1,99 €
"Hüte dich vor der Kirche, Fremder! Man sagt, sie sei verflucht. Niemand, der sie einmal betritt, wird sie je wieder verlassen - weder tot noch lebendig. Zumindest kein Mensch ..."
Der Mann in der schwarzen Lederjacke, den blauen Jeans und den dunklen Stiefeln blieb kurz stehen und bedachte den Obdachlosen mit einem argwöhnischen Blick. Mit seinem wild wachsenden, ergrauten Bart und den tief in den Höhlen liegenden Augen wirkte er selbst wie jemand, vor dem man sich hüten sollte. Sein Gesicht war schmutzig, zudem stank er nach billigem Fusel.
Andere hätten die Worte des Alten als Fantastereien eines Betrunkenen abgetan. Nicht so der Mann mit den dunklen Haaren. Er lächelte sogar.
"Wer hat gesagt, ich wäre ein Mensch?"
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 132
Cover
Insel der Trolle
Briefe aus der Gruft
Vorschau
Impressum
Insel der Trolle
(Teil 1 von 2)
von Rafael Marques
»Hüte dich vor der Kirche, Fremder! Man sagt, sie sei verflucht. Niemand, der sie einmal betritt, wird sie je wieder verlassen – weder tot noch lebendig. Zumindest kein Mensch ...«
Der Mann in der schwarzen Lederjacke, den blauen Jeans und den dunklen Stiefeln blieb kurz stehen und bedachte den Obdachlosen mit einem argwöhnischen Blick. Mit seinem wild wachsenden, ergrauten Bart und den tief in den Höhlen liegenden Augen wirkte er selbst wie jemand, vor dem man sich hüten sollte. Sein Gesicht war schmutzig, zudem stank er nach billigem Fusel.
Andere hätten die Worte des Alten als Fantastereien eines Betrunkenen abgetan. Nicht so der Mann mit den dunklen Haaren. Er lächelte sogar.
»Wer hat gesagt, ich wäre ein Mensch?«
Die Antwort des in dreckige Lumpen gehüllten Obdachlosen bestand zunächst nur aus einem lauten Schnaufen. War sein von Alkohol benebeltes Hirn überhaupt noch in der Lage, die Worte richtig einzuordnen? In jedem Fall schien er ein gutes Gespür für Dinge zu haben, die andere Menschen für Aberglauben oder kindliche Spinnereien hielten.
»Du bist kein Mensch?«, fragte der Bärtige. Er stieß ein heiseres Lachen aus. »Was bist du dann? Ein Engel bestimmt nicht. Eher schon ein Teufel.«
»Im weitesten Sinne stimmt das wohl.«
Der Obdachlose, der bis jetzt neben seiner fast leeren Flasche Whisky auf dem Boden gehockt hatte, richtete sich schwankend auf und fixierte ihn mit seinen rot unterlaufenen Augen.
»Du atmest nicht«, stellte er fest. »Du blinzelst nicht. Du siehst aus wie ein Mensch, aber das ist nur eine Hülle, die die Leute da draußen täuschen soll. In Wahrheit bist du ein Untoter, nicht wahr? Bist du gekommen, um mich für meine Sünden zu bestrafen?«
Seine Antwort bestand zunächst nur aus einer Geste, die allerdings mehr aussagte als tausend Worte. Er lächelte, wobei er seinen Mund zugleich öffnete und dem Bärtigen die beiden deutlich zu langen Eckzähne präsentierte, die aus seinem Oberkiefer ragten.
»Ein Vampir«, stöhnte der Obdachlose. »Ein Vampir ist gekommen, um mich ...«
»Ich bin nicht wegen dir hier, alter Mann, sondern weil ich einen Auftrag zu erfüllen habe. Er hat etwas mit der Kirche zu tun, vor der du mich zu warnen versucht hast. Trink du nur weiter deinen billigen Whisky! Ich werde mich hüten, dein altes, alkoholgeschwängertes Blut anzurühren.«
»Ich ... Ich ...«
Was der Bärtige weiter von sich gab, interessierte den Vampir nicht mehr. Er hätte sich gar nicht auf das Gespräch einlassen und allein um das wertvolle Artefakt kümmern sollen, das er in der rechten Hand hielt. Eine Kugel aus Glas, durchsichtig, deren Inhalt dennoch in gewisser Weise unsichtbar war, da er nur aus undurchdringlicher Schwärze bestand. Sie schien sogar das Licht zu schlucken, das die nahe, flackernde Straßenlaterne abgab.
