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Kilian Graf von Dirksen und seine bezaubernde Gattin Sybille machen eine Weltreise und genießen das fröhliche, bunte Leben in fremden Ländern. Ihre letzte Station ist Kairo, die faszinierende Stadt am Nil mit ihren Moscheen, Basaren und Kalifengräbern. Doch der Besuch dieser Stadt wird ihnen zum Verhängnis. Als sie eines Abends in ihr Hotelzimmer zurückkehren, erwartet sie dort die Polizei und beschuldigt sie beide der Spionage. Ihnen werden unwiderlegbare Beweise vorgelegt.
Um ihren geliebten Mann vor der Verurteilung zu retten, nimmt Sybille unüberlegt eine Schuld auf sich, die sie nicht begangen hat. Dann wird sie abgeführt und kommt ins Gefängnis - für fünfzehn entsetzlich lange Jahre ...
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Seitenzahl: 136
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Verschollen auf der Weltreise
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Impressum
Verschollen auf der Weltreise
Als Sybille in der Fremde verhaftet wurde
Kilian Graf von Dirksen und seine bezaubernde Gattin Sybille machen eine Weltreise und genießen das fröhliche, bunte Leben in fremden Ländern. Ihre letzte Station ist Kairo, die faszinierende Stadt am Nil mit ihren Moscheen, Basaren und Kalifengräbern. Doch der Besuch dieser Stadt wird ihnen zum Verhängnis. Als sie eines Abends in ihr Hotelzimmer zurückkehren, erwartet sie dort die Polizei und beschuldigt sie beide der Spionage. Ihnen werden unwiderlegbare Beweise vorgelegt.
Um ihren geliebten Mann vor der Verurteilung zu retten, nimmt Sybille unüberlegt eine Schuld auf sich, die sie nicht begangen hat. Dann wird sie abgeführt und kommt ins Gefängnis – für fünfzehn entsetzlich lange Jahre ...
»Liebling, entschuldigst du mich für wenige Minuten?« Kilian Graf von Dirksen beugte sich über Sybilles Hand. »Ich lasse dich mit Freund Bertram allein.«
Sybille stellte keine Fragen. Sie vertraute ihrem Mann rückhaltlos.
»Lass mich nicht so lange allein!«, bat sie lächelnd.
»Höchstens eine halbe Stunde«, versprach Kilian. »Bis gleich!« Er winkte auch Bertram Baron von Göbel zu und entfernte sich, indem er geschickt um die Tische des Nachtklubs herumging.
Sybille blickte ihm nach, bis sie ihn nicht mehr sehen konnte. Plötzlich bemerkte sie, dass Bertram sie betrachtete. Seine Augen leuchteten, aber da war auch eine merkwürdige Anspannung in seinem Blick, die sich Sybille nicht erklären konnte.
»Sind Sie nie eifersüchtig, Sybille?«, fragte der Baron.
»Nie, Bertram«, versicherte sie. »Kilian liebt mich. Und ich bin mir seiner Liebe sicher. Außerdem kennt er niemanden hier in Kairo. Er hat nun einmal andere Interessen als ich, aber wir haben Verständnis füreinander, Bertram.«
»Eine Frau«, erklärte der Baron, »sollte sich der Liebe ihres Mannes niemals ganz sicher sein.«
»Sie wollen doch wohl keinen Keil zwischen mich und Kilian treiben«, sagte Sybille mit einer leichten Anklage im Ton.
Sie wusste, dass Baron Bertram sie verehrte. Er hatte ihr zwar nie seine Liebe gestanden, aber mit fraulichem Instinkt spürte sie, dass sie ihm nicht gleichgültig war.
»Kilian und ich sind jetzt mehr als zwei Wochen in Kairo«, fuhr Sybille versöhnlich fort. »So richtig amüsant ist es aber erst, seitdem wir Sie hier getroffen haben, Bertram. Sie wollen also wirklich morgen abreisen?«
»Ich bin Weltenbummler aus Passion, Sybille. Irgendwie muss ich ja mein Vermögen durchbringen. So reise ich das ganze Jahr über in der Welt umher, treibe mich an Plätzen herum, an denen es mir gefällt, und zahle hohe Preise für Hotelrechnungen.«
»Wann werden Sie endlich sesshaft werden, Bertram?«
»Wenn ich die Frau gefunden habe, die mir ein gemütliches Zuhause bieten kann«, erwiderte er ernst. »Morgen früh fliege ich nach Kalkutta. Dort lebt ein Cousin von mir, der in drei Tagen seinen fünfzigsten Geburtstag feiert. Da darf ich natürlich nicht fehlen.«
»Das wäre kein Leben für mich, Bertram!« Sybille schüttelte den Kopf. »Immer aus dem Koffer leben, nein! Man muss doch irgendwohin gehören.«
Bertram musterte sie bewundernd.
