir gemerkt?«

»Ich weiß auch, dass deine Verlobung mit dieser Gräfin geplatzt ist, weil sie ihren Pololehrer doch etwas besser kannte, als sie zugegeben hat.«

»Ja, das stimmt wohl. Marion war ihm sehr zugetan.«

»Das ist aber sehr nett ausgedrückt«, halte ich amüsiert dagegen.

»Ich drücke mich immer nett aus.« Endlich beißt auch er in sein Stück und ich bin froh, dass dadurch zumindest für ein paar Sekunden geschwiegen wird.

Ich gehöre nicht zu der besonders gesprächigen Sorte Mensch, was sich in den letzten Jahren entwickelt hat. Ich habe keine Freunde, weshalb ich es vorziehe zu schweigen. Zwar treffe ich mich gelegentlich mit ein paar Kommilitonen, aber dann lernen wir bloß miteinander. Meine damaligen Freunde habe ich gemeinsam mit dem Hof hinter mir gelassen – neue habe ich nie gefunden. Mit zehn war es schwer für mich, die Etikette abzulegen, weshalb ich schräg beäugt wurde, als ich auf die öffentliche Schule gewechselt hatte.

* * *

»Danke für die Pizza.«

»Gern.«

»Ich habe dir sicher nichts weggegessen?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein, ich hätte sowieso nicht mehr als die Hälfte geschafft und den Rest morgen weggeschmissen, weil ich sie schlichtweg vergessen hätte.«

Dacre trinkt einen Schluck Bier, den ersten, und verzieht das Gesicht. »Gott, das ist aber kein gutes Bier.«

»Es ist amerikanisches Bier und lässt sich nicht mit europäischem vergleichen«, sage ich amüsiert. »Wenn du willst, habe ich auch noch eine Flasche Rotwein da, aber ich glaube kaum, dass du Jahrgänge nach der Jahrtausendwende trinkst.«

»Ich wäre einem Versuch nicht abgeneigt, aber vorher werde ich das Bier austrinken, damit du es nicht wegschütten musst.«

Daraufhin hebe ich beeindruckt eine Augenbraue. »Du kümmerst dich wirklich darum, dass etwas nicht weggeschüttet wird?«

»Ich finde, dass ich das Bier trinken kann, wenn es nicht abgestanden ist.«

»Du kannst mir das Bier geben, ich hole den Wein.«

»Verträgst du denn so viel Alkohol?«

»Du würdest dich wundern, was ein Mädchen aus Groombridge alles verträgt.« Anschließend stehe ich auf und begebe mich in meine kleine Küche. Dort hole ich den Merlot aus dem Schrank, den ich vor einer gefühlten Ewigkeit gekauft habe, außerdem ein Weinglas und den Korkenzieher. Dann gehe ich zu ihm zurück.

»Ich denke, in der Zeit, in der der Wein dekantiert, werde ich das Bier trinken.«

»Du legst wirklich Wert darauf, dass der Wein erst mal atmet, bevor du ihn trinkst?«

»Erst dabei entfaltet er sein Aroma.«

Ich verdrehe die Augen, entkorke die Flasche und stelle sie neben sein Glas auf den Tisch. »Das heißt also, dass du mindestens noch eine Stunde da bist.«

»Falls dich meine Gesellschaft stört, werde ich gehen.«

»Du wolltest reden, also reden wir«, erwidere ich und ein weiteres Mal würde ich mir zu gern auf die Zunge beißen. Ich weiß, dass ich nichts mehr mit ihm oder seinem Bruder zu tun haben will, denn alles, was in den letzten Jahren passiert ist, hat meine Denkweise sehr beeinflusst. Wenn man mit dem einfachen Volk zusammentrifft und viel über die Brüder liest oder hört, verändert man seine Sicht der Dinge. Als Kind habe ich für Dacre geschwärmt – das würde ich immer noch, wenn nicht so viel vorgefallen wäre. Er hatte zahlreiche Affären, für viele Skandale gesorgt und alles in allem ist er nicht mehr der, den ich als Kind kannte. Jedoch bin ich auch nicht mehr die, die er gekannt hat. Ich weiß, dass ich mich nicht offenbaren darf, denn dann würde es mir wie ihm ergehen. Ich wäre die verlorene Prinzessin, die schnellstmöglich an den Königshof zitiert werden würde, außerdem würde sich die Presse auf mich stürzen.