Inmitten der leerstehenden, bis zu fünf Stockwerke hohen Betonbauten im Glasgower East End wirkte der alte, aus gemauerten Steinen bestehende Kirchenbau wie ein Fremdkörper. Fast, als hätte sich an dieser Stelle die Erde geöffnet und das Gotteshaus ausgespien, das nicht einmal ansatzweise den Eindruck eines Rückzugsortes für Gläubige machte. Eher wie ein Hort des Bösen.
Dem Vampir war das egal. Er kannte das Geheimnis dieses Ortes und wusste, was hinter den Milchglasfenstern auf ihn wartete. Für viele seiner Artgenossen wäre es tatsächlich ein tödlicher Fehler gewesen, die Kirche zu betreten, er dagegen musste nur auf seine neugewonnenen Kräfte vertrauen. Sie würden – wenn nichts Unvorhergesehenes geschah – ausreichen, um seinen Auftrag zu erfüllen.
Noch einmal sah er sich um. Es war eine dunkle Nacht in einer düsteren Gegend, in die sich normalerweise nur Gesindel verirrte, das sich vor den Blicken der Polizei verbergen wollte. Oder eben Obdachlose, die hier in Ruhe ihre Flaschen leerten. Der Bärtige stand weiter an seinem angestammten Platz und starrte ihn wortlos an. Wahrscheinlich fragte er sich gerade, ob er die Begegnung nur geträumt hatte oder immer noch träumte.
Schließlich drehte er sich wieder zu der Kirche um und begann, die ebenfalls aus Stein bestehenden Stufen in die Höhe zu schreiten. Für einen Moment fragte er sich, was die Menschen in den Mietskasernen von diesem Ort gehalten haben mochten, als diese Gegend noch bewohnt gewesen und nicht sich selbst überlassen worden war. Ein Gotteshaus, das seine Tore niemals öffnete und von einer unheiligen Magie beherrscht wurde.
Tatsächlich war kein normaler Mensch dazu in der Lage, die hölzerne, zweiflügelige Pforte zu öffnen, deren Griffe aus eisernen Ringen bestanden. Nicht einmal ein Vampir hatte genügend Kraft, die magische Sperre zu überwinden, ohne dabei den Tod zu finden. Er trug jedoch ein spezielles Artefakt bei sich, ein Amulett, das ihm die Macht gab, die Pforte nach innen zu drücken.
Das alte Holz knarrte, die rostigen Scharniere knirschten, dennoch schwang der Türflügel nach innen. Im Kirchenschiff breitete sich auf den ersten Blick Dunkelheit aus, die selbst für die Augen eines Vampirs nicht zu durchdringen war. Wie ein schwarzer Nebel, der von anderen Kräften zurückgelassen worden war, um Wesen der Nacht daran zu hindern, hier einzudringen.
Der Vampir spürte sofort die fremde Ausstrahlung, die seiner eigenen feindlich gegenüberstand. Etwas lauerte hier, eine uralte Macht, die nicht tot war, sondern nur schlief. Er würde sie erwecken und hoffen, dass er mit dem Leben davonkam.
Eine Kirche war das auf keinen Fall, wie er schnell feststellte. Eher schon ein Tempel aus uralter Zeit, dessen in Finsternis verschwimmende Decke von massiven Säulen gehalten wurde. An den Wänden hingen blaue Fahnen mit goldenen Stickereien, die dem Wappen eines mittelalterlichen Rittergeschlechts ähnelten. Zudem waren in das umliegende Gestein mysteriöse Schriftzeichen eingeritzt, deren Bedeutung dem Blutsauger unbekannt waren.
Tiefer in dem düsteren Bau, der ihn mehr an eine Höhle erinnerte, entdeckte er zwei steinerne Figuren, die wie archaische Wächter dieses völlig aus der Zeit gefallenen Tempels wirkten. Dass hinter diesem Eindruck mehr steckte, war ihm sofort klar, denn ohne Grund hatten die Statuen dort sicher nicht ihren Platz gefunden.
