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"Guywano ist tot - lang lebe Guywano!"
Jubelschreie hallten durch das düstere Dorf, in dem schon seit langer Zeit kein normales Leben mehr existierte. Niemand wusste, wer es einst bewohnt hatte, so lange lag seine Zerstörung zurück.
Diese Wesen mochten tot sein, doch ihre Magie existierte bis in die Gegenwart weiter. Ihre Quelle lag in einem steinernen Brunnen, aus dem sie als grünes Licht in die Höhe strahlte und ihn so wie einen einsamen Stern innerhalb der grauschwarzen Düsternis wirken ließ.
Ein böser Stern in einer bösen Welt - der dunklen Seite Aibons ...
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Seitenzahl: 144
Cover
Der Zorn der Totengeister
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Der Zorn der Totengeister
von Rafael Marques
»Guywano ist tot – lang lebe Guywano!«
Jubelschreie hallten durch das düstere Dorf, in dem schon seit langer Zeit kein normales Leben mehr existierte. Niemand wusste, wer es einst bewohnt hatte, so lange lag seine Zerstörung zurück.
Diese Wesen mochten tot sein, doch ihre Magie existierte bis in die Gegenwart weiter. Ihre Quelle lag in einem steinernen Brunnen, aus dem sie als grünes Licht in die Höhe strahlte und ihn so wie einen einsamen Stern innerhalb der grauschwarzen Düsternis wirken ließ.
Ein böser Stern in einer bösen Welt – der dunklen Seite Aibons ...
Die Steinbauten reckten sich auf einem Hügelplateau in die Höhe, während eine dichte Nebelschicht jenes karge Gebiet bedeckte, das bis vor einiger Zeit von dem mächtigen Druidenfürsten beherrscht worden war.
An diesem Ort existierte eine besondere Atmosphäre, die jedes der Wesen wahrnahm, das sich hier versammelt hatte. Ein Hauch von Geschichte, von einer großen Vergangenheit umwehte die mehrstöckigen Häuser, von denen manche behaupteten, sie wären einst von Göttern bewohnt worden. Andere glaubten, die Siedlung sei der Rest einer untergegangenen Zivilisation, die schon vor der Gründung des dunklen Reichs hier existiert hatte.
Einige wenige waren dagegen der Meinung, Guywano hätte hier, umgeben von den Wohnstätten mächtiger Druiden, einen Teil seiner Macht oder gar seiner Seele zurückgelassen, um eines Tages durch die Hilfe seiner Gegner von den Toten aufzuerstehen.
Daran glaubte auch der Mann in der schwarzen Mönchskutte, der mit verschränkten Armen vor dem Brunnen stand und seinen Blick in dem pulsierenden Licht versinken ließ. Er spürte mit jeder Faser die Nähe seines alten Meisters, deshalb würde auch er es sein, der bald sein Bote und auch sein Vertreter werden würde.
Er, Lemyrias, der Druide!
Tief sog er die magisch aufgeladene Luft ein und griff mit seinen Händen in das Licht, als wäre er dabei, Wasser zu schöpfen. Er warf es sich auch ins Gesicht und spürte das sanfte Prickeln, das durch seinen dichten weißen Bart und die Haut drang. Es sorgte dafür, dass er sich noch sicherer in dem fühlte, was er in den nächsten Minuten zu tun gedachte.
Mit der alten Macht des Lichts in ihm drehte er sich um. Er hielt sich nicht allein auf dem von spitzen Felsen geprägten Plateau auf. Viele weitere Wesen waren seinem Ruf gefolgt, da sie erleben wollten, wie ein neuer Anführer der dunklen Seite aus dem Schatten trat. Guywano existierte nicht mehr, auch sein Nachfolger, der verräterische Dravotan, war vergangen. Und nun galt auch der legendäre Elfenblut-Vampir Rog als in der Menschenwelt verschollen.
Ein solches Machtvakuum war in einer unruhigen, umkämpften Welt wie Aibon gefährlich. Nicht nur, weil der Rote Ryan mit seinen Trooping Fairies versuchen würde, die Grenzen der Reiche zu überschreiten, es gab auch zu viele mächtige Geschöpfe auf der dunklen Seite, die gerne selbst an der Spitze von Guywanos einstigen Dienern gestanden hätten. Bevor sie sich gegenseitig zerfleischten, würde er das Zepter des Handelns selbst übernehmen.
