Lassiter 2693 - Des Romero - E-Book

Lassiter 2693 E-Book

Des Romero

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Beschreibung

Die Kapelle spielte auf zum Tanz, obwohl die meisten Gäste noch an der reich gedeckten Tafel saßen und sich die Speisen schmecken ließen.
"Enzo!", stieß Gabriella aus und ließ ihr Besteck fallen. "Ich will mit dir tanzen!" Sie raffte ihr Hochzeitskleid, sprang auf und reichte ihrem Bräutigam die Hände. Gleich darauf drehten sie sich zum Takt einer Tarantella.
"He!", rief Santino Gaspari den Musikern zu. "So spielt man das doch nicht! Schneller, schneller - und mit mehr Leidenschaft!"
Andere Gäste erhoben sich und gesellten sich zu dem Hochzeitspaar. Die Stimmung war ausgelassen, und alle waren bester Laune.
Niemand konnte ahnen, dass dieser Tag eine tragische Wende nehmen würde!

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Inhalt

Cover

Ein Schritt noch bis ins Grab

Vorschau

Impressum

Ein Schritt noch bis ins Grab

von Des Romero

Die Kapelle spielte auf zum Tanz, obwohl die meisten Gäste noch an der reich gedeckten Tafel saßen und sich die Speisen schmecken ließen.

»Enzo!«, stieß Gabriella aus und ließ ihr Besteck fallen. »Ich will mit dir tanzen!« Sie raffte ihr Hochzeitskleid, sprang auf und reichte ihrem Bräutigam die Hände. Gleich darauf drehten sie sich zum Takt einer Tarantella.

»He!«, rief Santino Gaspari den Musikern zu. »So spielt man das doch nicht! Schneller, schneller – und mit mehr Leidenschaft!«

Andere Gäste erhoben sich und gesellten sich zu dem Hochzeitspaar. Die Stimmung war ausgelassen, und alle waren bester Laune.

Niemand konnte ahnen, dass dieser Tag eine tragische Wende nehmen würde!

Wie ein Dirigent schwang Gaspari seine Arme und gab durch seine Miene zu verstehen, ob er mit der Leistung der Kapelle einverstanden war. Schließlich setzte er sich wieder neben seine Frau und sagte: »Sind sie nicht ein wundervolles Paar? Wir hätten uns für Gabriella niemand Besseren als Enzo wünschen können.«

»Er wird ihr ein guter und treusorgender Ehemann sein«, bestätigte Paola Gaspari. »Auch ich bin froh, dass sie sich gefunden haben.«

»Wenigstens ist er Italiener«, warf Santino ein, »was man von dieser Musikantentruppe nicht unbedingt sagen kann. Ihr fehlt einfach das Feuer. In bella Napoli hätte man sie zum Teufel gejagt!«

Sanft ergriff Paola die Hand ihres Gatten. »Sei nicht zu streng«, sagte sie lächelnd. »Die Kapelle gibt sich alle Mühe. Und die Zeiten ändern sich. Die Jugend hat ihre eigene Musik.«

Gaspari klatschte in die Hände und schien sich mit der Situation zu arrangieren, während seine Frau ihm eine Kelle Gulasch aus einem Kessel auf den Teller schöpfte und ihm eine doppelt fingerbreite Scheibe Brot abschnitt. »Lass es dir schmecken und grüble nicht allzu viel. Es ist Gabriellas großer Tag, da sollten wir uns zurücknehmen.«

Das Lied endete, doch sogleich wurde ein neues Stück gespielt, das allen einen Jauchzer entlockte. Auf der Tanzfläche vor der Farm der Gasparis ging es stürmisch zu. Die Tanzpaare wirbelten umher, lachten und erfreuten sich an der Festlichkeit. Sogar einige ältere Männer und Frauen schlossen sich nun dem ausgelassenen Reigen an und bewiesen ihre Tanzkünste. Nicht ganz so elegant wie die jungen Paare, aber durchaus passabel und mit höchster Hingabe.

