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Nach Perlen tauchen will der zum Abenteurer geborene junge Bankier Ronald von Berneck, doch er findet auf dem winzigen, von keiner Menschenseele bewohnten Eiland in der unendlichen Weite des Pazifik eine dem Tode nahe junge Frau. Fast kommt jede Hilfe zu spät für Elga von Bossini, mühsam ist ihr Weg zurück ins Leben. Natürlich will Ronald unbedingt wissen, wie sie in diese Situation kommen konnte, und seinen beharrlichen Nachforschungen offenbart sich eine Tragödie. Danach ist für ihn eines ganz sicher: Kein Mensch außer ihm darf wissen, dass Elga noch lebt. Ein tödliches Katz- und Maus-Spiel beginnt ...
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Seitenzahl: 118
Cover
Die gefährliche Lüge
Vorschau
Impressum
Die gefährliche Lüge
Was sie für Liebe hielt, war ein tödliches Spiel
Von Yvonne Uhl
Nach Perlen tauchen will der zum Abenteurer geborene junge Bankier Ronald von Berneck, doch er findet auf dem winzigen, von keiner Menschenseele bewohnten Eiland in der unendlichen Weite des Pazifik eine dem Tode nahe junge Frau. Fast kommt jede Hilfe zu spät für Elga von Bossini, mühsam ist ihr Weg zurück ins Leben. Natürlich will Ronald unbedingt wissen, wie sie in diese Situation kommen konnte, und seinen beharrlichen Nachforschungen offenbart sich eine Tragödie. Danach ist für ihn eines ganz sicher: Kein Mensch außer ihm darf wissen, dass Elga noch lebt. Ein tödliches Katz- und Maus-Spiel beginnt ...
»Du hast mir Miami Beach versprochen. Stattdessen willst du nach Perlen tauchen!«, trotzte Billa Trambach.
»Dieser feine Rummel hängt mir zum Hals raus, Billa. Aber du willst natürlich nicht darauf verzichten, von allen bewundert zu werden. Oder stimmt es etwa nicht?«, lachte Ronald Graf Berneck.
»Natürlich stimmt es!« Billa funkelte ihn mit ihren grünen Augen an wie eine Hexe.
Nach einigem Hin und Her einigten sie sich schließlich darauf, jeder seinem Hobby zu frönen.
Billa Trambach war – versorgt mit einem hohen Scheck von Ronald – nach Miami Beach gestartet. Ihre Garderobe war umfangreich. Für vier Wochen Urlaub hatte sie drei Schrankkoffer mitgenommen.
Ronald hatte sich in San Francisco ein seetüchtiges Motorboot gekauft und eine neue Taucherausrüstung. Er war in San Pedro Pier südlich San Francisco gestartet und sofort in Richtung Äquator gefahren.
Er kam sich halb wie Robinson, halb wie Kolumbus vor. Er fühlte sich prächtig. Er konnte in zerknautschten Leinenhosen und mit freiem Oberkörper herumlaufen und sich einen Bart stehen lassen, ohne dass es jemand störte.
Drei Monate hatte Ronald Zeit. Und irgendein Hurrikan war nicht gemeldet. Sein Ziel waren die Neuen Hebriden. Er kam in der Nacht dort an, doch er fuhr nicht zu nah an sie heran und ging vor Anker. Gleich am nächsten Morgen wollte er mit der Perlenfischerei beginnen.
Als er am Morgen gegen sechs Uhr erwachte, eilte er an Deck, griff nach dem Fernglas und sah sich um.
Wie verträumt diese Inseln waren! Die vielen Wasservögel schwirrten herum, ungestört von der menschlichen Zivilisation. Und dort liegt auch ein Seehund. Oder ...?
Ronald Graf Berneck stutzte.
Nein, das war kein Seehund. Das war ...
Ein Mensch!
Ohne Zweifel. Er konnte deutlich die langen nackten Beine sehen. Und der Mensch bewegte sich nicht.
Ronald Graf Berneck erschrak.
Er startete den Motor und fuhr so nahe wie möglich an diese Insel heran. Dann warf er das Ruderboot ins Wasser und kletterte hinein. Mit großen Ruderschlägen trieb er den Kahn an den scharfkantigen Riffen vorbei auf die Insel zu.
Noch immer hatte sich die Gestalt nicht gerührt. Immer wieder blickte Ronald sich um. Er war ganz froh, seine Pistole bei sich zu haben. Von hier aus konnte man nicht deutlich sehen, wie groß die Insel war. Wenn es nun Menschen auf der Insel gab, die ihn bedrohen würden?
Vorsichtig legte er an, band das Tau um ein paar hervorspringende Zacken eines Steins und stieg an Land.
