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Das Buch enthält 19 Erlebnisberichte mit zusammen 34 Farbfotos. Schroff beieinander stehen bedeutende Orte der Menschheit und die einfachen Felsen und Bäume der Nachbarschaft: Galway in Irland, der Ganges mit den Ghats von Varanasi, Sarnath, Calw, Nonnenhorn, der Tai Shan, heiliger Berg der Daoisten, die Kastalische Quelle von Delphi, Tübingen, Hue (Vietnam), eine Busfahrt durch das Hügelland von Laos, Maya-Ruinen, eine Wanderung zum Wolkenfels auf Gran Canaria, die Mitternachtssonne auf einer Reise zum Nordkap, der Tag einer Alpenüberquerung zu Fuß, eine marokkanische Königsstadt und noch anderes mehr ... Aus dem Vorwort: „Weshalb bin ich so gern unterwegs? Weil im Alltag das Leben verkrustet. Sich aufzumachen, ist eine Entschlackungskur. Wie viel meiner Zeit verbringe ich vor einem Schirm und in den Untiefen einer Welt aus zweiter Hand! Hinauszugehen und hinter Bildschirm und Büchern die wirkliche Welt zu sehen und zu spüren, die Normalität der Wolken, der Berge, der Vögel und Blumen, das unmittelbar-wirkliche Leid, das unmittelbar-wirkliche Glück ... Das Wohin ist fast gleichgültig. Es ist das Gehen selbst, die Verbindung des Atems mit dem offenen Himmel, die Berührung von Haut und Wind, die Empfindung des Bodens beim Aufsetzen der Füße mitten in der flutenden Kraft unserer Sonne. Je schmaler der Weg, umso besser. Ab und zu sind Sachtexte ergänzt, zur Einordnung des Erlebten. Fotos helfen der Vorstellungskraft. Und Haiku zwischen Prosa und Bildern konzentrieren, als Momentaufnahmen, die Augenblicke noch mehr. Freuen würde ich mich, wenn es den Texten gelänge, einen Eindruck von der Weite der Welt zu vermitteln, von ihrer Tiefe, von ihrer Einfachheit und den unermesslich vielen Variationen des Seins. Ganz besonders freuen würde ich mich, wenn sich Augenblicke auftun, in denen sich die Seiten des Buchs beleben.“
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Volker Friebel
Im ausgewilderten Licht
Orte und Wanderungen
Edition Blaue Felder
Impressum
EditionBlaue Felder,Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)www.Blaue-Felder.de
Texte, Fotos und Gestaltung: Volker Friebel
Mit 34 Farbfotos
Das Umschlagfoto zeigt die Morgensonne am Österberg, Tübingen ISBN eBuch: 978-3-936487-99-2
ISBN PapierBuch: 978-3-936487-98-5
Veröffentlichung: Oktober 2015
Alle Rechte vorbehalten
Für Elisabeth,
die in jeder Zeile dieses Buchs enthalten ist.
Inhalt
Vorwort
Wanderung an die Kastalische Quelle
Galway
Zum Wolkenfels
Nonnenhorn
Morgendämmerung auf dem Ganges
Morgendlicher Gang durch Varanasi
Sarnath
Winterwanderung vom Ipf nach Neresheim
Der Tai Shan
Busfahrt durch Laos
Mitternachtssonne
Von der Memminger Hütte nach Zams im Inntal
Knulps Augen
Hue
Tulúm
Palenque
Von Stein am Rhein nach Hüttwilen
Fès
Auf der Mauer am Neckar
Zu Buch und Autor
Schroff beieinander stehen in diesem Buch bedeutende Orte der Menschheit, wie der Ganges mit den Ghats von Varanasi, der Tai Shan, heiliger Berg der Daoisten, oder die Kastalische Quelle von Delphi – und die einfachen Felsen und Bäume am Wegesrand beim Gang durch die Nachbarschaft.
In einer Blume zeigt sich die Welt, in einem Sandkorn, in einem Blitz, im langsamen Zug der Wolken über das Gebirge. Und überall bin ich zu Hause, bei den Gräsern am Pfad und dem Kiesel, den ich am Fluss auflese und zwischen den Fingern spüre, beim Gang durch Sarnath, wo der historische Buddha seine erste Rede hielt, beim Aufstieg mit Knulp von Calw zur Krokusblüte bei Zavelstein.
Weshalb bin ich so gern unterwegs? Weil im Alltag das Leben verkrustet. Sich aufzumachen, ist eine Entschlackungskur. Wie viel meiner Zeit verbringe ich vor einem Schirm und in den Untiefen einer Welt aus zweiter Hand! Hinauszugehen und hinter Bildschirm und Büchern die wirkliche Welt zu sehen und zu spüren, die Normalität der Wolken, der Berge, der Vögel und Blumen, das unmittelbar-wirkliche Leid, das unmittelbar-wirkliche Glück ...
In meinem Arbeitszimmer hängt ein Zitat: „So wenig als möglich sitzen; keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung, – in dem nicht auch die Muskeln ein Fest feiern. Alle Vorurtheile kommen aus den Eingeweiden. – Das Sitzfleisch – ich sagte es schon einmal – die eigentliche Sünde wider den heiligen Geist. –“ (Friedrich Nietzsche, in seiner allerdings ‚verrückten‘ Autobiografie.)
Das Wohin ist fast gleichgültig. Es ist das Gehen selbst, die Verbindung des Atems mit dem offenen Himmel, die Berührung von Haut und Wind, die Empfindung des Bodens beim Aufsetzen der Füße mitten in der flutenden Kraft unserer Sonne. Je schmaler der Weg, umso besser.
