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Haiku heute ist ein Projekt zur Förderung des deutschsprachigen Kurzgedichts. Die Netzpräsenz Haiku heute erstellt aus der Vielzahl an eingereichten Texten jeden Monat eine Auswahl nach literarischen Gesichtspunkten. Die Jahrbücher, von denen hier das fünfzehnte vorliegt, versammeln davon die interessantesten Haiku jedes Jahres. Zusätzlich werden speziell für das Jahrbuch eingereichte Haiku sowie Haiku aus anderen Quellen aufgenommen – das Jahrbuch berücksichtigt also auch bereits anderweitig veröffentlichte Texte. Alle Beiträge eines Jahrbuchs sollten im jeweiligen Jahr entweder geschrieben oder aber erstveröffentlicht worden sein. So ermöglichen die Jahrbücher einen Überblick zum Stand der deutschsprachigen Haiku-Dichtung. In das vorliegende Jahrbuch wurden 556 Haiku von 116 Autoren sowie zehn Tan-Renga aufgenommen.
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Haiku heute
Leichte Fracht
Haiku-Jahrbuch 2017
Herausgegeben von Volker Friebel
Edition Blaue Felder, Tübingen
Haiku heute ist ein Projekt zur Förderung des deutschsprachigen Kurzgedichts. Die Netzpräsenzwww.Haiku-heute.deerstellt aus der Vielzahl an eingereichten Texten jeden Monat eine Auswahl nach literarischen Gesichtspunkten. Die Jahrbücher, von denen hier das fünfzehnte vorliegt, versammeln davon die interessantesten Haiku jedes Jahres. Zusätzlich werden speziell für das Jahrbuch eingereichte Haiku sowie Haiku aus anderen Quellen aufgenommen – das Jahrbuch berücksichtigt also auch bereits anderweitig veröffentlichte Texte. Alle Beiträge eines Jahrbuchs sollten im jeweiligen Jahr entweder geschrieben oder aber erstveröffentlicht worden sein. So ermöglichen die Jahrbücher einen Überblick zum Stand der deutschsprachigen Haiku-Dichtung.
Alle Rechte bei den Autoren.
Edition Blaue Felder,
Volker Friebel, Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)
www.Volker-Friebel.de
www.Haiku-heute.de
Redaktion und Gestaltung: Volker Friebel
Umschlagfoto: Boot vor einem Container-Schiff im Hafen von Kochi, Süd-Indien, Januar 2017, Volker Friebel
Veröffentlichung: April 2018
Inhalt
Vorwort
Haiku
Tan-Renga
Autoren
Schwer und tief, das gehört zusammen, in der Literatur. Mit Leichtigkeit verbinden wir Vögel und Wolken. Ich glaube aber, die Welt wiegt gar nichts. Wenn der Dichter ein Blatt vom Schreibtisch fegt, wird dieser wohl leichter – aber das Gewicht der Welt nimmt deshalb nicht zu und nicht ab.
Haiku jedenfalls zählen zu den leichten Dingen der Welt. Und sie sollen, so steht in alten Kochbüchern außerdem noch, eher kurz sein, gegenständlich und heiter. Und bei all dem noch mit einfachen Worten gut verständlich geschrieben.
Die Dichter haben sich nie dran gehalten, die tapsen nach allem, was sich bewegt und schreiben darüber alle in ihrer eigenen Art, schwer oder leicht, ob es ein Schmetterling ist oder eine Kröte.
Das kleine Boot auf dem Titelbild dieses Jahrbuchs nimmt alles gern auf. Wer sich mit seinen Texten nicht wohl darin fühlt, für den steht das Container-Schiff dahinter bereit. In der Stadt dieses Hafens, in Kochi, war eine Zeit Vasco da Gama begraben, der im Jahre 1498 ein Stück weiter nördlich der Pfefferküste gelandet ist und damit ein neues Zeitalter einläutete, als erster Europäer, der Asien über das Meer erreichte. Um Handel ging es.
Als geschäftstüchtig gelten Dichter eher nicht. Doch so, wie der Pfeffer europäisch geworden ist, hat auch das Haiku den Sprung in den Westen geschafft. Beim Handel gibt es nicht nur Gewinner, Kultur dagegen kann alle bereichern.
Wie immer wird auf einen roten Faden im Jahrbuch verzichtet, wird alles gern gesehen, was ist – wenn es denn zu interessieren weiß, zu berühren, zu inspirieren. Tradition oder Experiment, das ist ganz gleich.
So findet sich in diesem Jahrbuch des Projekts Haiku heute wieder kreuz und quer Schweres, Leichtes, Heiteres, Trauriges, so zeigen sich viele Facetten der Welt und mit ihnen ganz verschiedene Augen, sie aufzunehmen und Federn, sie aufzuschreiben.
