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Ich war auf der Suche nach dem Tod!
Mitten in der Geröllwüste des Atlasgebirges, in einem sandigen Tal, dessen ausgetrockneter Boden von der unbarmherzigen Mittagssonne noch weiter aufgeheizt wurde, befand sich das kleine Dorf Al-Sharam. Ein Ort, der so weit weg von der nächsten Stadt lag, dass er von der Menschheit vergessen worden zu sein schien.
Trotzdem war den Behörden zu Ohren gekommen, dass hier Menschen verschwunden waren. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich von einem Wesen, dessen purer Anblick genügte, um jeden zu Staub zerfallen zu lassen ...
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Seitenzahl: 141
Cover
Wüstentod
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Wüstentod
von Rafael Marques
Ich war auf der Suche nach dem Tod!
Mitten in der Geröllwüste des Atlasgebirges, in einem sandigen Tal, dessen ausgetrockneter Boden von der unbarmherzigen Mittagssonne noch weiter aufgeheizt wurde, befand sich das kleine Dorf Al-Sharam. Ein Ort, der so weit weg von der nächsten Stadt lag, dass er von der Menschheit vergessen worden zu sein schien.
Trotzdem war den Behörden zu Ohren gekommen, dass hier Menschen verschwunden waren. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich von einem Wesen, dessen purer Anblick genügte, um jeden zu Staub zerfallen zu lassen ...
Diese Gerüchte wären sicher nie zu mir nach London vorgedrungen, wenn Sir James nicht enge Kontakte zum Geheimdienst pflegen würde, seit kurzer Zeit auch nach Marokko. Beinahe täglich hatte er darauf gewartet, eine derartige Nachricht zu erhalten. Jetzt war es dazu gekommen, und es blieb uns nur zu hoffen, dass noch nicht viele Menschen gestorben waren.
Noch gab es dafür keine stichhaltigen Beweise, doch angesichts der Beschreibungen ging ich davon aus, den Verursacher zu kennen: Den Teufel der Wüste, eine legendäre Gestalt, der man nachsagte, mit ihrem Anblick ganze Völker vernichten zu können. Vor eineinhalb Jahrtausenden war es einem weisen Mann gelungen, dieses Wesen mit einem magischen Pfeil zu stoppen, ohne es dabei vollständig töten zu können. Er hatte es in vier Teile zerstückelt, in magische Gefäße gesperrt und drei von ihnen in die Ferne geschickt, während er das vierte über Jahrhunderte selbst bewachte.
Die Baphomet-Templer waren im Auftrag ihres Götzen hinter den Gefäßen her gewesen, und obwohl es uns gelang, die Diener des Dämons zu vernichten, konnten wir nicht verhindern, dass der Teufel der Wüste sich selbst zusammensetzte und entkam.*
Argwöhnisch starrte ich aus dem Hubschrauber und auf die karge Landschaft des südwestlichen Atlasgebirges. Die zumeist nur aus Geröll und bizarren Felsformationen bestehenden Höhenzüge wurden von gewaltigen Schluchten durchzogen, und genau dort existierten auch einige Dörfer. Sie lagen viele Kilometer weit auseinander, sodass es selbst mit einem Fahrzeug oft Stunden dauerte, um von einem Ort zum nächsten zu kommen. Kein Wunder, in einem entlegenen Gebiet wie diesem, in dem kaum Straßen existierten.
Was würde passieren, wenn ich wirklich auf dieses Geschöpf traf? Immer wieder schossen mir solche und ähnliche Fragen durch den Kopf. Würde mein Kreuz genügen, um es zurückzuschlagen? Bisher war es schon schwer gewesen, dessen Kristallaugen mit der Aktivierungsformel zu neutralisieren.
Ich befand mich natürlich nicht allein in dem Hubschrauber. Ein schweigsamer, etwa fünfzig Jahre alter Mann mit vernarbten Wangen saß hinter dem Steuerknüppel. Er arbeitete für den Geheimdienst, mehr wusste ich nicht über ihn, nicht einmal seinen Namen. Der Auftrag lief unter strengster Geheimhaltung ab, da natürlich niemand erfahren sollte, dass ein Wesen wie der Teufel der Wüste existierte. Nicht auszudenken, wenn eine Panik in der Bevölkerung ausgebrochen wäre.