* * *

Dacre hat mir in der letzten halben Stunde davon erzählt, wie schwer es für ihn ist, ein ganz normales Leben zu führen. Ständig wird er von Reportern verfolgt, in peinlichen Situationen fotografiert oder ihm werden Affären mit Frauen angedichtet, mit denen er bloß befreundet ist. Ich bin froh, all diese Probleme nicht zu haben, und meinem Vater einmal mehr dankbar.

»Was studierst du eigentlich?«, erkundige ich mich, als er erneut ausholen und eine weitere Geschichte über seine Zeit bei der Luftwaffe erzählen will.

»Ich studiere Jura. Nicholas Informatik.«

»Wofür studieren Prinzen eigentlich?«

»Um zu zeigen, dass auch wir normale Berufe ausüben würden, wären da nicht die Verpflichtungen, die unsere Titel mit sich bringen.«

Ich hebe eine Augenbraue und betrachte den Mann, der auf meiner Couch sitzt. Er ist groß, gut gebaut, seine Gesichtszüge sind äußerst maskulin und seine Augen so blau wie der tiefste Ozean. Er sieht zum Verlieben gut aus, aber das weiß er auch. Es gibt nichts Schlimmeres als einen Mann, der genau weiß, wie gut er bei der Frauenwelt ankommt. »Aber für ein Studium Geld auszugeben, das vom Volk kommt, ist in Ordnung?«

»Wir sind nicht vom Volk abhängig, unser Vermögen kommt aus anderen Quellen.«

»Und vom Volk«, rufe ich ihm ins Gedächtnis.

»Ich kann dir nicht genau sagen, worauf sich unser Vermögen aufbaut, aber es kommt sicher nicht nur vom Volk.«

Skeptisch beäuge ich ihn, doch sage ich nichts mehr zu dem Thema. Stattdessen schenke ich ihm ein Glas Wein ein. »Ich hoffe, er schmeckt dir besser als das Bier.«

»Das wird er sicher.« Er nimmt das Glas an sich und schwenkt den Wein, bevor er einen Schluck nimmt und ihn abschmeckt. »Es ist ein wirklich guter Wein.«

»Ja?«

»Ja, von welchem Weingut hast du ihn?«

Ich lache auf. »Aus dem nächsten Supermarkt, die Flasche hat vielleicht fünf Dollar gekostet.«

Er sieht mich verdutzt an. »Okay.«

»Gutes muss nicht immer teuer sein, Dacre.«

»Das sage ich doch gar nicht.«

»Aber sicher würde es so ein Wein nicht in den Weinkeller des Königshauses schaffen«, mutmaße ich.

»Solange meine Eltern die Weinvorräte kontrollieren, sicher nicht.«

»Vielleicht kann ich dir mal eine Kiste zuschicken und du schmuggelst sie dorthin«, schlage ich amüsiert vor.

»Darauf werde ich sicher zurückkommen.« Er lächelt und in diesem Augenblick schmilzt mein Herz dahin.

Als ich nichts sage, legt er den Kopf schief. »Ist alles in Ordnung, Evelyn?«

»Ja, sicher«, antworte ich und schüttle meinen Gedanken ab. »Was hat Nicholas und dich dazu bewegt, nach Boston zu kommen?«

»Wir wollten weg aus Großbritannien. Wir dachten, hier würden wir weniger verfolgt werden, aber wir haben uns getäuscht. Nachdem durchgesickert ist, dass wir in Harvard studieren werden, brach heute das Chaos aus. Ich bin froh, dass wir unsere Leibwächter dabei hatten, denn ohne sie wären wir aufgeschmissen gewesen.«

»Weil ihr überrannt wurdet«, stelle ich fest.

»Genau.«

Ich nicke knapp. »Damit hättet ihr rechnen müssen.«

Er seufzt resigniert. »Es wäre besser gewesen, wenn nichts durchgesickert wäre. Mein Vater hat extra dafür gesorgt, dass der gesamte Lehrkörper sowie die Universitätsleitung Schweigepflichterklärungen unterschreiben, und dann geht es derart schief.«

»Wisst ihr nicht, wer geplaudert hat?«

Daraufhin schüttelt Dacre den Kopf. »Leider nicht und werden es sicher nicht so schnell erfahren, denn die Person wird der Strafe entgehen wollen, die bei Verstoß fällig wird.«

»Wer würde dem nicht entgehen wollen?«, möchte ich wissen, denn ich weiß, was für horrende Beträge auf den Erklärungen meines Vaters stehen, wie sieht es dann erst beim Kronprinzen von Liechtenstein und seinem Zwillingsbruder aus? Sicher sind in ihrem Fall wesentlich höhere Summen fällig, wenn gegen die Schweigepflicht verstoßen wird.

