Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 737 - Yvonne Uhl - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 737 E-Book

Yvonne Uhl

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Am selben Tag, als die Kinderschwester Do Berthold die Betreuung des sieben Monate alten gräflichen Sohnes Till im Schloss aufnimmt, ereignet sich eine Tragödie: Liane, Gräfin von Karst und Tills Mutter, verliert bei einem Autounfall ihr Leben.
Nun überschüttet Do ihren kleinen Schützling mit all ihrer Liebe. Ist das vielleicht der Grund, warum Graf Alexander ihr schon nach wenigen Wochen seine Liebe gesteht und um ihre Hand anhält?
Obwohl Dos Herz insgeheim auch für ihn schlägt, weist sie seinen Antrag zurück. Sie erinnert ihn daran, dass er gerade erst seine Frau verloren hat und sie einander kaum kennen.
Doch die Situation spitzt sich weiter zu, als die Tochter des benachbarten Guts versucht, Alexander für sich zu gewinnen und ihn mit einer skrupellosen Erpressung in die Enge treibt. Wird Do es schaffen, dem Grafen zu helfen und ihrem eigenen Glück eine Chance zu geben?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 132

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Als ihr Liebster sie verriet

Vorschau

Impressum

Als ihr Liebster sie verriet

Ein Frauenschicksal, das zu Tränen rührt

Am selben Tag, als die Kinderschwester Do Berthold die Betreuung des sieben Monate alten gräflichen Sohnes Till im Schloss aufnimmt, ereignet sich eine Tragödie: Liane, Gräfin von Karst und Tills Mutter, verliert bei einem Autounfall ihr Leben.

Nun überschüttet Do ihren kleinen Schützling mit all ihrer Liebe. Ist das vielleicht der Grund, warum Graf Alexander ihr schon nach wenigen Wochen seine Liebe gesteht und um ihre Hand anhält?

Obwohl Dos Herz insgeheim auch für ihn schlägt, weist sie seinen Antrag zurück. Sie erinnert ihn daran, dass er gerade erst seine Frau verloren hat und sie einander kaum kennen.

Doch die Situation spitzt sich weiter zu, als die Tochter des benachbarten Guts versucht, Alexander für sich zu gewinnen und ihn mit einer skrupellosen Erpressung in die Enge treibt. Wird Do es schaffen, dem Grafen zu helfen und ihrem eigenen Glück eine Chance zu geben?

»Liane, fahr bitte langsamer!«, beschwor der Graf seine Frau. »Die Straße ist vereist.«

»Wozu?«, fragte die Gräfin. »Hast du etwa Angst?«

»Ja, habe ich.«

»Feigling!« Liane Gräfin von Karst lachte schrill. »Früher war ich ein bildschönes Mannequin. Seit dem Kind bin ich unförmig geworden. Lass mich doch vergessen, dass ich meine Schönheit nie zurückbekomme!«

»Ich diskutiere nicht mit dir, wenn du betrunken bist.«

Die Gräfin fuhr auf der nächtlichen Straße eine Schlangenlinie.

»Ja, ich bin betrunken«, spottete sie. »Glaubst du, ich sehe nicht, wie verächtlich du mich immer ansiehst? Ich gefalle dir nicht mehr. Ich bin dir lästig geworden. Früher hast du mich angebetet, aber jetzt ist alles vorbei. Nur der Alkohol hilft mir noch.«

»Mach dich nicht lächerlich! Wenn du dich nicht so gehen lassen würdest, wärst du ebenso begehrenswert wie früher, Liane.«

Er schrie auf. Der Wagen schlingerte auf der Fahrbahn. Im letzten Augenblick gewann die Gräfin die Gewalt über den Wagen zurück.

»Du hast Angst«, höhnte sie. »Mein herrlicher Gatte ist bloß noch ein zitterndes Bündel. Glaubst du, ich hätte nicht gemerkt, wie du mit Anette flirtest? Sie ist blond und sanftmütig, und sie hat dich schon geliebt, ehe wir verheiratet waren. Aber jetzt bist du an mich gebunden, und du wirst die Strafe, mich zur Frau zu haben, erleiden bis zum Lebensende.«

Hart legte der Graf seine Hand auf ihren Arm.

»Fahr dort an den Straßenrand. Wir wechseln die Plätze!«, befahl er.

»Nein«, schrie die Gräfin.

Sie kämpften schweigend miteinander.