Langsam näherte er sich den in Rüstungen gehüllten Gestalten, an deren Brustpanzer dasselbe Symbol prangte wie auf den Fahnen. Wie Ritter stützten sie sich mit beiden Händen auf ihre Schwerter, deren Klingen breit genug wären, ihn mit einem Streich in zwei Hälften zu teilen. Dass die Figuren ihn um mehr als einen Meter überragten, zeugte davon, dass er ihre Kräfte auf keinen Fall unterschätzen durfte.
In den Rüstungen steckten keine Menschen, sondern Monster. Geschöpfe mit breiten Gesichtern, übergroßen Knollennasen, wulstigen Lippen und spitzen Zähnen. Obwohl die Kreaturen aus Stein bestanden, lag in ihren Augen ein unheilvolles Funkeln.
Durch seinen Auftraggeber wusste er, dass es sich bei den beiden Wächtern um eine bestimmte Art von Kreaturen handelte, die auch in die Sagenwelt der Menschen eingegangen waren: Trolle. Eigentlich kannte er sie eher als kleinwüchsige, hinterlistige Wesen und nicht als derartige Kolosse. Womöglich waren sie das Produkt einer magischen Mutation oder es handelte sich bei ihnen um die Ursprungsform dieser Gestalten, die die Wälder eines fernen Reiches bevölkerten.
Langsam trat er näher, die Kugel dabei weiter fest in den Händen haltend. Auch von ihr ging eine schwarzmagische Ausstrahlung aus, die einiges an Unheil anrichten konnte. Das mussten auch die beiden Statuen spüren, in deren Augen sich immer stärker der seltsame Glanz manifestierte. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie endgültig zum Leben erwachten.
Der Vampir ließ sich von den beiden Trollkriegern nicht beeindrucken. Schritt für Schritt trat er näher an sie heran, bis ihn ein kalter Hauch traf, der aus den Ritzen zwischen den Steinquadern in die Höhe drang. Er war so etwas wie eine letzte Warnung, die er jedoch ignorierte und die unsichtbare Schwelle übertrat.
Als wären die Trolle von einem Windstoß getroffen worden, wehte die graue Schicht von ihren Körpern ab, die zuvor den Eindruck vermittelte hatte, es würde sich bei ihnen wirklich um Statuen handeln. Wie bei einem Sandsturm fegte eine aus kleinen Steinen bestehende Fahne durch den Raum und verlor sich in der sich hinter den Trollen ausbreitenden Dunkelheit.
Beide Krieger erwachten fast gleichzeitig zum Leben. Ihre Augen verengten sich und fixierten den Eindringling, der es tatsächlich wagte, ihnen entgegenzutreten. Seltsame Flüsterlaute drangen aus ihren Mäulern, während sie mit überraschender Schnelligkeit ihre Schwerter in die Höhe rissen, um seinen Körper zu zerhacken.
Der Vampir blieb ruhig auf der Stelle stehen. Zumindest äußerlich war das der Fall, denn durch seinen Kopf hallte ein magischer Befehl, eine Art psychischer Schalter, den er umlegen musste, um das Amulett zu aktivieren, das er um den Hals trug.
Es bestand aus einer gehärteten, pechschwarzen, kristallinen Masse, die in einer goldenen Einfassung steckte. Als es seinen Wunsch vernahm, begann die Masse zu pulsieren, woraufhin sich ein dunkler Schein über seinen gesamten Körper ausbreitete. Die Kleidung, die Schuhe, seine Haut, das Fleisch und die Knochen, alles wurde von ihm erfasst und nahm nach und nach seine Farbe an, bis der Vampir nur noch aus einem Schatten bestand, in dessen Händen die Glaskugel schwebte.
Die Klingen rauschten heran, und hätte er sich nicht im letzten Moment verwandelt, wäre er von dem Metall in Stücke geteilt worden. So glitten die Schwerter durch seine Schattengestalt hindurch und verfehlten glücklicherweise auch die Kugel. Sie war von dem Zauber nicht geschützt, weshalb er höllisch aufpassen musste, dass die Trolle sie nicht zerstörten.
