John Sinclair 2280 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2280 E-Book

Rafael Marques

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Schon mein gesamtes berufliches Leben lang war ich immer wieder darin untergebracht. Ich kannte luxuriöse Hotels mit Glamour und Pomp, normale, funktionelle Hotels, mit sauber eingerichteten Zimmern. Es gab außerdem die Absteigen, die anrüchigen und jene, die Kriminelle für ihre schmutzigen Geschäfte nutzten.
Dann gab es ein weiteres. Das Hotel zur Hölle. Und ich wurde gezwungen, dort ein Zimmer zu nehmen ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 159

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Hotel zur Hölle

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Hotel zur Hölle

von Chris Steinberger und Rafael Marques

You can check out any time you like,

But you can never leave!

(Eagles, Hotel California)

Schon mein gesamtes berufliches Leben lang war ich immer wieder darin untergebracht. Ich kannte luxuriöse Hotels mit Glamour und Pomp, normale, funktionelle Hotels, mit sauber eingerichteten Zimmern. Es gab außerdem die Absteigen, die anrüchigen und jene, die Kriminelle für ihre schmutzigen Geschäfte nutzten.

Dann gab es ein weiteres. Das Hotel zur Hölle. Und ich wurde gezwungen, dort ein Zimmer zu nehmen ...

»Verdammt, verdammt, verdammt ...«, flüsterte der Mann, als er vor der mit Gold vertäfelten Tür stand, nur einen Schritt davon entfernt, womöglich den größten Fehler seines Lebens zu begehen. Oder endlich seinen größten Wunsch erfüllt zu bekommen, was in diesem Fall so ziemlich auf dasselbe hinauslief.

Barclay Hollister war Diplomat für besondere Aufgaben im amerikanischen Konsulat und hatte in seiner Position Kontakt zu einer Vielzahl wichtiger, reicher und auch zwielichtiger Personen.

In seinem Metier durfte man niemandem trauen, das wusste Hollister nur zu genau, und dennoch hatte er sich auf dieses Geschäft eingelassen.

Er würde sich also für eine ganz spezielle Waffenlieferung an den Warlord eines post-sowjetischen Zwergstaats einsetzen. Im Gegenzug erhielt er die einmalige Möglichkeit, in die Vergangenheit zu reisen und seine tote Frau noch einmal wiederzusehen.

»Sie sind also der Herr, der unser besonderes Vergangenheits-Zimmer gebucht hat?«

Auf diese Art hatte ihn der seltsame Concierge empfangen und ihm zugleich klargemacht, dass jede Person in diesem verfluchten Hotel alles war, nur kein Mensch.

Nach einem Drink in der wie geleckt wirkenden Bar hatte man ihn zu seinem Zimmer geführt. Und jetzt stand er da, zweifelnd, ob er das wirklich durchziehen sollte.

Barclay Hollister war ein Mann, der mitten im Leben stand. Ende 40, graubraunes Haar und grüne Augen (ein Vermächtnis seiner irischen Vorfahren), für sein Alter sehr gut trainiert und finanziell völlig abgesichert. Ein erfolgreicher Karrieretyp, so sagte man ihm zumindest in diplomatischen Kreisen nach. Hollisters Vorliebe für extravagante Brioni-Anzüge und Rolls-Royce war bekannt. Er war der amerikanische Gentleman.

Genauso gab er sich auch bis heute, allerdings war er in Wahrheit von einer unendlichen Leere gefüllt, seit seine Frau Melanie vor zwei Jahren bei einem schrecklichen Brand ums Leben gekommen war. Seitdem lebte er nur noch in den Tag hinein, unfähig, für jemand anderen dasselbe zu empfinden wie für Melanie. Für Selbstmord fehlte ihm jedoch der Mut.

»Mel«, murmelte er. »Mel.«

Tränen traten in seine Augen. Es gab nichts, was er sich mehr wünschte, als sie noch einmal in seine Arme zu schließen, um ihr all das zu sagen, was er immer gefühlt, aber nie ausgesprochen hatte.

Natürlich war ihm bewusst, dass der geheimnisvolle Mann, durch den er überhaupt erst an diesen Ort geraten war, das Wissen über seine innersten Träume irgendwoher bezogen haben musste. Wahrscheinlich von Hollisters Eltern, die in einem Seniorenheim in Vermont lebten und nicht mehr ganz klar bei Verstand waren.

