Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 703 - Yvonne Uhl - E-Book

Die Welt der Hedwig Courths-Mahler 703 E-Book

Yvonne Uhl

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Beschreibung

So verliebt wie ein junges Mädchen ist Irene von Kempfert. Und so sieht sie trotz ihrer neununddreißig Jahre auch fast noch aus. Manchmal wird sie sogar für die ältere Schwester ihrer neunzehnjährigen Tochter gehalten. Seit dem tragischen, viel zu frühen Tod ihres ersten Mannes war Gabriele ihr ganzer Lebensinhalt, und nur der Tochter galt immer ihr Augenmerk. Nun aber hat Marcus von Staudt um Irenes Hand angehalten, und sie möchte nichts lieber, als ihren weiteren Lebensweg an der Seite des geliebten Mannes zu beschreiten.
Doch Gabriele ist empört, als sie von der Heiratsabsicht erfährt, und wirft ihrer Mutter Torschlusspanik vor. Als die Tochter begreift, dass all ihr Jammern und ihre Sticheleien nichts nutzen, schmiedet sie einen perfiden Plan, um die beiden Verliebten zu trennen ...


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Inhalt

Cover

Bitte lasst mir diesen Mann!

Vorschau

Impressum

Bitte lasst mir diesen Mann!

Meisterwerk um einen schweren Weg ins Glück

So verliebt wie ein junges Mädchen ist Irene von Kempfert. Und so sieht sie trotz ihrer neununddreißig Jahre auch fast noch aus. Manchmal wird sie sogar für die ältere Schwester ihrer neunzehnjährigen Tochter gehalten. Seit dem tragischen, viel zu frühen Tod ihres ersten Mannes war Gabriele ihr ganzer Lebensinhalt, und nur der Tochter galt immer ihr Augenmerk. Nun aber hat Marcus von Staudt um Irenes Hand angehalten, und sie möchte nichts lieber, als ihren weiteren Lebensweg an der Seite des geliebten Mannes zu beschreiten.

Doch Gabriele ist empört, als sie von der Heiratsabsicht erfährt, und wirft ihrer Mutter Torschlusspanik vor. Als die Tochter begreift, dass all ihr Jammern und ihre Sticheleien nichts nutzen, schmiedet sie einen perfiden Plan, um die beiden Verliebten zu trennen ...

Die beiden jungen Mädchen waren in München in den Zug nach Mannheim umgestiegen.

»Und du glaubst wirklich, Gaby, dass Norbert dich abholen wird?«, erkundigte sich Susi Sommerfeld neugierig.

Sie hatten zwei Fensterplätze bekommen und saßen sich gegenüber. Drei Wochen Osterferien lagen vor ihnen. Sie waren übermütig und sorglos.

»Natürlich holt Norbert mich ab«, freute sich Gabriele von Kempfert. »Mama bringt ihn sicher mit zum Bahnhof.«

»Deine Mama«, sprach Susi verträumt, »ist wundervoll. Sie ist so elegant und hübsch wie eine junge Frau, Gaby. Wenn man euch nebeneinander sieht, könnte man meinen, sie wäre deine ältere Schwester.«

»Das haben uns schon mehrere Leute gesagt, Susi. Mama ist wirklich wundervoll.«

»Warum hat sie eigentlich nicht wieder geheiratet?«, fragte Susi. »So blendend, wie sie aussieht!«

Gabriele starrte aus dem Fenster.

»Keine Ahnung, Susi. Mama hat Papa sehr geliebt. Ich glaube, sie kann ihn nie vergessen. Sicher muss sie jeden Mann, der ihr den Hof macht, mit Papa vergleichen.«

»Machen ihr denn viele Männer den Hof?«

»Bestimmt.« Gabriele nickte. »Sie spricht zwar nie darüber, aber so etwas merkt man doch. Da ist zum Beispiel Norberts Vater, unser Nachbar. Er ist Professor der Ethnologie und ...«

»Der was?«, hakte Susi nach.