Im Bereich einer von einem trockenen Flussbett durchzogenen Schlucht trat der Pilot langsam den Sinkflug an. Ich stand im hinteren Bereich des Hubschraubers, hielt mich eisern fest und verfolgte stumm mit, wie wir uns deutlich dem Boden näherten. Durch die relativ engen Felswände wurde das Echo der ratternden Rotoren in ebensolcher Lautstärke zurückgeworfen und war dadurch nur schwer zu ertragen.
Dem Piloten machte die donnernde Geräuschkulisse nichts aus. Der Geheimdienstler verstand sein Handwerk, und so setzten wir schließlich sanft aus dem staubtrockenen Boden auf.
Wortlos reichte mir der Mann ein Satellitentelefon und ein Funkgerät. Ich hätte bei dem Krach auch kein einziges Wort verstanden. Mit einem Nicken bedankte ich mich und erntete wieder nur betretenes Schweigen. Als ich die Tür aufzog, fand ich mich in einer undurchdringlichen Staubwolke wieder, und kaum dass ich den Hubschrauber verlassen hatte, zog der Pilot ihn wieder in die Höhe. Ob der Mann so handelte, weil es ihm befohlen worden war oder weil er Angst hatte, blieb sein Geheimnis.
Ich vergrub mein Gesicht in meiner Jacke, bis der Hubschrauber endlich außer Reichweite war und sich der Staub langsam wieder zurückzog. So nahm ich mehr von meiner Umgebung wahr, den steil aufragenden Felswänden und dem rissigen Boden, an dem sich wohl nur manchmal im Jahr ein Fluss bildete.
Wieder dachte ich an Suko, den ich mir jetzt an meiner Seite wünschte. Gezwungenermaßen war er in London zurückgeblieben, um dort die Stellung zu halten. Dass die Mächte der Finsternis unabhängig voneinander an mehreren Orten auf der Welt zuschlugen, hatten wir schon mehrfach erlebt, und es war bei Weitem nicht das erste Mal, dass ich allein losziehen musste. Trotzdem war es besser und vor allem sicherer, als Team zu arbeiten.
So blieb mir nichts anderes übrig, als mich allein nach Al-Sharam zu begeben. Das Dorf sollte am Ende der immer enger werdenden Schlucht liegen, an dem sich ein von hohen, zerfurchten Bergen umgebener Talkessel ausbreitete.
Trotz des drückenden Klimas hielten sich im Bereich der Felswände noch einige Gräser, die wohl dem Vieh als Nahrung dienten und so das Überleben der Bewohner sicherten. Entsprechende Spuren sah ich jedenfalls auf dem rissigen Boden, nur von den Tieren selbst war nichts zu sehen.
Mittels des Funkgeräts oder des Satellitentelefons sollte ich in der Lage sein, den Geheimdienst und damit auch den Piloten jederzeit wieder zu alarmieren – so hieß es zumindest, denn bereits mein erster Versuch scheiterte an einem steten, atmosphärischen Rauschen.
Kein Wunder, in einer Schlucht wie dieser war es mit einem Funksignal nicht weithin. Ich musste schon auf einen der Berge steigen, um mit den Geräten etwas anfangen zu können. Oder es gelang mir, über einen Bewohner Kontakt zum Geheimdienst zu bekommen. Die Leute lebten hier sicher auch nicht alle wie im Mittelalter, es musste auch irgendwo Telefone geben.
Kreuz, Beretta, Bumerang, die magische Kreide, den silbernen Nagel, einen Rucksack mit etwas Wasser, Broten und Energieriegeln – mehr trug ich nicht bei mir. Im Dorf sollte mich ein Mann namens Malik Houzi erwarten, so etwas wie ein Ortsvorsteher, bei dem ich mich hoffentlich weiter versorgen konnte. Wenn nicht, würde sich meine Mission auch ohne Gegner zu einem Himmelfahrtskommando entwickeln.
Es war so heiß, dass mir das Hemd trotz des Windes wie eine zweite Haut am Körper klebte. Die Sonne brannte unerbittlich auf mich herab, und als ich einen Blick zum Himmel warf, sah ich einige große Vögel über mir ihre Kreise ziehen. Vielleicht Geier, die glaubten, in mir eine leichte Beute zu finden.
