John Sinclair 2294 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2294 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Ein irrer, von Schmerz erfüllter Schrei fegte durch die Hölle!
Das Höllenfeuer leckte gierig über den Körper des Mannes, als wäre es ein lebendiges Wesen, das sich daran erfreute, dass sein Opfer besonders litt. Es verbrannte die dunklen Haare, ließ die sonnengebräunte Haut schmelzen und vernichtete auch die inneren Organe. Nur das Herz existierte noch, ebenso wie der Kopf, damit sich die Qual des Gefangenen noch weiter fortsetzte.
Ein Mensch wäre längst gestorben, er dagegen nicht. Der Mann war ein Vampir, über 2000 Jahre alt. Jeder Bewohner der Hölle kannte seinen Namen, schon allein, weil er versucht hatte, seinen ehemaligen Meister zu vernichten und John Sinclairs Platz als Sohn des Lichts einzunehmen. Ein wahnsinniger Plan, den niemand außer ihm je in die Tat umzusetzen versucht hätte.
Er war Iovan Raduc!
Und er starb erneut ...


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Inhalt

Cover

Zurück aus dem Inferno

Briefe aus der Gruft

Vorschau

Impressum

Zurück aus dem Inferno

(Teil 1 von 2)

von Rafael Marques

Ein irrer, von Schmerz erfüllter Schrei fegte durch die Hölle!

Das Höllenfeuer leckte gierig über den Körper des Mannes, als wäre es ein lebendiges Wesen, das sich daran erfreute, dass sein Opfer besonders litt. Es verbrannte die dunklen Haare, ließ die sonnengebräunte Haut schmelzen und vernichtete auch die inneren Organe. Nur das Herz existierte noch, ebenso wie der Kopf, damit sich die unerträgliche Qual des Gefangenen noch weiter fortsetzte.

Ein Mensch wäre längst gestorben, er dagegen nicht. Der Mann war ein Vampir, über 2000 Jahre alt. Jeder Bewohner der Hölle kannte seinen Namen, schon allein, weil er versucht hatte, seinen ehemaligen Meister zu vernichten und John Sinclairs Platz als Sohn des Lichts einzunehmen. Ein wahnsinniger Plan, den niemand außer ihm je in die Tat umzusetzen versucht hätte.

Er war Iovan Raduc!

Und er starb erneut ...

... nur um bald darauf wieder zu erwachen.

Nicht zum ersten Mal in all der Zeit, in der man ihn nun schon in den Tiefen der Hölle gefangen hielt. Unzählige Tode war er dabei gestorben, gefoltert, gequält und an den Rand des Wahnsinns gebracht worden

Er hatte sein eigenes Ende in außerkörperlichen Erfahrungen miterleben müssen, nur um kurz darauf in einem neuen Körper zu erwachen. Nie hatte ihn dabei sein wahrer Peiniger aufgesucht, doch er wusste auch so, dass nur sein einstiger Meister Astaroth dafür verantwortlich sein konnte. Er wollte ihn für seinen Verrat bestrafen, dafür, dass er Sinclair dazu gebracht hatte, seine Statue zu vernichten, und schließlich für den Angriff auf ihn selbst.

Raduc hatte erneut zu hoch gepokert und verloren. Nicht zum ersten Mal in seiner Existenz, und immer war er irgendwie dem Tod von der Schippe gesprungen und zurückgekehrt.

Das würde diesmal nicht passieren, denn aus der Hölle gab es kein Entkommen, zumindest erzählte man sich das. Außerdem war er nicht allein, sondern umgeben von einem Meer aus Flammen, in denen Myriaden Seelen von den Kräften dieses Ortes gequält wurden, und jede einzelne wünschte sich nichts mehr, als endlich freizukommen. Doch keiner Seele gelang dies.

»Wie fühlt sich der Tod an, Iovan Raduc?«

Diese Stimme ...

Er war nicht in der Lage, zu antworten. Zwar war sein unsterblicher Geist in einen neuen Körper geschlüpft, allerdings musste er inzwischen den Qualen Tribut zollen. Sein Blick war entrückt, er zitterte apathisch, als hätte er längst seinen Verstand verloren.