»Kilian ist ein Glückspilz! Er hat Sie und Ihre kleine Tochter. Er weiß, wo seine Heimat ist. Aber ich?«
Sybille war das Gespräch peinlich. Wenn nur Kilian zurückkäme! Wo war er jetzt um elf Uhr nachts hingegangen? Gewiss, die Bazare waren auch um diese Zeit im alten arabischen Viertel von Kairo noch geöffnet, aber was mochte Kilian jetzt erledigen, was er nicht auch tagsüber tun konnte?
Alle Tische im Nachtklub »Mustafa« waren voll besetzt. Dichte blaue Rauchschwaden hingen im Raum. Die Kapelle spielte beschwingte und ruhige Melodien.
»Wollen wir nicht auch mal wieder ein paar Runden drehen?«, fragte Bertram.
Sybille nickte. Sie war eine leidenschaftliche Tänzerin, und daheim auf ihrem Großgut Niederwiesach würde sie wieder lange nicht dazu kommen.
Bertram hatte sich erhoben und machte eine vollendete Verbeugung.
»Darf ich die Frau Großgrundbesitzerin bitten?«
Sybille erhob sich. Als sie am Arm Bertrams auf die Tanzfläche zuschritt, erregte sie Aufsehen. Sie war schlank, mittelgroß und hatte dunkles volles Haar.
Baron Bertram war ein hervorragender Tänzer. Er war auf dem Parkett der großen Welt ebenso zu Hause wie an einsamen Lagerfeuern und auf dem Rücken wilder Pferde. Er war ein Abenteurer, und Sybille hatte sich schon oft gefragt, ob es eine Frau jemals fertigbringen würde, ihn eines Tages ans Haus zu fesseln.
»Wie die Leute Sie alle anschauen«, sagte Bertram leise, während er mit Sybille einen langsamen Walzer tanzte. »Man sieht Ihnen nicht an, dass Sie schon eine vierjährige Tochter haben und dass Sie eine tüchtige Landwirtin sind.«
»Die Frau eines Großgrundbesitzers hat zwar alle Hände voll zu tun, muss aber nicht selbst die Mistgabel in die Hand nehmen«, gab Sybille lachend zurück.
»Sie haben mein Kompliment nicht verstanden«, klagte Bertram übermütig. »Ich wollte damit nur sagen, dass Sie noch so jung und mädchenhaft wirken! Sieht Annabell Ihnen ähnlich?«
»Ich weiß nicht«, sagte Sybille. Ihre Augen leuchteten auf. »Sie hat ein süßes rundes Kindergesicht und große blaue Augen. Ihr Haar ist goldblond und zu zwei kleinen Zöpfen geflochten! Und was für ein Wildfang sie ist!« Grenzenloses Heimweh packte sie.
Sie waren schon viel zu lange unterwegs, mehr als sechs Wochen. Sybille wollte endlich wieder nach Hause und ihre kleine Annabell in die Arme schließen. Gleich heute noch würde sie Kilian den Abstecher nach Marokko ausreden.
Als sie vom Tanz an ihren Tisch zurückkehrten, standen sie plötzlich Kilian gegenüber.
»Da bist du ja!«, sagte Sybille erfreut. »Wollen wir heimgehen?«
Kilian nickte. Er wirkte ein wenig abgespannt.
»Gern, mein Herz. Bertram, kommst du noch auf einen Drink mit in unser Hotelzimmer?«
»Ich bin sehr müde«, sagte Bertram bedauernd.
»Aber wir sehen dich doch nicht mehr, Bertram! Dein Flugzeug geht doch schon ganz früh am Morgen.«
»Mein Weg wird mich in nächster Zeit nach Deutschland führen«, versprach Bertram. »Ich besuche euch bestimmt. Ich will doch wissen, wie eure kleine Annabell aussieht! Ihr wisst ja, dass ich ein Kindernarr bin.«
Sybilles Blick streifte Kilian. Sein markantes männliches Gesicht war schmaler, erschöpfter als sonst. Was hatte er nur? Wo war er gewesen?
Ihr fielen die Telefongespräche ein, die er hier in Kairo immer führte, wenn sie nicht im Zimmer war. Und wenn sie plötzlich eintrat, legte er schnell den Hörer auf.
