Magic World - Ma Neko - E-Book

Magic World E-Book

Ma Neko

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Beschreibung

In der magischen Welt kennt ein jeder die Legende des verfluchten Kindes. In weiten Teilen des Landes hält man sie für ein Gerücht, ein Ammenmärchen, mit dem man Kindern Angst machen konnte.

Doch in einem Dorf kennt man dieses Kind aus der Legende. Und dennoch glaubt man die falschen Gerüchte.

Kitai wird von allen gemieden, weil er das verfluchte Kind ist. Er hat sich daran gewöhnt, dass er immer alleine ist. Doch sein Leben sollte sich von Grund auf ändern, als Kaso Shakai sein Lehrer wird.

Der strenge Lehrer schafft es fast jeden Schüler zu verängstigen. So hat er neben Kitai nur mehr eine weitere Schülerin.

Amaya freundet sich sofort mit Kitai an. Mit ihr und dem neuen Schüler Ukyo wächst er auf und lernt Glück, Freude und Liebe kennen.

Nichts ahnend, welche Wahrheit seine Vergangenheit noch für ihn bereithält.

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Ma Neko

Magic World

Das verfluchte Kind

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Vorwort

Die Legende des verfluchten Kindes ist im ganzen Land bekannt. Manche glauben daran, andere wiederum nicht. Kitai hat jedoch darunter zu leiden, denn gerade er ist das Kind aus der Legende. Naiv und ahnungslos wächst er auf, nur sein Wissendurst drängt ihn weiter. Dennoch besitzt er kein Selbstvertrauen und flüchtet regelmäßig. Sein einziger Begleiter ist eine Maus namens Tahai.

Mit 10 Jahren nimmt sein Leben allerdings eine Wendung, als der Lehrer Kaso Shakai vor ihm auftaucht und ihm nahelegt zu ihm in den Unterricht zu kommen, um Magie zu lernen. Anfangs noch unsicher, doch von Neugier gepackt, geht er auf diesen Vorschlag ein. Und weil dieser Lehrer neue, unbekannte Gefühle in ihm weckt. 

Seine einzige Mitschülerin ist ein aufgewecktes Mädchen namens Amaya, das sich von der Legende nicht abschrecken lässt und sich sofort zur Beschützerin ernennt.

So beginnt Kitais neues Leben. Nichts ahnend, was die Zukunft für ihn bereithalten würde.

 

 

 

Wichtige Hinweise:

 

Dieses Buch enthält homoerotische Szenen und ist nicht für Leser unter 18 Jahren bzw. homophobe Menschen geeignet.

 

Sämtliche Personen sind frei erfunden und eventuelle Ähnlichkeiten zu real existierenden Menschen ist Zufall.

 

Prolog

 

In der magischen Welt kennt ein jeder die Legende des verfluchten Kindes. In weiten Teilen des Landes hält man sie für ein Gerücht, ein Ammenmärchen, mit dem man Kindern Angst machen konnte.

Doch in einem Dorf kennt man dieses Kind aus der Legende. Und dennoch glaubt man die falschen Gerüchte.

 

Es war ein unscheinbares Haus am Rande des Dorfes, etwas abgelegen. Von außen konnte man fast meinen, es wäre unbewohnt. Das Dach hatte Löcher, die Fenster waren von einer dicken Schmutzschicht bedeckt und das Holz wirkte morsch.

Doch in dem Häuschen lebte jemand. Ein Kind.

Als es kaum hatte laufen können, geschah der Fluch. Dämonen, Schattenwesen aus der Unterwelt suchten das Haus heim. Die Eltern des kleinen Jungen überlebten diesen Angriff nicht. Nur der Junge blieb verschont. Er saß inmitten der schwarzen Schatten und blieb unberührt.

Für die Bewohner ein Zeichen dafür, dass das Kind die Dämonen herbeigerufen hatte. Die Dorfbewohner mieden das Haus. Aus Angst, der Fluch könnte auf sie übergehen, beschlossen sie, das Kind nicht sterben zu lassen. Ein Bewohner schaffte jeden Tag etwas zu essen ins Haus. Ob das Kind dazu in der Lage war, die Gaben zu essen, interessierte allerdings dann doch niemanden mehr.

 

Der kleine Junge mit dem aschegrauen Haar kannte die Welt da draußen nicht. Er aß, was er jeden Tag in einem Korb fand. Seine kindliche Neugier ließ ihn den geschwärzten Raum erkunden. Er entdeckte Bücher, die er nicht lesen konnte, Gegenstände, dessen Sinn er nicht kannte.