Gorlons, die fast menschengroßen Gnome, waren sehr zahlreich erschienen, ebenso Ghouls, Trolle, lebende Skelette und einige von Rogs Vampir-Elfen. Sie waren Relikte der großen Schlacht zwischen den Trooping Fairies und den Truppen der dunklen Seite, die einst von Luzifer provoziert worden war, als dieser sich Guywanos Körper bemächtigt hatte, um selbst über Aibon zu herrschen.* Obwohl er aus dem Druidenreich vertrieben worden war, hing sein Schatten noch immer über dieser Welt.
»Ihr Diener der dunklen Seite«, rief er den schwarzmagischen Geschöpfen zu. »Hört mich an, denn ich werde euch bald anführen. Wir waren alle Diener des großen Guywano, einige von uns wurden sogar von ihm persönlich erschaffen. In jedem von uns steckt ein Stück seiner Kraft, und mit dieser wird es mir gelingen, seinen Geist innerhalb des Brunnens manifestieren zu lassen. Durch mich wird er danach zu euch sprechen und wieder die Herrschaft über unser Reich übernehmen.«
Jubel brandete unter den anwesenden Kreaturen auf. Sie alle wussten, dass ein Reich ohne Herrscher schwach war, und natürlich erhofften sie sich durch ihre Treue zu ihm Vorteile für sich selbst. Andere Dämonen, die Lemyrias' Ruf nicht gefolgt waren, würden die Legitimität seines Führungsanspruchs anzweifeln, doch mit Guywanos Geist in der Hinterhand würden auch sie sich bald fügen.
»Ich werde euch in ein neues, glorreiches Zeitalter führen«, ergriff er wieder das Wort. »Öffnet euren Geist für mich ...«
»Nein!«
Der scharfe Ruf verschlug ihm die Sprache. Er stammte nicht von einer der Kreaturen, die seinem Ruf gefolgt waren, sondern von einer ihm unbekannten Frau.
Wütend fuhr er herum und zog dabei einen grünen Kristall unter seiner Kutte hervor, der eigentlich für das Ritual vorgesehen gewesen war. Allerdings war er auch als Waffe einsetzbar, indem er mit ihm ein zerstörerisches Aibon-Feuer entfachte.
Die Sprecherin schien sich nicht vor ihm zu fürchten, im Gegenteil. Wie eine stolze Kriegerin hatte sie sich auf einem der Felsen aufgebaut, mit wehendem braunem Mantel, der nur im Bereich der Brust und der Hüfte mit goldenen Broschen zusammengehalten wurde.
Auch ihre langen, schwarzen Haare wurden von dem einsetzenden Wind durchgeschüttelt, was sie nicht davon abhielt, mit einem Pfeil auf ihn zu zielen, den sie auf ihren hölzernen Bogen gespannt hatte. Die metallische Spitze gab ein unheilvolles schwarzes Funkeln ab, als wäre sie ebenfalls mit einer starken Magie aufgeladen.
Das auffälligste am Erscheinungsbild der Fremden war ihr Gesicht. Es wurde vollständig von einer offenbar handgeschnitzten, hölzernen Maske bedeckt, in der deutlich weibliche Züge zu erkennen waren.
»Wer bist du?«, fragte Lemyrias, während er gedanklich die Kräfte des Kristalls aktivierte.
»Litharna«, lautete ihre Antwort. »Und dein Tod.«
Im nächsten Moment schickte sie ihren Pfeil auf die Reise ...
Die Banshee verfolgte seelenruhig mit, wie der Pfeil durch die Luft jagte und den Druiden mitten in die Brust traf, bevor dieser in der Lage war, gegen sie vorzugehen.
Getroffen wankte er zurück, stöhnte leise und kippte über den Rand des Brunnens in den von Licht erfüllten Schacht. Sein kurzer Schrei ebbte schnell ab, und was genau mit ihm in dem grünen Schein geschah, blieb ein Rätsel.
Es spielte auch keine Rolle. Ihr Ziel – den Druiden davon abzuhalten, selbst die Macht über die dunkle Seite Aibons zu übernehmen – hatte sie erreicht, außerdem richteten die anwesenden Kreaturen ihre Aufmerksamkeit nun ganz auf sie. Sie waren Lemyrias nicht verpflichtet gewesen, weshalb es auch keinen Grund dafür gab, seinen Tod zu rächen.
Seit ihrer Rückkehr aus der Menschenwelt war einige Zeit vergangen, in der es ihr, dank ihres neues Verbündeten, gelungen war, sich auf ihre alten Stärken zu besinnen.
So viele Jahre war sie in einem zugemauerten Kellerraum eingesperrt gewesen, bis eine neue Bewohnerin des Hauses so unvorsichtig gewesen war, eine Mauer einzureißen, wodurch sie in ihren Bann geraten war. Ihr wahrer Körper existierte schon lange nicht mehr, nur ihr Geist lebte noch weiter, in einer magischen Holzmaske, die ihr einst ihr Geliebter Guywano geschenkt hatte.