»Der Ethnologie«, wiederholte Gabriele. »Professor der Völkerkunde. Norberts Papa ist viel auf Reisen, und dann schreibt er hinterher Bücher und verkauft sie mit großem Erfolg. Professor Rath ist berühmt auf seinem Gebiet. Er erforscht die Sitten und Gebräuche fremder Völker.«

»Ist ja toll«, stieß Susi hervor. Sie sah die bildhübsche blonde Freundin staunend an. »Und er macht deiner Mutter den Hof?«

»Nicht offen, aber ich merke es trotzdem.« Gabriele strich sich eine vorwitzige blonde Locke aus der Stirn.

»Das wäre ja zu ulkig, Gaby, wenn deine Mama diesen Professor heiraten würde«, platzte Susi heraus, »dann wäre ja Norbert dein Bruder.«

»Quatsch!«, meinte Gabriele strafend. »Höchstens mein Stiefbruder. Wer weiß, was Norbert sich wieder alles ausgedacht hat. Wenn ich zu Hause bin, muss jeden Abend etwas los sein. Norbert ist so schrecklich gesellig. Wir haben eine richtige Clique, bunt zusammengewürfelt: Künstler, Studenten, Sportler ...«

»Er liebt dich, was?«, erkundigte Susi sich.

»Ja. Hat er mir wenigstens gesagt, als ich während der Weihnachtsferien zu Hause war. Er ist ausgesprochen schreibfaul. Nur einmal hat er mir seit Weihnachten eine Karte geschrieben.« Sie gähnte. »Merkwürdig«, murmelte sie. »Mama hat eine Überraschung für mich, sagte sie mir gestern am Telefon. Was das wohl sein mag?«

»Ich würde zu gern mal zu Besuch in eure Villa kommen«, sagte Susi verträumt. »Weißt du, wie sich meine Ferien abspielen werden? Ich muss mit meiner großen Schwester zwei alte Tanten besuchen. Das ist immer sterbenslangweilig. Ich hab keinen Norbert, der abends mit mir auf Partys geht und sich den Kopf zerbricht, wie ich mich amüsieren kann.«

»Du bist ein armes Schäfchen, Susi. Du kannst ja die letzte Woche der Ferien zu uns kommen. Wir fahren dann zusammen in das Pensionat zurück. Was meinst du?«

»Ach, Papa lässt mich nie fort. Es sei denn, deine Mama schreibt ihm und bittet ihn, ob ich kommen darf.« Sie war Feuer und Flamme. »Au ja, Gaby. Glaubst du, dass deine Mama einen solchen Brief schreiben würde?«

»Warum nicht? Mama tut alles, worum ich sie bitte.«

»Ach, das wird schön!«, schwärmte Susi sehnsuchtsvoll. »Papa hat immer viel zu tun, und meine Schwester ist viel älter als ich, und seit ihre Verlobung damals auseinandergegangen ist, ist sie ein richtiges Ekel.«

»Mama schreibt deinem Papa«, versicherte Gabriele. »Wirst sehen, wie lustig es bei uns zugeht. Ich darf zum Ende jeder Ferien auch immer selbst eine Party veranstalten. Dabei kannst du mir helfen. Und da lernst du den ganzen Haufen meiner Freunde kennen.«

»Eigentlich«, murmelte Susi, »ist es eine Schande, dass wir mit neunzehn Jahren noch in die Schule gehen müssen. Wenn wir fertig sind, sind wir zwanzig. Wir sind ja längst keine Kinder mehr.«

»Das Schlimmste haben wir ja bald überstanden. Und später, Susi, wenn wir an die Schule zurückdenken, kriegen wir vielleicht wieder Sehnsucht nach ihr.«

»Nach der Schule?«, fragte Susi Sommerfeld entrüstet. »Nie, Gaby. Nie.«

♥♥♥

»Ich bin aufgeregt wie ein kleines Kind!«, murmelte Irene von Kempfert.