»Ich denke, jeder würde sich davor drücken, solche Beträge spenden zu müssen, wenn er bloß das Gehalt eines Dozenten bekommt.«

»Oder eines Dekans.«

»Richtig.« Dacre wirft einen Blick auf die Uhr. Abgesehen von seinem maßgeschneiderten Anzug und dem teuren Schmuck, den er trägt, hat er überhaupt nichts Königliches an sich. Er wirkt wie ein normaler Geschäftsmann, auch wenn er mit seinen dreiundzwanzig Jahren zu jung für so einen Job ist.

* * *

Als ich einen Blick auf meine Armbanduhr werfe, fallen mir fast die Augen aus dem Kopf. Wir haben bis weit nach Mitternacht miteinander geredet, mehr über Belangloses als Gehaltvolles und ich bin müde. Außerdem muss ich in gut fünf Stunden wieder aufstehen, um es pünktlich in meine erste Vorlesung zu schaffen.

»Ich sollte gehen, es ist spät geworden«, unterbricht er die Achterbahnfahrt meiner Gedanken.

»Das wollte ich auch gerade vorschlagen, denn ich habe keinen royalen Hintern, der den Vorlesungen fernbleiben darf, weil er keine Lust hat«, scherze ich.

Er lacht verkniffen – heute wie damals scheint ihm mein Humor nicht zu bekommen, wobei ich als Kind einfach nicht lustig war. »Vielleicht sehen wir uns morgen auf dem Campus.«

»Gut möglich, ansonsten sehen wir uns, wenn wir uns sehen«, erwidere ich, als ich ihn zur Tür bringe.

»Es war ein sehr netter Abend. Danke dafür, Evelyn.«

»Gern, Dacre.« Ich öffne die Wohnungstür und er geht auf den Flur.

»Vielleicht kannst du mir morgen ein paar Tipps geben, wo ich hier guten Kaffee bekomme.«

»Die Kaffeewagen vor den Fakultäten verkaufen sehr guten Kaffee«, erwidere ich und ringe mir ein Lächeln ab. »Schlaf gut, Dacre.«

»Du auch.« Anschließend macht er sich auf den Weg zur Treppe.

Ich schaue ihm hinterher, bis er aus meinem Sichtfeld verschwunden ist, und seufze, als ich die Tür abschließe. Eigentlich müsste ich meinen Vater anrufen und ihn über alles informieren, das wir besprochen haben, doch möchte ich ihn nicht wecken. Er wird sicher nicht um sieben Uhr morgens am Frühstückstisch sitzen, denn mein Vater gehört zu den Langschläfern in der Familie – eine Eigenschaft, die ich von ihm geerbt habe.

* * *

Zwei

Müde, weil ich die halbe Nacht wachgelegen und nachgedacht habe, sitze ich in der Vorlesung. Ich wünschte, ich hätte Dacre nicht reingelassen, denn dann wäre ich jetzt ausgeschlafen.

Warum habe ich mich nur auf ein Gespräch mit ihm eingelassen?

Ich hätte wissen müssen, dass er nach einem Stück Pizza und einem Glas Wein nicht einfach gehen würde. Er hat sogar die ganze Weinflasche geleert, während ich ewig an meinem Bier genuckelt habe. Ich wäre froh gewesen, wenn er sich schon um zehn Uhr verabschiedet hätte, aber nein, es wurde zwei Uhr nachts. Um sieben klingelte mein Wecker mich erbarmungslos aus dem Bett, obwohl ich locker noch drei bis vier Stunden hätte schlafen können. Wenn ich nicht mindestens acht Stunden Schlaf pro Nacht bekomme, werde ich garstig. Ich bin dann eine Gefahr für jeden, der mich anspricht.

Es ist meine letzte Vorlesung für heute und ich bin froh, wenn sie vorbei ist. Danach muss ich einkaufen, da ich weder gestern noch am Samstag dazu gekommen bin, um wenigstens Kaffee, Brot und etwas Aufschnitt im Haus zu haben. Kochen kann ich nicht, obwohl ich es unbedingt lernen wollte, bevor ich nach Amerika ging, jedoch ließen meine Eltern es nicht zu, dass ich unserer Köchin über die Schulter gucke. Ja, sie wollten ein normales Leben fernab vom königlichen Hof, den Verpflichtungen und all den Fotografen und Reportern, die uns ständig aufgelauert haben, aber auf eine Köchin wollten sie nicht verzichten. Die Presse hat mich damals schon als künftige Königin Liechtensteins bezeichnet, weil Dacre und ich uns so gut verstanden, aber letztlich hatten wir uns nur aus dem Zwang, der mit unseren Titeln einherging, angefreundet. Mein Vater wollte Etienne und mich davor bewahren, nicht mehr alleine aus dem Haus gehen zu können. Wir brauchten ständig Leibwächter, also entschied er, dass es besser wäre, zu verschwinden.