Diesem Mann war auf keinen Fall zu trauen, andererseits zweifelte Hollister keineswegs an der Wahrhaftigkeit des Angebots. Wer bot schon jemandem eine Zeitreise an, wenn er nicht auch dazu in der Lage war?

Nein, es gab kein Zurück mehr. Kein Zweifeln, keine innere Zwiesprache. Er hatte diesen Schritt gewagt, und wenn er jetzt den Schwanz einzog, würde sich das nicht gut auf seine körperliche Unversehrtheit auswirken. Das musste er ebenfalls bedenken, immerhin machte er mit einem Mann Geschäfte, der zu allem fähig war.

Barclay Hollister nahm einen der beiden Schlüssel, die man ihm ausgehändigt hatte, aus seinem Jackett und legte die freie Hand vorsichtig auf die Tür. Er atmete noch einmal tief durch, dann schob er den Bart langsam in das Schloss. Etwas knackte, und einen Moment später ließ sich der Schlüssel ganz leicht herumdrehen. Vorsichtig schob Hollister die Tür auf und trat über die Schwelle.

Im nächsten Augenblick wurde er von unzähligen unsichtbaren Händen gepackt und in die Dunkelheit hineingerissen. Er wollte schreien, brachte aber keinen Ton mehr hervor, und als die Tür hinter ihm zuschlug, verlor er das Bewusstsein.

Der Sektkorken knallte mit voller Wucht gegen die Decke der schneeweißen Stretch-Limousine. Von dort prallte er ab und landete auf der Stirn des jungen Mannes, der auf den komfortablen Ledersitzen gegenüber der Mini-Bar Platz genommen hatte.

Unter lautem Jubel wurde der Korken vom Boden aufgehoben und wild durch den breiten Fond der Luxus-Karosse geworfen. Wer den Korken abbekam, hob ihn wieder auf und schleuderte ihn ausgelassen zurück. Dass der teure Champagner zwischenzeitlich zu großen Teilen aus der bunten Flasche lief, schien keinen der fünf Freunde ernsthaft zu stören.

Der großgewachsene junge Mann mit den rabenschwarzen Haaren war zufrieden. Er verstaute die Flasche zwischen den Beinen und wischte sich die Hände an seiner Hose ab. Lauthals bat er um Ruhe und ließ sich fünf Gläser geben, die er mit dem Rest des perlenden Schaumweins befüllte. Jedem der Insassen drückte er einen Sektkelch in die Hand und erhob schließlich feierlich sein Glas.

»Meine Freunde!«, rief er. »Das war erst der Auftakt zu einer Nacht, die ihr nie vergessen werdet. Anlässlich meines 21. Geburtstages machen wir heute eine Sause, die alles in den Schatten stellen wird, was ihr jemals erlebt habt.«

Die vier jungen Männer, die allesamt schicke, teure Anzüge trugen, applaudierten, stießen an und tranken auf das Wohl des Geburtstagskindes.

Alexander ließ sich feiern und genoss die Aufmerksamkeit. Er hatte einen Ruf zu verlieren und wollte seinen Freunden heute Abend etwas Besonderes bieten. Etwas, das noch keiner von ihnen, einschließlich ihm selbst, je erlebt hatte. Der Besuch in einem der mondänen Londoner Nightclubs, wo sie die letzten Stunden verbracht hatten, sollte nur der Anfang gewesen sein.

Elias, Gary, Mason und Sebastian leerten ihre Gläser und strahlten Alexander mit glasigen Augen an, der sofort eine neue Flasche Champagner aus dem Sektkühler holte und zum zweiten Mal den Korken knallen ließ.

»Schon ein bisschen schade, dass wir so schnell weiter sind. Mit der einen Schnecke wäre bestimmt was gegangen«, sagte Mason und ließ seine breiten Schultern hängen.

»Wenn etwas gegangen wäre, dann nur das Mädchen, sobald du deine Hosen heruntergelassen hättest.« Sebastian grinste und wackelte mit dem kleinen Finger.

Das Gelächter der fünf Jungmänner schallte durch den riesigen Fond.