Selbst Santino Gaspari ließ sich nun vorbehaltlos mitreißen und flüsterte seiner Gattin zu: »Heute Nacht machen wir eine zweite Tochter, damit wir in einigen Jahren ein weiteres fröhliches Fest feiern können.«

»Oh!«, machte Paola. »Da will es aber einer wissen und Michele noch ein Schwesterchen bescheren.«

»Wo steckt der Junge eigentlich?«, entfuhr es Santino. »Der wird sich doch wohl nicht wieder in seinen Büchern vergraben haben!«

Erneut musste Paola beschwichtigend eingreifen. »Es ist nun mal seine Art, sich mit der Welt auseinanderzusetzen. Zwinge ihn nicht, etwas zu tun, was ihm nicht liegt. Du weißt, wie scheu er ist.«

»Was heißt hier zwingen?«, platzte es aus Gaspari heraus. »Was ist so schlimm daran, dass er seiner älteren Schwester Respekt zollt und zu ihrem Glück beiträgt? Ich hätte ihm ohnehin öfter den Hosenboden strammziehen sollen. Du verhätschelst den Jungen, statt ihn zu einem Mann zu machen!«

Paola Gaspari wollte eine Erwiderung geben, doch das Wort blieb ihr im Halse stecken. Starr war ihr Blick auf die Hügel vor der Farm gerichtet und konnte sich von dem, was sie sah, nicht mehr loslösen.

Auch ihr Mann wurde aufmerksam, und ihm blieb der letzte Bissen seiner Mahlzeit förmlich im Halse stecken.

Brennend waren seine Augen in die Ferne gerichtet. Er konnte kaum glauben, was sie ihm zeigten.

»Diese Männer...«, hauchte Paola Gaspari. »Kommen sie etwa wegen dem...?«

Mit einer harschen Geste brachte Santino seine Frau zum Schweigen. »Es ist viel zu früh«, raunte er. »Ich habe eine Vereinbarung mit Cornell. Ich habe einen Vertrag, den ich ihm unterschrieben habe.«

Der letzte Satz glich einem verzweifelten Hilferuf. Gaspari schob den Teller von sich und stand langsam auf. Geradezu flehentlich war sein Blick vorausgerichtet.

Zehn Männer in Staubmänteln kamen gemächlich heran. Sie hatten sich breit aufgestellt und bildeten eine unüberwindliche Mauer. Eile schienen sie nicht zu kennen und trotteten daher, als wollten sie sich auf einem Bahnsteig versammeln, um auf den nächsten Zug zu warten.

Santino Gaspari wusste es besser und zischte seiner Frau zu: »Geh ins Haus und schau nach Michele. Versteckt euch irgendwo! Ich kümmere mich um Gabriella und Enzo.«

Schwungvoll wollte sich Paola in Bewegung setzen, doch sie kam keine zwei Schritte weit. Vor ihren Füßen spritzte der Boden unter den Einschlägen mehrerer Kugeln auf und ließ sie unwillkürlich erstarren. Die tanzenden Paare verhielten ebenfalls und stießen erschrockene Laute aus. Erst jetzt wurden sie auf die Fremden aufmerksam und drängten sich dicht zusammen. Schlagartig stellte auch die Kapelle ihr Spiel ein.

»Gaspari!«, schallte es heran. »Du scheinst in ausgelassener Stimmung zu sein, hast aber offensichtlich vergessen, deinen Gönner einzuladen.«

Santino rannte um die Tischreihen herum und stellte sich schützend vor seine Tochter und ihren Zukünftigen. »Es ist eine Familienfeier!«, stieß er aus. »Ich habe nur Leute aus dem engsten Kreis eingeladen!«

Näher und näher kamen die zehn Männer, bis sich einer von ihnen absonderte und hervortrat. »Der Don sieht dir deine Respektlosigkeit nach«, tönte der Mann im Tiefbass. »Was er allerdings nicht versteht, ist, dass du das Geld anscheinend mit vollen Händen hinauswirfst, ohne deinen Verpflichtungen nachzukommen. Du warst ja nicht gerade zurückhaltend, die Hochzeit deiner Tochter anzukündigen, Santino.«

