Lore-Roman 191 - Yvonne Uhl - E-Book

Lore-Roman 191 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

Auf einer Party wird Barbara von Goertz von einem Fremden angesprochen, der sie für Ulrike von Goertz hält. Er ist sich seiner Sache sehr sicher, nun hat er endlich die Frau gefunden, die seinen Bruder so schändlich betrogen und ihn um sein Vermögen gebracht hat. Barbara wehrt sich gegen diese Vorwürfe und stellt klar, dass sie nicht diese gesuchte Frau sei. Als Niels Graf von Bornhelm zum Beweis ein Foto aus seiner Jackettasche zieht, traut Barbara ihren Augen kaum: Es ist ihr, als blicke sie in ihr Spiegelbild. Sie hat eine Doppelgängerin! Barbara kann den Grafen überzeugen, dass sie nicht die Frau auf dem Foto ist. Und noch an diesem Abend beschließen die beiden, die Betrügerin gemeinsam zu suchen. Es beginnt ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel ...

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Seitenzahl: 152

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Inhalt

Cover

Ihr fremdes Spiegelbild

Vorschau

Impressum

Ihr fremdes Spiegelbild

Ein spannender Schicksalsroman voller Überraschungen

Von Yvonne Uhl

Auf einer Party wird Barbara von Goertz von einem Fremden angesprochen, der sie für Ulrike von Goertz hält. Er ist sich seiner Sache sehr sicher, nun hat er endlich die Frau gefunden, die seinen Bruder so schändlich betrogen und ihn um sein Vermögen gebracht hat. Barbara wehrt sich gegen diese Vorwürfe und stellt klar, dass sie nicht diese gesuchte Frau sei. Als Niels Graf von Bornhelm zum Beweis ein Foto aus seiner Jackettasche zieht, traut Barbara ihren Augen kaum: Es ist ihr, als blicke sie in ihr Spiegelbild. Sie hat eine Doppelgängerin! Barbara kann den Grafen überzeugen, dass sie nicht die Frau auf dem Foto ist. Und noch an diesem Abend beschließen die beiden, die Betrügerin gemeinsam zu suchen. Es beginnt ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel ...

Niels Graf Bornhelm konnte den Blick nicht von dem schönen aschblonden Mädchen wenden, doch er gab sich Mühe, es nicht zu zeigen.

Sie muss Ulrike von Goertz sein. Es ist gar kein Irrtum möglich, dachte er. Das Foto, das ich von ihr besitze, gibt aber nur sehr unvollkommen ihre Schönheit wieder. Ich bin am Ziel. Dieses Mädchen wollte ich finden.

Niels sah die kleine, zierliche Hetty Stellach näher kommen.

Eigentlich bin ich viel zu alt für dieses junge Volk, dachte Niels. Die sind doch alle so Mitte zwanzig, während ich die dreißig schon überschritten habe.

»Hallo!« Hetty Stellach blieb vor ihm stehen und lächelte. »Ich habe Sie noch nie bei uns gesehen. Und ich als beste Freundin von Tilla kenne alle Partyteilnehmer!«

Niels verneigte sich leicht. »Ich heiße Graf Bornhelm und bekam die Einladung von Herrn Bachmann.«

»Von Harry?«, entfuhr es Hetty. »Ach so! Wohnen Sie schon lange hier in Immental?«

Niels lächelte. Er zog sein Zigarettenetui und bot Hetty daraus an.

»Nein, ich bin nur vorübergehend hier, gnädiges Fräulein.«

»Sagen Sie ruhig Hetty zu mir, wir nennen uns hier alle beim Vornamen«, schlug Hetty vor. »Sie sind also nur auf der Durchreise?«

»Nicht direkt. Ich habe etwa zwei Wochen hier in Immental zu tun, dann reise ich wieder zurück.«

»Wohin zurück?«, wollte Hetty neugierig wissen.

Niels musste über ihre Wissbegierde lachen.

