Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 731 - Yvonne Uhl - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 731 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

Als die hübsche Studentin Wilhelmine Reiser - von allen nur Winnie genannt - vor der steinreichen Gräfin von Hagström steht, um ihr ein Zeitschriftenabonnement zu verkaufen, trifft die alte Dame fast der Schlag. Denn Winnie sieht ihrem Jugendporträt, das in der Ahnengalerie hängt, verblüffend ähnlich.
Spontan lädt sie die junge Frau ein, fortan auf dem Schloss zu wohnen. Für Winnie ein Glücksfall! Bis sie erfährt, dass die Gräfin vor einiger Zeit schon einmal drei jungen Frauen ihr Schloss als neues Zuhause anbot. Und alle verschwanden eines Tages auf mysteriöse Weise.
Als Winnie an der Hand der Gräfin einen Ring erblickt, den sie schon einmal gesehen hat, da begreift sie, dass das geheimnisumwitterte Schloss noch mehr Rätsel birgt, und die drohen, ihr ganzes Leben auf den Kopf zu stellen ...

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Inhalt

Cover

Der rätselvolle Wappenring

Vorschau

Impressum

Der rätselvolle Wappenring

Meisterlich erzählter Schlossroman voller Überraschungen

Als die hübsche Studentin Wilhelmine Reiser – von allen nur Winnie genannt – vor der steinreichen Gräfin von Hagström steht, um ihr ein Zeitschriftenabonnement zu verkaufen, trifft die alte Dame fast der Schlag. Denn Winnie sieht ihrem Jugendporträt, das in der Ahnengalerie hängt, verblüffend ähnlich.

Spontan lädt sie die junge Frau ein, fortan auf dem Schloss zu wohnen. Für Winnie ein Glücksfall! Bis sie erfährt, dass die Gräfin vor einiger Zeit schon einmal drei jungen Frauen ihr Schloss als neues Zuhause anbot. Und alle verschwanden eines Tages auf mysteriöse Weise.

Als Winnie an der Hand der Gräfin einen Ring erblickt, den sie schon einmal gesehen hat, da begreift sie, dass das geheimnisumwitterte Schloss noch mehr Rätsel birgt, und die drohen, ihr ganzes Leben auf den Kopf zu stellen ...

Soeben war Benno von Bechner im Schloss angekommen.

»Bechner!«, hörte er da die durchdringende Stimme der Gräfin aus dem Schlossbüro rufen.

Sofort marschierte er auf die Tür des Büros zu.

»Reinkommen!«, befahl die Gräfin.

Benno von Bechner trat über die Schwelle und verneigte sich.

»Gnädige Frau, Ihr gehorsamster Diener.«

»Papperlapapp, Bechner! Rede nicht so geschwollen daher«, rief Leonie Gräfin von Hagström mit dramatischer Geste. Sie trug eine Federboa um die Schultern, ein langes, unmodernes Kleid mit tiefem Ausschnitt, war sorgfältig frisiert und hatte an jedem Finger Ringe mit großen Steinen.

Die Gräfin stand neben Nora Falbach, der Schlosssekretärin, einem unscheinbaren Fräulein von Mitte sechzig, das schon weit über dreißig Jahre lang die wechselhaften Stimmungen ihrer Herrin ertragen musste.

»Bringen Sie mir neue Fotos, Bechner?« Die mit Diamanten besetzten Armbänder an den Händen der Gräfin klapperten. »Ich kann es kaum erwarten.«

»Ja, ich bringe zwanzig Fotos, gnädige Frau«, erwiderte der Anwalt. Er öffnete seine Aktentasche, nahm die Fotos heraus und reichte sie ihr.

Die Gräfin nahm sie entgegen und ließ sich dann in einen Ledersessel fallen.

»Wie viele Heiratsinstitute hast du jetzt abgegrast, Bechner?«, fragte sie, während sie die Fotos betrachtete. Sie stellten ausnahmslos junge Mädchen dar.

»Fünf, gnädige Frau. Dies sind die letzten Fotos.«

»Die werden wohl kaum einen Mann finden«, sagte die Gräfin verächtlich.

Benno von Bechner seufzte leise auf. Schon sein Vater hatte den Hagströms als Familienanwalt gedient, und er, Benno, hatte die Praxis nach dessen Tod übernommen. Und wenn die exzentrische, steinreiche, siebzigjährige Gräfin von Hagström nur mit dem Finger schnippte, zitterte das ganze Büro wie Espenlaub.

»Es ist also wieder nicht die Richtige dabei?«, fragte er.