»Liane!«, fuhr Graf Alexander seine Gattin an. »Ich beschwöre dich, fahr an den Straßenrand.«

»Wie ich dich verabscheue, Xandy«, stieß Liane wütend hervor. »Immer willst du den Überlegenen spielen. Lass meine Hand los. Ich fahre weiter bis zum Schloss!«

»Nein!« Der Graf versuchte es jetzt anders. Er musste die Rasende irgendwie besänftigen. »Sei doch vernünftig, Liane. Ich meine es doch nur gut mit dir. Du bist überreizt und müde. Und du hast zu viel Champagner getrunken.«

»Ich will nicht!«

»Denk doch an unser Baby. Wenn wir verunglücken, bleibt es allein zurück.«

»Mit dem Baby fing das ganze Unglück an«, fauchte Liane. »Lass endlich meinen Arm los, Xandy.«

»Nein. Du wirst mir das Steuer überlassen, Liane. Wehre dich nicht länger. Ich meine es doch nur gut mit dir.«

»Mit mir? Mit dir vielleicht. Wir sitzen in einem Boot, Xandy. Wenn wir verunglücken, trifft es dich ebenso wie mich. Aber um mein Leben hast du keine Angst, bloß um deines. Mich wärst du liebend gern los, nicht wahr, Xandy?«

»Was ist nur aus dir geworden, Liane?«, stöhnte der Graf auf. »Ich habe dich so geliebt! Aber jetzt kann ich nur noch Mitleid für dich empfinden.«

»Mitleid?« Liane lachte schrill. »Das glaubst du wohl selbst nicht. Du verachtest und verabscheust mich, du wärst mich gern los, nicht wahr? Aber das wird dir nie gelingen, Xandy.«

♥♥♥

Sekundenlang blickte Do Berthold den roten Schlusslichtern des Zuges nach. Sechs Stunden lang war das Abteil im dritten Waggon wie eine Zuflucht für sie gewesen.

Jetzt spürte sie ihre Einsamkeit doppelt schwer. Dieses Haybach schien ein sehr kleiner Ort zu sein.

Do wuchtete den schweren Koffer und die Reisetasche zur Sperre. Doch kein Bahnbeamter stand in dem kleinen Häuschen, um ihre Fahrkarte zu kontrollieren.

Sie blickte zur Bahnhofsuhr. Es war ein Uhr vorüber. Ein Wunder, dass der Zug überhaupt in Haybach gehalten hatte.

Seufzend ging Do durch die Sperre.

Hatte Graf von Karst nicht geschrieben, dass man sie abholen würde? Aber weit und breit war nirgendwo ein Auto zu sehen.

Nun befand Do sich auf dem Bahnhofsvorplatz und grübelte über ihre nächsten Schritte nach. Um diese Nachtzeit hier ein Taxi zu bekommen, das erschien ihr unmöglich zu sein.

Wartend stand Do in der Dunkelheit und hoffte, dass bald ein gräfliches Vehikel erscheinen würde, um sie abzuholen.

Doch je länger sie da in der Dunkelheit stand, umso mehr zweifelte sie daran. War sie wirklich brieflich von Alexander Graf von Karst als Kinderschwester engagiert worden? Oder hatte sie das nur geträumt?

Do Berthold wusste so gut wie nichts über die Grafenfamilie Karst, die in einem historischen alten Schloss wohnte. Auch nicht, warum man sie als Kinderschwester einstellen wollte. Wer hatte das sieben Monate alte Baby bisher versorgt? Hatte das Kind keine Mutter mehr?

Auf einmal schrak Do zusammen.

Ein sonderbares, beängstigendes Geräusch war an ihr Ohr gedrungen. Sie konnte sich nicht erklären, was es gewesen sein könnte. Atemlos lauschte sie.

Im nächsten Moment wendete eine Limousine mit großer Schleife auf dem Bahnhofsplatz. Als sie stand, sprang ein Mann heraus und eilte auf Do zu.

»Sind Sie Fräulein Berthold?«, fragte er hastig.

»Allerdings«, lautete Dos Antwort. »Woher kennen Sie meinen Namen? Kommen Sie vielleicht vom Schloss?«

»Nicht direkt, gnädiges Fräulein«, erwiderte der junge Fremde lachend. »Auf Umwegen. Gestatten: Hardy Graf von Karst.«

»Sind Sie mit Graf Alexander verwandt, dem Schlossherrn, der mich eingestellt hat?«

Viel konnte Do von ihrem Gesprächspartner nicht erkennen, dazu war es zu dunkel.