Alexander hatte sich den Abend etwas kosten lassen. Freundschaft hatte ihren Preis: die Limousine, die sie quer durch London kutschierte, literweise Champagner und alles, was die riesige Bar im Fond des Luxusschlittens sonst noch hergab. Dazu der Besuch in dem Promi-Nachtclub, zu dem beileibe nicht jeder so einfach Zugang bekam.

Sie hatten dort eine Zeit lang abgefeiert, heftig geflirtet und den ein oder anderen Drink genossen. Alexander aber hatte seinen Freunden im Vorfeld immer wieder eingeimpft, nicht zu viel zu trinken, damit der zweite Teil der Feier nicht im Dunst des Alkohols an ihnen vorbeirauschen würde. Und das wollte keiner der vier Jungs. Jeder von ihnen war gespannt, was er sich dieses Mal ausgedacht hat.

Alexander war der einzige Sohn eines wohlhabenden Unternehmers, von dem es hieß, er habe Verbindungen bis hinein in das britische Königshaus. Aufgewachsen war Alex »Down Under« in Australien, während sein Vater durch die Welt jettete und seinen globalen Geschäften nachging.

Vor einem Jahr dann hatte der alte Herr überraschend angekündigt, dauerhaft in ihre englische Heimat zurückkehren zu wollen. Sein Sohn sollte ihn begleiten. Nach und nach wollte man Alexander dort mit der komplizierten Architektur des Geschäfts-Imperiums vertraut machen, bevor er dann in zehn oder zwanzig Jahren die Leitung übernehmen sollte. Und welcher Ort wäre dafür besser geeignet gewesen als der internationale Finanzmarkt der City of London.

Von den wirklich interessanten Geschäften hatte man Alex sehr zu seinem Ärger aber nach wie vor konsequent ferngehalten. Überhaupt hatte sein Vater immer schon um alles ein großes Geheimnis gemacht. Um seine Geschäfte, seine Kontakte und insbesondere um die Vergangenheit. Alexander hatte das bislang zähneknirschend akzeptiert. Aber jetzt wollte er endlich auch einmal zum Zug kommen. Er war schließlich alt genug dafür.

Sein Vater war ein ausgewiesener Experte im internationalen Waffenhandel. So viel wusste Alexander. Außerdem organisierte er für ein exklusives Publikum von Zeit zu Zeit exklusive Jagdspiele.

Kurze Zeit nach ihrer Ankunft in England hatte Alex mitbekommen, dass sein alter Herr in London unbedingt eine bestimmte Immobilie erwerben wollte. Wie seine Nachforschungen ergeben hatten, handelte sich dabei um ein heruntergekommenes und baufälliges Hotel im Londoner West End. Scheinbar war in den vergangenen zwanzig Jahren keinem anderen Investor daran gelegen gewesen, den alten Kasten instand setzen zu lassen und zu modernisieren. Ein Wunder eigentlich, wenn man bedachte, dass das Ding in unmittelbarer Nähe des Piccadilly Circus stand.

Doch was wollte sein Vater mit dem Gebäude? Sein Geschäftsfeld lag überall sonst, aber nicht im Städte-Tourismus. Ergo musste das Ding einen anderen Zweck erfüllen. Es konnte nur bedeuten, dass das Hotel weder für stinknormale Gäste noch für Touristen gedacht war.

Alexander hegte den starken Verdacht, dass sein Vater dort einen exklusiven Club der etwas anderen Art aufbauen wollte. Von ihm selbst hatte er natürlich kein Sterbenswörtchen erfahren. Er hatte nur abgeblockt und davon gesprochen, dass es ein besonderes Projekt sei, welches aber noch lange nicht spruchreif war.

Alexanders Neugierde war geweckt. Von einem der Sekretäre aus der Buchhaltung, mit dem sich Alexander eigens zu diesem Zweck angefreundet hatte, erfuhr er, dass sich das »Hotel« bereits in einer Testphase befand und sein Vater extra dafür ein eigenes Sicherheitssystem hatte installieren lassen. Zutritt zu diesem exklusiven Schuppen erhielten nur handverlesene Test-Kunden, denen spezielle Schlüssel-Unikate ausgehändigt wurden. Alexander war begeistert. Das war genau das Richtige für seinen 21. Geburtstag.