Schon allein das stellte für sie einen Grund dar, selbst die Macht in dieser düsteren Welt zu beanspruchen. Dank des Hooks, dem Herrscher über das Zwischenreich, war es ihr gelungen, tief in dieses lebensfeindliche und von gefährlichen Geschöpfen bewohnte Gebiet einzudringen, um an diesem Ort ihre neue Macht zu beweisen.
»Lemyrias war kein würdiger Anführer«, rief sie den Monstern und Untoten zu, die sie allesamt erwartungsvoll anstarrten. »Ich habe einst meine Seele und meinen Körper Guywano dargeboten, und er schenkte mir dafür diese magische Maske. Meine Gestalt mag schwach erscheinen, doch in mir steckt viel von der Macht unseres alten Fürsten. Weit mehr, als Lemyrias je erreicht hätte. Außerdem habe ich mächtige Verbündete, die uns dabei helfen werden, das zu erobern, was seit Äonen uns gehören sollte. Folgt mir in eine neue Ära!«
Als ihr Jubel entgegenbrandete, lächelte sie zufrieden.
Heute war mal wieder einer dieser Abende, an denen es zwar überhaupt nichts zu tun gab, wir aber trotzdem partout nicht das Büro verlassen wollten.
Der Himmel schien alle Pforten geöffnet zu haben, zumindest regnete und stürmte es, als stünden wir kurz vor einer weiteren Sintflut. Zwar mussten wir, anders als manche unserer Kollegen, nicht zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause fahren, doch Autofahren war unter diesen Bedingungen auch nicht sehr spaßig.
Deshalb taten Suko und ich das, was wir sonst gerne vor uns herschoben: Berichte schreiben. Eine eher trockene Aufgabe, zumal wir beide keine allzu großen Formulierungskünstler waren. Allerdings gehörte das nun mal zu unserem Job dazu, außerdem war es immer möglich, dass wir irgendwann auf diese Informationen zurückgreifen mussten, etwa wenn es darum ging, mit Angehörigen von Mordopfern in Kontakt zu bleiben.
»Ich gehe dann«, rief Glenda ins Büro und winkte uns mit einem müden Lächeln zu. »In der Kanne ist noch frischer Kaffee.«
Ich blickte verwundert zu ihr herüber. »Danke, aber ... willst du wirklich da raus?«
»Ich muss. Ich habe mich mit einer alten Freundin verabredet, die nur noch heute in der Stadt ist.«
»Na dann ...«
Auch Suko verabschiedete sich von ihr, trank einen Schluck Tee und seufzte. »Damit sind wir wohl die letzten Mohikaner. Selbst Sir James hat uns alleingelassen. Vielleicht sollten wir doch langsam mal nach Hause.«
»Warten wir noch ein bisschen. Mit etwas Glück zieht die Regenfront gleich vorbei.«
»Das hast du vor einer Stunde schon mal gesagt.«
»Ich bin eben ein unverbesserlicher Optimist.«
»Und Single. Auf mich dagegen wartet eine sehr hübsche, dunkelhaarige Frau, die mir eine leckere Entensuppe kochen wollte. Wenn ich nicht bald bei ihr auftauche, könnte sie sauer werden.«
Ich grinste. »Shao oder die Suppe?«
»Sowohl als auch. Die Drohung gilt übrigens auch für dich, schließlich hat sie dich eingeladen, uns Gesellschaft zu leisten.«
»Shaos Einladungen nicht meistens eher Aufforderungen, denen man sich besser nicht widersetzt.«
»Eben.«
»Also gut, ich ...«
... schreibe nur noch diesen Bericht zu Ende, wollte ich sagen, als sich mein Telefon meldete. Ich sandte dem elektronischen Plagegeist einen bitterbösen Blick zu, während mich selbiger auch vonseiten meines Partners traf. Ja, ich hatte wohl zu hoch gepokert und musste jetzt die Suppe auslöffeln. Ich fürchtete nur, dass es sich dabei nicht um eine Entensuppe handeln würde.
Mit einem lauten Seufzer nahm ich schließlich den Hörer ab. »Oberinspektor Sinclair, Scotland Yard.«
»Ja, Hallo, Mister Sinclair«, vernahm ich die raue Stimme eines wohl älteren Mannes. »Ich hoffe sehr, ich störe Sie nicht bei Ihrer nächtlichen Arbeit.«
Ich blickte irritiert zu Suko hinüber und stellte den Lautsprecher an. Abgesehen von der etwas geschwollenen Formulierungsweise irritierte mich auch der seltsam spöttische Tonfall. Normalerweise kamen Scherzanrufe nicht bis zu unserem Büro durch, allerdings schien der Anrufer in diesem Fall direkt auf meiner Durchwahl angerufen zu haben.