Zumindest entdeckte ich bald die ersten Häuser, die mir wie Relikte aus einer anderen Zeit vorkamen. Einige der hellen Sandsteinbauten hatten nicht einmal Fenster, nur Vorhänge, und viele dienten wohl eher Tieren als Menschen als Unterkunft. Dicht aneinander zogen sich die Bauten am Hang entlang zu beiden Seiten der Schlucht in die Höhe. Im Tal selbst führte ein schmaler Weg, wohl das ausgetrocknete Flussbett, durch das Dorf.
Längst hätte ich irgendwelche Stimmen oder Tierlaute hören müssen, aber da war nichts. Die Geier und ich schienen die einzigen lebenden Wesen an diesem seltsamen Ort zu sein. Wenn der Teufel der Wüste hier wirklich aufgetaucht war ...
Ich wollte den Gedanken nicht zu Ende bringen, denn noch hoffte ich, nicht zu spät gekommen zu sein. Und natürlich stellte sich mir die Frage, warum dieses Geschöpf ausgerechnet hier erschienen war. Aus reiner Willkür? Das konnte ich mir nur schwer vorstellen. Es gab immer einen Grund, besonders für dämonische Wesen.
Ich spähte durch die Fenster und in die Häuser und Hütten, ohne eine Menschenseele zu entdecken. An einem größeren Bau, dessen Dach sogar mit Ziegeln ausgekleidet war, drückte ich die Tür auf. Ich gelangte in einen kurzen Flur und von dort in eine größere Halle.
Dort fand ich auch die ersten Spuren der Bewohner – herumliegende Kleidung und Staub. ...
Ein Schauer rieselte über meinen Rücken. Sofort dachte ich wieder an die Legende des Teufels der Wüste, laut der jeder, der ihn ansah, zu Staub zerfiel. Ich hatte bisher nur erlebt, dass von denjenigen, die eines seiner Körperteile erblickten, lediglich Knochen zurückgeblieben waren, aber jetzt war dieses Geschöpf ja vollends zurückgekehrt.
Der Anblick der fünf verstaubten Kleiderhaufen wischte auch die letzten Zweifel weg, es wieder mit diesem Wesen zu tun zu haben. Der Teufel der Wüste war hier gewesen und hatte bereits seine Zeichen gesetzt. Musste ich deshalb davon ausgehen, dass mit den anderen Bewohnern von Al-Sharam dasselbe geschehen war?
Mit einem Mal wurde mir bei dem Anblick so kalt. Ich verließ die Halle wieder und trat zurück in die Sonne, doch selbst sie konnte mich nicht mehr wärmen. Über dieses Dorf war der Tod gekommen, in Form eines Wesens, dessen Rückkehr ich eigentlich hätte verhindern müssen.
Ich ging weiter, trat in das nächste Haus und fand auf einer Matratze weitere Kleidung, die von Staub bedeckt war. Von der Größe her ging ich davon aus, dass sie einem sehr jungen Menschen gehört hatte. Allein der Gedanke daran steigerte meine Wut auf diesen Dämon noch weiter, der nicht einmal vor Kindern Halt machte. Und weshalb? Nur um noch mehr Angst und Schrecken zu verbreiten?
Wieder zog ich mich zurück, denn mit Wut allein kam ich nicht weiter, und für den oder die Toten würde ich auch nichts mehr tun können, so hart das auch klang.
Ich folgte dem ausgetrockneten Bachbett und erlebte, dass sich das Dorf kurz vor Ende des Tals öffnete. Umgeben von einem gepflasterten, von knöchernen Bäumen verzierten Platz entdeckte ich den Ort, der wohl das kulturelle Zentrum von Al-Sharam darstellte – die Moschee.
Allein der Anblick der rissigen, von Wind und Wetter gezeichneten Mauern zeigte mir, wie alt das für das Dorf überraschend große Gotteshaus wirklich war. Einige Risse zogen sich auch durch die beiden Minarette und die verstaubten Fenster. Ob dort drinnen auch einige Dorfbewohner Schutz vor dem Teufel der Wüste gesucht hatten?
Das Gebäude zeigte jedenfalls keine Spuren eines Angriffs. Das Kuppeldach reckte sich weit über die Dächer der kleinen Hütten und Häuser in die Höhe, die Mauern waren mit allerlei Holzschnitzereien versehen und selbst die geschwungene Doppeltür wirkte, als hätte sie sich schon seit Jahren nicht mehr bewegt.