»Ja, ich bin sein jüngerer Bruder. Ich sollte Punkt ein Uhr vor dem Bahnhof stehen, aber ich habe die Zeit verschwitzt. Böse?«

»Ich bin froh, dass Sie überhaupt gekommen sind«, erklärte Do. »Haben Sie dieses merkwürdige Geräusch auch gehört?«

»Was für ein Geräusch?«, fragte Graf Hardy erstaunt. »Ich habe nichts gehört. Ich gebe nicht viel acht auf fremde Geräusche. Steigen Sie ein. Ist das Ihr ganzes Gepäck?«

»Ja. Vielleicht ist ein Unglück passiert, und wir sollten helfen.«

»Was für ein Geräusch war es denn?«

»Ich weiß nicht recht. Ein fernes Krachen, ein dumpfer Laut.«

Schon saß Do neben dem jungen Grafen im Wagen.

»Ist es weit zum Schloss?«, fragte sie.

»Nein. Höchstens zwanzig Minuten.« Graf Hardy hatte Dos Koffer auf den Sitz im Fond gestellt und hinter dem Lenkrad Platz genommen. »Sie brauchen ja meinem Bruder nicht zu sagen, dass ich mich verspätet habe«, bat er. »Er wird immer gleich so wütend. Nichts hasst er so wie Unpünktlichkeit. Ich habe mit Freunden gepokert. Darüber habe ich die Uhrzeit vergessen.«

»Von mir wird er nichts erfahren«, versprach Do. »Ich bin auch nicht gerade die Pünktlichste. Damit habe ich meinen Vater immer zur Weißglut gebracht, den Armen.«

»Sie gefallen mir«, stellte Graf Hardy fest.

Er lenkte den schweren Wagen aus Haybach heraus und gab, als sie die Landstraße erreicht hatten, mehr Gas.

Sie sahen beide zugleich den hellen Feuerschein.

»Verdammt, da ist etwas passiert«, murmelte der junge Mann.

»Ein Waldbrand?«

Rasch näherten sie sich der Unglücksstelle.

»Nein«, murmelte Graf Hardy, »das sieht mir ganz nach einem Autounfall aus.« Er bremste.

Eine Gestalt taumelte ihnen entgegen. Sie wurde in ihren Konturen scharf gegen den flammend roten Hintergrund umrissen.

»Hilfe!«, ertönte eine Stimme.

Wie in Trance stieg Do aus. Sie bewegte sich auf die fremde Gestalt zu.

»Kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte sie sich eindringlich.

»Hilfe!«, stöhnte der Mann.

»Alexander!«, hörte Do den jungen Grafen schreien. Fassungslos sah sie mit an, wie Graf Hardy dem Fremden in den Arm fiel. »Was ist geschehen? Wo ist Liane?«

Schwer stützte sich der andere auf Graf Hardys Schulter.

»Hardy, jetzt ist alles aus.« Graf Alexander schluchzte auf.

Voller Entsetzen starrte Do in die Flammen. War die Frau namens Liane dort im Feuer? Dann kam jede Hilfe zu spät. Man konnte sich dem Inferno nicht nähern, ohne selbst in größte Gefahr zu geraten.

Graf Hardy schob den Bruder zu Do hinüber.

»Kümmern Sie sich um meinen Bruder«, sagte er. »Er hat offenbar einen Schock erlitten, Fräulein Berthold.«

Während Do den Schlossherrn stützte, sah sie, wie der junge Graf sich dem brennenden Wagen näherte. Doch seine Bemühungen waren vergebens.

Hilflos mussten sie mit ansehen, wie der Wagen ausbrannte.

Do war sicher, dass das seltsame Geräusch, das sie vorhin gehört hatte, mit diesem Unfall zusammenhing.

Graf Alexander, der Schlossherr, der Sie brieflich eingestellt hatte, saß nun im Fond des Wagens und war nicht ansprechbar.

Von einem nahe gelegenen Gehöft aus rief Graf Hardy die Polizei herbei.

Sie ließ nicht lange auf sich warten, und nach einem kurzen Verhör durften sie weiterfahren.

»Wer ist Liane?«, fragte Do.