Behutsam näherte er sich dem auf dem Boden liegenden Menschen in kurzen Turnhosen. Die Haut war weiß, wie er feststellen konnte, allerdings von der Sonne gebräunt. Weiße Segelhosen lagen sorgfältig zusammengelegt auf einem anderen Stein.
Als er das kurze wellige Haar bemerkte, stutzte er. Er sah sich um. Nichts deutete darauf hin, dass es noch andere Menschen hier gab.
»Hallo ...«, sagte er und blickte auf das schmutzige schmale Gesicht nieder. Er kniete sich hin und betrachtete aufmerksam den am Boden Liegenden.
Doch halt – das war kein Mann, sondern eine Frau.
»Hallo, hören Sie mich? Do you understand?«, fragte er eindringlich. »Vous m'avez compris?«
»Wo ... wo bin ich?«, stöhnte die Frau.
Sie sprach Deutsch! Heiße Freude ergriff Ronald.
»Auf einer Insel der Neuen Hebriden«, erwiderte er. »Ich bin ein Hobbytaucher. Wie sind Sie bloß hierher gekommen? Ich habe weit und breit kein Boot gesehen.«
»Mein Mann ...«, stammelte sie. »Er holt bloß etwas von der Jacht. Er ...«
»Ihr Mann? Ich bin keiner Jacht begegnet. Kommen Sie ...«
Doch sie rührte sich nicht.
»Hören Sie, gleich steigt die Sonne wieder. Sie können hier nicht liegen bleiben.«
Ihr Gesicht zuckte. »Harald sucht mich bestimmt.«
»Harald ist Ihr Mann? Und er befindet sich auf einer Jacht? Dann werde ich einen Funkspruch an ihn aufgeben. Wissen Sie die Position der Jacht?«
»Nein.«
»Aber den Namen?«
»Rheingold.«
»Rheingold« im Pazifischen Ozean! Ronald unterdrückte einen Seufzer.
»Kommen Sie jetzt. Wie lange liegen Sie jetzt schon hier?« Er griff unter ihren Arm und hob sie mühelos hoch. Sie kippte ihm entgegen. Er hielt sie schnell fest.
»Drei Nächte, glaube ich.«
Jetzt musste er richtig zupacken, denn sie war bewusstlos geworden.
Mit einiger Mühe brachte er sie in das Ruderboot und begann rasch, auf seine »Merkurius« zuzurudern.
Wahrscheinlich hatte sie fantasiert. Dieser Harald, ihr Mann, sollte bloß etwas von der Jacht holen? Das konnte doch gar nicht stimmen. Weit und breit war keine Jacht zu sehen.
Ronald Graf Berneck stand vor einem Rätsel. Was war hier vorgefallen? Hatte sich der Geist der jungen Frau verwirrt?
Bei seinem Motorboot angekommen, lag noch eine schwierige Aufgabe vor ihm. Er musste die Bewusstlose über die Schulter nehmen und an der Strickleiter hochklettern. Wie gut, dass er sportlich so fit und die gerettete Frau so schlank und leicht war.
Dreimal glaubte er, es nicht zu schaffen. Aber dann konnte er doch keuchend an Deck springen und seine Last auf die Planken legen.
Der Schweiß rann ihm in Strömen in den Hemdkragen.
»Uff«, sagte er. Und dann erinnerte er sich, dass er überhaupt noch kein Frühstück gehabt hatte.
Erst aber musste er die Gerettete unter Deck bringen. Der Weg die Treppe hinunter zur Kajüte war ein Kinderspiel gegen das, was hinter ihm lag.
In der Kabine, in der eigentlich Billa hätte wohnen sollen, ließ er die Unbekannte auf dem Bett nieder. Er untersuchte ihre aufgeplatzten, rissigen Hände, ihre Lippen, die voller Blasen waren, und eilte in die Kombüse, wo er ein Glas Orangensaft holte. Mit einem Löffel flößte er ihr die Flüssigkeit ein, vorsichtig bedacht, dass sie auch richtig schluckte.
Dann versorgte er die Hände und das Gesicht mit Fettcreme, zog den Vorhang vor das Bullauge und ging zur Tür.
Er musste im Büchlein »Erste Hilfe« nachsehen, was er noch mit ihr machen musste. Vielleicht brauchte sie einen Vitaminstoß? Oder Traubenzucker? Vielleicht auch ein kreislaufförderndes Mittel?
Ein Glück, das seine Bordapotheke so gut bestückt war. Er fand ein Kreislaufmittel, von dem er ihr ein paar Löffel einflößte, und eine Lotion, mit der er ihr Gesicht kühlen konnte. Er deckte sie mit einem Laken zu und vergewisserte sich, dass sie regelmäßig atmete.