In das vorliegende Jahrbuch wurden 556 Haiku von 116 Autoren sowie zehn Tan-Renga aufgenommen. Die meisten Texte erschienen erstmals in den Monatsauswahlen von Haiku heute, in den Organen der Deutschen Haiku-Gesellschaft (Vierteljahresschrift Sommergras, Werkstätten, Haiku-Agenda 2018), in Chrysanthemum (halbjährliche internationale eZeitschrift), auf VerSuch (eProjekt für Gendai-Haiku), in eXperimenta (monatliche eZeitschrift), auf Tageshaiku, in der Facebook-Gruppe Haiku-like. Weitere Texte wurden von den Autoren auf die Ausschreibung des Jahrbuchs hin eingereicht. Für die Aufnahme war Bedingung, dass die Texte im Jahr 2017 geschrieben oder in diesem Jahr erstveröffentlicht worden sind. Alle Texte wurden durch den Herausgeber ausgewählt und von ihm zusammengestellt, kritisch unterstützt durch Elisabeth Menrad.
Da schwimmen sie hin, auf dem Titelbild, Boot und Container-Schiff. Wir bleiben zurück und können nur hoffen, dass sie andere Häfen und Menschen erreichen und ihnen zeigen, dass das Besondere ganz in der Nähe liegt, im Gewöhnlichen, oft im Unscheinbaren, Kleinen. Und dass es viele verschiedene Gesichter der Welt gibt und der Blick in jedes davon interessant sein kann, um zu staunen vor der Größe und Weite der Welt und dieser Vielzahl an Möglichkeiten in ihr. Im Haiku und anderswo.
Gute Fahrt!
Volker Friebel
Tübingen, 26. März 2018
Sylvia Bacher
unscharfes bild
ich entdecke die brille
im spiegel
Marita Bagdahn
Sechster Januar
der Zahnarzt spricht von
drei Kronen
Auf der Terrasse
die Nachbarin trinkt Tee
mit ihrem Schatten
Schaufensterpuppen
plötzlich bewegt sich die Hand
des Dekorateurs
Unbeweglich
starren wir uns an – ich und
der Stern
Vor Omas altem
Kommodenspiegel – ich und
ich und ich und ich ...
Sonja Bautz
Herbst im Garten
neben den beiden Schubkarren
jetzt eine kleine
Christa Beau
am See
mit meinem Spiegelbild tanzen
die Wellen
Nachtigallenschlag
der Schneider näht
ein Hochzeitskleid
bei der Trauung
ihr Kind sagt laut
ja
Lichterfest
in Kinderhänden schaukelt
der Mond
Herbststurm
über meinem Herzen
die Gammakamera
Trödelmarkt
unverkäuflich die Sonne
im alten Spiegel
Adventszeit
bis Mitternacht Licht
in der Holzwerkstatt
Martin Berner
der Achtsamkeitslehrer
wie fahrig
er sein Telefon wischt
Silberhochzeit
sie sehnt sich
nach dem Flirren
der alte Mann
grübelt
nach einem Kindergebet
es geht ihm gut
sagt die alte Nachbarin
und schaut weg
dieses Geblühe
er schnauzt
seinen Pitbull an
Schenkelhalsbruch
es ist genug gelaufen
sagt sie
Angrillen
jetzt hat er wieder
das Sagen
Notaufnahme
Spinnweben am
Kruzifix
Welt ging verloren
er legt die Zeitung weg
Lidwina Bilgerig
Gespräch
wie dicht die Nähe war
als plötzlich Regen fiel.
Christof Blumentrath
neunzigster Geburtstag
ihr Strohhut geschmückt
mit Pfefferminze
Waldspaziergang
die Ameise überquert
einen Sonnenstrahl
Abendsonne
die kleine Spinne klettert
an der Luft empor
Mutters Eierlikör die Länge unserer Zungen
Morgenlektüre
ein Kleks Konfitüre
auf den Minister
Herbstabend
das Eichhörnchen pflanzt
einen Walnussbaum
zurück aus Spanien
meine Zunge hört nicht auf
zu rollen
Gerald Böhnel
der cd-player abgestellt –
nur das heulen
des sturms
An der Haustür
der Zeuge Jehovas beweist mir
die Existenz Gottes
s-bahn
ein Mädchen liebkost
sein smartphone
nach der Diagnose
am Abend
ein Glas Wein mehr
vor dem grab
der enkel zieht
seine baseballkappe
eisbrecher
das baby lacht und
alle lachen mit
Gerd Börner
Metropolis –
in den grauen Schluchten
das Echo der Fenster
Vorübereilende,
schaut mich an!