Es brauchte nur einen guten Plan, um seinen Vater auszutricksen und an einen der Schlüssel heranzukommen. Und daran sollte es nun wirklich nicht scheitern. Der Apfel fiel schließlich nie weit vom Stamm.

Und so nahm der junge Mann etwas Geld in die Hand und organisierte die Aktion »Schlüssel-Raub«. Es war letzten Endes alles viel einfacher, als Alexander befürchtet hatte. Er war sogar ein wenig enttäuscht, als er feststellte, dass der Schlüssel nicht in einem Safe lag, sondern im alten Schreibtisch seines Vaters, dessen Sicherheitsschloss diesen Namen nicht verdient hatte. In der untersten Schublade fand Alexander, was er suchte.

Ein schwarzer Lederbeutel. Und darin ein altmodischer Buntbartschlüssel, mehr als handtellergroß, an dessen Halm ein moderner Magnetstreifen angebracht worden war.

Auf Reite und Bart waren kunstvoll verzierte Zeichen eingeprägt, auf die sich Alexander keinen Reim machen konnte. Unwichtig, dachte er, schnappte sich den Schlüssel und verschwand mit seiner Beute so unauffällig, wie er gekommen war.

Der Beutel mit dem Schlüssel lag nun wohlverwahrt in der Innentasche seines Anzugs. Das Abenteuer konnte beginnen.

Er nahm noch einen großen Schluck des eisgekühlten Champagners, als die große Limousine langsam von der King Street in eine kleine Sackgasse einbog. Nach gut einhundert Yards hielt der Wagen am Bordstein direkt vor dem Gebäude an. Sie hatten ihr Ziel erreicht.

Der Chauffeur stieg aus und öffnete mit einer angedeuteten Verbeugung die hintere Wagentür. Alexander übernahm die Führung und betrachtete beeindruckt das elegant verzierte Vordach des Hotels. Der bordeauxrote Stoff wirkte zusammen mit dem goldenen Schriftzug wie ein Willkommensgruß aus den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts. Von der St. James's Street klang gedämpft der nächtliche Verkehrslärm zu ihnen. Ansonsten war es still. Ungewöhnlich still, wie der junge Mann fand. Irgendetwas störte ihn, aber er hätte nicht sagen können, was.

Alexander versuchte, die Schrift an der Fassade zu entziffern, aber die Buchstaben verschwammen immer wieder vor seinen Augen. Er schüttelte den Kopf und gab schließlich auf. Das musste am Alkohol liegen.

Rasch drehte er sich um und begrüßte seine Freunde, die mittlerweile ebenfalls das Fahrzeug verlassen hatten, wie ein königlicher Gastgeber.

»Meine werten Freunde! Seid willkommen an diesem besonderen Ort. Hier erwartet euch der Himmel auf Erden. Oder auch, wenn ihr es denn wünscht«, Alexander machte eine dramatische Pause, »die Hölle.«

Der junge Mann lachte affektiert, und seine Freunde stimmten pflichtschuldigst mit ein. Danach entstand ein peinliches Schweigen. Warum hatte er das gesagt, das mit der Hölle? In den Augen seiner vier Begleiter spürte er eine gewisse Ratlosigkeit.

»Hier ist ja nix los, Alex!«, ergriff Gary das Wort.

Er war der jüngste Sohn eines schwerreichen Großindustriellen, der vor einem Jahr unter ungeklärten Umständen entführt worden war. Seitdem schien in seinem Oberstübchen nicht mehr alles in bester Ordnung zu sein. Er war fest davon überzeugt, dass sein Vater einer internationalen Verschwörung zum Opfer gefallen war. Aber im Grunde war er okay. Nicht die hellste Kerze auf der Torte, aber zumindest nicht so steif und borniert wie der Rest der feinen Londoner Gesellschaft.

Alexander hatte Gary wie auch Elias und Sebastian bei einem der vielen Cricket-Turniere kennengelernt, zu denen ihn sein Vater regelmäßig schleppte. Upper Class Socialising nannte er das.

Der breitschultrige Mason hingegen war die Ausnahme. Aufgewachsen in der rauen Realität von Tottenham war er mehr der Typ Einzelgänger. Alexander und er hatten sich zufällig in der Warteschlange bei Burger King kennengelernt und waren sich sofort sympathisch gewesen.