»Verpflichtungen?«, ächzte Gaspari. »Wozu mache ich einen Vertrag, wenn sich niemand daran hält?«

»O Santino«, brummte der Mann im Staubmantel. »Wenn es doch nur immer so einfach wäre. Du hast dir zweitausend Dollar für deine Farm geliehen, schmeißt aber heute mit dem Geld um dich, um deine Freunde zu beeindrucken. Mr. Cornell ist ein wenig besorgt, dass er seine Dollars nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurückbekommt. Und wenn ich mich so umsehe, kann ich mich seiner Meinung nur anschließen.«

»Ich zahle das Geld zurück, wie ich es versprochen habe!«, beharrte Gaspari. »Diese Feierlichkeit war nicht eingeplant. Meine Tochter hat sich spontan für Enzo entschieden! Ich kann sie doch nicht bei Wasser und Brot ihre Hochzeit feiern lassen! Es ist eine einmalige Angelegenheit und kostet nur wenige hundert Dollars! Der Priester ist sogar ohne Vergütung gekommen. Ich zahle zum vereinbarten Zeitpunkt!«

Der Mann, der sich vor seine neun Begleiter gestellt hatte, griff zum Holster und holte einen silbern glänzenden Revolver hervor. Er ließ die Trommel rotieren, richtete die Waffe auf den Geistlichen und drückte ab. Der Diener Gottes wurde unter dem Kugeleinschlag zurückgeworfen und fiel rücklings in den Staub.

Während die Versammelten Laute des Entsetzens von sich gaben, sagte der Schütze: »Leider beurteilt der Don die Lage nicht ganz so optimistisch wie du, Santino. Dennoch ist er kein Unmensch und verzichtet unter gewissen Voraussetzungen auf das Geld...«

Gaspari schluckte hart und fragte: »Welche Voraussetzungen?«

Der Sprecher der ungeladenen Gäste zog die Nase hoch und spuckte aus. »Dass ihr alle sterbt!«, sagte er.

Als wäre dies ein geheimes Zeichen gewesen, zogen die Männer ihre Revolver und schossen alles nieder, was sich vor ihren Mündungen befand. Santino Gaspari starb als Erster, danach seine Tochter sowie auch Enzo. Doch auch die unbeteiligten Besucher blieben nicht verschont und hauchten im Kugelhagel ihr Leben aus.

Plötzlich tauchte Michele im Eingang des Farmgebäudes auf. Seine Knie schlotterten; in der Linken hielt er ein Buch und hatte den Daumen zwischen die Seiten gesteckt, die er zuletzt gelesen hatte.

Der Anführer der Killerhorde grinste. »Noch so ein Abkömmling des Verräters«, knurrte er. »Je weniger es von euch gibt, desto eher wird man die Macht des Dons anerkennen. Er kann doch nicht riskieren, dass sich ein Wicht wie du irgendwann an ihm rächt...«

Einmal nur bellte der Revolver auf, dann senkte sich umfassende Stille über das Land. Die zehn Schießer wandten sich ab und gingen zurück zu ihren Pferden, die hinter den Hügeln warteten.

Flach auf dem Boden liegend und mit verengtem Blick über den Hügelkamm blinzelnd, beobachtete Bud Chester das Treiben im Tal. Er war gerade noch zur rechten Zeit gekommen, um das Waffengeschäft zwischen Don Benvenuti und Colonel Chavez zu verhindern.

Schweißperlen bildeten sich auf Chesters Stirn, denn er wusste, dass er mit seinem Leben spielte. Sobald er den ersten Schuss auf den mexikanischen Oberst abgab, würde es zu einem Massaker kommen. Und Clan-Boss Benvenuti würde im Anschluss nichts unversucht lassen, um den Schuldigen zu finden und grausam zu töten.

Einmal noch atmete Bud Chester tief durch – dann legte er seine Rifle an und schoss!

Es war wie ein Peitschenschlag in der Stille der Nacht. Sirrend schnitt die Kugel durch die Luft und hackte in die Brust von Chavez. Der Mexikaner ruckte zurück, ließ die Zügel seines Pferdes los und kippte seitwärts aus dem Sattel.