Natürlich misstraute sie ihm nicht. Kilian liebte sie, und sie führten eine glückliche Ehe. Hatte er Sorgen? Telefonierte er vielleicht mit Deutschland? War irgendetwas auf dem Gut los, was er ihr nicht sagen wollte, um sie nicht zu beunruhigen?
War vielleicht etwas mit Annabell geschehen?
Nein, Sybille hatte erst gestern mit ihrer kleinen Tochter telefoniert, die ihr aufgeregt von dem kleinen neugeborenen Kälbchen erzählt hatte, das sie Schalmucke getauft hatte. Der Himmel mochte wissen, wo sie diesen merkwürdigen Namen herhatte.
Sybille schob ihre trüben Gedanken weit fort. Sie hörte, dass die beiden Freunde sich darum stritten, wer die Rechnung bezahlen sollte. Endlich sprach Kilian ein Machtwort.
»Schluss jetzt. Du warst unser Gast. Es war deine Abschiedsfeier, alter Junge. Ich bezahle!«
Baron Bertram gab sich geschlagen. Er war dunkelhaarig, mittelgroß und hatte tief gebräunte Haut. Er war ein gut aussehender Mann, ein Frauentyp, dem man den Abenteurer sofort anmerkte.
Sybilles Blick wanderte zu Graf Kilian, ihrem Mann. Er war dunkelblond, breitschultrig und wirkte wie ein Athlet. Sie dachte daran, wie sie sich sofort, als sie ihn damals vor fünf Jahren kennengelernt hatte, in ihn verliebt hatte, und nichts hatte sich seitdem geändert.
Sie verließen den Nachtklub. Das »Hotel Esplanade«, in dem die Dirksens wohnten, lag dem Nachtklub schräg gegenüber. Das »Hotel Plaza«, in dem sich das Hotelzimmer Bertrams befand, war weiter entfernt.
»Du kommst also nicht mehr mit zu uns?«, fragte Kilian.
»Nein. Seid nicht böse! Grüßt die kleine Annabell von mir und gebt ihr ein Küsschen von dem unbekannten Onkel Bertram. Ich komme bestimmt bald zu euch! Gute Heimreise! Und alles, alles Gute!« Er küsste Sybilles Hand und drückte dem Freund die Rechte.
Dann drehte er sich um, winkte noch einmal zurück und ging schnell fort.
»Eigentlich tut er mir leid«, sagte Sybille und hakte sich bei Kilian ein.
Der Graf schwieg.
»Was ist los mit dir?«, fragte Sybille.
Er blieb stehen. »Warum spielst du mir Theater vor, Sybille?«, fragte er heiser. »Ich weiß, dass du ihn liebst.«
Sybille war wie vor den Kopf gestoßen.
»Wie bitte?«, fragte sie irritiert.
»Du liebst ihn«, beharrte Kilian. »Hat er dich nicht neulich ins Nationalmuseum begleitet? Und immer, wenn du dir eine Sehenswürdigkeit angesehen hast in den letzten Tagen, war er dein Begleiter.«
»Mein Gott, was denkst du nur von mir!«, stammelte Sybille erschrocken. »Er hat mich einige Male begleitet, das stimmt. Aber zwischen uns hat es immer nur ein freundschaftliches Verhältnis gegeben.«
»Er ist verrückt nach dir, Sybille. Neben ihm wirke ich langweilig und farblos. Er ist ein Typ, der Frauen magisch anzieht. Ich habe die Blicke gesehen, die du ihm zugeworfen hast.«
»Mach mich nicht böse, Kilian«, sagte Sybille halb lachend, halb ärgerlich. »Du musst mich doch gut genug kennen, um zu wissen, dass ich nicht die Frau bin, die ihren Mann betrügt.«
»Vielleicht bin ich selbst schuld daran«, fuhr er nachdenklich fort, ohne auf ihre Bemerkung einzugehen. »Warum interessiere ich mich auch nicht für altägyptische Kultur? Und warum ließ ich dich allein in die Museen gehen? Da bot sich Bertram als Begleiter förmlich an, und du hast mit Freuden zugegriffen.«
»Er war ein interessanter Plauderer«, gab Sybille zu. »Aber wie kannst du nur im Ernst annehmen, Kilian, dass ...«
Er hatte sie weitergezogen. Jetzt standen sie vor dem hell erleuchteten Hoteleingang.
»Ruhig! Sprechen wir nicht mehr darüber, Sybille. Nicht jetzt, wo uns jemand zuhören kann.« Er schob sie durch die gläserne Tür.
Sybille war erregt, als sie auf den Lift zuschritten. Warum misstraute Kilian ihr? Er schien wirklich fest zu glauben, dass Bertram ihr nicht gleichgültig war.