»Nicht die Bohne.« Die Gräfin warf die Fotos auf den Boden. »Das sind lauter miese, reizlose Ziegen, Bechner. Ich suche ein anmutiges Mädchen mit Charme und Geist. Ein kluges, belesenes Geschöpf, das eine gute Allgemeinbildung besitzt. Kurzum, sie muss genauso sein wie ich vor fünfzig Jahren. Und Humor braucht sie, eine schnelle Auffassungsgabe und Mut. Sie muss trotz ihrer Jugend eine Persönlichkeit sein.«

Das welke Gesicht unter der dicken Schminke blühte auf, als die Gräfin nun in Erinnerungen schwelgte.

»Die gesamte Männerwelt von Europa lag mir zu Füßen. Ich hätte einen Maharadscha, einen arabischen Scheich, einen Großfürsten aus dem Kaukasus und einen spanischen Grande in einer Woche heiraten können!«

Diese Geschichte hatte Benno von Bechner schon häufiger gehört.

Einer der Diener trat ein und bat um Verzeihung für die Störung.

»Ohlschläger!«, fuhr ihn die Gräfin zornig an. »Natürlich störst du. Was willst du?«

»Da ist eine Studentin, die sich nicht abweisen lässt. Sie kommt wegen eines Zeitschriftenabonnements.«

»Schick sie weg!«, befahl die Gräfin. Sie duzte und siezte ihre Untergebenen, gerade wie es ihr passte.

Der Diener verneigte sich und wandte sich zum Gehen.

»Halt!«, rief die Gräfin. »Stopp, du alter Knabe.« Sie ging auf den Diener zu und musterte ihn scharf. »Wie sieht sie aus?«

»Jung und schön, Frau Gräfin.« Er zögerte. »Wenn Sie mir eine Bemerkung gestatten ...«

»Ich gestatte. Los, mach schon!«, rief die Gräfin ungeduldig.

»Die Studentin ähnelt genau Ihrem Jugendbildnis in der Ahnengalerie. Ich habe sie sehr unbotmäßig angesehen, weil ich glaubte, einen Geist vor mir zu haben.«

»Schick mir den Geist herein, Ohlschläger«, befahl die Gräfin lachend.

Sie wirbelte herum zu Benno von Bechner.

»Mal sehen, Bechner, wie der Geist aussieht.«

Benno von Bechner bückte sich und hob die verstreuten Fotos auf. Er hatte sie nur zu treuen Händen überlassen bekommen und musste sie bei den einzelnen Heiratsinstituten wieder abgeben.

♥♥♥

Nach einem kurzen Moment erklangen schnelle Schritt auf dem Gang, und dann öffnete sich die Tür. Ein junges Mädchen stand auf der Schwelle.

»Ha«, rief die Gräfin. »Das ist eine Sensation!«

Sie ging mit großartiger Gebärde auf die junge Fremde zu und sah sie an.

Die Studentin hatte ein fein geschnittenes, ovales Gesicht, große, ausdrucksvolle Augen mit langen Wimpern. Sie trug eine hellgraue Flanellhose, ein weiß-rot kariertes Blüschen dazu und Mokassins an den Füßen.

»Wie heißt du, mein Kind?«, fragte die Gräfin sanft.

»Ich heiße Wilhelmine Reisner, aber meine Freunde rufen mich Winnie.«

»Reisner? Nie gehört«, sagte die Gräfin.

»Verzeihung, sind Sie die Herrin des Schlosses? Ich kam, um Sie um den Abschluss eines Abonnements zu bitten. Der Zeitungsvertrieb unterstützt mein Studium, wenn ich mindestens zwanzig Abonnements abschließen kann.«

»Was geht mich Ihr Studium an?«

»Sie könnten doch eine Zeitschrift abonnieren. Vielleicht eine Modezeitschrift.«

»Ich lese überhaupt gar keine Zeitschriften, mein Kind. Und Sie müssen allein Ihr Studium finanzieren? Haben Sie keine Eltern, die es bezahlen?«

»Doch, natürlich, aber ihr monatlicher Scheck ist nicht sehr hoch, und das Geld reicht nicht zum Leben. Übrigens will ich Kinderpsychologin werden.«

»Wo studieren Sie?«

»In Göttingen.«

»Zwanzig Kilometer von hier entfernt«, sagte die Gräfin nachdenklich. »Wo wohnen Sie?«

»Auch in Göttingen. Zusammen mit zwei Kommilitoninnen.«

»Ich frage mich, mein Kind, ob Sie nicht hier im Schloss wohnen wollen. Ganz umsonst natürlich.«

»Aber gnädige Frau ...«, rief Winnie verdutzt.