Nur für einen Moment schließe ich die Augen und lege meinen Kopf auf meinen Unterarm. Ich sitze in der hintersten Reihe des Hörsaals, sodass mein Dozent mich nicht so leicht entdecken dürfte. Und wenn doch, gehe ich das Risiko ein, denn er weiß, dass ich sonst zu den besten Studenten des Kurses gehöre.

* * *

»Miss Miller?« Unsanft schüttelt mich jemand, dabei graben sich lange Finger in meinen Oberarm.

»Mhm.«

»Miss Miller, wachen Sie auf!«, ertönt es nun strenger.

Blinzelnd schlage ich die Augen auf und sehe in das erboste Gesicht meines Dozenten. »Oh, Fuck.«

»Ganz so hart würde ich es nicht ausdrücken, aber es steht fest, dass Sie mir erklären müssen, warum Sie eingeschlafen sind«, erwidert er.

Müde richte ich mich auf, schiebe meine Hand unter meinen dunkelbraunen Locken hindurch in meinen Nacken und reibe diesen nervös. »Ich habe letzte Nacht nicht besonders viel geschlafen, weil …«, fieberhaft suche ich nach einem Grund, »weil meine Nachbarn eine ziemlich laute Party gefeiert haben. Es tut mir leid, es wird nicht wieder vorkommen.«

»Haben Sie mitbekommen, dass ich Ihnen eine Hausaufgabe aufgegeben habe?«, möchte er wissen, während sich seine Gesichtszüge entspannen.

»Leider nicht.«

Daraufhin reicht er mir einen Notizzettel. »Das ist eine Ausnahme und ich hoffe, dass Sie nicht noch einmal einschlafen, Miss Miller.« Er betont meinen Namen so komisch, dass mir ein Schauer über den Rücken läuft.

»Es wird garantiert nicht mehr vorkommen«, entgegne ich entschuldigend, als ich den Zettel annehme und entfalte. Eine Hausaufgabe, die mich die nächsten freien Abende kosten wird, damit ich sie pünktlich in sechs Wochen abgeben kann.

Verdammt!

»In Ordnung.« Er lächelt mich an. »Bis Freitag, Miss Miller.«

»Bis dann«, erwidere ich, packe meine Sachen zusammen und schultere meinen Rucksack, anschließend verlasse ich fluchtartig den Hörsaal. Ich bin froh, dass ich montags nur zwei Vorlesungen habe, sodass ich den Tag noch anderweitig nutzen kann. Eilig mache ich mich auf den Weg zu meinem Auto, vorbei an der Menschentraube, die sich zweifellos um Dacre und seinen Bruder gebildet hat, allerdings vernehme ich meinen Namen.

Ich bleibe stehen und schaue mich um.

Dacre winkt mir zu.

Irritiert erwidere ich es, wende mich ab und setze meinen Weg fort.

»Evelyn, warte!«, ruft er mir hinterher.

Erneut stoppe ich und hoffe, dass mit ihm nicht eine Masse von heiratswilligen Studentinnen folgt.

»Hey«, sagt er, als er mich erreicht hat. »Ich wollte mich dafür entschuldigen, dass ich dich gestern so lange wachgehalten habe.« Auch er sieht müde aus, aber nicht annähernd so sehr, wie ich mich fühle.

»Schon okay«, winke ich ab. Ich sehe an ihm vorbei. Hinter ihm tuscheln die Frauen über uns – ich hebe eine Augenbraue.

»Vielleicht könnten wir am Wochenende miteinander ausgehen. Du könntest mir sicher ein paar Clubs zeigen, in denen es sich gut feiern lässt«, macht er mich auf sich aufmerksam.

»Ich habe eine ziemlich üble Hausaufgabe vor mir und glaube nicht, dass das etwas wird«, lehne ich ab.

»Ist sie komplett übergeschnappt? Der Kronprinz von Liechtenstein lädt sie zu einem Date ein und sie sagt ab?«, echauffiert sich jemand.

Er räuspert sich. »Vielleicht könnte ich dir dabei helfen?«

»Ich mache das lieber allein, aber danke.«

»Wie kann ich dich vom Gegenteil überzeugen?«, möchte er wissen.