Er hörte wütende Schreie, während er wie ein Irrwisch zwischen den Wächtern hindurchhuschte und tiefer in den düsteren Tempel eindrang. Bald entdeckte er ein Podium, auf dem sich ein Altar in Form einer breiten, steinernen Platte befand.
Das verkrustete Blut, das sich auf ihm abzeichnete, wies darauf hin, dass hier vor langer Zeit Menschenopfer dargebracht worden waren. Nur einen Götzen, der die Seelen und das Fleisch in Empfang genommen hätte, sah er nicht.
Die stampfenden Schritte, mit denen ihn die beiden Krieger verfolgten, hallten als donnernde Echos durch den Tempel. Viel Zeit blieb ihm nicht, seinen eigentlichen Auftrag zu erfüllen, denn an den Wachtposten vorbeizukommen war nicht weiter als eine Pflichtaufgabe gewesen.
Er huschte an der Altarplatte entlang und suchte einen Gang, der ihn tiefer in das Gemäuer brachte. Obwohl es sich nicht um eine christliche Kirche handelte, war sie so ähnlich wie eine solche aufgebaut, und deshalb fand er hier auch eine Treppe vor, die hinter dem Altar in die Tiefe führte.
Grüner Schein, der direkt aus den Wänden drang, erfasste ihn und auch die Kugel. Die Magie dieses Ortes versuchte alles, um ihn daran zu hindern, über die Stufen zu gleiten und damit das Herzstück dieses Tempels zu erreichen.
In dieser Erscheinungsform war sie nicht in der Lage, ihn aufzuhalten, und auch bei der zwischen seinen Fingern schwebende Kugel würde ihr das nicht gelingen. So gelangte er ungehindert bis ans Ende der Treppe, die nur scheinbar an einer gemauerten Wand auslief.
Tatsächlich machten seine Sinne sofort eine magische Illusion aus, die er nur durchschreiten musste, um in die Krypta zu gelangen. Auch hier wurde die Decke von steinernen Säulen gehalten, nur Wachtposten entdeckte er hier keine. Auch sonst befand sich in ihr so gut wie nichts – abgesehen von einem gewaltigen Steinsarg.
Die Schritte der Trollkrieger waren längst verklungen, weshalb er sich wieder in seine menschliche Gestalt zurückverwandelte. Allzu oft durfte er diesen Vorgang nicht wiederholen, zumindest ohne die Aussicht, bald wieder frisches Blut trinken zu können. Das Amulett stillte zwar seinen Durst, wenn er es nur trug, bei jeder Aktivierung forderte es allerdings etwas davon zurück.
Mit der Kugel in der Hand trat er vor, bis zum Rand des Sargs, der ihm bis zum Hals reichte. Die Grabplatte musste mehrere Tonnen wiegen, was bedeutete, dass er wohl erneut die Kräfte des Amuletts einsetzen musste, um sie zur Seite zu schieben. Zumindest konnte er auf ein kleines Podest neben der Grabplatte treten, sodass er sah, dass auf ihr dasselbe Emblem wie auf den Fahnen und den Rüstungen der Trolle eingekerbt war.
Vorsichtig ließ er die Kugel zu Boden gleiten und stemmte sich gegen die Platte, doch seine vampirischen Kräfte allein reichten nicht aus, um sie in Bewegung zu bringen. Erst als er einen leisen Schrei ausstieß und das Amulett an seinem Hals erneut zu glühen begann, glitt sie mit einem lauten Knirschen zur Seite.
Obwohl er keinen Luftzug spürte, vernahm er das Heulen des Windes, das aus dem Inneren des Sargs zu ihm hinauf drang. Auch in ihm sammelte sich die unheilvolle Schwärze, und was sich wirklich in ihr befand, war für ihn nicht zu erkennen. Es war letztendlich auch nicht wichtig, denn seine Aufgabe bestand allein darin, die Kristallkugel in die Öffnung gleiten zu lassen.
Genau das tat er auch ...