»Nein, keine Sorge, Mister ...«
»Pater DeLouise. Abraham DeLouise.«
»Freut mich, Pater«, reagierte ich zunächst einmal gelassen. »Was kann ich für Sie tun?«
»Mich besuchen, und zwar im beschaulichen Ickburgh im County Norfolk. Sie werden sich bestimmt wundern, dass es in einer derart beschaulichen Gegend spuken soll, aber ich schwöre Ihnen, es ist wahr. Die Geister der Vergangenheit holen uns ein, und Sie sind sehr, sehr wütend. Sie wollen Rache für Ihre Jahrhunderte zurückliegende Ermordung, und niemand hier weiß, wie man sie aufhalten soll. Deswegen lege ich alle Hoffnungen in Sie, Mister Sinclair, dem unheiligen Spuk ein Ende zu setzen. Reisen Sie noch heute nach Ickburgh, sonst wird es ganz sicher Tote geben.«
»Darf ich fragen, woher Sie diese Nummer haben?«
Der Pater lachte. »Mein Herr hat sie mir gegeben.«
Mit diesen Worten beende Abraham DeLouise das Gespräch. Für einige Sekunden starrte ich nur verständnislos auf das Telefon und fragte mich, ob das nun ein Scherz, eine ernst gemeinte Warnung oder eine Falle gewesen war.
»Je später der Abend, desto merkwürdiger die Anrufer«, traf es Suko mit seinem Kommentar auf den Punkt. »Ich wusste gar nicht, dass deine Telefonnummer in der Bibel steht.«
»Wahrscheinlich im allerneuesten Testament. Aber jetzt mal im Ernst – der Kerl war wirklich ziemlich wunderlich, andererseits kannte er meine Nummer, und die findet man nicht überall auf der Straße. Irgendetwas steckt dahinter, das ist sicher.«
»Eine Falle?«
»Der Gedanke kam mir auch schon. Wenn, könnten wir das auch als unverhohlene Drohung betrachten. Schon allein deshalb werde ich der Sache mal auf den Grund gehen und die Telefonzentrale anrufen.«
»Mach das. Ich frage mich nur, was passiert wäre, wenn wir schon Feierabend gemacht hätten. Hätte dieser Pater dann bis morgen früh in seinem stillen Kämmerlein gesessen und Däumchen gedreht?«
»Das werden wir jetzt wohl nie erfahren.«
Die Nummer der Telefonzentrale war natürlich eingespeichert. Einige Kollegen arbeiteten schon seit Jahrzehnten in dieser Abteilung und wussten natürlich von meinen zahlreichen Anfragen, die mitunter auch entscheidend für die Lösung eines Falls gewesen waren. Dementsprechend fiel auch die Reaktion aus, als ich zu dieser späten Stunde anrief, in der sich die Tagschicht auf den Feierabend freute.
»Sinclair«, hörte ich die Stimme des Kollegen Norton. »Hätten Sie nicht noch eine Viertelstunde warten können? Ich habe gleich Feierabend, wissen Sie. Meine Frau hat mir einen tollen Braten gemacht.«
»Je schneller wir das hinter uns bringen, desto wärmer ist der Braten, wenn Sie nach Hause kommen.«
»Also gut, schießen Sie los.«
»Ich benötige eine Verbindung zu der der Stadt Ickburgh am nächsten liegenden Polizeistation.«
»Ickburgh?«
»Ja, im County Norfolk.«
»Das grenzt die Sache ja schon enorm ein. Warten Sie einen Moment, ich sehe, was ich tun kann.«
»Danke.«
Ich geriet in die Warteschleife und lauschte einer ziemlich einschläfernden Musik, die sich bereits nach dreißig Sekunden konsequent wiederholte. Glücklicherweise meldete sich Norton bald wieder und kündigte mir an, eine Verbindung zu Sergeant William Grady, dem Leiter der Polizeistation Mundford – einem etwas größeren Ort südlich von Ickburgh – herzustellen.
Ich bedankte mich noch einmal, und schon nach dem zweiten Klingeln meldete sich eine kratzige Männerstimme.