Er spielte mit dem, was er in die Finger bekam. Und als er alles in Reichweite erkundet hatte, wurde er erfinderisch, um an die oberen Regale zu kommen. Er fand ein Buch, das sich selbst vorlas. Der Junge war schlau. Er brachte sich selbst das Lesen bei und erfuhr so von der Außenwelt.

Sein Wissensdurst wuchs immer mehr und bald schon reichten die Bücher nicht mehr aus. Er wollte es mit eigenen Augen sehen. Als seine Neugier so groß war, dass er nicht mehr stillsitzen konnte, ging er zur Tür und öffnete sie zögernd. Das Licht der Sonne blendete ihn, sah er es doch zum ersten Mal nicht nur durch die schmutzigen Fensterscheiben. Seine Augen gewöhnten sich schnell an das helle Licht und er sah sich neugierig um. Grüne Pflanzen um ihn herum. Der Garten des Hauses war vollkommen verwildert. Der Weg war kaum mehr zu sehen. Langsam ging der kleine Junge weiter. Er sah sich neugierig um, nahm jeden Eindruck in sich auf und verließ das Grundstück. In der Ferne entdeckte er ein Dorf. Felder umringten es. Tiere grasten auf den Wiesen. Das Kind steuerte das Dorf an. Es wollte andere Wesen sehen, die so waren wie er selbst.

 

Die Menschen im mittelalterlich wirkenden Dorf gingen geschäftig ihrem Treiben nach. Bauern und Mägde verkauften ihre Waren, Kinder spielten, Frauen tratschten und Männer gingen ihrem Handwerk nach.

Sie bemerkten nicht, wie das verfluchte Kind sich durch die Gassen schlich. Der kleine Junge war ängstlich, doch die Neugier trieb ihn weiter. Anfangs versteckte er sich noch, wusste er doch nicht, wie die anderen Menschen auf ihn reagieren würden. Doch dann wurde er unvorsichtig. Spielende Kinder entdeckten ihn. Ein Mädchen lief einem Ball hinterher und blieb stehen, als er vor die Füße des Jungen rollte. Dieser hob das runde Ding auf und wollte es zurückgeben, doch das Mädchen sah ihn ängstlich an. Ihre Augen wurden glasig und sie begann zu schreien.

„Das verfluchte Kind! Er ist da! Weg hier!“, riefen einige Erwachsene. Der kleine Junge sah sich erschrocken um. Da flog der erste Stein und traf ihn am Arm. Er sah überrascht die rote Schramme an. Er hatte sich schon mal verletzt, doch das hier schien anders. Noch mehr Steine und andere Dinge flogen in seine Richtung. Er hob schützend die Arme und wich den Wurfgeschossen aus. Mehr Bewohner umringten ihn, riefen ihm Beleidigungen zu, bewarfen ihn mit Abfall. Er spürte die Tränen hinter den Augen brennen. Er verstand diese Feindseligkeit nicht. Verfluchtes Kind nannten sie ihn immer wieder. Was hatte er getan? Warum war er verflucht? Der kleine Junge drehte sich um und lief davon. Zurück in das schützende Haus, wo es niemanden gab, der ihm wehtun wollte.

 

Das verfluchte Kind verließ das Haus immer wieder. Anfangs hielt er sich nur im Garten auf, erkundete die Pflanzen und beobachtete die kleinen Tiere. Im Haus hatte sich eine Maus eingenistet. Der kleine Junge freundete sich mit dem Tierchen an und gab ihr den Namen Tahai, das alte Wort für Asche, weil das Fell so grau war wie sein Haar.

Der Junge konnte seine Neugier immer noch nicht abstellen. Er hatte alle Bücher durch, die im Haus zu finden waren. Nicht alles verstand er, da manche davon schwere Wörter enthielten, die ihm niemand erklären konnte. Bald kannte er das Innere des Hauses und auch den Garten davor in- und auswendig. Er wollte mehr sehen. Immer wieder traute er sich ins Dorf. Er war vorsichtiger, beobachtete aus unterschiedlichen Verstecken das Treiben der Bewohner, doch er wurde immer wieder entdeckt und verjagt. Seine Neugier konnte das nicht auslöschen, doch die Angst wuchs. Er wuchs in dem Glauben auf, ein ungewolltes, verfluchtes Kind zu sein, welches weniger wert war als der Rest der Menschen.