Marcus Graf von Staudt neigte sich über ihre Hand.

»Ich bin bei dir, Liebste«, sagte er.

»Gerade deshalb bin ich ja so aufgeregt«, gestand Irene. »Gaby hat ja keine Ahnung, dass ich ...«

« ... dass du dich in mich verliebt hast?«, fragte Marcus lächelnd.

Irene entzog ihm ihre Hand.

»Vorsichtig!«, raunte sie ihm zu und warf einen scheuen Blick um sich. »Norbert Rath wird gleich wieder zurückkommen, und dann dürfen wir nicht so zärtlich beieinanderstehen.«

Marcus lachte.

Irene blickte ihn an. Wie blendend er aussah. Wenn er lachte, sah er aus wie ein strahlender Sieger.

Und er war ja auch ein Sieger. Er hatte ihr Herz besiegt und jeden Widerstand beiseitegeräumt.

Sie liebte ihn mit allen Fasern ihres Herzens, sie, eine neununddreißigjährige Frau und Mutter einer erwachsenen Tochter.

Wie würde sich Gaby mit ihm verstehen?

»Glaubst du wirklich, der junge Mann hätte noch nicht gemerkt, wie es um uns beide steht?«, fragte Graf Marcus.

Sie blickten sich in die Augen. Er war die zweite Liebe ihres Lebens. Sie hatte einst bei Christoph von Kempfert Erfüllung gefunden. Er war Gabrieles Vater, ein Draufgänger war er gewesen und begeisterter Flieger. Und sie hatte geglaubt, seinen Tod nie verwinden zu können.

Marcus Graf von Staudt war ganz anders als Christoph, doch auch er war ein Vollblutmann. Aber er war vier Jahre jünger als sie.

An Heirat wagte sie nicht zu denken und an ein Ende ihrer Liebe noch weniger.

Norbert Rath, der Sohn des benachbarten Professors Rath, kam heran. Er hatte für Gabriele ein kleines Sträußchen Osterglocken besorgt.

Sein Blick glitt von Irene zu Graf von Staudt.

»Störe ich?«, fragte er.

Irene schüttelte verlegen den Kopf, aber Marcus lächelte.

»Natürlich stören Sie, junger Mann. Ich hätte mich mit der Baronin gern noch ein wenig unter vier Augen unterhalten. Sie brauchen durchaus nicht alles zu hören, was ich ihr zu sagen habe.«

Irene errötete.

Norbert war über die Offenheit des Grafen überrascht.

»Der Zug wird gleich einlaufen«, sagte er. »Sollten Sie Ihre Aussprache mit der Baronin nicht lieber verschieben?«

Marcus lachte auf und schlug dem jungen Mann freundschaftlich auf die Schulter.

»Wir müssen auf den Bahnsteig«, warf Irene hastig ein.

Neben Marcus Graf von Staudt ging sie auf die Sperre zu.

Norbert folgte ihnen in lässiger Haltung. Längst wusste er Bescheid über Gabrieles Mama und den Grafen. Schließlich hatte er Augen im Kopf.

Er hatte gesehen, dass der Graf die Baronin häufig in seiner Limousine abgeholt hatte. Und er wusste auch, dass sie fast jeden Tag zusammen waren. Einmal hatte er sie beobachtet, wie die Baronin auf der Terrasse gestanden, er hinter sie getreten war und ihr die Hände auf die Schultern gelegt hatte. Es hatte sehr viel Zärtlichkeit in dieser Gebärde gelegen.

Was wird Gaby sagen?, fragte er sich.

Aber da war noch etwas, was ihn beunruhigte. Und das war sein Vater, der Professor Walter Burghardt Rath. Norbert wusste, dass sein versponnener, ruhiger Vater die Baronin gern mochte und sie auf seine stille Art schon seit Jahren umwarb.