»Die Schlossherrin. Meine Schwägerin. O Gott, ich kann es nicht fassen. Wie immer Liane auch gewesen sein mag, diesen Tod hat sie nicht verdient.«

♥♥♥

Nach einem kurzen, traumlosen Schlaf stand Do gegen sieben Uhr auf. Das Zimmer, das man ihr zugeteilt hatte, war gediegen eingerichtet, doch es war auf jeden überflüssigen Zimmerschmuck verzichtet worden. Kein Bild hing an der Wand. Keine Vase stand auf dem Tisch. Die schweren Eichenmöbel harmonierten vollendet zu den bunt gewebten grünen Vorhängen und dem farblich passenden Teppich.

Eine kleine Duschnische rief Dos Entzücken hervor. In einer steifen weißen Schwesternschürze verließ sie später ihr Zimmer und sah sich auf dem langen Gang ratlos um.

Wie konnte sie zu dem Baby gelangen, ihrem neuen Schützling?

Sie beschloss, zunächst einmal kreuz und quer durch das Schloss zu wandern, bis sie einen dienstbaren Geist traf, den sie nach dem Weg zum Kinderzimmer fragen konnte.

Doch Do schritt zehn Minuten durch Korridore und Hallen, ohne einer Menschenseele zu begegnen.

Plötzlich prallte sie, als sie um eine Flurbiegung bog, mit einem Mann mittleren Alters zusammen, der sie durch seine randlose Brille forschend ansah.

»Verzeihung«, sagte Do, »wissen Sie, wie ich zum Kinderzimmer komme?«

»Sind Sie vielleicht die neue Kinderschwester?«, fragte der Mann.

»Ja. Ich bin Do Berthold. Und wer sind Sie?«

»Doktor Hinrichs. Ich bin der Hausarzt und habe soeben den Schlossherrn untersucht. Er befindet sich in einem Stadium schwerster seelischer Erschütterung. Ich habe ihm eine Beruhigungsinjektion gegeben. Jetzt wird er bis abends schlafen, hoffe ich. Leider steht Ihr Arbeitsbeginn in Schloss Karst unter keinem guten Stern, Schwester ... Wie war Ihr Name? Do? Seltsam.«

»Eigentlich heiße ich Dolores«, erklärte Do, »aber ich mag diesen Namen nicht.«

»Dolores passt wirklich nicht zu Ihnen«, meinte der Arzt lächelnd. »Folgen Sie mir bitte. Ich bringe Sie zu dem kleinen Till. Der arme kleine Junge wohnt zwar in einem Schloss und wird umsorgt wie ein kleiner Prinz, aber jedes Arbeiterkind ist glücklicher dran als er.«

Mit gesenktem Kopf ging Do hinter dem Arzt her.

»Warum ist der kleine Till nicht glücklich?«

»Im Alter von sieben Monaten ist ein Kind auf mütterliche Wärme angewiesen. Seine Mutter aber hat sich nie um ihn gekümmert und alle Sorge dem Personal überlassen. Und jetzt ist Gräfin Liane tot.«

Do lief ein Schauder über den Rücken. Sie hatte mit angesehen, wie die Gräfin in den Flammen ums Leben gekommen war.

»Gott sei ihrer armen Seele gnädig«, sagte der Arzt. »Man konnte ihr viel vorwerfen, und die Finger beider Hände reichten nicht aus, um alle ihre Fehler aufzuzählen, aber dass sie so enden musste, das hat ihr niemand gewünscht.«

Endlich, nachdem sie einen langen Korridor durchquert hatten, blieb der Doktor vor einer weiß lackierten Tür stehen. Er öffnete sie.

»Gehen Sie voran, Schwester Dolores«, bat er mit belegter Stimme.

Zaghaft trat Do ein.

Ihr Blick fiel auf einen kleinen Jungen in einem Gitterbettchen, der vergnügt strampelte und leise vor sich hin brabbelte.

Schnell näherte sich Do dem Kinderbett. Ein allerliebster kleiner Junge war das!

»Till ist kerngesund«, sagte der Arzt. »Aber es ist höchste Zeit, dass er in bewährte Hände kommt. Bisher hat sich ein Zimmermädchen mit der Köchin in der Pflege für das Kind abgewechselt. Aber der kleine Till bekommt zu wenig frische Luft und zu wenig Zuneigung. Deshalb bitte ich Sie, Schwester Dolores, tun Sie nicht nur Ihre Pflicht für den armen Kleinen, sondern schenken Sie ihm Ihre Liebe.«

»Er ist so süß«, sagte Do. »Wieso hat sich seine Mutter nie um ihn gekümmert?«

»Die Antwort kann ich Ihnen leider nicht geben«, erwiderte der Arzt bitter. »Ich weiß sie nicht. Gräfin Liane war schön, schillernd, eigenwillig und eine aparte Persönlichkeit. Warum sie keinen Funken Mutterliebe in sich trug, vermag ich nicht zu sagen. Eines aber ist sicher: Der kleine Till kennt seine leibliche Mutter so gut wie gar nicht. Deshalb wird er auch nicht um sie trauern, so hart es auch klingen mag.«

Der Doktor nickte ihr kurz zu, drehte sich um und ging hinaus.