Ich traute dem Frieden nicht und zog meine Beretta. Nicht, dass sie mir etwas gegen den Wüsten-Teufel geholfen hätte, aber zumindest gab sie mir wie so oft ein Gefühl von Sicherheit. Sogar das Kreuz trug ich offen vor der Brust, denn obwohl es schien, als wäre das Grauen, das über Al-Sharam hereingebrochen war, längst fortgezogen, sagte mir mein Bauchgefühl etwas anderes. Etwas lauerte hier, womöglich sogar hinter den Mauern der Moschee.
Vorsichtig trat ich näher an das Gebäude und damit auch an die geschwungene Doppeltür. Die Ziegelsteinwand war mit einer feinen Schicht aus Sandstaub bedeckt, der allen Bauten des Ortes denselben grauen, trüben Eindruck gab. Auch an dem Holz der Tür fand sich der Staub, wenngleich mir sofort die Abdrücke an dem goldenen Knauf auffielen. Jemand hatte ihn zumindest vor nicht allzu langer Zeit benutzt, das stand fest.
Ich griff nach dem Knauf, drehte an ihm und zog die Tür auf. Was folgte, war eine Wolke unerträglichen Gestanks, die mir aus dem Inneren der Moschee entgegenwehte und den Atem raubte. Ich stöhnte, wich zurück und zog zugleich die Tür noch weiter auf, sodass die Luft innerhalb des Gotteshauses zumindest etwas zirkulieren konnte.
Es war der Gestank des Todes, der in meine Nase drang und der sich durch die unerträgliche Hitze in den alten Mauern der Moschee angestaut hatte. Als würde in dem Gebäude eine Leiche langsam verfaulen. Ich roch so etwas beileibe nicht das erste Mal, nur war ich selten so intensiv damit konfrontiert worden.
Nach etwa einer Minute des Wartens trat ich schließlich doch ein. Der Leichengeruch war immer noch schwer erträglich, zumindest aber würde ich dank des durch die Tür hereinwehenden Sauerstoffs nicht so schnell zusammenbrechen.
Soweit mir das Interieur einer Moschee bekannt war, beteten die Gläubigen in einer großen Säulenhalle mit Gebetsnische. Das war auch hier der Fall, allerdings existierten im Hintergrund auch mehrere Zugänge zu einem offenen Hinterhof. Ich ließ meinen Blick für einen Moment über die mit Mustern und arabischen Schriftzeichen reich verzierten Wände und das ausgeprägte Kuppeldach schweifen. Für einen derart kleinen und abgelegenen Ort wirkte alles sehr edel und gepflegt, auch die hölzerne Gebetskanzel, die rechts neben der Nische stand.
Im Hintergrund entdeckte ich noch die Zugänge zu den Minaretten, zu denen der Muezzin, der Rufer, hier womöglich noch persönlich aufstieg. Mir war das im Moment egal, viel wichtiger war es, herauszufinden, woher der Leichengeruch stammte.
Ich schritt über den mit braunen Mosaiken überzogenen Boden, und nach einer Weile fielen mir einige kleine Bruchstücke auf, die auf den ersten Blick wie Erde wirkten. Während ich mich zur Sicherheit noch einmal umsah, beugte ich mich hinab und nahm die Krümel in die Hand. Gestein oder Erde war das definitiv nicht, eher schon etwas, das ich von meinen nicht wenigen Begegnungen mit lebenden Mumien kannte – vertrocknetes Fleisch. Menschenfleisch ...
Was war hier geschehen? Wieder dachte ich an den Effekt, den der Anblick des Teufels der Wüste auf Menschen hatte. Möglich, dass es sich um die Reste einer Person handelte, die von dem Blick des Unholds getroffen worden war. Ein Umstand ließ mich daran jedoch zweifeln: Die Spur zog sich durch die gesamte Gebetshalle, bis hin zu einer dunklen Öffnung, die sich bei näherer Betrachtung als in die Tiefe führende Treppe herausstellte.
Ich sah mich erneut um, entdeckte aber keine andere Person. Trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, aus dem Unsichtbaren heraus beobachtet zu werden. Dass der Teufel der Wüste auf mich gewartet hatte, glaubte ich nicht, denn in diesem Fall hätte mein Kreuz längst reagiert.