Natürlich hatte sein Papa von der Beziehung seiner Nachbarin zu dem plötzlich aufgetauchten Grafen von Staudt noch nicht die geringste Ahnung, und Norbert hatte sich gehütet, ihm davon zu erzählen. Sein Papa merkte nie, was in der Welt vorging.

Die Baronin blieb stehen, um auf Norbert zu warten.

»Werden Sie mir Gabriele oft entführen, Norbert?«, erkundigte sie sich.

»Ich habe für diese drei Wochen ein komplettes Programm ausgearbeitet«, erklärte er lachend. »Die ganze Clique freut sich schon auf Gaby.«

Irene von Kempfert schnitt eine komische Grimasse.

»Du meine Güte«, stöhnte sie. »Werde ich das Kind überhaupt mal einen Tag zu Hause haben?«

»Ja, an dem Tag der Party in Ihrem Hause, Frau von Kempfert.«

»Ach, die Party ...« Jetzt erinnerte sie sich wieder. »Ich muss noch Getränke besorgen und Partyspieße. Gabriele hat mir eine lange Liste geschickt.«

»Vorsicht an der Bahnsteigkante«, kam es durch den Lautsprecher über ihren Köpfen. »Zurücktreten – der Zug aus München fährt ein! Achtung!«

Norbert zog tief die Luft ein. Er freute sich auf Gabriele. Sie war das hübscheste Mädel unter seinen Bekannten, er war stolz darauf, ihre Freundschaft zu besitzen. Und wie übermütig sie sein konnte!

Die Wagen glitten an ihnen vorbei. Bremsen quietschten. Dampf zischte.

»Hoffentlich hat sie den Zug nicht verpasst«, rief Frau Irene.

Doch da entdeckte Norbert in einem vorbeigleitenden Fenster ein vertrautes bildhübsches Gesicht.

»Da ist sie ja!«, rief er.

Er hetzte los und eilte dem immer langsamer rollenden Wagen nach.

Irene legte ihre Hand in Graf von Staudts Arm.

»Ich freue mich so«, gestand sie ihm mit bewegter Stimme. »Und ich habe gleichzeitig furchtbare Angst.«

»Aber Irene«, murmelte er und drückte ihre Hand. »Du hast mir Gabriele als modernes junges Mädchen geschildert. Sie wird nichts dagegen einzuwenden haben, dass du dich verliebt hast. Warum sollte sie auch? Du bist frei und ungebunden, und deine Tochter ist erwachsen. Sie braucht dich nicht mehr.«

»Man braucht seine Mutter immer«, erwiderte Irene.

»Du sollst deine Mutterpflichten ja auch nie vernachlässigen. Im Gegenteil, ich werde versuchen, wie ein Vater für sie zu sein. Ich werde mir wirklich Mühe geben, Irene.«

Irene blieb stehen und zog ihre Hand aus seinem Arm.

»Da ist sie, Marcus.«

Graf von Staudt sah eine sportlich gekleidete junge Dame mit Hilfe des jungen Norbert Rath aus dem Wagen klettern. Als sie ihren Kopf hob, gab es Marcus einen Stich.

»Mein Gott«, sagte er erschüttert. »Das ist deine Tochter? Sie sieht aus wie du, Liebste.«

»Sie hat den Vorzug der blühenden Jugend«, gab Irene leise zurück.

»Du bist eine reife Frau, Irene. Ich finde, dass du deiner Tochter viel voraus hast.«

»Vor allem die Jahre«, scherzte Irene.

»Aber diese Ähnlichkeit!«, murmelte Marcus verblüfft. »Ihr könntet Zwillingsschwestern sein.«

»Du übertreibst. Aber jetzt lass uns vorsichtig sein, hörst du? Wir wollen weiterhin Sie zueinander sagen, Marcus.«

»Ich sehe es zwar nicht ein, aber dein Wunsch soll mir Befehl sein.«

»Mama!«, rief Gaby. Sie ließ Norbert stehen und eilte auf Irene zu.