Manche sind immer dort. Manche pendeln hin und her. Wer immer unterwegs ist, dem wird die Hauslosigkeit sein Haus. Mir selbst ist eben die Bewegung zwischen den Zuständen das Wichtige, der Bewegung wegen, mehr aber noch, um die Zustände von außen betrachten zu können und nicht, um sich aus dem Gehen einen neuen zu machen.
Wir erinnern nicht Jahre, sondern Momente. Ich habe mich deshalb entschlossen, meine Notizen nicht zu umfassenden Reiseberichten oder Romanen auszuarbeiten, sondern so zu schreiben, wie sich Gefährten einander erzählen.
Wenn Menschen einen Berg betrachten, erlebt jeder ihn anders und wird ihn anders beschreiben. Wir leben in einer gemeinsamen Welt, doch jeder dichtet sie sich anders zurecht. Mich hat diese Verschiedenheit immer gefreut – und gefreut auch, wie sie wieder in ein Gemeinsames mündet und jeden bereichert, wenn wir unsere Geschichten teilen.
Schon immer zog ich eine dichterische Sprache vor und bleibe nun eben dabei. Ab und zu ergänze ich Sachtexte, zur Einordnung des Erlebten. Fotos helfen der Vorstellungskraft. Und Haiku zwischen Prosa und Bildern konzentrieren, als Momentaufnahmen, die Augenblicke noch mehr.
Freuen würde ich mich, wenn es den Texten gelänge, einen Eindruck von der Weite der Welt zu vermitteln, von ihrer Tiefe, von ihrer Einfachheit und den unermesslich vielen Variationen des Seins. Ganz besonders freuen würde ich mich, wenn sich Augenblicke auftun, in denen sich die Seiten des Buchs beleben.
Volker Friebel
Tübingen
Über die blaue Fläche des Golfs von Korinth tanzen Wellen heran. Früher brachten sie Schiffe mit, die landeten im Hafen von Kirra, und Pilger begannen hier ihren Aufstieg, den Hang des Parnass hoch, nach Delphi.
Die Gaben für den Gott bleiben schon viele Jahrhunderte aus. Der Hafen ist verschwunden, die Wellen verlaufen sich an einem leeren Strand. Sandkörner spülen sie an und Schalen von Muscheln.
Doch das Meer erzählt dieselben Geschichten wie damals.
Ein Stückchen weiter westlich am Strand haben die Menschen neu gebaut: das Städtchen Itea. Nun, während der Osterfeiertage, sind die Gassen fast leer.
Weiße Wäsche
im Wind vom Meer. Ein Hahn kräht
in das Gleißen.
Wir machen uns auf. Die Straßen des Städtchens. Dann Wirtschaftswege. Die Ebene vor dem Gebirge nimmt ein weitläufiger Olivenhain ein. Unsere Schritte könnten Gebete sein.
Im Olivenhain
mit der Stille – ein Kätzchen verbirgt sich
im hohen Gras.
Aufgehalten
von einer Nachtigall – die Pilger lauschen
dem Wind.
Von fern drängt der Klang einer Motorsäge.
Vom Sträßchen der Olivenbauern zweigt ein Fußpfad ab in die Höhe. Wir gehen auf Erde und Stein, zwischen Blumen. Der Frühling lockt alle Farben aus dem Boden, wo sie der Sommer verbrennen wird.
Affodill schwankt.
Wir steigen den Bergpfad hoch,
mit dem Wind.
Asphodelus albus. Leicht giftig. Die Todesblume. Auf der Asphodelenwiese des Hades halten sich die Schatten der Verstorbenen auf. Ich streiche mit den Fingern über die Blüten und denke an die Toten meines Lebens.
Riesenfenchel blüht.
Wir rasten im Schatten
des Windes.
Prometheus, so berichtet Hesiod im achten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, hat aus der Schmiede des Gottes Hephaistos das Feuer gestohlen und zu den Menschen gebracht, verborgen im Mark eines Riesenfenchels.
Auch der Thyrsosstab war aus dem Stängel des Riesenfenchels gemacht und mit Bändern, Efeu, Weinlaub und einem Pinienzapfen geschmückt. Ihn in der Hand liefen die Mänaden den Hang des Parnass hoch zur Korykischen Grotte und den Festen des Dionysos.
Wir rasten an einer kleinen Kirche am Bergpfad und entzünden einen vorjährigen Stängel. Pusten, pusten, stärker pusten! Langsam frisst sich die Glut durch das verholzte Mark.
Wie haben die Menschen das Feuer genutzt? Wir wollen es hoch nach Delphi tragen, zu den Göttern zurück.
Weiße Gesichter
von Blumen. Die Schritte der Pilger –
vorbei.
Hang des Parnass.
Über Ziegen
die Himmelsweide.
Rast in Chrisso.
Auf dem Dorfplatz die Versammlung
der Sonnenschirme.
Der alte Konkurrent von Delphi, Homer zufolge im 14. oder 15. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung von Kretern gegründet, später von Phokern bewohnt, wurde im Ersten Heiligen Krieg der Schutzstädte Delphis 590 Jahre vor Christus zerstört. Angeblich soll die Stadt von den Pilgern Wegzoll verlangt haben.
Heute glucksen wieder die Brunnen. Das Schild am Gitter zeigt ein Osterei. Es ist der 18. April, Karfreitag.
Wir rücken Tische und Stühle zusammen und trinken einen Kaffee. Die Wirtin legt Naschwerk dazu. Der Wirt winkt uns beim Aufbruch nach.
Uralter Pilgerpfad.
Ein Maschendrahtzahn,
verrostet.
Hinter dem Maschendraht
Kamillenduft.
Ein Hund knurrt hindurch.
Pfad nach Delphi.
Ein toter Baum, inmitten
von Blumen.