Seine Umgebung veränderte sich. Das Flammenmeer löste sich auf, wobei einige Feuerinseln zurückblieben und so die von zerfurchten Felsen dominierte Höhle erleuchteten. Die Decke lag dennoch im Dunkeln, abgesehen von den Dutzenden roten Augenpaaren, die ihn von dort aus unter Beobachtung hielten.

Ein Schatten huschte wie ein Irrwisch durch die Höhle und wirbelte um die eigene Achse. Er wuchs dabei in die Höhe, verformte sich und bildete nach und nach eine Gestalt, die er sehr gut kannte. Es war ein geschlechtsloses Geschöpf mit stählernen Muskeln, rotbrauner Haut und ringelnden Schlangen als Haaren.

Die ebenfalls rötlich funkelnden Augen wuchsen erst nach einigen Sekunden aus der konturenlosen Gesichtsfläche hervor, ebenso wie ein breites Maul mit spitzen Raubtierzähnen, jedoch ohne Nase oder Ohren. Ganz so, als würde es sich um ein unfertiges, künstliches Geschöpf handeln, einen Golem zum Beispiel.

Der Blutsauger wusste es besser. Was er da vor sich sah, war eine der zahlreichen Erscheinungsformen des Erzdämons Astaroth, der sich nun doch an seinem Leiden ergötzen wollte.

»Hat es dir die Sprache verschlagen, alter Freund?«, hörte er die grollende, mit einem höhnischen Unterton versehene Stimme seines Erschaffers. »Anscheinend ist dein Geist nicht ganz so stark, wie ich gedacht habe. Iovan, Iovan, hast du wirklich gedacht, mich besiegen zu können? So etwas schafft niemand, schon gar nicht ein einfacher Vampir wie du. Ich habe meine Diener ausgeschickt, um all dein Blut zu vernichten, das du in der Menschenwelt versteckt hast, um deine Unsterblichkeit zu garantieren. Allerdings habe ich selbst noch etwas von deinem Lebenssaft besessen, belegt mit einer magischen Sperre, sodass du gedacht hast, wirklich zu sterben, als Sinclair dich mit der Dämonenpeitsche traktiert hat.«

Raduc erwiderte nichts. Er wollte Astaroth nicht den Triumph gönnen, ihm seine Schmerzen mit seiner brüchigen Stimme noch deutlicher vor Augen zu führen. Stattdessen tat er einfach nichts und blieb bewegungslos vor dem Dämon liegen, als hätte er ihn gar nicht bemerkt.

Das gefiel Astaroth überhaupt nicht. Er hob den linken Arm an und ließ unzählige kleine Blitze erscheinen, die den nackten Körper des Vampirs erfassten und in die Höhe trieben. Sie wirkten wie kleine, brennende Nadelstiche, die Raduc, ohne mit der Wimper zu zucken, wegsteckte. Sie waren nichts gegen die Schmerzen der vergangenen Wochen, Monate oder sogar Jahre.

»Ich weiß, dass du mich hören kannst, Idan«, sprach ihn der Dämon mit seinem menschlichen Geburtsnamen an.

Erinnerungsfetzen zuckten durch seinen Kopf, an seine Familie, seine Zeit als römischer Soldat und an die Falle, in die er geraten und bei der er in einen Vampir verwandelt worden war.

»Der Tod ... erschreckt mich ... nicht mehr.«

Es war für ihn nicht zu erkennen, welche Reaktion er mit seinen Worten bei dem Dämon auslöste. Wirklich überzeugend hatten sie jedenfalls nicht geklungen.

»Du klingst gar nicht gut, alter Freund«, verhöhnte ihn Astaroth erneut. »Ich glaube, du brauchst eine Stärkung, damit wir das Gespräch auf einem gediegeneren Niveau fortsetzen können.«

Der Erzdämon hob den Arm an, aus dem gerade noch die Blitze gefahren waren, und beschrieb mit seinen Fingern in der Luft einen Halbkreis. Eine Art Dimensionsriss entstand, durch den eine weitere Gestalt in diese ihm unbekannte Region der Hölle gezogen wurde.

Vor sich sah er eine etwa dreißig Jahre alte Frau mit schulterlangen, schwarzen Haaren, einem südosteuropäischen Teint und wohlgeformten Brüsten und Hüften. Völlig eingeschüchtert krümmte sich die junge Schönheit zusammen und verbarg ihre Scham.

»Oh Gott, oh Gott ...«, flüsterte sie immer wieder.