»Das weiß ich selbst nicht so genau, Hetty. Mein Vorname ist übrigens Niels.«

»Also, gut, Niels!« Hetty hing sich in seinen Arm. »Sie stehen hier so steif herum, als ob Sie sich sehr unbehaglich vorkommen. Haben Sie eigentlich schon, Tilla, meine Freundin, begrüßt?«

»Noch nicht, Hetty. Ist sie die Gastgeberin? Und wer steht neben ihr?«

»Das ist Barbara, eine gemeinsame Schulfreundin von uns. Ein verrücktes Huhn. Übrigens entstammt sie auch einer Grafenfamilie – wie Sie.«

»Ah, interessant. Und sie heißt wirklich Barbara?«

»Ja, Barbara von Goertz.«

»Goertz? Wirklich Goertz?«, vergewisserte er sich. »Ich habe den Namen schon irgendwo einmal gehört.«

Hetty bemerkte nicht, wie seine Augen triumphierend aufleuchteten. Jetzt galt es für ihn, ihre Bekanntschaft zu machen. Sie nannte sich Barbara und nicht Ulrike, aber egal. Sie war das Mädchen auf dem Foto, das er bei den Papieren seines Bruders gefunden hatte.

»Tilla, Barbara, darf ich euch Niels vorstellen?«, rief Hetty stürmisch. Strahlend zog sie Niels näher. »Er ist ein Graf!«, kicherte sie, »Und er ist bloß zwei Wochen hier in Immental. Sollten wir nicht besonders nett zu ihm sein, Mädels, damit er später noch einmal den Wunsch hat, Immental zu besuchen?«

Tilla streckte Niels die Hand hin. »Willkommen auf meiner Party. Hoffentlich gefällt es Ihnen hier.«

»Sie haben diese Gesellschaft sehr geschmackvoll und bis ins Kleinste vorbereitet, alle Achtung!«, bemerkte Niels Graf Bornhelm.

Seine Augen suchten Barbaras Augen. Sie hat blaugrüne Augen, aber vielleicht ist es nur eine Widerspiegelung der Farbe ihres Kleides, grübelte er. Oh, ich kann Aswin verstehen. Dieses Mädchen ist wirklich ungemein reizvoll. Aber halt – bleib auf dem Teppich, Niels. Du weißt doch, dass dieses Mädchen daran schuld ist, dass Schloss Bornhelm unter den Hammer kam. Sie ist ehrgeizig, gewinnsüchtig und maßlos, dachte er.

»Er muss mit allen Damen tanzen«, rief Hetty übermütig, »und wenn er Fußschmerzen bekommt. Einverstanden?«

»Meine Damen, haben Sie Erbarmen mit mir!«, rief Niels und verneigte sich vor Tilla. »Ich werde mit der Gastgeberin den Anfang machen, bitte aber die beiden anderen Tänzerinnen, mir im Wort zu bleiben.«

Er bot Tilla von Stein den Arm und führte sie auf die Terrasse hinaus.

»Ist er nicht himmlisch?«, flüsterte Hetty Barbara zu. »Gib zu, dass du noch nie einen so tollen Mann kennengelernt hast.«

Barbara zuckte mit den Schultern. Sie machte ein gelangweiltes Gesicht.

»Ich weiß wirklich nicht, was du hast, Hetty, so umwerfend sieht er gar nicht aus.«

»Aber sein Charme ...«, wisperte Hetty.

»Auch nicht überragend. Hetty, du benimmst dich wie eine Vierzehnjährige, die ihren Lieblingsschauspieler anhimmelt.«

***

Es war vier Uhr morgens. Graf Bornhelm begleitete Barbara von Goertz ins Freie.

»Wundervolle Luft«, schwärmte er. »Ich habe mir nie sehr viel aus Partys gemacht. Seitdem sie dort im Haus die Fenster geschlossen haben, war die Luft unerträglich, finden Sie nicht auch?«

»Ja. Ich habe auch für einige Zeit wieder keinen Bedarf mehr an Gesellschaften dieser Art«, sagte Barbara kurz angebunden.

»Wollen Sie nicht doch mit meinem Wagen nach Hause gebracht werden, Barbara?«

»Leider nein, Niels. Ich wohne außerhalb von Immental, und ich habe meinen fahrbaren Untersatz gern in meiner Nähe.« Sie deutete auf einen verbeulten Volkswagen. »Da ist das gute Stück.«

Niels lachte. »Himmel, das hatte wohl einen Zusammenstoß mit einem Elefanten, wie?«

»Kaum«, meinte Barbara trocken. »Ich sah lediglich einen Chausseebaum nicht. Aber es war nur Blechschaden. Man soll solche Beulen nicht so tragisch nehmen.« Sie kramte in der Manteltasche nach den Wagenschlüsseln.

»Wann sehe ich Sie wieder?«, fragte er leise.