Bevor er die Krypta verließ, verwandelte er sich noch ein letztes Mal in das Schattenwesen. Bald würde er den Lebenssaft eines Menschen trinken müssen, denn der Durst, den das Amulett in ihm auslöste, ließ sich nicht mit der in ihm wohnenden Magie stillen. Wohl oder übel musste er sich an den schmutzigen, alten Lebenssaft des Obdachlosen halten, der wahrscheinlich immer noch vor der Kirche hockte und seine Whiskyflasche leerte.
Als er wieder in den Chor trat, sah er, dass die beiden Krieger vor dem Altar Stellung bezogen hatten. Sie bewegten sich leicht, taten jedoch nichts, um ihn aufzuhalten. Er ging davon aus, dass sie inzwischen wussten, dass sie nichts gegen diese Erscheinungsform des Vampirs ausrichten konnten. Also ließen sie ihn gewähren und beobachteten ihn lediglich mit ihren funkelnden Augen.
Er war froh, als er den Tempel der Trolle endlich hinter sich ließ und wieder auf die Treppe vor der Kirche trat. Wie von Geisterhand glitt die Pforte hinter ihm zu, als wollten ihm die in dem vermeintlichen Gotteshaus lauernden Kräfte sagen, dass sie ihn dort nie wiedersehen wollten.
Der Hunger wühlte sich durch seine Eingeweide wie eine wilde Bestie. Er brauchte das Blut, jetzt, sofort! Einer wie er, der sich seiner eigenen Rasse gegenüber als überlegen ansah, wurde durch die Kräfte des Vampir-Amuletts auf seine niederen Instinkte reduziert. Zugleich sagten ihm genau diese Instinkte aber auch, dass sich etwas in seiner Umgebung verändert hatte. Der Geruch von warmem, pulsierendem Menschenblut lag nicht mehr in der Luft.
Mit einem leisen, fast schon hündischen Knurren lief er die Treppe hinab und auf die Stelle zu, an der der Obdachlose sein Lager aufgeschlagen hatte. Der alte Mann lag auf seiner Decke, wobei er die Flasche immer noch in der Hand hielt. Zumindest den Flaschenhals, alles andere war zerbrochen.
Den Grund dafür erkannte er, als er sich direkt neben den leblosen Körper aufbaute. Es war offenbar zu einem Kampf gekommen, den der Alte verloren hatte und in dessen Verlauf die Flasche zerbrochen war. An seinem Hals malten sich die typischen Bissmale eines Vampirs ab, nur würde sich der Mann niemals als Wiedergänger erheben und auf Blutjagd gehen. In seinem Herzen steckte ein kurzer Holzpflock, was für einfache Vampire absolut tödlich war.
»Was zum ...«, murmelte er, als er hinter sich eine Bewegung wahrnahm.
Er wirbelte herum und sah eine dunkel gekleidete Gestalt mit deutlich weiblich geformtem Körper und wehenden, blonden Haaren, die ihre Fäuste gegen die Hüften stemmte.
Er wusste sofort, wen er da vor sich sah. »Justine Cavallo«, stieß er leise hervor.
»So ist es«, erwiderte die blonde Bestie. »Und du bist also Iovan Raduc.«
Der uralte Blutsauger, der vor nicht allzu langer Zeit zum wiederholten Male dem Tod von der Schippe gesprungen war, lächelte schmal. Natürlich hatte er von der Vampirin schon einiges gehört – dass sie eine Einzelgängerin war, andererseits auch schon mit Matthias, Assunga, Dracula II oder sogar John Sinclair selbst Bündnisse geschlossen hatte, alle natürlich zu ihrem Vorteil. Sie sah sich womöglich als Krone der vampirischen Schöpfung an, zumindest duldete sie keine mächtigen Blutsauger neben sich und machte gnadenlos Jagd auf ihre Artgenossen.
War sie deshalb gekommen? Hatte sie sich an seine Fersen geheftet, um das zu Ende zu bringen, was selbst Sinclair nicht gelungen war? Er spürte noch immer diese furchtbaren Strahlen des aktivierten Kreuzes, die ihn fast erneut in die Hölle zurückgeschleudert hätten, wenn er nicht von einer anderen Macht gerettet worden wäre. Nun hatte er einen neuen, mächtigen Verbündeten, der nicht zulassen würde, dass der Geisterjäger ihm auch nur ein Haar krümmte.