Raduc sah in ihr von Angst gezeichnetes Gesicht und erkannte dadurch die ihm sehr bekannten Züge. Er war ein Vampir, ja, aber tief in seinem Inneren steckte natürlich noch etwas von seiner alten Persönlichkeit. Nur als Erinnerung, ohne Gefühle, trotzdem doch präsent, und genau das veranlasste ihn dazu, eine Hand nach der Frau auszustrecken.

Offenbar dachte sie, er wäre ein weiteres Opfer ihres Peinigers. Ohne zu zögern, ergriff sie seine Hand und ging neben ihm in die Knie. »Was haben sie dir angetan?«, fragte sie. »Plötzlich war da dieses Geschöpf, hat mich gepackt und hierhergebracht. Wo sind wir?«

»In der ... Hölle.«

Die Dunkelhaarige bekreuzigte sich und schlug eine Hand vor den Mund. »Nein, das ist nicht wahr«, presste sie hervor.

Es musste eine Falle sein, ein böses Spiel, das Astaroth mit ihm trieb. Wollte er ihn endgültig brechen, weil er ahnte, dass der Vampir durch das Feuer nicht noch mehr leiden konnte?

Wenn ja, war er auf dem besten Weg, denn die Nackte war seine Frau – Vara, die in seinem Leben als Idan seine große Liebe gewesen war. Sie war tot, schon sehr lange, doch erst kurz bevor er in Astaroths Fänge geraten war, hatte er erfahren, dass sie von seiner letzten Partnerin Ismelda ermordet worden war.

»Ist sie nicht ein Prachtstück?«, ergriff Astaroth wieder das Wort. »Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, ein Ebenbild deiner geliebten Vara zu finden. Man könnte wirklich meinen, sie wäre ihre Wiedergeburt, und wer weiß, vielleicht stimmt es ja sogar. Hast du nicht immer schon davon geträumt, sie noch einmal in die Arme zu schließen, um ihr genüsslich das Blut auszusaugen? Komm schon, nimm sie dir!«

»Was ... soll ... das?«

»Ein Friedensangebot.«

Beinahe hätte er gelacht, wenn er die Kraft dazu gehabt hätte. Andererseits fiel es ihm immer schwerer, der Verführung zu widerstehen. Nicht der Schönheit der jungen Frau, davon ließ sich eine Kreatur wie er nicht beeinflussen, oder etwa von der Tatsache, dass sie seiner Vara so unheimlich ähnlichsah. Es war das warme Blut, das ihr durch die Adern rauschte, jetzt mehr denn je, seit sie zu ahnen begann, dass sie vom Regen in die Traufe geraten war.

Sie wollte sich wieder von ihm lösen, doch sein Griff war hart und unerbittlich. Die Gier verlieh ihm Kräfte, die er längst verloren geglaubt hatte. Kraftvoll zog er die Frau zu sich heran, sodass sie mit einem lauten Schrei auf ihn stürzte und mit dem Kopf gegen seine behaarte Brust prallte.

Diese Chance ließ der Vampir sich nicht entgehen. Mit beiden Händen griff er nach ihren Schultern, zog sie zu sich heran und drückte ihren Kopf nach rechts, sodass die linke Halsseite freilag. Er sah das Gesicht der Dunkelhaarigen nicht, hörte aber, wie sie schluchzte. Ihre Tränen würden sie auch nicht mehr retten, denn seine Zähne strichen bereits über ihren Hals und suchten nach der perfekten Stelle für den Biss.

Ein leiser Schrei wich aus ihrem Mund, als seine Zähne in die zarte Haut hackten. Iovan Raducs Sinne schwammen davon, so sehr überwältigte ihn der Genuss des warmen Bluts. Mit jedem Schluck glaubte er, dass mehr von seiner alten Kraft in ihn zurückfloss, während die Bewegungen der Frau immer schwächer wurden. Ihre Lebenskraft ging auf ihn über, sodass er bald schon in der Lage war, sich aufzurichten und sein Opfer mit sich in die Höhe zu ziehen.

Nachdem er die Dunkelhaarige bis zum letzten Tropfen ausgesaugt hatte, schleuderte er sie achtlos zur Seite. Sie bedeutete ihm nichts, obwohl sie seiner Frau aus seinem ersten Leben wirklich zum Verwechseln ähnlichsah. Was mit ihr geschah, spielte sicher auch für Astaroth keine Rolle.