 

Eines Tages, der Junge war gerade erst 5 Jahre alt geworden, klopfte es an seine Tür. Tahai quiekte aufgeregt und eilte durchs Zimmer. Die kleine Maus gehorchte dem Jungen inzwischen aufs Wort. Das Kind stand auf und legte das Buch weg. Langsam ging es in Richtung Tür. Es spürte Angst. Waren die Bewohner jetzt zu ihm gekommen? Wollten sie ihn endgültig auslöschen? Er hatte ein Geschichtsbuch gefunden, in denen genau über alte Foltermethoden berichtet wurde, die angewandt worden waren, bevor die Zauberer und Hexenmeister an die Macht gekommen waren.

Dennoch öffnete der kleine Junge die Tür. Vor ihm schwebte ein Brief.

 

1. Schicksalhafte Begegnung

 

Kitai seufzte lautlos und starrte aus dem Fenster. Heute war sein erster Tag in der Mittelschule. Vor etwas mehr als 4 Jahren hatte der sprechende Brief ihm von der Schule erzählt. Anfangs hatte er es gar nicht glauben können, dass er an so einem Ort gehen durfte. Doch die Realität hatte ihn schnell eingeholt. Sein aschegraues Haar war ein Zeichen des Fluches und ein jeder kannte dessen Bedeutung. Kitai war von Anfang an geschnitten worden, aber zum Glück hielten sie davon Abstand, ihm irgendwelche Gegenstände an den Kopf zu werfen. Meistens jedenfalls. Sie schmähten ihn nur, beleidigten ihn und redeten hinter seinem Rücken. In seinem ersten Monat hier waren bereits so viele neue Gerüchte über ihn in Umlauf gekommen, dass man ein ganzes Buch damit füllen könnte.

Der Unterricht verlief nicht besser. Die Lehrer ließen ihn zwar teilnehmen, ignorierten ihn aber rigoros. Er bekam Arbeitsblätter und Material, wurde aber übersehen, wenn er eine Frage hatte oder eine Antwort auf eine Frage wusste. Einmal war er mitten in der Stunde einfach aufgestanden und gegangen, doch am nächsten Tag hatte er gemerkt, dass er sich damit nur selbst schadete. Niemand scherte sich darum, ob er mitkam oder nicht. Er könnte sich auch alles selbst beibringen wie bisher, doch manches musste er von den Lehrern hören, um es wirklich zu verstehen. Vieles hatte er dennoch schon gewusst. Diese Stunden hatte er damit verbracht ein Buch zu lesen, das er aus der Bibliothek hatte.

Er lebte in einem Internat. Obwohl zwei Betten in seinem Zimmer standen, wohnte er alleine. Niemand wollte mit ihm leben. Deshalb störte sich allerdings auch niemand an Tahai, den er mitgenommen hatte. Seinem einzigen Freund.

 

Kitai wandte den Blick wieder auf sein Buch. Es war die Biographie eines alten Zauberers, der als Held gegolten hatte. Heute würden Zauberer in den Unterricht kommen. Kitai hatte davon gelesen. Jedes Wesen besaß Potential. Menschen waren entweder begabt oder unbegabt. Das Potential wurde durch eine Zahl am Handgelenk sichtbar. 15 oder weniger bedeutete unbegabt und man zählte als gewöhnlicher Mensch. Etwa die zwei Drittel der Weltbevölkerung zählte in diese Kategorie. Ab 16 galt man als begabt. Es gab noch einzelne Abstufungen des Talents, doch diese wurden erst mit der Zeit sichtbar.

Auch die Art der Magie, die man anwenden konnte, teilte die Zauberwesen. Es gab die Magie der Erinnerungen und die Magie der Gefühle.

Aus all diesen Unterschieden hatten sich die verschiedensten Schultypen und Berufe entwickelt. Ab der Mittelstufe wurden die Begabten gefördert und mussten an einem speziellen Unterricht teilnehmen, wenn sie ihre Kräfte auch behalten wollten.

Deshalb waren auch heute die Zauberer hier. Sie stellten sich vor, erzählten von ihrem Unterricht und jeder konnte sich aussuchen, von wem er unterrichtet werden wollte.

Kitai interessierte das herzlich wenig. An seinem Handgelenk hatte er zwar eine 17 und galt geradeso noch als Begabter, doch er hatte die Hoffnung schon längst aufgegeben, dass sein Leben irgendwie besser werden würde. Er konzentrierte sich lieber auf seinen Wissensdurst, verschlang unzählige Bücher und eignete sich so neues Wissen an.