»Ich habe Geld wie Heu. Und ich liebe junge Menschen um mich. Ich habe ja noch zwei Neffen, aber die bereiten mir wenig Freude.«

Die Gräfin dachte kurz nach.

»Natürlich würden Sie ein Auto zur Verfügung gestellt bekommen, mit dem Sie täglich zwischen dem Schloss und Göttingen hin- und herfahren können«, fuhr sie dann fort. »Unterkunft und Verpflegung sind frei. Ich würde Sie auch von Kopf bis Fuß neu einkleiden, wenn Sie es wünschen.«

»Wie komme ich denn zu dieser Ehre?«, fragte Winnie völlig verwirrt.

»Kommen Sie mit«, befahl die Gräfin und ging zur Zimmertür. »Bechner, Sie auch.«

Der hochgewachsene blonde Mann seufzte und folgte der alten Dame und ihrem Besuch.

♥♥♥

In der Ahnengalerie deutete die Gräfin auf ein überlebensgroßes Ölgemälde.

»Sperren Sie die Augen auf, Winnie«, sagte sie mit erhobener Stimme. »Und dann werden Sie den Grund wissen, warum ich Sie hier im Schloss behalten will.«

Atemlos betrachtete Winnie Reisner das Gemälde.

Die alte Dame hatte recht. Die junge Frau auf dem Bild ähnelte ihr wirklich sehr.

»Bechner«, wandte die Gräfin sich jetzt an den Anwalt, »sagen Sie selbst: Ist die Ähnlichkeit nicht verblüffend?«

Benno von Bechner musste wohl oder übel zustimmen. Wie kam es nur, dass sich diese nette Studentin hierher verirrt hatte, wo er doch das Ebenbild dieses Gemäldes seit Wochen fieberhaft suchte und es schon längst aufgegeben hatte, es zu finden?

»Das ist mehr als ein Zufall«, sagte Leonie Gräfin von Hagström mit energischer Stimme.

»Aber gnädige Frau«, stammelte Winnie, »was soll es sonst sein als ein Zufall?«

»Mitkommen«, bestimmte die alte Dame.

Die ganze Szene kam Winnie unwirklich vor. Sie wandte den Kopf und betrachtete das Gemälde noch einmal. Die junge Frau auf dem Ölbild trug ein grellgrünes, tief dekolletiertes Kleid. Die Korkenzieherlocken tanzten um die nackten Schultern. Anmutig war die Gebärde der zarten Hände. Der weiße Hals war sanft geneigt, das Lächeln so echt eingefangen, dass jeder Betrachter fasziniert auf den schönen roten Mund starren musste.

Mühsam riss sich Winnie von dem Gemälde los und folgte dann dem Anwalt und der Gräfin die Treppe hinauf. Die alte Dame steckte voller Energie.

Ist das Mädchen auf dem Gemälde vielleicht ihre Tochter?, überlegte Winnie. Warum sucht die Gräfin ein Ebenbild dieses Mädchens? Habe ich nicht nur eine flüchtige Ähnlichkeit mit dem Modell des Gemäldes?

♥♥♥

Schließlich stieß die Gräfin eine Tür auf.

»Hier, Kind, werden Sie wohnen. Ist das Zimmer nicht hübsch?«

Fassungslos sah sich Winnie um. Es war nicht zu glauben: Man bot ihr dieses Luxuszimmer in einem Schloss an, ganz unentgeltlich, nur weil sie einem Gemälde ähnlich sah.

Die rustikalen Eichenmöbel mit Messingbeschlägen verliehen dem Wohnschlafzimmer ein Flair von Wohlhabenheit und Noblesse.

Ein dicker, offenbar echter Perserteppich lag auf dem Parkettboden. Das große Bett konnte man tagsüber als Couch benutzen. Das Bettzeug wurde in den riesigen Bettschubladen mit den Messinggriffen untergebracht.

»Das Bad ist nebenan, Kind«, erklärte die Gräfin. »Jedes meiner Gästezimmer ist anders eingerichtet. Es war mein Hobby, mich intensiv mit den Einrichtungen zu beschäftigen.«

»Das Zimmer ist wundervoll«, sagte Winnie. Niemals hatte sie in solcher Pracht gelebt. »Sie sind eine Wohltäterin, gnädige Frau, dennoch kann ich diese Güte nicht annehmen.«

Die Gräfin ließ sich in einen Lehnstuhl fallen und schloss die Augen. Ihr zerfurchtes Gesicht wirkte plötzlich sehr alt.