»Ich hoffe, es hat geschmeckt«, meldete sich der Dämon wieder zu Wort. »Dann können wir uns ja endlich auf Augenhöhe unterhalten.«

»Ich habe dir nichts zu sagen.«

Astaroth streckte eine Hand nach ihm aus und ließ erneut die kleinen Blitze erscheinen. »Ein geistiger Befehl, und du brennst wieder im Höllenfeuer. Willst du das?«

»Es ist mir egal.«

»Das glaube ich dir nicht, Iovan. Du bist ein sehr guter Schauspieler, aber niemand, nicht einmal ein Vampir, kann mir erzählen, dass er lieber endlose Qualen erleiden würde, statt sich mit mir zu einigen. Ich kann dir anbieten, dich hier, fernab des Feuers, einzusperren, allein dafür, dass du mir eine Information gibst.«

Raduc verzog die Lippen. »Hieß es nicht, man sollte keine Geschäfte mit der Hölle machen, weil sie sich nie an ihre Versprechen hält?«

Das Schlangenhaar des Erzdämons erstarrte, als er endlich aussprach, was er von ihm wollte: »Sag mir, wo das Schwert ist!«

»Welches Schwert?«

»Du weißt genau, wovon ich spreche. Das, mit dem du damals die Hölle vor ihrem Untergang bewahrt hast.«

Durch den Vampir lief ein wohliger Schauer. In diesem Moment sah er tatsächlich einen Hoffnungsschimmer, seiner nur scheinbar so aussichtslosen Lage zu entkommen. »Ach, das Schwert ...«, erwiderte er.

»Wenn du mir sagst, wo du es damals versteckt hast, endet deine Leidenszeit im Höllenfeuer in dieser Sekunde.«

»Du meinst, ich soll mich auf dein Wort verlassen? Auf das eines Höllendämons? Du musst mich schon für ziemlich verzweifelt halten, aber du täuschst dich, wenn du glaubst, mich mit deiner Folter gebrochen zu haben. Nein, nein, ich werde dir nicht verraten, wo du es findest. Du musst mich schon freilassen, damit ich es selbst aus meinem Versteck hole. Das – und nur das – ist meine Bedingung.«

»Raduc ...«

»Ich gehe sogar freiwillig ins Höllenfeuer zurück«, sagte er, drehte sich um und lief los. Zumindest so lange, bis Astaroth sich meldete, wie er es sich bereits gedacht hatte.

»Ich soll dich freilassen, damit du wieder versuchst, mich zu vernichten?«

»Wenn die Hölle vergeht, würde dich das genauso vernichten. Ich fürchte, dieses Risiko wirst du eingehen müssen.«

In dem konturenlosen Gesicht des Erzdämons war natürlich nicht abzulesen, was er über seine Bedingung dachte. Sein Zögern sprach jedoch Bände, und insgeheim wusste er längst, wie seine Entscheidung ausfallen würde.

Womit der Vampir nicht gerettet hatte, war, dass sich Astaroth unvermittelt aus seiner Starre löste und beide Hände gegen seinen Kopf drückte. Eine starke Magie fuhr durch seinen Geist, ließ ihn aufschreien und in die Knie sacken. Es war, als würde etwas aus seiner untoten Seele gerissen, ein Teil seiner Macht, die nun einfach nicht mehr vorhanden war.

»Du wirst noch einmal auf die Erde zurückkehren dürfen, Iovan«, donnerte Astaroths überlaute Stimme an seine Ohren. »Aber nur zu meinen Bedingungen, denn auch ich vertraue dir nicht mehr. Von nun an bist du nichts weiter als ein normaler Vampir. Du wirst nicht mehr in der Lage sein, eine Vernichtung zu überstehen, indem jemand dein Blut trinkt. Das ist meine Bedingung: Wenn du mir das Schwert bringst, gebe ich dir diese Möglichkeit zurück, und wenn nicht, werde ich dich jagen und vernichten. Für diesen Fall besitze ich immer noch etwas von deinem Blut. Damit werde ich dich erneut wiedererwecken und dich zurück ins Höllenfeuer werfen – diesmal für immer und ewig. Und jetzt geh mir aus den Augen!«

Die Kräfte der Hölle rissen an ihm, zogen ihn aus dem Griff seines einstigen Meisters, aus der Hölle, der unendlichen Flammenwelt und schließlich an einen Ort, von dem er einige Zeit geglaubt hatte, ihn nie wieder zu sehen.