»Leider gar nicht und ich muss jetzt wirklich los. Man sieht sich, Dacre.« Ich wende mich ab und eile zu meinem Auto, bevor er überhaupt auf die Idee kommen kann, mir zu folgen.

»Evelyn!«

Seufzend steige ich ein, starte den Motor und flüchte vor Dacre. Es war schon keine gute Idee, ihn in meine Wohnung zu lassen, aber auf dem Campus möchte ich möglichst nicht mit ihm gesehen werden. Ich muss unbedingt verhindern, dass Fotos von mir kursieren, denn zumindest meine Familie würde mich erkennen. Zweifelsohne würde man sogar auf die Idee kommen, nach mir zu suchen, eine Gesichtsalterungssoftware über Kinderfotos laufen lassen und zack, ich hätte gehörigen Ärger. Es ist ein etwas panischer Gedanke, aber wenn man die Presse kennt, weiß man, wozu diese Leute fähig sind.

* * *

Nach einem schnellen Einkauf, der aus wenigen Hygieneartikeln, Brot, Aufschnitt und einigen Fertiggerichten sowie Getränken besteht, bin ich zu Hause angekommen. Ich werde alles auspacken, wegräumen und dann mindestens zwei Stunden Schlaf nachholen, damit ich morgen nicht wieder in einer Vorlesung einschlafe.

Mein Handy klingelt, als ich gerade die Taschen auf die Anrichte in der Küche gehievt habe. »Hallo?«

»Spreche ich mit Evelyn Miller?«

»Wer spricht denn da?«, möchte ich wissen.

»Entschuldigen Sie, hier spricht Dacre Cunningham.«

Ich räuspere mich. »Du hast wirklich eine sehr krasse Neigung zum Stalking, weißt du das?«

»Du hast mir gestern Abend deine Nummer gegeben, weißt du das nicht mehr?«, möchte er wissen.

»Oh«, stoße ich verlegen aus. »Dann nehme ich meine Frage zurück.« Wie peinlich ist das denn? Wann habe ich ihm meine Nummer gegeben? »Was gibt’s denn?«

»Du hast mich vorhin so abrupt stehenlassen, dass ich noch mal nachfragen wollte, ob es wirklich gar keine Möglichkeit gibt, dass du irgendwann mal mit mir ausgehst?«

Mit einem tiefen Atemzug mache ich mir Mut. »Dacre, ich weiß nicht, warum ich mit dir ausgehen sollte.«

»Weil wir uns gut verstehen.«

»Das ist nicht wirklich ein Grund.«

»Ich interessiere mich für dich«, erwidert er, was mir die Sprache verschlägt. »Evelyn?«

Kopfschüttelnd fange ich mich. »Ja?«

»Würdest du mit mir ausgehen?«

»Nein, tut mir leid.«

»Warum nicht?«, hakt er nach. Scheiße, warum kann er denn nicht hinnehmen, dass ich kein Interesse an einem Date mit ihm habe?

»Weil wir beide in verschiedenen Welten leben, Dacre. Du sitzt in deinem royalen, goldenen Käfig, aber ich genieße meine Freiheit. Du wirst von Reportern und Paparazzi verfolgt; ich habe meine Ruhe. Ich will nicht verfolgt werden, weil ich einmal mit dir ausgegangen bin«, entgegne ich entschieden.

»Und wenn ich dir garantiere, dass wir nicht gesehen werden?«

Meine Augenbraue flippt in die Höhe. »Wie willst du das anstellen?«

»Ich habe da so ein paar Möglichkeiten.«

»Mhm.«

»Also, wie sieht’s aus?«

Daraufhin seufze ich schwer. »Unter einer Bedingung.«

»Die wäre?«, fragt er seltsam interessiert.

»Du wirst weder deinen Charme spielen lassen noch versuchen, mich rumzukriegen.«

Ein Schnauben, ob amüsiert oder erbost kann ich nicht einschätzen. »Das werde ich nicht, keine Sorge.«

»Okay, dann gehe ich mit dir aus, aber wehe wir werden verfolgt oder da ist eine Horde Menschen, die uns belagert.«

»Ich sagte doch, dass ich dir garantiere, dass nichts dergleichen passieren wird.«

»Gut.«

»Würde es dir Freitagabend passen?«, erkundigt er sich.