»Mein Mann war der große Hagström, Kind«, erzählte sie. »Noch jetzt stellen sieben Lizenzwerke die Streichhölzer her, die er als Erster produziert hat. Als er vor siebzehn Jahren starb, Winnie, hinterließ er mir ein Riesenvermögen. Ich kann allein von den Zinsen so prächtig leben, dass ich es niemals aufbrauchen kann. Aber mit Geld kann man sich nicht alles kaufen, mein Kind, nicht wahr?«

»Ja, das stimmt, gnädige Frau.«

»Zum Beispiel kein Glück, keine Liebe und keine Harmonie. Als Julius noch lebte, haben wir die größten Hotels der europäischen Großstädte unsicher gemacht. Wir waren ein tolles Paar. Ich habe Julius sehr geliebt. Er ertrank bei einem Segelausflug. Sie brachten ihn mir auf einer Bahre her. Es war schrecklich.«

»Das tut mit sehr leid, gnädige Frau«, versicherte Winnie.

»Zum Glück haben Sie Ihre Neffen, Frau Gräfin«, warf der Anwalt ein.

»Dass ich nicht lache!«, erwiderte die Gräfin. »Die beiden Lümmel wohnen zwar hier im Schloss, aber der eine ist ein Liederjan und der andere ist schwermütig. Der Liederjan wartet bloß darauf, bis ich sterbe. Der Schwermütige sieht nachts mit einem Riesenteleskop, das er auf einem der Schlosstürme montiert hat, stundenlang zum Himmel hinauf. Er lebt ganz da oben in der Milchstraße und bei den Fixsternen. Für die Erde ist er schon lange nicht mehr brauchbar.«

»Sie sind sehr bitter, Gräfin«, sagte Benno von Bechner kopfschüttelnd. »Wenn es nun einmal Graf Niels' Wunsch ist?«

»Unsinn. Das ist schon kein Hobby mehr, sondern Fanatismus. Niels übertreibt es.« Die Gräfin wandte sich an Winnie. »Setz dich neben mich, Kind.«

Es wurde Winnie ganz eigentümlich zumute, dass die alte Dame sie plötzlich wieder duzte. Sie ließ sich in dem Sessel neben Gräfin von Hagström nieder.

»Hör zu, mein Kind«, begann die Gräfin nun, und Winnies Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Denn die alte Dame erzählte lang und breit, wie sie ihren Julius damals kennengelernt hatte ...

Die Gräfin stammte aus einem serbischen Dorf. Eines Tages fuhr Julius in einem eleganten Kutschwagen durch den Ort. Das junge Mädchen putzte gerade die Treppe vor dem Haus der Eltern. Als er das Mädchen sah, das da den Putzlappen schwang, verliebte er sich auf den ersten Blick in das reizende Geschöpf. Seine Familie war wenig begeistert, als er erklärte, dass er das serbische Mädchen heiraten wolle. Er machte aber immer das, was er wollte.

»Und er heiratete mich, und ich wurde eine Frau Gräfin.« Versonnen sah die alte Dame vor sich hin. »Nun ist er tot. Wie soll ich leben ohne ihn?« Wie erwachend sah sie auf. »Winnie, du musst hierbleiben. Ich habe mir immer meine Jugend zurückgewünscht, du könntest sie mir bringen. Ich könnte bei deinem Anblick die Illusion haben, dass ich wieder jung und schön bin.«

»Das Gemälde in der Ahnengalerie stellt Sie dar?«, fragte Winnie erstaunt.

»Ja, in meinem dritten Ehejahr. Ich war elegant, lebenslustig, überschäumend fröhlich. Julius machte mich sehr glücklich. Mit meiner Schwiegermutter kam ich leidlich aus. Nur seine Schwester Judith konnte mich nicht leiden. Sie heiratete ihren Graf von Steffen, wurde aber sehr unglücklich und nahm sich das Leben. Graf von Steffen hat dann wieder geheiratet und lebt jetzt in Österreich.«

»Und Ihre beiden Neffen?«, fragte Winnie zaghaft.

»Sie sind Judiths Söhne. Derk, der ältere, war zwölf, Niels zehn Jahre alt, als ihre Mutter sich das Leben nahm. Ich nahm sie daraufhin zu mir. Damals lebte Julius noch. Sie sind hier im Schloss geblieben und sorgen dafür, dass mein Alter nicht ohne Ärger verläuft.«

♥♥♥

Plötzlich ertönte ein lautes Gekläffe auf dem Flur vor der Tür, und dann wirbelte ein junger Mann mit einem weißen Spitz herein. Der Hund bellte giftig.