Wie konnte sie ihn von ihrer Treue überzeugen?
Als sie im Lift nach oben fuhren, war der Liftboy zugegen. Schweigend standen sich die Ehegatten gegenüber.
Endlich hatten sie das vierte Stockwerk erreicht. Der Liftboy bekam seine üblichen dreißig Piaster Trinkgeld von Kilian und bedankte sich wortreich. Stumm begleitete Kilian Sybille zu der Hotelzimmertür.
Sie hatten ein großes Wohnzimmer und ein angrenzendes Schlafzimmer mit Bad und Balkon gemietet. Der Service im Hotel war ausgezeichnet. Schweigend wollte Kilian die Tür aufsperren, da stutzte er.
»Seltsam«, sagte er. »Das Schloss ist offen.«
Er drückte die Klinke hinunter. Als er die Tür aufriss, erstarrte er.
Zwei ägyptische Polizeibeamte standen in der Mitte des Hotelzimmers.
Als Kilian und Sybille verblüfft eintraten, bemerkten sie auch die beiden uniformierten Posten rechts und links von der Tür.
»Meine Herren, was soll das bedeuten?«, fragte Kilian auf Deutsch. »Warum sind Sie in unser Hotelzimmer eingedrungen?«
»Wir bekamen einen Geheimtipp, meine Herrschaften«, erwiderte einer der Polizeioffiziere in deutscher Sprache. »Und deshalb mussten wir Ihr Gepäck durchsuchen. Und wir fanden, was wir suchten.« Er deutete auf den Couchtisch.
Sybilles Augen weiteten sich. Wie sah es dort aus! Schals, Handschuhe, Kinderspielzeug ... Alles lag bunt durcheinander. Von einer Puppe, die sie Annabell nach Deutschland mitbringen wollten, war sogar der Kopf vom Rumpf abgerissen worden.
»Ich verlange eine Erklärung«, forderte Kilian.
»Gern!« Der deutsch sprechende Polizeioffizier nickte und hob seine rechte Hand. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er ein kleines Röllchen.
»Was ist das?«, fragte Sybille verständnislos.
»Ein Mikrofilm«, sagte der Polizeibeamte. Seine Stimme klang höflich, aber schneidend scharf. Er sah von Sybille zu Kilian und wieder zu Sybille zurück. »Dieser Mikrofilm war im Kopf der Puppe versteckt. Sie wollten ihn auf diese Weise aus Ägypten herausbringen. Wer von Ihnen ist der Spion?«
»Das ist grotesk!«, erklärte Sybille zornig. Sie wandte den Kopf und sah, dass Kilian sie anblickte. Merkwürdig dunkel und angstvoll waren seine Augen auf sie gerichtet. Sie erschrak. Glaubte ihr Mann etwa allen Ernstes, dass sie etwas damit zu tun hatte?
»Wir haben mit der Sache nichts zu tun«, erklärte er mit brüchiger Stimme.
In Sybille breitete sich lähmendes Entsetzen aus.
Kilian!
Die geheimnisvollen Telefonanrufe! Er war vorhin für eine halbe Stunde weg gewesen. Hatte er den Mikrofilm übernommen und im Kopf der Puppe versteckt? War er ein Spion, ihr eigener Mann?
Ihr fielen die merkwürdigen Reisen ein, die er von Zeit zu Zeit unternahm. Angeblich traf er sich dann mit Freunden zur Jagd. Es gab tatsächlich einige Dinge, die ihr immer rätselhaft vorgekommen waren.
»Es tut mir leid«, sagte der Polizeioffizier. »Ich muss Sie beide verhaften, denn Sie stehen beide im Verdacht, die Tat begangen zu haben.«
»Das ist doch Unsinn!«, ereiferte Graf Kilian sich. »Wir haben wirklich nichts damit zu tun und wissen nicht, wie dieser Film in den Kopf der Puppe gelangte. Was befindet sich auf dem Film?«
»Fotos von geheimen militärischen Anlagen«, antwortete der Polizeioffizier. »Ich darf Sie dann bitten?«
Sybille begann zu zittern. Sie durften nicht beide verhaftet werden! Was sollte aus dem Gut werden? Und aus Annabell? Sobald man Beweise gegen Kilian fand, würde man ihn jahrelang ins Gefängnis werfen. Ihre Unschuld würde sich bestimmt bald herausstellen, aber Kilian ...