Möglicherweise handelte es sich ja um einen Überlebenden, der sich in den alten Mauern versteckt hielt und sich nicht sicher war, ob er sich mir offenbaren sollte. Zumindest hoffte ich das, denn der Gedanke, dass alle Bewohner des Dorfes getötet worden waren, ließ mir jedes Mal ein Schauer über den Rücken rinnen.
Als ich die Treppe erreichte, steckte ich die Beretta weg und zog meine Stiftleuchte hervor. Hier, auf den Stufen, potenzierte sich der Gestank noch weiter, und nach wenigen Schritten entdeckte ich auch eine Leiche. Das Gesicht des Mannes war von dunklen Verwesungsflecken übersät, seine Augen wirkten eingefallen, und am Hals entdeckte ich eine schreckliche Wunde. Sein weißer, dünner Umhang war fast vollständig mit Blut besudelt, und angesichts seiner Kleidung ging ich davon aus, dass es sich um den Imam der Moschee handelte.
Sein toter Körper mochte eine Quelle des fürchterlichen Gestanks sein, jedoch nicht die einzige. Auch als ich weiter in die Tiefe stieg, hielt sich der penetrante Leichengeruch. So wie hier roch es in Grüften oder Nekropolen, und es hätte mich nicht überrascht, wenn ich in dieser Moschee auf etwas Ähnliches stoßen würde.
Die Treppe wurde von Windung zu Windung schmaler, und allmählich gelangte ich in einen Abschnitt, der angesichts der nackten, aus kleinen Steinblöcken bestehenden Wände wohl zu den ältesten Bereichen des Gebetshauses gehörte. Durch die Enge war die Luft auch noch schwerer zu atmen, weshalb ich mich wahrscheinlich nicht sehr lange hier unten aufhalten konnte.
Nach weiteren drei Minuten des Abstiegs gelangte ich an eine morsche, von Rissen durchzogene, halb offen stehende Holztür. Hier unten existierte außer meiner Lampe keine andere Lichtquelle, deshalb leuchte ich in die hinter der Tür liegende Öffnung. Ich atmete tief durch, denn jetzt sah ich mich in meiner Vermutung bestätigt. Unter der Moschee befand sich eine Katakombe – und alle Nischen waren leer ...
Ich trat tiefer in die unterirdische Begräbnisstätte hinein. Man konnte hier von einem kalten Leichengeruch sprechen, der sich über Jahrhunderte an diesem Ort gehalten hatte und dessen Quelle nun verschwunden war. Die Toten waren auferstanden und wandelten nun als Zombies umher.
Nur warum? War der Teufel der Wüste dafür verantwortlich? Und wenn ja, warum gab sich ein derart mächtiges Geschöpf mit lebenden Toten ab? Es fiel mir schwer, mir vorzustellen, dass es sich mit Zombies als Dienerkreaturen umgab, und doch ging ich davon aus, dass es zwischen ihm und den aus den Nischen verschwundenen Leichen einen Zusammenhang gab.
Die Grabstätte war nicht besonders groß, nur etwa zwanzig Meter lang und bot Platz für etwa ein Dutzend Liegeplätze. Ich glaubte nicht, dass es sich um den Begräbnisort der früheren Imame handelte, zumindest angesichts der quasi ihrem Schicksal überlassenen, uralten Stufen. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Teil des Gebäudes, der noch aus der Entstehungszeit der Moschee stammte oder sich sogar schon vor ihrem Bau an dieser Stelle befunden hatte. Umso wichtiger wäre es gewesen, mehr über das Gotteshaus herauszufinden. Nur würde mir wohl niemand mehr eine Antwort auf meine Fragen geben können.
Ich wollte die Katakombe schon wieder verlassen, als ich in der Bewegung verharrte. Der kurze Hitzestoß auf meiner Brust war mir nicht entgangen, und als ich nach dem Kreuz fasste, spürte ich die Wärme des geweihten Silbers. Der Grund für diese Reaktion fand sich wohl nicht in meiner direkten Umgebung, denn außer den leeren Nischen und einigen an den Wänden eingeritzten, mir unbekannten Schriftzeichen gab es hier einfach nichts. Um herauszufinden, auf wen oder was mein Kreuz reagierte, musste ich wohl in die Gebetshalle zurück.