»Ja, aber lass uns vorher noch mal telefonieren.«

»Ganz wie du möchtest, Evelyn.«

Ich räuspere mich. »Sei mir nicht böse, aber ich muss die königliche Hoheit jetzt abwürgen, weil ich meine Einkäufe ausräumen muss und mich danach noch etwas hinlegen will.«

»In Ordnung. Wir unterhalten uns in den kommenden Tagen und ich schicke dir am Freitag jemanden, der dich abholt.«

»Okay, aber lass uns das besprechen, wenn es so weit ist.«

»Na dann, einen schönen Tag, Evelyn.«

»Dir auch, Dacre.«

»Danke sehr.«

Ich beende das Gespräch, lege mein Handy auf die Anrichte und packe den Einkauf aus.

Warum habe ich mich nur auf dieses bescheuerte Date eingelassen?

Okay, keine Panik, ich kann es immer noch absagen. Schlimmstenfalls werde ich Freitag die Uni schwänzen und ihm erzählen, dass ich eine Magenverstimmung habe, vielleicht sogar eine Magen-Darm-Grippe, damit es so richtig peinlich für mich wird und er angewidert ist. Ich meine, ich könnte ihm auch erzählen, dass ich von meiner letzten Affäre einen Tripper habe und mich ungern die ganze Zeit im Schritt kratzen würde, aber ganz so weit möchte ich dann doch nicht gehen. Das wäre zu krass und ich will ihn nur einmalig loswerden, nicht bis in alle Ewigkeit vertreiben. Ich erschrecke vor meinen Gedanken: Ihn einmalig loswerden und nicht dauerhaft vertreiben? Das kann doch nicht der Ernst meines Unterbewusstseins sein!

Als ich fertig bin, räume ich die Papiertüten weg und gehe ins Bad. Ich befreie mein Gesicht vom Make-up, kämme meine dunkelbraunen Locken, schließlich begebe ich mich ins Schlafzimmer. Ich ziehe meine Jeans und das Top aus, dann lege ich mich in Unterwäsche ins Bett.

Zwar kreisen meine Gedanken noch ein wenig, doch zwinge ich mich, sie zu ignorieren, um endlich etwas Schlaf nachholen zu können.

* * *

Wildes Sturmklingeln an der Tür weckt mich. »Ich komme ja schon«, brumme ich der hysterischen Klingel entgegen, schlüpfe in meinen knielangen, dunkelblauen Satinmorgenmantel und gehe an die Wohnungstür, die ich öffne.

Dacre schiebt sich an mir vorbei in meine Wohnung. »Sorry, ich war in der Nähe und wollte dir die hier bringen, da sprang schon ein Paparazzo aus dem Gebüsch und verfolgte mich gemeinsam mit ein paar Kollegen.«

Müde starre ich erst ihn, dann die roten Rosen in seiner Hand an. »Warum warst du ohne Leibwächter unterwegs?«

»Ich brauchte etwas Zeit für mich.«

»Mitten in Boston, wo jeder dich kennt und du kommst ausgerechnet zu mir«, stelle ich verschlafen fest.

»Sie sind eine Entschädigung dafür, dass ich dich gestern so lange wachgehalten habe.«

Lächelnd nehme ich den Strauß entgegen, den er mir überreicht. »Danke.«

Er erwidert mein Lächeln.

»Möchtest du vielleicht bleiben und warten, bis sich die Situation beruhigt hat, oder jemanden anrufen, damit du abgeholt wirst?«, möchte ich wissen. »Oder möchtest du erst mal etwas trinken?«

»Ein Glas Wasser wäre sehr nett.«

»Ich hole dir eines.« Ich wende mich ab, gehe in die Küche und anhand der Schritte weiß ich, dass er mir folgt.

»Möchtest du dir vielleicht etwas Anderes anziehen?«

Ich sehe an mir herunter. »Wenn es dich so sehr stört, werde ich das tun, sobald du dein Wasser hast.«

»Mich stört es nicht, aber womöglich fühlst du dich in meiner Gegenwart unwohl, wenn du so knapp bekleidet bist.«

Ich schnaube amüsiert. »Damit kann ich leben, aber ich werde mir gleich etwas anziehen, damit Euer Majestät nicht rot werden.«

Er lacht leise. »Es stört mich wirklich nicht, wenn du in diesem Aufzug bist, immerhin sind wir in deiner Wohnung.«

Ich hole eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und drehe mich zu ihm um, dabei betrachte ich ihn aus leicht verengten Augen und mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen. »Ich werde mir etwas anziehen.«

»Sicher?«, raunt er, womit er mir einen Schauer über den Rücken jagt.