Barbara antwortete nicht.

»Barbara, Sie sind von allen Mädchen dieser Party das einzig Begehrenswerte!«, murmelte er.

»Bitte, ich bin nicht so eine, die Wert auf Komplimente legt«, stieß Barbara hervor. »Ich lebe völlig zurückgezogen, und ich bin sehr stolz auf meine Selbstständigkeit. Lassen wir es bei dieser Party bewenden, Niels.«

»Ich möchte Sie näher kennenlernen.«

»Wozu? Ich denke, Sie sind geschäftlich hier in Immental. Irgendwann – in naher Zukunft – werden Sie abreisen und sich nicht mehr blicken lassen. Und dann?«

»Planen Sie immer jede Einzelheit im Voraus?«, fragte er. »Ich wollte mehr von Ihnen erfahren, Barbara. Sie gefallen mir.«

»Ach, hören wir auf damit, Niels«, murmelte Barbara. Sie verwünschte die verrückte Idee von Tilla, dass jeder ihrer Gäste sich mit den anderen beim Vornamen anreden müsste. »Ich bin uninteressiert. Gute Nacht.«

Er hielt sie beim Arm fest. »Heißen Sie mit zweitem Vornamen Ulrike, Barbara?«

Barbara stand bewegungslos. »Was soll diese Frage?«, stieß sie hervor.

Obwohl sie unter einer Laterne vor dem Haus der Steins standen, konnte Niels ihren Gesichtsausdruck nicht genau erkennen.

»Ich habe von einer Ulrike von Goertz gehört«, fuhr Niels langsam fort. »Sie soll hier in Immental wohnen.«

»Meines Wissens«, sagte sie, »gibt es hier nur eine Familie Goertz, und der entstamme ich.«

»Und die anderen Familienmitglieder?«, fragte Niels schnell.

Sie musterte ihn aufmerksam. »Meine Eltern sind tot. Schwestern habe ich nicht. Mein ältester Bruder ist nach Übersee gegangen, vor einigen Jahren schon. Mein jüngerer lebt in Hamburg und ist verheiratet. Was wollen Sie sonst noch wissen?«

»Es muss in Ihrer näheren oder entfernteren Verwandtschaft ein Mädchen namens Ulrike von Goertz geben, das außerdem genauso aussieht wie Sie.«

Barbara fuhr zurück.

»Jetzt werden Sie melodramatisch«, spottete sie. »Eine Doppelgängerin soll ich also haben? Das ist nicht sehr schmeichelhaft für mich.«

Er machte ein verständnisloses Gesicht. »Wieso? Wie meinen Sie das?«

»Nun, jeder Mensch hat wohl den Wunsch, absolut einmalig zu sein, nicht wahr?«, fragte Barbara. »Mit meiner Doppelgängerin kann ich Ihnen also nicht dienen. Leider, Niels.«

»Sie wissen etwas!«

Der Blick, der Barbara traf, erschreckte sie. Sie zögerte.

»Ich weiß wirklich nichts, aber Sie glauben mir nicht. Und ich kann Ihnen nicht beweisen, dass ich nichts weiß.« Sie lachte kurz auf. »Warum sind Sie denn so hinter dieser Ulrike her?«

»Ich muss mit ihr abrechnen«, entfuhr es Niels. »Sie ist am Unglück meiner Familie schuld, und wenn ich sie bis nach China jagen müsste. Falls Sie es also doch sind, geben Sie sich zu erkennen. Sie entkommen mir ja doch nicht.«

Barbara schwieg entrüstet.

Als er sie weiter so herausfordernd anblickte, wurde sie ärgerlich.

»Lassen Sie mich endlich nach Hause fahren.«

»Eine solche Ähnlichkeit kann nicht rein zufällig sein. Und der Name Goertz stimmt. Geben Sie doch zu, dass Sie eine Zwillingsschwester haben.«

Barbara seufzte. »Das wäre ja das Neueste, mein Herr. Ich weiß nicht das Geringste von einer Zwillingsschwester.«

»Haben Sie ein Familienstammbuch?«

Barbara stutzte. »Ja, in meiner Dokumentenmappe. Warum?«

»Darf ich Einsicht nehmen?«, drängte Niels. »Falls Sie noch eine Schwester haben, muss es in dem Stammbuch verzeichnet sein.«

Zornig wollte sie ablehnen, doch dann überlegte sie.