»Sergeant Grady, Mundford Police.«
»Oberinspektor Sinclair von Scotland Yard.«
»Ja, Ihr Kollege aus der Telefonzentrale hat Sie bereits angekündigt. Ich weiß allerdings nicht, was ich hier mitten in der Provinz für das große Scotland Yard tun könnte.«
Ich verdrehte die Augen, ohne dabei die innere Ruhe zu verlieren. »Es geht nur um eine kleine Hintergrundrecherche. Kennen Sie einen Pater Abraham DeLouise aus Ickburgh?«
»Und ob ich den kenne. Ein mehr als wunderlicher Kauz, wenn Sie mich fragen. Anscheinend ist er doch nicht so harmlos, wie ich es immer vermutet habe, sonst würde sich Ihre Behörde wohl kaum für ihn interessieren, oder?«
»Das muss sich noch herausstellen. Er rief mich gerade an und behauptete, in seiner Gegend würden Geister umgehen, die sich für ein vergangenes Unrecht an den Menschen rächen wollten.«
»Ich glaub, ich falle vom Stuhl ...«
Wieder tauschten Suko und ich vielsagende Blicke aus. »Sergeant?«, hakte ich angesichts seiner Reaktion sofort nach.
»Die Totengeister von Lynford Hall«, rief der Beamte so laut, dass ich vom Lautsprecher zurückzuckte. »In letzter Zeit häufen sich die Meldungen aus Ickburgh und Umgebung, dass dort Geister umgehen sollen. Und natürlich ist bereits die alte Legende von den rächenden Totengeistern in aller Munde.«
»Was heißt ›in letzter Zeit‹?«
»Gestern und heute.«
Mir lag es auf der Zunge, dem Sergeant einmal deutlich mitzuteilen, dass jede Polizeistation in Großbritannien Anweisungen hatte, übernatürliche Vorfälle sofort bei Scotland Yard zu melden. Allerdings war ich im Moment nicht in der Stimmung für ein größeres Streitgespräch.
»Wie ernst nehmen Sie diese Meldungen?«, fragte ich stattdessen.
»Nun, sie stammen von Leuten, die normalerweise nicht für ihre überschäumende Fantasie bekannt sind. Außer June March, die vermutet hinter jeder Wolke ein Monster oder ein UFO. Was mich viel eher wundert, ist, dass Sie ausgerechnet Pater DeLouise über die Erscheinungen informiert hat. Manche sagen ihm nach, selbst ein Geist zu sein, so lange, wie er schon im Amt ist, zumal er sich oft auch ziemlich wunderlich verhält. Seine Gottesdienste sind entsprechend wenig besucht, noch weniger als in den meisten anderen Kirchen in der Gegend.«
»Okay, dann möchte ich, dass Sie mich von jetzt an darüber informieren, sollte es zu weiteren Geistererscheinungen kommen.«
Ich gab ihm meine Handynummer, ohne ihm dabei mitzuteilen, dass ich plante, ihm sehr bald einen Besuch abzustatten. Das tat ich erst meinem Partner gegenüber, der dem gesamten Gespräch stillschweigend gelauscht hatte.
»Du willst wirklich allein nach Ickburgh?«, fragte Suko zweifelnd. »Klar, es geht auf den ersten Blick nur um einen merkwürdigen Pfarrer und ein paar Geister. Aber was, wenn es doch eine Falle ist? Ich an deiner Stelle würde die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen, selbst wenn sich alles am Ende als Scherz herausstellen sollte.«
»Was schlägst du vor?«
»Was wohl? Ich werde dich begleiten. Die Entensuppe ist morgen bestimmt auch noch essbar.«
»Nur Shao dürfte angefressen sein.«
Suko lächelte mild. »Ich kann ja immer noch sagen, du wärst schuld.«
»Ich hab's gewusst. Okay, lass uns fahren.«
Ben, Allie und Wayne starrten sie an, als hätte sie sich persönlich in einen Geist verwandelt. Dabei versuchte June March ihre Freunde davon zu überzeugen, dass die Erscheinungen, die seit einigen Tagen unter den wenigen Bewohnern von Ickburgh für Gesprächsstoff sorgten, in Wahrheit die legendären Totengeister von Lynford Hall waren.
»Ach komm, das ist doch nur wieder eine von deinen Spinnereien«, rief Allie, die sich auf der Couch räkelte und sich an einer Tüte Chips vergriff – sehr zum Leidwesen ihres Lebensgefährten Wayne, der von dem Knistern und Knacken stets in den Wahnsinn getrieben wurde.
»Das ist keine Spinnerei.«
»Weißt du noch, als du uns erzählen wolltest, du hättest ein UFO über deinem Haus gesehen?«, stimmte nun auch Wayne mit ein. »Dabei war es nur eine Wolke.«
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