Nur wenige Sekunden war die Horde der Mexikaner untätig, dann hatten sie begriffen, was sich ereignet hatte, und witterten Verrat. Auf der Stelle zogen sie ihre Waffen und nahmen Benvenutis Reiter ins Visier.

Zwei von ihnen fielen, ehe eine Reaktion erfolgte. Doch als sie schließlich kam, stand sie der Brutalität der Mexikaner in nichts nach.

Mit angespannten Sinnen verfolgte Bud Chester das Gefecht, sah die grellen Mündungsblitze und hörte die gellenden Schreie der Getroffenen. Keine Minute war vergangen, da war der steinige Boden gepflastert mit Leichen. Der karge Rest von Don Benvenutis Männern musste die Flucht ergreifen und den Wagen mit den Waffenkisten zurücklassen. Ohne einen Dollar in den Händen und bis auf die Knochen gedemütigt würden sie vor ihrem Boss Rechenschaft ablegen müssen.

Ein Grinsen konnte sich Chester nicht verkneifen, denn er hatte erreicht, was er sich vorgenommen hatte. Dennoch hielt seine Freude über den errungenen Sieg nicht lange an. Don Benvenuti – Sohn italienischer Einwanderer, der sich den Namen Wesley Cornell zugelegt hatte – war nicht gerade bekannt für seine Mildtätigkeit. Und das lag daran, dass er dem Familienclan der »Onorata Società« angehörte, einer in Neapel ansässigen Verbrecherorganisation, die auch in den Vereinigten Staaten von Amerika Fuß zu fassen versuchte und besser bekannt war unter dem Namen »Camorra«.

Wer sich mit diesen ehrenwerten Herren anlegte oder sie hinterging, dessen Leben war keinen Pfifferling mehr wert. Und Bud Chester zweifelte nicht daran, dass Benvenuti/Cornell lange benötigen würde, um den wahren Schuldigen des misslungenen Geschäfts ausfindig zu machen. Chester hatte nicht nur einmal öffentlich die Situation in der Stadt Hutchinson angeprangert, deren südlicher Teil fest in der Hand der italienischen Einwanderer war.

Es waren durchaus gute Menschen darunter, die sich einfach nur im gelobten Land eine neue Existenz aufbauen wollten, doch Don Benvenuti hielt South Hutchinson in seinem Würgegriff und ließ nicht zu, dass sich die Gemeinde frei entwickelte. Wer sich gegen ihn stellte, wurde ermordet. Ganze Familien waren bereits ausgelöscht worden, weil sie mit seinen kriminellen Machenschaften nichts zu tun haben wollten.

Dieses Leid und Elend hatte Bud Chester nicht mehr mitansehen können und den offenen Konflikt gewagt. Die Weichen für seine Zukunft waren somit gestellt. Doch er hatte sich vorgenommen, seinen Tod so lange wie möglich hinauszuzögern und dem Clan-Boss noch einige Steine in den Weg zu legen. Nicht nur aus Eigennutz, sondern auch wegen Maria.

Als er sich hinter den Hügeln zurückzog, auf sein Pferd stieg und davoneilte, nahmen ihm die Gedanken an die bildhübsche Maria die Furcht. Vielleicht war es ihnen beiden sogar möglich, der Rache des Don zu entkommen und sich eine gemeinsame Zukunft aufzubauen.

Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Immerhin gab es da noch ein weiteres Problem, das sich nicht so leicht lösen ließ...

Die Einsatzbefehle, die Lassiter bei sich trug, waren nicht gerade geeignet, seine Laune zu heben. Und wenn er ehrlich war, hatte er noch nie von einer Organisation namens »Camorra« gehört. Er konnte sich auch nur schwer vorstellen, dass eine Gruppierung aus italienischen Einwanderern überall in den Staaten verbrecherische Zellen bilden wollte, um ein Gewaltmonopol zu errichten.