»Habe ich dir nicht soundso oft gesagt, Derk, du sollst den Köter an die Leine nehmen?«, fuhr die Gräfin den jungen Mann an.

Derk Graf von Steffen war dunkelhaarig und hatte ein hübsches Gesicht mit übermütigen Zügen.

»Habe ich dir nicht soundso oft gesagt, Tante Leonie, du sollst dich nicht wegen jeder Kleinigkeit erregen?«

Er bückte sich grinsend und hob den Spitz hoch, der jetzt versuchte, sein Herrchen zu beißen.

Derk gab ihm einen sanften Klaps auf das Köpfchen.

»Ruhig, Stan. Ich warne dich! Es gibt heute Abend nur Wasser und Brot für dich.«

»Das ist einer der beiden Lümmel«, erklärte die Gräfin seufzend. »Eine Nervensäge. Er nimmt keine Rücksicht auf meine beiden Windspiele, ausgezeichnete Rassehunde, aber sehr empfindsam. Dieser kläffende Spitz macht sie nervös.«

»Ach, immer das alte Lied, Tante Leonie.« Derk wandte sich Winnie zu. »Die Sonne geht auf! Was für ein Glanz in dieser armseligen Hütte. Tante Leonie, wer ist dieses Wunderwesen?«

»Meine Vergangenheit«, erwiderte die Gräfin mit einem verklärten Lächeln.

»Wie bitte? Deine Vergangenheit?« Graf von Steffen wandte sich an den Anwalt. »Bechner, reden Sie mal im Klartext: Wer ist diese Schönheit?«

»Wilhelmine Reisner.«

»Wilhelmine?« Staunend blickte der Graf Winnie an. »Wilhelmine«, wiederholte er und brach in schallendes Gelächter aus.

Winnie ärgerte sich. Ihr Taufname war bestimmt nicht lächerlich. Wilhelmine war ein sehr würdiger Name, fand sie.

»Hör auf. Du machst mich wahnsinnig«, rügte die Gräfin ihn. »Sie sieht genauso aus, wie ich früher ausgesehen habe, Derk. Und deshalb habe ich ihr angeboten, bei uns im Schloss zu wohnen.«

»Endlich einmal eine vernünftige Idee!«, rief Derk und beugte sich zu Winnie hinunter. »Gehen wir heute Abend richtig fein aus? Ich kenne da in Göttingen eine verschwiegene Nachtbar, wo genau um Mitternacht echter Kaviar serviert wird.«

»Sie wird nicht mit dir in diese Bar gehen«, bestimmte die Gräfin. »Ich will nämlich nicht, du Schlingel, dass du das Mädchen verdirbst.«

»Ich würde niemals ein so engelsgleiches Wesen verderben«, versicherte Derk. »Tante Leonie, ich brauche den Scheck heute noch. Hast du ihn schon unterschrieben?«

»Geh ins Schlossbüro zu Nora Falbach. Aber du musst mit dem Geld bis zum übernächsten Freitag auskommen.«

»Du ertrinkst in Moneten und bist so geizig«, warf ihr Derk vor. »Ich gehe also zu Norachen und hole mir den Scheck.« Pfeifend ging er zur Tür. »Vielleicht überlegen Sie es sich ja doch noch, schöne Wilhelmine.« Mit diesen Worten ging er hinaus und warf die Tür ins Schloss.

»Ein furchtbarer Kerl«, sagte die Gräfin. »Ich wollte, er würde endlich fortgehen und mich in Ruhe lassen. Was er an Temperament zu viel hat, hat Niels zu wenig. Du wirst ihn beim Abendessen kennenlernen, Winnie.« Die alte Dame schaute auf die Uhr. »Jetzt haben wir ja erst zwei Uhr. Bechner?«

»Ja, Gräfin?«

»Fahren Sie mit Winnie nach Göttingen, holen Sie ihr ganzes Gepäck ab, und schaffen Sie alles hierher.«

»Aber ich habe doch noch gar nicht zugestimmt, hier zu wohnen«, protestierte Winnie kläglich.

»Du wirst doch mir alten Frau nicht so ein Leid zufügen wollen«, entrüstete sich die alte Gräfin.

Normalerweise hätte Winnie nicht so mit sich reden lassen, doch der alten Dame sah sie den ein wenig barschen Ton nach.