Nachdenklich kehrte er zurück in seine gläserne Steuerkanzel und studierte das Buch, in dem nach neuestem Stand sämtliche seetüchtigen Wasserfahrzeuge mit Namen, Rauminhalt und Reederei, beziehungsweise Besitzer, angegeben waren.
Er fand die Jacht »Rheingold« aufgeführt und stellte fest, dass ihr Besitzer Wallenberg hieß und Deutscher war.
Er funkte die Jacht an. Wenn sie sich hier in der Nähe befand, musste sie den Funkruf auffangen.
Doch es kam keine Antwort.
Grübelnd ging er in die Kombüse und kochte Kaffee. Seltsam! War das möglich, dass ein Mann seine Frau auf einer einsamen Insel aussetzte – um sie zu beseitigen?
Ronald Graf Berneck atmete schwer. Ein Verbrechen?
Er goss Kaffee auf und trank in langsamen Schlucken. Dazu kaute er ein Stück Zwieback.
Ich muss so schnell wie möglich einen Hafen anlaufen, damit sie in ärztliche Hände kommt, dachte er.
Die Perlenfischerei musste er aufschieben. Zuerst musste er für die kranke Frau sorgen.
Er warf den Motor an und nahm Kurs auf Südost. Der nächste große Hafen befand sich jetzt in der Neukaledonischen Inselgruppe der französischen Union. In der Hauptstadt Nouméa würde es bestimmt gute Ärzte geben.
Er beschloss, während er den Steuerknüppel in der Hand hielt und das Motorboot geschickt in tiefere Gewässer lenkte, die Jacht »Rheingold« nicht anzufunken. Zuerst musste er mehr von der kleinen Frau erfahren.
Wenn es sich um ein Verbrechen handelte, wie er vermutete, wollte er diesen Wallenberg nicht vorzeitig warnen.
In gut fünf Tagen konnten sie in Nouméa sein.
***
»Aber so erzähl doch, Harald!«
Gerda von Strecker erwartete Harald von Bossini in Genua. Als er von Bord kam, sah er sie sofort.
Gerda von Strecker war Elgas ältere Schwester. Sie war mit Generaldirektor von Strecker von den MTBS-Werken verheiratet und hatte zwei Kinder.
»Wir haben drei Tage lang gesucht, Gerda! Wir haben keine Spur von ihr gefunden.«
»Wie kam es, dass sie im Haigebiet von Bord ging?«, fragte Gerda mit tränenvoller Stimme.
»Aus Jux. Sie wollte einmal um die ›Rheingold‹ herumschwimmen. Ich nahm es gar nicht ernst und machte ihr noch Angst vor den Haien, aber sie lachte bloß. Sie war so fröhlich auf dieser Seereise, wie ich sie vorher gar nicht kannte. Wie ein vergnügtes Kind war sie ...« Harald senkte den Kopf.
Erich Wallenberg, Haralds Freund und der Besitzer der Jacht, kam jetzt auf sie zu. Er trug einen weißen Leinenanzug und einen Panamahut.
»Mein Junge ...!«, rief er und schüttelte Harald beide Hände. »Wie entsetzlich für dich!«
Gerda hatte das Taschentuch vor die Augen gepresst und weinte haltlos.
Die beiden Männer sahen sich an.
»Leider hat die Presse Wind bekommen, es ließ sich nicht vermeiden, Harald«, fuhr Erich Wallenberg fort. »Anita ist übrigens auch hier, sie ist auch ganz entsetzt. Wo steckt sie nur?« Er sah sich um.
Anita hätte nicht kommen sollen, dachte Harald, während er fürsorglich den Arm um seine Schwägerin legte. Warum hat Anita nicht eine Krankheit vorgetäuscht? Ich muss mich in ihrer Gegenwart viel zu sehr zusammennehmen. Aber das mit der Presse ist gut! Man wird die Sache so aufbauschen, dass niemand auf falsche Gedanken kommen wird.
»Und was macht Helmuth, Gerda? Ist er auch da?«
»Er kommt mit der nächsten Maschine. Er hatte noch eine Vorstandssitzung«, erwiderte Gerda. »Meine arme kleine Elga! Dieses furchtbare Schicksal! Zerrissen zu werden von Haien ... O Harald!«
Er legte den Arm um sie. »Bitte, sprechen wir nicht mehr davon, sonst werde ich verrückt, Gerda«, murmelte er.
Sie verstummte. Natürlich! Wie konnte sie nur so selbstsüchtig sein und Trost vom ihm erwarten, der doch selbst Trost brauchte.
»Verzeih mir, Harald.«
Erich Wallenberg führte Frau von Strecker und seinen Freund Harald von Bossini auf seinen Wagen zu, doch da kam bereits der Schwarm von Reportern.