»Also, gut, besuchen Sie mich morgen. Sie sind richtig zäh, wenn es darum geht, Ihren Willen durchzusetzen, nicht wahr?«

Niels von Bornhelm machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Mein Gott, es ist meine Lebensaufgabe, diese Ulrike von Goertz zu finden.«

»Lebensaufgabe?«, wiederholte Barbara.

»Ja. Vielleicht erzähle ich Ihnen einmal diese Geschichte, aber nicht heute und nicht hier.«

»Besuchen Sie mich morgen!«, wiederholte Barbara.

»Warum nicht sofort? Darf ich Ihnen mit meinem Wagen folgen? Er steht dort drüben«, bat Niels spontan. »Bitte, sagen Sie nicht Nein. Sobald ich Einblick in das Stammbuch geworfen habe, lasse ich Sie in Ruhe.«

»Also, gut«, sagte sie, »folgen Sie mir. Es sind gut neun Kilometer bis zu meinem Haus.«

»Das Haus gehört Ihnen?«

»Ein großer alter Steinbau«, nickte Barbara. »Ein sogenanntes ehemaliges Herrenhaus. Damals hatte mein Vater in den unteren Räumen noch seine Büros. Er hatte eine Anwaltskanzlei. Jetzt ist das untere Stockwerk vermietet.«

»Sie leben allein?«

»Ja. Ich bin die Einzige, die noch übrig geblieben ist«, meinte Barbara nun leichthin. »Bis auf meine Brüder natürlich, aber die kümmern sich nicht um das alte Haus in Immental.«

Ihre Stimme gefiel ihm. Doch er hütete sich, sich näher mit ihr zu befassen. Entweder sie war selbst eine Betrügerin und hatte sich unter dem Namen Ulrike von Goertz in das Vertrauen seines Bruders geschlichen, oder sie kannte die Betrügerin und belog ihn. In jedem Fall war sie mit äußerster Vorsicht zu behandeln. Es war ausgeschlossen, dass eine junge Frau wie Ulrike von Goertz, deren Foto er bei sich trug, mit dieser Barbara von Goertz nichts zu tun hatte.

Er sah, wie sie drüben aus der Parklücke ausscherte und setzte sich ebenfalls in Bewegung.

Er war in einer seltsamen Stimmung. Barbara von Goertz' kühles, überlegenes Wesen stieß ihn ab und zog ihn im selben Augenblick wieder an. Sie war eine Persönlichkeit, da gab es keine Frage. Doch ihr Mangel an Verbindlichkeit konnte auch Bluff sein. Aswin hatte sie ihm ganz anders geschildert: Ulrike von Goertz besaß ein schillerndes, heftiges Temperament und ohne Zweifel großen Charme.

Niels von Bornhelm presste die Lippen aufeinander. Er würde der Sache auf den Grund gehen. Irgendwo musste diese Ulrike von Goertz stecken. Es war unmöglich, dass von dem großen Vermögen nichts mehr übrig geblieben war. Sie hatte Aswin betrogen und ausgeraubt und hatte sich dann unsichtbar gemacht.

***

»Bitte, kommen Sie herein!«, lud ihn Barbara ein und öffnete weit die Wohnungstür.

Niels staunte. Er hatte schon lange nicht so ein Haus gesehen. Er schätzte die Einrichtungsgegenstände aus der Zeit der Jahrhundertwende.

»Wenn Sie diese Albträume ausgiebig betrachtet haben, können Sie weiterkommen«, murmelte Barbara.

Sie ging ihm voran. Das blaugrüne Kleid stand ihr hinreißend, obwohl es durchaus nicht mehr modern war. Der weiche Seidenstoff schmiegte sich schmeichelnd um ihre schlanke, ebenmäßige Gestalt. Niels kam nicht umhin, ihre Figur zu bewundern.

Das Zimmer, in das sie jetzt traten, hatte einen großen Erker, viele Samtportieren, einen dicken abgetretenen Teppich und einen klotzigen, riesenhaften Esszimmertisch, an dem spielend zwei Dutzend Leute Platz gefunden hätten.

»Ich habe alles so gelassen, wie meine Eltern es eingerichtet haben«, bemerkte Barbara schulterzuckend. »Außerdem weiß ich nicht wohin mit diesen Möbeln. Wegwerfen will ich sie nicht, und der Speicher ist voll mit alten Kisten. Mein Arbeitszimmer ist nebenan.«

Niels fragte sich, was sie wohl arbeiten mochte, und tippte auf irgendeine künstlerische Tätigkeit. Vielleicht malte sie Bilder. Ihre Hände waren sehr sehnig und edel.