Irene öffnete die Arme und zog Gabriele an sich.

»Mein Herz«, sagte sie beglückt. »Ich bin froh, dich wiederzusehen.«

Gaby blickte auf, direkt in die Augen des Grafen. Staunen war in ihrem Blick. Wer ist dieser Mann?, fragte sie sich.

»Vorsichtig an der Bahnsteigkante«, dröhnte es aus dem Lautsprecher. »Der Zug fährt ab. Achtung – zurücktreten!«

Gabys Kopf fuhr hoch zu den Fenstern des Wagens. Susi Sommerfeld lehnte sich weit hinaus.

»In zwei Wochen also«, rief Gabriele und winkte der Freundin. »Wir schreiben deinem Papa und laden dich ein, Susi. Wiedersehen! Und viel Spaß bei deiner alten Tante.«

Fauchend fuhr der Zug aus dem Bahnhof.

Gabriele drehte sich zu ihrer Mutter um.

»Ich möchte dir einen guten Freund vorstellen, Gabriele«, sagte Irene von Kempfert. »Marcus Graf von Staudt.«

Zögernd streckte Gabriele Marcus die Hand hin.

»Angenehm«, sagte sie verlegen. Der Graf beugte sich über ihre Hand.

Woher kennt Mama ihn?, fragte sie sich überrascht. Er sieht toll aus. Er muss noch recht jung sein, und er hat umwerfend gute Manieren.

»Ich hoffe, gnädiges Fräulein, Sie hatten eine gute Fahrt«, sagte Marcus.

Er hatte sich von der Ähnlichkeit der Tochter mit der Mutter immer noch nicht erholt. Und dann war da noch etwas, das ihn zutiefst bewegte.

Erst jetzt, in diesem Augenblick, wurde ihm wirklich bewusst, dass seine Irene die Mutter einer erwachsenen Tochter war. Als er die blühende, vor Temperament sprühende Gabriele vor sich sah, wurde ihm klar, dass Irene einst diesem Geschöpf das Leben geschenkt hatte.

»Kommen Sie«, wandte sich Marcus an den jungen Norbert. »Kümmern wir uns um das Gepäck.«

»Zwei Gepäckscheine habe ich!«, sagte Gabriele.

»Aber Kindchen, wozu bringst du so viel Gepäck mit?«, staunte Irene.

»In einem Koffer«, erwiderte Gabriele schelmisch, »befindet sich meine Abendrobe für die Party, die habe ich mir in Rosenheim nähen lassen.«

Sie kramte in ihrer Handtasche und reichte Norbert die zwei Gepäckscheine.

Marcus nahm den dunkelroten kleinen Reisekoffer hoch, den Gabriele mit im Abteil gehabt hatte. Dann entfernte er sich mit Norbert.

Gabriele hängte sich lachend in den Arm Irenes.

»Mama, was ist denn das für ein schicker Kerl?«, fragte sie respektlos.

»Du findest Graf von Staudt schick?«, wunderte Irene sich und blieb stehen.

Gabriele schlug sich übermütig auf den Mund.

»Oh weh! Habe ich etwas Blödes gesagt? Sollte ich ihn lieber nicht schick finden, Mama?«

Irene ging weiter. Gabriele betrachtete sie von der Seite.

»Der neue Mantel steht dir himmlisch. Du siehst überhaupt ganz großartig aus, Mama.«

»Danke«, sagte Irene trocken.

»Nun sag doch, warum du Graf von Staudt mit zum Bahnhof gebracht hast«, drängte Gabriele.

»Später, Gaby. Zu Hause. Nicht hier auf dem Bahnhof.«

Jetzt blieb Gabriele stehen.