»Sehr sicher.« Vielleicht träume ich das Ganze, was toll wäre, denn dann wäre es mir hinterher nicht peinlich, aber um sicherzugehen, stoße ich mir absichtlich das Knie am Küchenschrank. »Fuck«, fluche ich und weiß sofort, dass ich definitiv wach bin.

»Hast du dich verletzt?«

»Nein, bloß das Knie gestoßen. Sonst ist nichts passiert.«

»Okay.«

Ich schiebe ihm sein Glas Wasser zu. »Ich gehe mir etwas anziehen.«

»Ich werde mich ins Wohnzimmer setzen und meinen Leibwächter anrufen, damit er mich gleich abholen.«

»Mach das.« Mit diesen Worten bin ich bereits in mein Schlafzimmer verschwunden. Die Tür lehne ich hinter mir an, obwohl er es vom Wohnzimmer aus nicht einsehen kann, dann lasse ich den Morgenmantel fallen. Ich winde mich in Hotpants und ein Top, anschließend kämme ich meine Locken und bändige sie mit einem Haarband, mit dem ich sie zu einem Dutt binde.

»Ich werde gleich abgeholt«, sagt Dacre, als ich zu ihm gehe. Nickend setze ich mich auf die Couch, greife zur Fernbedienung und schalte den Fernseher ein.

»Es tut mir leid, dass ich dich geweckt habe«, macht er mich auf sich aufmerksam.

Ich schaue zu ihm. »Nicht schlimm. Ich sollte sowieso die Nächte und nicht die Tage zum Schlafen nutzen.«

Er sieht sich um. »Du hast eine sehr hübsche Wohnung.«

»Danke.«

»Gehört sie dir?«

»Du meinst, ob ich die Eigentümerin bin?«

»Ja, genau das meine ich.«

Daraufhin schüttle ich den Kopf. »Nein, ich wohne hier zur Miete, da ich nach dem Studium nicht in den Staaten bleibe.« Eine weitere Lüge, aber ich bezweifle, dass er mir glauben würde, dass ein einfaches Mädchen beziehungsweise ein einfacher Mann aus Groombridge eine Wohnung in so guter Gegend bezahlen kann.

»Wohin geht’s dann?«

»Ich werde zurück nach Hause gehen.«

»Groombridge, richtig?«

»Richtig.«

»Ich wünschte, ich könnte nach dem Studium hierbleiben, aber ich muss zurück nach Liechtenstein.«

»Die Welt regieren?«

»Ich bin nicht scharf auf die Welt, mir reicht das, was mich erwartet«, sagt er mit eigenartig düsterer Miene.

Ich hebe eine Augenbraue. »Es ist mehr, als manche sich erträumen würden.«

»Würdest du von einem goldenen Käfig träumen, wenn du die Wahl zwischen royaler Gefangenschaft und bürgerlicher Freiheit hättest?«, möchte er wissen, dabei sieht er mich fragend an.

Nachdenklich atme ich durch. Ich kann ihm schlecht sagen, dass meine Familie und ich aus dem goldenen Käfig ausgebrochen sind, in den der Adel uns einsperrte. Wahrscheinlich würde er es mir nicht einmal glauben.

»Evelyn?«

Ich räuspere mich. »Ich denke, ich würde die Freiheit vorziehen.«

»Würde ich auch, wenn es mir möglich wäre.«

»Aber überleg mal, was du alles verändern könntest«, wende ich ein.

Nun ist es an ihm, die Augenbraue zu heben. »Was könnte ich denn verändern?«

»Eine ganze Menge. Immerhin bist du nicht nur ein repräsentativer Monarch, sondern wirst als König eine Menge zu sagen haben.«

»Aber was soll ich verändern?«

»Dacre, ich weiß nicht, wie es in Liechtenstein läuft, aber dir wird sicher einiges einfallen, das du besser als deine Eltern machen willst.«

»Ich werde erst gekrönt, wenn ich eine Adlige geheiratet habe.«

»Warum?«

»Weil es das Gesetz vorschreibt, dass König und Königin gemeinsam den Thron besteigen.«

»Wer hat denn dieses Gesetz erlassen?«, hake ich irritiert nach.

»Mein Vater, um meinen Bruder und mich daran zu hindern, uns auf Bürgerlichen einzulassen.«

Ich schnaube amüsiert. »Ich habe selten so einen Quatsch gehört.«

»Tja, ich habe ihn auch nur dieses eine Mal gehört.« Er verzieht seine wundervoll geschwungenen Lippen zu einem Lächeln.

Halt!

Stopp!

Was denke ich denn da?