Das Licht flammte auf. Anerkennend blickte Niels sich um. Barbara hatte die hohen Räume geschickt ausgenützt. Das Zimmer war modern eingerichtet und schwelgte in Pop-Farben. Wenn er auch sonst so schreiende Farben nicht mochte, so fand er doch, dass das Bunte in diesem Zimmer miteinander harmonierte und gekonnt aufeinander abgestimmt war.

Er entdeckte am Fenster einen großen Zeichentisch mit Reißbrett und einer darüber schwebenden Arbeitslampe.

Niedrige Polstergruppen standen wahllos im Zimmer verteilt. Ein großer Renaissanceschrank stand halb offen. Niels erkannte darin Bücher und Papierrollen.

»Sie sind Zeichnerin, Barbara?«

»Ich illustriere Kinderbücher«, erklärte Barbara. »Nehmen Sie irgendwo Platz. Dort im Schreibtisch sind die Unterlagen, die Sie interessieren.«

Der Schreibtisch war ein gewaltiger verschnörkelter Koloss von abstoßender Hässlichkeit, doch Barbara hatte ihn in eine Ecke verbannt und ihn ganz mit Grünpflanzen vollgestellt. Dadurch hatte sie ihm viel von seinem geschmacklosen Aussehen genommen.

Sie öffnete die Mittelschublade und kramte darin herum. Es lagen einige Papiere und Akten darin, und endlich holte sie das Familienstammbuch heraus.

»Bitte! Nun werde ich Ihnen gleich beweisen, dass ich keine Schwester habe«, triumphierte sie.

Sie traten mit dem geöffneten Stammbuch unter den großen, hell erleuchteten Lampenschirm in der Mitte des Raumes und schlugen es auf.

»Hier, das ist eine Kopie des Trauscheins meiner Eltern«, erklärte sie.

»Irgendwo müssen ja auch die Kinder Ihrer Eltern vermerkt sein!«, murmelte Niels.

Er blätterte weiter.

»Am 17. Oktober 1943 wurde Robert von Goertz geboren.«

»Mein ältester Bruder«, erklärte Barbara. »Der nächste war Fabian. Das ist mein jüngerer Bruder, der in Hamburg mit Cornelia verheiratet ist.«

Niels nickte. Irgendwo musste eine Spur zu Ulrike von Goertz führen.

Er schlug die nächste Seite auf.

»Barbara Maria von Goertz«, las er, »geboren am 28. November 1950.« Er blickte auf. »Dann sind Sie ja zweiundzwanzig Jahre alt.«

»Alle Achtung, im Kopfrechnen sind Sie ja grandios«, spottete Barbara.

Er sah sie forschend an. »Ich hatte gehofft, dass Sie vielleicht mit zweitem Vornamen Ulrike heißen.« Er stockte. »Nein«, verbesserte er sich, »ich habe es nicht gehofft, Barbara. Aber sagen Sie selbst – wie ist eine solche Ähnlichkeit möglich?«

»Was für eine Ähnlichkeit?«, fragte Barbara ruhig.

Niels griff in seine Brusttasche und holte seine Brieftasche heraus. In seiner Ausweishülle steckte das Foto von Ulrike von Goertz in Postkartenformat.

»Hier! Sagen Sie selbst, ob ich nicht recht habe«, entfuhr es ihm.

Barbara blickte das Foto an. Ein merkwürdiges Gefühl packte sie. Es war, als ob sie ein Foto von sich betrachtete.

Die Fremde trug nur eine andere Frisur, doch der Gesichtsschnitt, die Augenpartie, das Lächeln ... Alles glich ihr zum Verwechseln.

»Das ist Ulrike von Goertz?«, stammelte sie.

Niels von Bornhelm hatte sie schweigend betrachtet.

Ihr Erstaunen war echt.

Sollte er sich ebenso von Barbara betören lassen wie Aswin von Ulrike?

Nein, dachte er, mir passiert das nicht.