Vier Zauberer standen vorne an der Tafel. Die ersten beiden waren alte Meister ihres Fachs, die auf ein langes, ereignisreiches Leben zurückblicken konnten. Der dritte war derjenige, der die meisten Schüler in seinen Bann zog. Er war sympathisch, eine strahlende Persönlichkeit und wirklich talentiert. Es war klar, dass er viele Schüler haben würde.

Kitai lauschte nur mit halbem Ohr. Er würde sich einfach in einen Klassenraum setzen und lesen, während der Zauberer über Magie schwadronierte.

Der letzte Zauberer war ganz anders. Er war jung, frisch aus der Universität und hatte einen missmutigen Blick. Seine Stimme war dunkel.

„Ich werde euch bestimmt nicht das Händchen halten. Wer bei mir in den Unterricht geht, muss lernen und sich anstrengen. Ich erwarte Eigeninitiative. Wer nicht mitkommt, der kann gehen.“, gab der vierte Zauberlehrer klar zu verstehen. Es war still in der Klasse geworden. Doch das interessierte den jungen Zauberer nicht. Er wartete ab, doch da niemand eine Frage zu haben schien, oder sich eher niemand traute eine zu stellen, trat er zurück. Der Klassenlehrer gab noch ein paar Anweisungen. Der Pausengong erklang. Viele verließen mit den Lehrern die Klasse.

Kitai blätterte weiter und vertiefte sich wieder in dem Heldenepos. Da warf sich ein Schatten über ihn.

„Kitai.“, erklang die dunkle Stimme des jungen Zauberlehrers. Der Junge hob abrupt den Kopf und hielt den Atem an. So klang es, wenn jemand seinen Namen nannte? Sein Herz setzte einen Takt aus und raste dann. Er sah in die dunkelbraunen Augen des Lehrers. Das schwarze Haar stand ihm wild vom Kopf. Kitai spürte die Hitze in seinen Wangen. Alles schien sich mit einem Mal zu drehen. Die Geräusche um ihn herum verstummten. Seine Mitschüler sahen erstaunt diesem Gespräch zu. Viele konnten nicht fassen, dass der junge Lehrer diese Grenze überschritt.

„Du bist doch Kitai?“, hakte dieser nach, da der Junge vor ihm nicht reagierte. Kitai nickte schnell und hatte für einen Moment das Gefühl, das Herz würde ihm aus der Brust springen.

„Ich habe von dir gehört. Diese Sache mit dem Fluch, dass ich nicht lache. Ein Kind kann nicht verflucht sein. Ein Fluch auf einen Menschen hat nur Wirkung, wenn dieser auch eine unreine Seele hat. Bei einem Kind ist das unmöglich. Diese hat noch einen natürlichen Schutz.“, erklärte der Lehrer und schnaubte verächtlich. Er wandte den Blick um und musterte die Schüler, die schnell die Köpfe wegdrehten.

„Wie dem auch sei. Ich nehme an, die anderen Zauberer werden dich wie die Lehrer ignorieren. Wenn du wirklich was lernen willst, komm in meinen Unterricht.“, fuhr er fort und wandte sich ab.

Kitai starrte ihm hinterher. Sein Herz wollte sich nicht mehr beruhigen. Was war nur los mit ihm?

 

Als der Spezialunterricht kurz bevorstand, spürte Kitai die Nervosität. Ob der Lehrer das ernst gemeint hatte? Würde er ihn wirklich unterrichten? Der Junge drückte das Buch an seine Brust, welches er gerade las. Er stand vor dem Klassenraum, dessen Schiebetür das Symbol für Erinnerungen trug. Kitai atmete tief durch, nahm all seinen Mut zusammen und schob schnell die Tür auf. Verdutzt sah er in den Raum. Ein Klassenzimmer, das Platz für 20 Schüler bot. Doch es war leer. Fast leer. In der ersten Reihe saß ein Mädchen mit langen, rosaroten Haaren, das wie Kitai 10 Jahre alt war. Sie hatte eifrig gemalt, blickte auf und sah zu dem Jungen. Kitai zuckte überrascht zusammen. Er wusste wie Mädchen auf ihn reagierten, wenn sie ganz alleine waren. Sie schrien und manche behaupteten, er würde sie anfassen.

Kitai stand wie erstarrt da. Das Mädchen schrie aber nicht. Stattdessen sprang sie auf und eilte zu ihm.