»Sind Sie Baron von Bossini?«
»Können Sie uns Einzelheiten über den tragischen Tod Ihrer Frau mitteilen?«
Auf Deutsch, Englisch, Italienisch und Französisch prasselten die Fragen auf die drei Menschen ein.
»Halt!« Erich Wallenberg, ein Mann, der immer in der Öffentlichkeit stand, hob die Arme. »Kommen Sie heute ins Hotel Imperial, dann werden Sie mehr Einzelheiten erfahren. Geben Sie Herrn Baron von Bossini zuerst einmal etwas Ruhe – heute Abend, zwanzig Uhr ...«
Der Chauffeur Wallenbergs half bereits Gerda von Strecker in den Fond des Wagens. Hinter ihr stieg Harald ein. Erich Wallenberg nahm auf dem Beifahrersitz Platz.
Die Reporter gaben den Weg für den Wagen frei.
»Ich bin sicher, Anita wartet im Hotel auf uns«, sagte Erich Wallenberg, sich zu Harald wendend. »Junge, ich fürchte, du bist schwer urlaubsreif, wenn das alles hinter dir liegt.«
»Ich ... ich weiß nicht.« Harald starrte an dem Freund vorüber.
Erich empfindet echte Freundschaft für mich, sagte er sich. Noch ahnt er nicht, dass Anita und ich uns lieben. Oder weiß Erich doch etwas?
Harald von Bossini kannte Erich Wallenberg aus Monte Carlo. Dort hatten sie – es war jetzt über sieben Jahre her – einmal nächtelang getrunken und dann in den Kasinos um die Wette gespielt. Sie hatten sich treue Freundschaft geschworen.
Und dann hatte Wallenberg die wesentlich jüngere, pikante, anziehende Anita geheiratet.
Nein, Harald hatte kein schlechtes Gewissen gehabt, als er sich in Anita verliebt hatte. Und er hatte sich ebenso wenig daraus gemacht, Elga zu betrügen. Anita und er waren wie füreinander geschaffen. Eine Ehe mit einer anderen, die Freundschaft zu Erich konnten daran nichts ändern.
Und jetzt bin ich frei, dachte Harald. Und wenn Anita auch nicht mehr an ihren Mann gebunden wäre...
Als sie das Hotel Imperial erreichten, sah er Anita durch die hohen Glasscheiben sofort, obwohl sich viele Leute in der Hotelhalle aufhielten. Ihre rot schimmernde Lockenmähne, ihr aufregendes weißes Kleid mit dem tiefen Ausschnitt hätte er unter Tausenden herausgefunden.
»Da ist ja Anita!«, rief Erich Wallenberg.
Sie kam auf ihren Mann und Harald und Gerda von Strecker zu.
»Harald, mein Beileid«, sprach sie mit zuckenden Lippen. Wie machte sie es nur, dass ihre Lider zitterten? »Ich bin tief bestürzt. Ich kann es immer noch nicht begreifen, dass die arme Elga ... Wie ist es nur gekommen?«
»Später, Anita!«, winkte Wallenberg ab. »Überall wimmelt es hier von Journalisten. Gehen wir hinauf in unser Appartement.«
Gerda von Strecker eilte zur Rezeption und bat dort, ihrem Mann mitzuteilen, dass sie bei den Wallenbergs wäre.
Anita hatte alles zum Empfang ihres Geliebten und seiner Schwägerin vorbereitet. Sandwiches, Getränke, Zigaretten warteten auf dem niedrigen Couchtisch. Die Fenster standen weit offen. Von ihnen aus hatte man einen herrlichen Blick über den Hafen.
»Setzt euch doch. Frau von Strecker, nehmen Sie bitte hier Platz«, bat Anita fürsorglich.
Ihre tief gebräunte Haut war wie Samt. Harald gab sich Mühe, sie nicht anzublicken, weil er Angst hatte, dass seine Augen ihn verraten könnten.
Leise begann Harald zu berichten. Immer wieder machte er eine Pause. Südlich der Neukaledonischen Inselgruppe wäre es gewesen. Im Haifischgebiet. Es wäre sehr heiß gewesen. Und Elga hätte nur ein einziges Mal um die Jacht herumschwimmen wollen.
»Ich konnte sie nicht davon abbringen. Sie war so eigensinnig«, stöhnte er auf und legte die Hand über die Augen. »Sicher dachte Elga, dass die Haie nicht so schnell sein würden. Sicher würde sie noch rechtzeitig genug an Bord zurückkommen. Ich folgte ihr mit den Augen.«
Immer wieder machte Harald von Bossini eine bedeutungsvolle Pause, um auszudrücken, dass ihn das Gespräch über die furchtbare Szene viel zu sehr mitnahm.
»Und dann kamen die Haie?«, fragte Gerda betroffen. »Du hast gesehen, wie sie Elga angriffen?«