»Ich sag's ja nur ungern«, brummte Mason, »aber der Halbgescheite hat wohl leider recht. Hier ist gar nichts.«

»Sag ich doch«, quietschte Gary, und wie um seinen Worten mehr Nachdruck verschaffen zu wollen, stapfte er an Alexander vorbei und rüttelte unbeholfen an den geschwungenen Türgriffen der beiden imposanten Flügeltüren.

Nichts tat sich. Der junge Mann presste sein Gesicht an die Scheibe der gläsernen Tür, konnte aber so gut wie nichts erkennen. Im Inneren war es dunkel.

Gary rüttelte noch einmal erfolglos an der Tür und wollte sich schon wütend abwenden, als Alexander neben ihn trat und ihm sanft die Hand auf die Schulter legte. Er sah seinem Freund in die Augen und lächelte wissend.

»Das hier ist doch kein normales Hotel, mein Freund. Du musst die Zauberformel kennen.«

Feierlich griff Alexander in die Innentasche seines Sakkos und präsentierte seinen Mitstreitern triumphierend den Schlüssel.

»Sesam öffne dich!«

Die vier jungen Männer bestaunten den Schlüssel, als hätten sie noch nie im Leben etwas Derartiges gesehen. Eine hypnotische Kraft schien von dem Gegenstand auszugehen.

In diesem Moment schwangen wie von Geisterhand beide Flügeltüren nach innen und gaben den Weg ins Gebäude frei. Sichtlich irritiert blickte Alexander hin und her. Und erst als Mason ihm aufmunternd zunickte, trat er schließlich als Erster über die Schwelle.

Mit einem Mal erstrahlte plötzlich der gesamte Eingangsbereich, als hätte irgendwo jemand einen Schalter umgelegt. Die Lampen an den Wänden flammten auf und tauchten das Foyer in ein warmes, goldenes Licht.

Die fünf Freunde standen mit offenen Mündern in einer mondänen Empfangshalle. Es war wie eine Zeitreise in die Golden Twenties. Die gesamte Einrichtung war antik, wirkte jedoch gepflegt, fast wie neu und strahlte eine Behaglichkeit aus, die zum Verweilen einlud.

»Was zum Teufel ...«, flüsterte Mason, kam aber nicht mehr dazu, seine Frage zu beenden, weil ihn eine dünne Stimme jäh unterbrach.

»Die Herrschaften sind angemeldet?«

Die fünf Freunde schraken zusammen und drehten sich verwirrt um. Wie aus dem Nichts war hinter dem Tresen des Empfangs eine Gestalt erschienen.

Der Typ sah aus wie der Prototyp eines britischen Hoteliers. Er musterte die jungen Männer und verzog keine Miene, aber in seinen Augen schien ein Lächeln aufzublitzen. Alexander tat sich schwer, den Mann in eine Alterskategorie einzuteilen. Er hätte genauso gut Mitte dreißig wie Ende fünfzig sein können.

»Ah, Master Alexander. Wie schön, dass Sie uns beehren! Sie mögen verzeihen, aber Ihr Vater hatte uns gar nicht davon in Kenntnis gesetzt, dass Sie kommen würden. Und dann gleich in der ehrenwerten Gesellschaft dieser vier Herren. Wie darf Ihnen unser Haus zu Diensten sein?«

Alexander blinzelte verwirrt. Woher wusste der Typ, wer er war? Wieso sein Vater? Hatte der Alte am Ende doch von der ganzen Sache Wind bekommen?

Egal. Er durfte sich jetzt keine Blöße geben. Zugegeben, die professionelle Selbstsicherheit dieses komischen Mannes verunsicherte ihn. Andererseits gefiel ihm das altmodische Zeremoniell aber auch ganz gut. Very British! Alexander beschloss, mitzuspielen.

»Ich feiere heute mit diesen Gentlemen meinen 21. Geburtstag. Wie mein Vater mir erzählt hat, führen Sie ein ganz besonderes Haus. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir den Abend hier bei Ihnen fortsetzen könnten, Mister ...?«

Vergeblich suchte Alexander nach einem Namensschild. Der Mann trug einen pechschwarzen Anzug, der das goldene Licht des Foyers zu absorbieren schien.