„Ich dachte schon, ich wäre ganz alleine bei Herrn Shakai. Der ist irgendwie gruselig. Aber die anderen Klassen waren so voll und ich wollte nicht mit so vielen anderen Magie lernen. Da fühl ich mich nur unter Druck gesetzt. Du hast aber ungewöhnliches Haar. Wie Asche. So wie dieses verfluchte Kind. Oh, bist du etwa dieser Junge? Ich finde das cool! Bist du wirklich so begabt, dass du als Baby schon Dämonen beschwören konntest? Was ist dein Potential?“, redete das Mädchen aufgeregt drauflos. Sie strahlte und zeigte keine Spur von Angst. Kitai war einfach nur sprachlos und streckte zögernd den linken Arm aus. Das Mädchen schnappte die Hand, drehte die Handfläche nach oben und schob das Band hoch, das die Zahl verdeckte.

„Hm, 17 ist ja wenig.“, gab sie enttäuscht von sich. Kitai senkte den Blick und zog die Hand wieder weg. Das Mädchen interpretierte diese Reaktion auf ihre Art.

„Oh, tut mir leid. Ich dachte nur, ich hätte mit jemanden, der mir alles beibringen könnte. Ich weiß nicht, ob ich Herrn Shakais Ausführungen folgen kann und er ist berüchtigt dafür, dass er so streng ist. Ihm laufen alle Schüler wohl weg. Naja, meine Zahl ist auch nicht sehr hoch.“, sagte sie, streckte die linke Hand aus, schob das Band weg und zeigte die 19.

Kitai sah sie einfach nur an. Er wurde aus diesem Mädchen nicht wirklich schlau.

 

Hinter Kitai erschien der Lehrer mit der dunklen Stimme.

„Das hier wird keine Klatschrunde. Setzt euch!“, befahl Herr Shakai.

Kitai spürte sein Herz wieder schneller schlagen. Das Mädchen drehte sich sofort um und huschte zurück an ihren Platz. Kitai schlich ebenfalls zu einem Stuhl. Die Auswahl war groß, doch er entschied, dass es komisch wäre, sich nach hinten zu setzen. Das machte nur den Eindruck, als wäre er nicht interessiert.

Herr Shakai schloss die Tür und ging zum Lehrertisch. Er legte seine Unterlagen darauf und setzte sich auf die Kante. Dann blickte er in den Raum und verzog die Lippen.

„Ich hatte mir doch etwas mehr erwartet.“, murmelte er und klang unzufrieden. Unterrichtende Zauberer brüsteten sich in der Regel damit, wenn einer ihrer Schüler sich einen Namen in der magischen Welt machte. Sein ebenfalls junger Kollege setzte auf Masse. Ein guter Magier würde da schon dabei sein.

Kaso hingegen hatte lieber weniger Schüler, auf die er sich dafür besser konzentrieren konnte. Er sah seine beiden Schüler an. Das Mädchen grinste breit und wirkte ganz hibbelig. Der Junge hatte den Kopf eingezogen. Seine Wangen waren rot. Er blickte immer wieder auf, brach aber jeglichen Blickkontakt sofort wieder ab und wurde noch dunkler im Gesicht.

„Naja, mal sehen, was daraus wird.“, meinte er zu sich selbst und seufzte.

„Ich bin Kaso Shakai. Mein Spezialgebiet ist die Erforschung der Magie aus Erinnerungen. Meine Aufgabe ist es, euch erst allgemein etwas über Magie beizubringen und dann auch eure magischen Fähigkeiten zu erforschen und zu fördern. Je nachdem, wie geschickt ihr euch anstellt, gestalte ich auch den Unterricht. Da nur ihr zwei da seid, können wir ziemlich flexibel sein.“, begann der Lehrer und blickte zu Kitai, der den Deckel seines Buches anstarrte. Kaso stand auf, trat zu ihm und wartete ab, bis er ihn ansah.

„Und da nur ihr zwei da seid, bekommt auch jeder von euch die Hälfte meiner Aufmerksamkeit. Ich werde euch beide also ständig im Auge behalten.“, fuhr der Lehrer fort, doch er sah nur den Jungen an. Obwohl es wie eine Drohung geklungen hatte, empfand Kitai es nicht als solche. Er nickte schnell.

„Gut.“, gab Kaso von sich und trat wieder zurück.

„Du bist Amaya, wenn ich mich nicht irre.“, sprach er direkt das Mädchen an. Sie nickte eifrig.

„Amaya, Kitai, ich werde zunächst mal euer Grundwissen in Sachen Magie prüfen. Ohne richtige Basis kann man keine höhere Magie erlernen.“, fuhr er fort.