In Washington aber schien man die Lage anders einzuschätzen. Laut Lassiters Unterlagen gab es bereits kriminelle Auswüchse im Osten, die sich wie ein Geschwür über das gesamte Land ausbreiteten. Wurde diesem Bestreben nicht Einhalt geboten, befürchtete man bei der Brigade Sieben die Ausbildung eines Verbrechensnetzes, das in den kommenden Jahrzehnten nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden konnte und nachhaltige Auswirkungen auf Staat und Justiz haben würde.

Über Mittelsmänner hatte Lassiter einen Italiener ausfindig gemacht, der unter dem Namen Luigi Scarletti bekannt war. Es war nicht einfach gewesen, seine Fährte aufzunehmen, doch nach einer Schießerei in Obeeville klebte Lassiter dem Räuber und Mörder an den Fersen.

Einen halben Tag lang war der Mann der Brigade Sieben ihm gefolgt und nun kurz davor, ihn zu stellen. Es war nämlich nicht gerade eine Flucht gewesen, die Scarletti nach seinem Banküberfall in Obeeville hingelegt hatte. Der Mann fühlte sich sicher und war in den letzten Stunden sogar langsamer geworden.

Die Spuren waren frisch und für Lassiter nicht zu übersehen. Allein das Gelände war unwegsam und bot zahlreiche Hinterhalte. Der Brigade-Agent musste überaus vorsichtig sein, um nicht gleich zu Beginn seiner Mission zu scheitern. Denn eines hatte man ihm mitgeteilt: Luigi Scarletti gehörte zu einem Clan, der von einem gewissen Don Benvenuti kontrolliert und mit eiserner Hand geführt wurde. Und Benvenuti war jener Mann, den es auszuschalten galt, wollte man den Westen vor einer Invasion des Verbrechens bewahren.

Die Zusammenhänge waren Lassiter noch nicht vollständig klar, doch er nahm seine Aufgabe ernst wie jede, die er aus Washington erhielt. Und als er über die schmalen Pfade der zerklüfteten Landschaft ritt, wären ihm einige Momente der Unachtsamkeit beinahe zum Verhängnis geworden.

Ein Schuss, mehrfach von den Felsen als Echo gebrochen, hallte heran. Die erste Kugel verfehlte Lassiter um mehrere Yards, doch die nachfolgenden Geschosse kamen ihm bereits bedrohlich nahe.

»He, Fratello!«, brandete eine Stimme auf, deren Ursprung nur schwer zu bestimmen war. »Bist du etwa hinter mir her? Habe ich deine Frau oder dein Kind in Obeeville getötet? Da hast du wohl einen echt miesen Tag erlebt!«

Lassiter hatte seinen Grauschimmel in eine Felsspalte gelenkt, war aus dem Sattel gestiegen und hatte seinen Remington gezogen. »Hättest du das getan«, rief er zurück, »würdest du schon bei den Würmern liegen! Ich bin hier wegen all der Menschen, deren Lebensgrundlage du vernichtet hast!«

Ein spöttischer Kommentar war die Antwort: »Nur die Starken überleben! Mir ist es egal, wer draufgeht, solange ich alles habe, was ich brauche!« Zwei Schüsse folgten, die Lassiter aber nicht gefährlich werden konnten. Dem Killer ging es anscheinend nur darum, seine Überlegenheit zu demonstrieren.

Lassiter spürte, wie sich sein Innerstes verkrampfte. Dieser Kerl war ein kaltblütiger Hundesohn, von dem die Welt befreit werden musste. Offenbar kannte er weder Anstand noch Moral. Alles drehte sich nur um ihn. Und genau mit dieser Einstellung, die Schwachen und Wehrlosen nach Gutdünken niederzumetzeln, hatte er sein Anrecht auf Leben verwirkt.

Ein enger Schacht führte aus der Felsspalte in die Höhe. Lassiter schob sich vor, nutzte jeden festen Halt und schraubte sich in die Höhe. Er hatte eine ungefähre Ahnung, wo sich sein Gegner aufhielt, und wollte die Gelegenheit nutzen, ihn zu überraschen.

»Hat's dir die Sprache verschlagen?«, tönte Scarletti. »Einen Weichling wie dich zerquetsche ich unter dem Absatz meines Stiefels!«