Er verzieht seine Lippen zu einem Lächeln, keine wundervoll geschwungenen, denn ich interessiere mich nicht für ihn. Er ist nur ein Mann, der in meinem Wohnzimmer sitzt und rein zufällig der Kronprinz von Liechtenstein ist.

»Und was passiert, wenn du keine Adlige findest?«

»Zwangsheirat, denke ich. Aber leider werden meine Eltern dann meine Braut aussuchen und ich bezweifle, dass die Dame sich widersetzen wird, wenn sie weiß, dass der liechtensteinische Thron auf sie wartet«, sagt er nachdenklich.

»Du weißt nicht, wie die Prinzessinnen dieser Welt ticken«, wende ich erneut ein.

Er räuspert sich. »Es gab eine einzige Prinzessin, bei der ich eine Heirat in Erwägung gezogen hätte, aber sie ist seit einer Weile unerreichbar für mich.«

Ein weiteres Mal in kürzester Zeit wandert meine Augenbraue in die Höhe. »Wer war sie?«

»Meine Sandkastenliebe.«

»Und ihr Name?«

»Rowena Elisabeth Maribel Eleonore Beauchamp-DeVille.«

Jetzt bleib bloß stark und behalt das Bitchface, lass nur nicht deine Fassade bröckeln, tadle ich mich im Stillen. Ich kann ihm schlecht sagen, dass ich diejenige bin, von der er sich vorstellt, sein Leben mit ihr verbringen zu können. »Nie von ihr gehört.«

»Dabei bist du doch aus England.«

»Und?«, hake ich desinteressiert nach, um mich nicht zu verraten.

Er seufzt schwer. »Als sie zehn oder elf war, ist sie plötzlich verschwunden. Na ja, ihre ganze Familie verschwand damals plötzlich und bis heute hat niemand sie gefunden.«

»Mhm«, stoße ich aus. »Was soll man dazu sagen?«

Dacre zuckt mit den Schultern. »Dazu kann man nichts sagen.«

»Hat man denn nach ihr oder ihrer Familie gesucht?«

Daraufhin nickt er. »Ich habe jahrelang versucht, meine damalige beste Freundin zu finden, aber ich bin immer wieder gescheitert. Ob es Ämter oder Detektive waren, niemand hat sie je gefunden.« Er atmet tief durch. »Vielleicht hat Lord Beauchamp-DeVille Bestechungsgelder gezahlt, damit sie nicht gefunden werden. Ich weiß es nicht.«

»Du hättest doch sicher mehr als er gezahlt.«

»Hätte ich Zugriff auf das Vermögen meiner Familie gehabt, hätte ich das wohl getan.«

Ich nicke knapp und tief in meinem Innersten bin ich erleichtert, dass Dacre nicht die Gelegenheit bekommen hat, intensiver nach mir zu suchen.

Aber wie konnte er Detektive bezahlen, wenn er keinen Zugriff auf das Vermögen seiner Familie hatte?

Vielleicht waren es Peanuts für ihn, die er von seinem Taschengeld bezahlen konnte, oder er schaffte es auf einem anderen Weg, an das Geld zu kommen.

»Wie dem auch sei. Rowena ist nur noch eine Erinnerung, eine schöne Erinnerung, aber sie wird sicher nie wieder leibhaftig vor mir stehen«, sinniert er.

»Wer weiß«, sage ich leise.

»Wie meinst du das?«

Ich seufze schwer. »Du weißt nicht, ob das Schicksal euch wieder zusammenführen wird. Sag niemals nie.« Anschließend ringe ich mir ein Lächeln ab, das jäh erfriert, als es an der Tür klopft. »Das wird wohl dein Bodyguard sein.«

»Ich glaube auch.«

Wir erheben uns und gehen gemeinsam zur Wohnungstür.

»Wer ist da?«, frage ich trotzdem durch die geschlossene Wohnungstür.

»Kingston mein Name, ist seine königliche Hoheit bei Ihnen?«

Ich sehe Dacre amüsiert an. »Euer Hoheit, Euer Geleit ist eingetroffen.« Dann öffne ich die Tür und mache Dacre Platz.

»Danke, dass Sie mich abholen, Jasper.«

Dieser nickt ihm zu. »Hoheit.«

Dacre verlässt meine Wohnung, auf dem Flur dreht er sich zu mir um. »Danke, dass du mir Obdach gewährt hast, während ich auf ihn warten musste.«

»Gern«, erwidere ich mit einem aufrichtigen Lächeln auf den Lippen.

Er nickt mir zu, anschließend machen sie sich auf den Weg nach unten.