„Welche Arten von Magie gibt es?“, fragte er. Amaya streckte sofort die Hand in die Luft und wedelte damit herum, als müsste sie sich gegen unzählige andere durchsetzen, doch Kitai rührte sich nicht mal. Kaso musterte das Bild vor sich und ihm war klar, dass Kitai ein harter Brocken werden würde. Hoffentlich zeigte sich dieser zumindest nicht lernunfähig. Bisher war er ja so gut wie gar nicht gefördert worden. Eher im Gegenteil. Kaso deutete auf Amaya.

„Es gibt die Magie der Erinnerungen und die Magie der Gefühle.“, antwortete sie und grinste stolz.

„Und worin liegt die Schwierigkeit?“, fragte Kaso weiter und sah dabei Kitai an. Dass Amaya schon wieder die Hand in der Luft hatte, ignorierte er. Kitai sah fast verängstigt aus, zögerte, setze zum Sprechen an, schloss den Mund wieder, ehe er endlich antwortete.

„Gefühle… kann man nicht immer kontrollieren. Und Erinnerungen verliert man bei dem Einsatz von Magie.“, gab er schließlich leise von sich und blickte dann unsicher auf.

Kaso nickte und dachte einen Moment nach. Dann wandte er sich um, griff nach seinen Unterlagen und zog zwei Zettel hervor, die er seinen Schülern reichte.

„Das hier ist eine Liste von Büchern. Die mit Sternchen sind Pflichtlektüre. Ich erwarte, dass ihr eigenständig zu arbeiten lernt. Ich werde euch vorher mitteilen, welche Themen wir in einer Stunde durchnehmen und diese sollt ihr auch vorbereiten. Zumindest die Bücher lesen, die auf der Liste zu dem jeweiligen Thema stehen.“, erklärte der Lehrer.

Amaya machte bei der Liste große Augen. Sie besaß nicht die Geduld, so viel zu lesen. Kitai hingegen hatte den Großteil der Lektüre bereits gelesen. Viele der Bücher hatte er in dem Haus, in dem er aufgewachsen war, bereits gehabt und deshalb mehrmals durchgelesen. Manche Textpassagen konnte er noch immer auswendig.

„Beginnen wir heute mit der Grundlage. Die Geschichte könnt ihr selbst nachlesen.“, riss Kaso die beiden aus ihren Gedanken und begann mit den Basisbegriffen.

 

2. Das Notizbuch

 

Als der Lehrer das Klassenzimmer verließ, fühlte Kitai sich plötzlich vollkommen schlapp. So angespannt war er noch nie gewesen. Herr Shakai hatte ihn kaum aus den Augen gelassen. Und er hatte peinlichst darauf geachtet, dass Kitai ebenso viele Fragen beantwortete wie Amaya. Doch zusätzlich zu dieser Aufmerksamkeit, die er noch nie erlebt hatte, hatte ihm sein rasendes Herz Probleme gemacht. Als wäre ein Drachenfeuer in ihm entfacht, hatte er die Hitze in sich gespürt, sobald sein Blick den des Lehrers getroffen hatte.

„Du weißt echt viel.“, riss Amaya ihn aus seinen Gedanken. Kitai sah auf und blickte in die strahlenden Augen des Mädchens.

„Ich… hatte viel Zeit zum Lesen.“, erklärte er. Seine Stimme war so leise. Er hörte selbst, wie unsicher er klang, doch es war ein so ungewohntes Gefühl seine Stimme einzusetzen. Normalerweise sprach er nur mit Tahai. Und das auch eher selten.

„Aber, wenn du trotzdem schon so viel weißt, musst du echt schwere Bücher gelesen haben. Ich mag nur Märchen. So was wie ‚Der goldene Drache‘ oder das ‚Märchen der blauen Fee‘.“, erwiderte Amaya. Sie dachte nach, dann stand sie auf, stellte sich vor ihm und grinste ihn an.

„Herr Shakai ist echt streng. Wenn wir seinen Unterricht überstehen wollen, müssen wir zusammenhalten. Also, lass uns Freunde werden!“, sprach sie und streckte dem Jungen die Hand entgegen. Kitai sah sie verblüfft an. Freunde? Noch nie wollte ihm jemand nahe kommen. Und auch noch nie Körperkontakt herstellen. Dass sie am Anfang der Stunde ihn bereits angefasst hatte, hatte er inzwischen wieder vergessen. Zu viel hatte sich heute getan, was neu für ihn war.