»Bitte, Master Alexander, nennen Sie mich Abe!«

»Gut, Abe«, Alexander zögerte. »Was können Sie uns also empfehlen?«

Ein verschwörerisches Lächeln umspielte die Mundwinkel des seltsamen Concierge. »Hat Ihnen Ihr Vater das etwa nicht erzählt? Merkwürdig.«

Abe fixierte Alexander mit seinen dunklen Augen.

»Wir sind spezialisiert auf Reisen in die Vergangenheit.«

Aus dem Hintergrund klang die aufgeregte Stimme von Elias: »Geil, habt ihr gehört, die haben hier historische Themenzimmer.«

Mason brachte Elias mit einem Zischen zum Schweigen.

Abe war sichtlich erheitert. »So könnte man sagen, Gentlemen. Gibt es denn bei Ihnen eine bestimmte Präferenz?«

»Haben wir die freie Auswahl?«, übernahm Alexander abermals das Gespräch.

»Selbstverständlich.« Abe richtete seinen Blick auf Elias und zwinkerte ironisch. Dann wandte er sich erneut Alexander zu.

»Ich bin erfreut über das Vertrauen Ihres Vaters in unser bescheidenes Unternehmen. Wir sind tatsächlich ein besonderes Haus, Master Alexander. Unsere Spezialität sind Reisen in die Vergangenheit dieser Stadt. Ob Keltisch oder Angelsächsisch, Shakespeare oder Queen Victoria. London steht Ihnen frei zur Verfügung. Allerdings muss ich darauf hinweisen, dass vor allem das Spätmittelalter erhebliche Gesundheitsrisiken mit sich bringt.«

»Warum das denn?«, platzte es aus Gary heraus.

»Wegen des Schwarzen Tods, Sir«, sagte Abe ungerührt. »Sie wissen schon, die Pest.«

»Sie nehmen uns auf den Arm«, knurrte Mason.

»Das würde ich mir nie erlauben, Gentlemen.«

Wieder zuckte dieses wissende Lächeln in den Mundwinkeln des Concierge.

Alexander drehte sich um zu seinen Freunden, bemüht, gelassene Entschlossenheit zu demonstrieren. »Also, Männer, was ist? Auf welchen Trip wollen wir gehen?«

»Wie jetzt?«, Sebastian runzelte die Stirn. »Soll das heißen, alle in ein Zimmer? Sorry, aber ich habe echt keinen Bock auf einen kostümierten Gangbang. Habt ihr noch alle Tassen im Schrank? Das ist doch krank!«

Der Empfangschef, der Abe genannt werden wollte, zog seine linke Augenbraue gekonnt nach oben. »Wenn Sie mir erlauben zu fragen, wie viele Schlüssel Sie besitzen, Master Alexander?«

»Den einen hier.«

Für einige Sekunden schien die Situation einzufrieren. Dann brach Abe das seltsame Schweigen. »Nun, in diesem Fall befürchte ich, dass ich Ihnen auch nur eine einzige Reise anbieten kann.«

»Und was ...«, Alexander senkte seine Stimme und wiegte den Schlüssel in der Hand, »wenn ich, sagen wir, noch 1000 Pfund Sterling drauflege?«

Der Blick des Concierge wurde eiskalt. »Master Alexander. Das ist keine Frage des Geldes«, empörte er sich, ohne dass man hätte sagen können, ob er sich wirklich empörte oder ob ihn das Angebot vielmehr belustigt hatte.

Für einen Moment herrschte wieder dieses unangenehme Schweigen. Dann nickte Alexander und richtete den Blick auf seine Freunde.

»Okay, Sebastian, du hast es gehört. Entweder du wartest hier und verpasst die Nacht deines Lebens, oder du kommst mit. Deine Entscheidung.«

Man konnte förmlich sehen, wie es in Sebastian arbeitete. Nervös blickte er zwischen Alexander und dem Mann an der Rezeption hin und her.

»Auch wenn ihr mich für ein Weichei haltet. Ich ziehe es vor, hier unten auf euch zu warten. Die werden ja hoffentlich eine Bar haben.«

»Es wird Ihnen an nichts mangeln.« Mit einem maliziösen Lächeln deutete Abe eine Verbeugung an.