Konnte sie so lange auf Kilian verzichten? Nein, ich muss verhindern, dass man ihn einsperrt, dachte Sybille. Sie wusste aus Zeitungsberichten, wie groß in Ägypten die Angst vor Spionen war. Man würde Kilian bestimmt nicht wieder laufen lassen.
Ich werde Kilian Gelegenheit geben, nach Deutschland zurückzukehren, dachte sie, dort ist er in Sicherheit.
»Mein Mann«, sagte sie laut und mit spröder Stimme, »weiß von nichts, meine Herren. Halten Sie sich an mich.«
Hoffentlich ahnst du, Kilian, dachte sie, was ich damit bezwecke. Reise sofort ab! Wer weiß, wie lange ich die Ägypter täuschen kann.
Aber wie sieht Kilian mich an? Enttäuschung las sie in seinen Augen, Hilflosigkeit und grenzenloses Leid!
Begreifst du denn nicht, Liebster, dass mein Geständnis nur vorgetäuscht ist? Sybille versuchte, ihn mit ihren Blicken zu beschwören, aber sie spürte, dass es ihr nicht gelang.
»Ich habe den Mikrofilm in dem Kopf der Puppe versteckt«, sagte Sybille.
Später, wenn Kilian abgereist ist, werde ich das Geständnis widerrufen, dachte sie. Man wird mir keine Spionagetätigkeit nachweisen können. Es ist ja lächerlich! Ich bin die Gattin eines Gutsbesitzers und keine Agentin!
Kilian, oh Kilian! Dass du ein Doppelleben geführt hast, war mir nie klar. Und ich glaubte dich so gut zu kennen!
Dann ging alles sehr schnell.
Der Polizeioffizier steckte Sybilles Reisepass ein und wandte sich an Kilian.
»Selbstverständlich, mein Herr, steht es Ihnen frei, die deutsche Gesandtschaft zu verständigen. Jedoch ist das Geständnis vor Zeugen abgelegt worden. Auch wurde der Mikrofilm vor Zeugen im Kopf der Puppe aufgefunden. Wir setzen voraus, dass Sie von dem Geheimnis Ihrer Frau nichts wussten, mein Herr.«
»Nein«, sagte Kilian heiser. »Ich wusste es nicht.«
Gottlob, dachte Sybille, er hat begriffen, was ich vorhabe. Hoffentlich reist er so schnell wie möglich ab.
Sie versuchte ihn von Neuem mit ihren Blicken zu beschwören, doch er sah zur Seite, völlig verstört und unsicher.
Sybille wurde abgeführt. Das Letzte, was sie sah, war Kilian, wie er mit gesenktem Kopf im Zimmer zurückblieb.
Ihr Herz klopfte stürmisch. Oh Liebster, du hast mich vorhin so dumm verdächtigt, dich mit Bertram betrogen zu haben. Vielleicht siehst du jetzt ein, wie sehr ich dich liebe! Dies ist der Beweis meiner Treue und Liebe, den ich dir schuldig war! Jetzt musst du doch einsehen, dass du mein ganzes Herz ausfüllst. Auch wenn du mich getäuscht hast: Ich liebe dich. Deshalb bringe ich dir dieses gewagte Opfer.
♥♥♥
Fünfzehn Jahre waren vergangen, lange, quälende Jahre, und das Rad der Zeit war nicht stehen geblieben.
Annabell Komtess von Dirksen ritt am Waldrand entlang. Ihr Dackel Fridolin war entlaufen, und sie suchte ihn schon seit gestern Abend! Sie sah den See zwischen den Zweigen hindurchschimmern. Hier hörte das Gebiet auf, das den Dirksens gehörte. Doch was war das?
Ein riesiger Kran erhob sich hinter den Gipfeln der Bäume.
Ein Kran? Hier am See?
Die Komtess zerrte am Zügel ihrer Schimmelstute. Das kluge Tier fiel in Galopp.
Als sie das kleine Waldstück durchquert hatte, wurde die Stute langsamer. Lastwagen standen hier. Ein Bauzelt war aufgebaut worden. Und eine Menge Leute wimmelten herum. Bauarbeiter.
Annabell zog an den Zügeln, worauf die Stute stehen blieb.
Die Komtess konnte es nicht glauben. Jemand hatte also das Uferstück käuflich erworben und wollte hier ein Haus bauen. Vorbei war die Stille am See, in dem Annabell unzählige Mal mit ihren Freundinnen gebadet hatte.
Ein Mann in Lederjacke und einer Cordhose löste sich von der Gruppe der Bauarbeiter. Langsam ging er auf Annabell zu und starrte fasziniert auf das schöne Bild, das die hübsche Reiterin auf dem rassigen Pferd ihm bot.