„Freunde?“, murmelte er. Wie schön dieses Wort klang! Er hatte in Büchern viel über Freunde gelesen. Doch bis auf Tahai hatte er nie selbst welche gehabt.

Amaya wurde ungeduldig. Sie griff seine Hand, drückte sie fest und schüttelte sie. Sie kicherte, als sie Kitais überraschten Blick sah.

„Von jetzt an sind wir beste Freunde. Wir helfen einander. Und wenn Herr Shakai böse zu einem von uns ist, verteidigen wir einander.“, gab sie feierlich bekannt. Kitai konnte nichts weiter tun, als zu nicken.

Amaya löste ihre Hand und ging zu ihrem Tisch zurück. Sie packte ihre Sachen. Auch Kitai sammelte seine Unterlagen zusammen und stand auf. Er folgte Amaya zögernd aus der Klasse, blieb aber ein paar Schritte hinter ihr. Die anderen Schüler im Flur sahen ihn an, musterten ihn, tuschelten über ihn. Kitai zog den Kopf ein. Er war es ja gewohnt.

Amaya sah sich um und was sie sah, gefiel ihr so gar nicht. Sie drehte sich um, ging ein paar Schritte zurück und harkte sich dann einfach bei ihrem Mitschüler unter.

Fast augenblicklich erstarben alle Stimmen im Flur.

Kitai sah erschrocken seine neue Freundin an. Er sah die entsetzten Blicke der anderen. Das war ihm zu viel. Zu viel für einen einzigen Tag.

„Nein! Lass mich in Ruhe!“, brüllte er, riss sich von dem Mädchen los und lief mehr oder weniger kopflos davon.

Amaya blickte ihm hinterher. Ihr gefiel diese Reaktion ganz und gar nicht, doch sie würde nicht aufgeben. Sie kannte die Gerüchte. Zumindest einen Teil davon. Sie kannte viele Geschichten. Sie war der festen Überzeugung, dass wahre Freundschaft und Liebe jeden Fluch überwinden konnte.

 

Kitai stürmte in sein Zimmer und warf die Tür hinter sich zu. Er lehnte sich dagegen und brauchte eine Weile, ehe sich sein rasendes Herz wieder beruhigte. Dann sackte er einfach zusammen. Der Tag war für ihn so aufregend gewesen. Vor seine Füße lief die kleine Maus, die lange Zeit sein einziger Freund gewesen war.

„Tahai, heute ist so viel passiert!“, brach Kitai sein Schweigen. Tahai stellte sich auf seine Hinterpfoten, quiekte und schien ihn zu mustern.

„Ich bin in einer Klasse mit nur einer anderen. Und mein Lehrer ignoriert mich nicht. Und Amaya, meine Mitschülerin, sie… will mit mir befreundet sein. Aber wenn sie meine Freundin ist, dann werden die anderen sie auch meiden. Ich wollte das nicht.“, erzählte Kitai. Er berichtete seinem kleinen Freund von seinem Tag. Selbst mit Tahai sprach er normalerweise nie so viel. Es war überhaupt zum allerersten Mal, dass er so viel an einem Tag gesprochen hatte.

 

Die nächsten Tage verliefen ähnlich ab. Die ersten Stunden in den nichtmagischen Fächern hatten sich kaum verändert. Der magische Unterricht bei Herrn Shakai war wesentlich anspruchsvoller. Kitai konnte ihm nur folgen, weil er die meiste Lektüre vorher schon gelesen hatte. Praktische Übungen würden erst später folgen. Der Lehrer ging im Unterricht die Theorie der magischen Tränke und Rituale durch. Dinge, die auch Unbegabte praktizieren konnten.

Amaya versuchte mit Kitai befreundet zu sein, doch sobald sie das Klassenzimmer verließen, kapselte er sich ab. Ein paar Tage ging das gut, doch irgendwann riss auch Amaya der Geduldsfaden.

„Warum willst du nicht mit mir befreundet sein? Schämst du dich für mich?“, fragte sie schließlich. Die Verzweiflung in ihrer Stimme schockierte Kitai. Er schüttelte heftig den Kopf.

„Nein, das… das ist es nicht.“, wehrte er kleinlaut ab.

„Was ist es dann?“, drängte sie ihn.

„Ich… Weil ich verflucht bin und die anderen dich dann genauso behandeln.“, rief er laut aus und war kurz davor in Tränen auszubrechen.

In diesem Moment trat Herr Shakai ins Klassenzimmer.