»Hängt das vielleicht mit der Überraschung zusammen, die du für mich parat hast?«

»Ja, es hängt mit dieser Überraschung zusammen, Gabriele.«

»Du kannst mir doch wenigstens sagen, wer er ist, Mama. Woher kommt er? Was ist er von Beruf? Ich habe den Eindruck, schon einmal von ihm gehört zu haben.«

»Das glaube ich gern«, erwiderte Irene freundlich. »Graf von Staudt war früher im diplomatischen Dienst und hat voriges Jahr die Weltmeisterschaft im Golf gewonnen.«

»Ach«, sagte Gabriele überrascht. »Ein Sportler also. Und was noch?«

»Er machte damals vor zwei Jahren von sich reden, als er als Attaché in der deutschen Botschaft von Bogesien eine selbstständige Entscheidung traf, die die Regierung nicht billigte. Er nahm Revolutionäre im Gesandtschaftsgebäude auf und weigerte sich, sie auszuliefern.«

»Richtig!« Gabriele ging ein Licht auf. »Sein Bild ging damals durch alle Zeitungen. Jetzt weiß ich es wieder. Er war der Held des Tages.«

»Und doch legte man ihm daraufhin nahe, seinen Abschied zu nehmen«, fuhr Irene fort. »Du siehst, dass sich Heldentum nicht lohnt. Aber er ist nicht darauf angewiesen, sich seinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Er ist Aktionär bei den ›Staudt-Werken‹ in Heidelberg, die sein Onkel gegründet hat. Und wenn sein betagter Onkel stirbt, wird Graf von Staudt die Aktienmehrheit besitzen.«

»Und wovon lebt er jetzt?«

»Du meine Güte, Gaby, er ist von Haus aus vermögend. Den Abstecher in die Diplomatie hat er aus Spaß betrieben. Er besitzt hier in der Nähe ein Herrenhaus mit fünfzehn Zimmern, in der Toskana ein Landhaus und eine Dreizimmerwohnung in Paris.«

»Donnerwetter«, murmelte Gabriele. »Und weiter? Ist er verheiratet, verwitwet oder geschieden?«

»Er ist unverheiratet, Gabriele.«

»Du kennst dich aber gut aus, Mama. »Ist er ...« Doch sie kam nicht mehr dazu, ihre Frage auszusprechen.

Wie aus dem Boden gewachsen standen plötzlich Norbert und Graf von Staudt vor ihnen.

Gabriele sah Marcus Graf von Staudt jetzt mit ganz anderen Augen an. Ja, jetzt entsann sie sich wieder genau, sein Bild in allen Zeitschriften gesehen zu haben. Der Graf sollte damals nach dieser Geschichte in Bogesien Waschkörbe voller Heiratsanträge bekommen haben.

Und jetzt kennt ihn Mama, dachte sie verdutzt. Seltsam. Und es hängt mit dieser Überraschung zusammen, dass er mit zum Bahnhof gekommen ist. Will Mama ihn etwa mit mir bekannt machen, um ...

Ihr stockte der Atem. Sie glaubte zwar nicht, dass Irene über ihren Kopf hinweg bestimmen könnte, wen sie heiraten sollte, aber was, wenn sie eine Verlobung erhoffte?

Nein, dachte Gabriele atemlos. Das konnte nicht sein.

♥♥♥

Auf dem Parkplatz vor dem Bahnhof trennten sich die vier.

Gabriele fuhr mit Norbert und Irene mit dem Grafen.

Norbert verstaute die Koffer im Kofferraum und schlug den Deckel zu. Dann nahm er auf dem Fahrersitz Platz, drehte den Zündschlüssel herum und fuhr los.

Eine Luxuslimousine rollte vorbei. Gabriele erkannte das lächelnde Gesicht der Mutter.

»Mann«, stieß sie hervor. »Ist das ein Klasseschlitten.«

»Hat Geld wie Heu, der neue Verehrer deiner Mama«, bemerkte Norbert.

Gabriele erstarrte.