Die Welt der Menschen!

Die kleine Stadt Sarnthein lag malerisch und ruhig am Lauf der Talfer und bildete mit ihren knapp 2000 Einwohnern den Hauptort der Gemeinde Sarntal. Eingerahmt von den waldreichen Gipfeln der Sarner Alpen und gesäumt von romantischen Hotels, entlegenen Almen und der altehrwürdigen Burg Reinegg bildete es das ganze Jahr über einen beliebten Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt, die sich an den Postkartenmotiven der Alpen nicht sattsehen konnten.

Nicht alle Besucher und Einheimische zog es in die Berge, zu den Hütten mit ihren atemberaubenden Fernblicken. Einige genossen auch das Südtiroler Flair in der kleinen, dafür umso hübscher hergerichteten Altstadt. Cafés, Gaststätten und Geschäfte reihten sich in den Gassen etwas verträumt aneinander, da nie so viel los war, dass man in Stress verfallen könnte. Auch die Häuser selbst mit ihren restaurierten Fachwerkfassaden und den vielen Holzschnitzereien im Gebälk waren ein Anziehungspunkt interessierter Blicke.

Kaum jemand schenke dem muskulösen, dunkelhaarigen Mann mit dem südländischen Teint Beachtung, der seit zehn Minuten in einem Café saß. Eher desinteressiert verfolgte er das Treiben der Touristen, die oft stehen blieben und Fotos von den historischen Bauten schossen. Er dagegen studierte die topografische Karte einer entlegenen Bergregion, die sein nächstes Ziel sein würde.

Es war bereits Abend, die Sonne war hinter den erhabenen Gipfeln versunken. Die Zeit der Kreaturen der Nacht begann, derjenigen Wesen, die sich besonders in der Dunkelheit wohlfühlten oder sich sogar vor der Sonne fürchteten.

Dass er, Iovan Raduc, einmal dazugehören würde, hätte er auch nicht gedacht. Es störte ihn nicht nur, es entsetzte ihn, denn nun war er nur noch einer dieser einfachen Blutsauger, die er Zeit seiner Existenz verachtet und höchstens als Mittel zum Zweck benutzt hatte. Er konnte nicht mehr ins Licht treten, den Tod austricksen oder sich in die Gestalt einer seiner früheren Wirtskörper verwandeln. Das Schlimmste an seinem Zustand war, dass er kaum noch in der Lage war, seine Gier zu kontrollieren. Normale Vampire waren Junkies und ohne Blut nur Zombies mit ausgeprägten Eckzähnen, und nun war er einer von ihnen.

Das durfte er sich auf keinen Fall anmerken lassen, sobald der Mann erschien, mit dem er sich hier treffen wollte. In der vergangenen Nacht hatte er zuletzt Blut getrunken, und schon jetzt stieg der Hunger wieder in ihm auf. Opfer gab es hier genug, nur wollte er nicht zu früh – oder besser gar nicht – auf sich aufmerksam machen.

»Sie sind also der berühmte Iovan Raduc«, erklang hinter ihm eine Stimme, die er bisher nur vom Telefon her kannte.

Dass es dem Mann gelungen war, sich unbemerkt von hinten an ihn heranzuschleichen, sprach nicht unbedingt für seine früher sehr ausgeprägten Instinkte. Andererseits hatte er es hier auch mit einem Privatdetektiv zu tun, noch dazu mit einem, der nur vorgab, ein Mensch zu sein.

Er versuchte, so gut es ging, seine Überraschung zu überspielen und musterte den Mann mit dem graubraunen Jackett, seinem runden, unscheinbaren Gesicht und dem Dreitagebart. Dass er mit seinem ziemlich altmodisch erscheinenden Hut in dieser Umgebung auffiel wie ein bunter Hund, schien ihm nichts auszumachen.

»Freut mich, Sie persönlich kennenzulernen, Mister Dekker«, sprach er den Detektiv aus New York an, wobei er ihm den Platz auf der gegenüberliegenden Seite des Tischs anbot. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«

»Ich auch von Ihnen. Über eine alte Freundin.«