„Was für ein Unsinn!“, sprach er. Erschrocken drehte sich Kitai um und sah ihn an.

„Ich habe es dir schon am ersten Tag gesagt. So etwas wie einen Fluch gibt es gar nicht. Nicht in dieser Form. Wenn überhaupt ist das, was dir passiert ist, ein Beweis dafür, wie rein deine Seele ist.“, erklärte Kaso, hob die Hand und streichelte dem Jungen durchs Haar.

Von da an ließ sich Amaya nicht wieder abschütteln. Auch wenn Kitai ihr immer wieder klarzumachen versuchte, dass es egal war, ob es diesen Fluch nun wirklich gab oder nicht. Die anderen glaubten daran und der Junge wollte einfach nicht, dass seine Freundin ebenso gemieden wurde.

 

Kitai verbrachte seine freie Zeit in der Bibliothek der Schule. Da auch die höheren Stufen sowie die Universität diese Einrichtung benutzten, gab es auch schwerere Literatur. Kitai zog aus seiner Tasche ein Notizbuch. Die Seiten waren zerfleddert, der Einband abgenutzt. Es war von seinem Vater. Kitai wusste, dass dieser sich mit der Erforschung von Magie beschäftigt hatte. Zumindest laut diesem Notizbuch zufolge. Er hatte keine konkreten Erinnerungen an seinen Vater. Auch nicht an seine Mutter. Manchmal träumte er von ihnen, aber er konnte im Traum nie ihre Gesichter sehen. Er schlug das Buch auf und blätterte darin. Es enthielt Ideen von Erfindungen, die mit Magie angetrieben wurden. In der ganzen Welt nutzte man Magie als Energiequelle. Doch bisher konnte man nur Energie aus Gefühlen verwenden. Eine unbeständige Form. Kleinere Gerätschaften konnten problemlos betrieben werden, doch bei größeren Maschinen kam es schon mal zu Ausfällen.

In diesem Buch wurde allerdings Magie aus Erinnerungen verwendet. Bisher war diese Form der Magie nur für den Notfall genommen worden. Man konnte sich die Erinnerungen nicht aussuchen und verwendete Erinnerungen waren für immer aus dem Gedächtnis des Magiers gelöscht. Kitai las sich ein paar Ideen durch. Er wollte mehr davon verstehen, ging in die Abteilung, die sich damit beschäftigte, und suchte nach der richtigen Lektüre. Für sein Alter war das viel zu schwer. Dennoch verstand er mehr als andere davon.

„Schwerer Stoff! Den nehmen wir doch gar nicht durch.“, erklang hinter ihm plötzlich eine bekannte, dunkle Stimme, die ihm Schauer über den Rücken jagte. Er wandte sich um und stieß in seiner Panik gegen das Regal. Ein Buch fiel von oben und traf seinen Kopf. Er ging in die Hocke, hob die Arme und hielt sich die schmerzende Stelle. Die Bücher, die er bereits herausgesucht hatte, fielen ihm dabei aus der Hand.

Kaso musterte die kleine Gestalt und ging in die Hocke.

„Willst du mich beeindrucken?“, fragte er, als er die Bücher aufsammelte.

„I-ich wollte nur… ich… äh… nein, also…“, stotterte Kitai. Im nächsten Moment sprang er auf und rannte davon. In all den Jahren hatte er einen sehr ausgeprägten Fluchtinstinkt entwickelt. Er war ein Feigling, ja, aber er hatte auch nichts, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Nur seine Neugier trieb ihn doch immer wieder in Situationen, aus denen er fliehen musste.

Kaso sah ihm hinterher und fragte sich mal wieder, ob es an ihm lag, dass der Junge weglief. Jagte er ihm solch eine Angst ein? Oder hätte jeder Lehrer diese Wirkung auf ihn? Kaso hatte sich viel mit diesen Gerüchten über das verfluchte Kind beschäftigt. Er wusste genau, dass das alles Unsinn war. Flüche gab es nur, wenn man daran glaubte. Inzwischen war er sich sicher, dass ein dunkler Magier die Dämonen geschickt hatte. Kitais Vater war ein anerkannter Magier-Forscher gewesen. Vermutlich hatte er an etwas gearbeitet, das jemandem nicht gepasst hatte.

Der Lehrer seufzte und begann damit die Bücher zurückzustellen. Doch eines gehörte nicht ins Regal. Ein Notizbuch. Das musste Kitai verloren haben. Kaso schlug es auf und blätterte durch. Der Inhalt brachte sein Forscherherz zum Höherschlagen.