»Till, mein Kleiner«, sagte Do innig, »ab jetzt fängt ein neues Leben für dich an. Ich werde immer für dich da sein, Till. Versprochen.«

Strahlende Sternenaugen musterten sie. Und jetzt verzog der Kleine den Mund zu einem Lächeln.

Hingerissen neigte sich Do zu dem Baby nieder und hob es aus dem Bett.

Der kleine Junge jauchzte. Do drückte ihn an sich. Was gingen sie die Probleme der Grafenfamilie Karst an? Sie war für den kleinen Till eingestellt worden. Und sie wollte ihn lieb haben und umsorgen.

Der kleine Till krähte und schlug ihr mit seinen Händchen ins Gesicht.

Do lachte. Sie fühlte sich dem Kind jetzt schon so verbunden wie eine nahe Verwandte.

♥♥♥

Drei Tage lang hatte Do nur mit dem Personal zu tun. Die Köchin und das Zimmermädchen Elise wiesen sie in den Ablauf des Schlosslebens ein. Dos Zimmer lag unmittelbar neben dem Kinderzimmer. Immer war sie zur Stelle, wenn der kleine Junge sie brauchte.

Von Elise erfuhr Do, dass das Begräbnis heute Mittag um zwölf Uhr stattfinden sollte. Gräfin Liane sollte in der gräflichen Gruft im Gewölbe unterhalb der Schlosskirche beigesetzt werden.

Als sie den kleinen Till badete, ging die Tür auf, und Graf Hardy trat ein.

Erstaunt musterten sie einander.

»Sie sind ja richtig schön, Schwester«, stieß der junge Graf hervor und lächelte matt. »Das habe ich neulich in der Dunkelheit gar nicht sehen können.«

»Und Sie sind jünger, als ich dachte«, erwiderte Do.

»Ich bin zweiundzwanzig. Ein Versager in den Augen meines hervorragenden Bruders. Er war immer der Beste auf dem Gymnasium, und er war auch an der Uni immer Erster. Ich bin bloß Durchschnitt, und das lässt er mich immer fühlen.«

Do schwieg bestürzt.

»Machen Sie nicht so ein Gesicht«, zog Graf Hardy sie auf. »ich habe mich daran gewöhnt, immer im Schatten meines Bruders zu stehen. Andererseits ist er sehr väterlich zu mir. Vielleicht brauche ich diese Autorität. Irgendwann werde ich einmal die Nase voll haben und fortgehen und mein eigenes Leben leben. Aber leider ist es noch nicht so weit.«

Der junge Graf tat Do irgendwie leid. Er war blond, blauäugig und wirkte noch sehr jungenhaft. Seine Ehrlichkeit entwaffnete sie, und sie fragte sich, was für ein Mann wohl der Schlossherr sein mochte. Machte es ihm Freude, seinen jüngeren Bruder zu unterdrücken und den Tyrannen zu spielen?

»Übrigens kam ich her«, erklärte Graf Hardy, »um Ihnen den gräflichen Befehl zu übermitteln, an dem Begräbnis teilzunehmen.«

»Und das Baby?«, fragte Do verwundert.

»Der Kleine kann indessen von einem der Zimmermädchen beaufsichtigt werden.«

»Warum soll gerade ich an der Beerdigung teilnehmen?«, erkundigte sich Do. »Ich habe die Tote zu Lebzeiten nicht gekannt.«

»Die Gedankengänge meines Bruders sind mir oft rätselhaft«, erwiderte Graf Hardy achselzuckend. »Um zwölf Uhr also. An dem nachfolgenden Festessen brauchen Sie nicht teilzunehmen, lässt Ihnen der Schlossherr bestellen.«

»Ich bin ihm noch nicht einmal vorgestellt worden.«

»Ja, ich weiß. Er hatte bisher keine Zeit, Schwester. Ist es wahr, dass Sie Dolores heißen?«