»Gut, Ihre nahe Familie weist also keine Ulrike auf«, murmelte er, »aber sicherlich haben Sie eine große Verwandtschaft. Wie steht es mit Cousin und Cousinen?«

»Wir haben keine Verwandten, nur zwei alte Tanten, die im Altersheim leben«, erwiderte Barbara. »Ich habe noch nie etwas von einer Cousine gehört.«

»Ihre beiden Brüder«, überlegte Niels laut, »waren sie verheiratet?«

»Fabian ist verheiratet. Er lebt in Hamburg und ist Diplomtechniker. Seine Frau heißt Cornelia.«

»Und der andere Bruder? Wie heißt er doch gleich? Robert.«

»Robby ist vor sechs Jahren nach Amerika gegangen und lebt jetzt in San Francisco. Er ist noch ledig.«

»Wissen Sie das genau?«

»Aber ja. Er schreibt mir ab und zu. Warum hätte er mir eine Eheschließung verheimlichen sollen? Ihm gefällt sein Junggesellenleben ausgezeichnet.«

»Und doch muss es diese Ulrike von Goertz geben«, sagte Niels ruhig. »Dieses Foto ist eine Realität. Es ist drei Jahre alte.«

Nachdenklich wog Barbara das postkartengroße Foto von Ulrike in der Hand. Sie drehte es um.

»Dieses Bild wurde in Hannover aufgenommen«, sagte sie plötzlich. »Hier steht auch eine Nummer. Wahrscheinlich wurden die Filmrollen des Fotoateliers nummeriert. Wir könnten uns in diesem Fotoatelier erkundigen. Vielleicht haben sie die Adresse dieser Ulrike von Goertz notiert.«

»Gut. Ich fahre gleich morgen nach Hannover, es sind ja bloß achtzig Kilometer bis dorthin.«

»Gut!« Sekundenlang kämpfte Barbara mit sich. »Nehmen Sie mich bitte mit?«, fragte sie dann. »Ich fühle mich nicht unbeteiligt an der Sache. Immerhin sieht sie aus wie ich. Und sie trägt denselben Namen wie ich.«

Niels nickte. »Dass Sie etwas mit Ihnen zu tun hat, ist absolut sicher. Sie gab als ständige Adresse Immental, Heidhof 17, an.«

Alles Blut wich aus Barbaras Gesicht. »Das ist gespenstisch«, stieß sie heraus. »Dieses Haus liegt am Heidhof 17. Das ist meine Adresse.«

Niels verstaute das Foto von Ulrike wieder in seiner Brieftasche.

»Ich nehme Sie gern mit, Barbara. Ich wohne im Hotel ›Hellwig‹. Wann darf ich Sie abholen?«

»Es ist schon sehr spät«, sprach Barbara leise. »Außerdem muss ich am Morgen noch eine Zeichnung fertigstellen und zur Post geben. Sagen wir gegen zehn Uhr?«

»Einverstanden. Holen Sie mich vom Hotel ab?«

»Ich werde versuchen, pünktlich zu sein!« Barbara begleitete ihren Gast bis zur Haustür hinunter. »Gute Nacht, Niels.«

Barbara von Goertz schloss die Haustür, versperrte sie gründlich und ging langsam die Treppe bis zum ersten Stockwerk hinauf.

Seltsam, dachte sie. Da gibt es also ein Mädchen, das etwa in meinem Alter ist und das genauso aussieht wie ich. Warum gab sie Heidhof 17 als Adresse an? Wusste sie, dass sie meine Doppelgängerin ist? Aber warum hat sie sich dann nicht auch meinen Vornamen angeeignet?

***

»Nichts einfacher als das«, sagte Rudi Achner, der Fotograf, und schlug das große Bestellbuch auf. »Ich werfe nichts weg. Dieses Buch betrifft die Bestellungen des ersten halben Jahres 1969. Anhand der Nummer kann ich den Auftraggeber spielend leicht feststellen.« Er beugte sich über die riesige Kladde und fuhr mit dem Zeigefinger die einzelnen Zeilen entlang. »Nummer 11032«, murmelte er, »da haben wir es schon. Die Dame kam zu Porträtaufnahmen zu mir. Wir machten sieben verschiedene Aufnahmen, von denen sie jeweils zwei vergrößern ließ.«

»Und die Adresse?«, fragte Barbara.

»Warten Sie, hier steht es: Immental – ja, ohne Zweifel. Es heißt Immental, Heidhof 17. Das soll wohl die Straße sein.«

»Und der Name?«

»Goertz«, sagte der Fotograf eifrig. »Haben Sie das Foto?«

Niels nickte und reichte ihm die Postkarte.