Morgennachrichten - Volker Friebel - E-Book

Morgennachrichten E-Book

Volker Friebel

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Beschreibung

Haiku heute ist ein Projekt zur Förderung des deutschsprachigen Kurzgedichts. Die Netzpräsenz erstellt aus der Vielzahl an eingereichten Texten jeden Monat eine Auswahl nach literarischen Gesichtspunkten. Die Jahrbücher, von denen hier das sechzehnte vorliegt, versammeln davon die interessantesten Haiku jedes Jahres. Zusätzlich werden speziell für das Jahrbuch eingereichte Haiku aufgenommen – das Jahrbuch berücksichtigt dabei ausdrücklich auch bereits anderweitig veröffentlichte Texte. Alle Beiträge eines Jahrbuchs sollten im jeweiligen Jahr entweder geschrieben oder aber erstveröffentlicht worden sein. Aufgenommen in dieses Jahrbuch wurden 553 Haiku von 116 Autoren sowie neun Tan-Renga.

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Haiku heute

 

Morgennachrichten

Haiku-Jahrbuch 2018

 

Herausgegeben von Volker Friebel

 

Edition Blaue Felder, Tübingen 

 

Haiku heuteist ein Projekt zur Förderung des deutschsprachigen Kurzgedichts. Die Netzpräsenz www.Haiku-heute.deerstellt aus der Vielzahl an eingereichten Texten jeden Monat eine Auswahl nach literarischen Gesichtspunkten. Die Jahrbücher, von denen hier das sechzehnte vorliegt, versammeln davon die interessantesten Haiku jedes Jahres. Zusätzlich werden speziell für das Jahrbuch eingereichte Haiku aufgenommen – das Jahrbuch berücksichtigt dabei ausdrücklich auch bereits anderweitig veröffentlichte Texte. Alle Beiträge eines Jahrbuchs sollten im jeweiligen Jahr entweder geschrieben oder aber erstveröffentlicht worden sein. 

 

 

Alle Rechte bei den Autoren.

 

Edition Blaue Felder, Volker Friebel,

Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)

www.Volker-Friebel.de 

 

www.Haiku-heute.de  

 

Redaktion, Gestaltung, Foto: Volker Friebel

Veröffentlichung: März 2019

 

Inhalt

Vorwort  

Haiku  

Tan-Renga  

Autoren  

 

 

Vorwort

 

Der Frosch im Teich hat viel zu sagen, ich höre ihm zu und freue mich dran, auch wenn ich kein Wort verstehe.

Die Morgennachrichten im Netz verstehe ich zwar, sie handeln allerdings fast nie vom Weiher im Wald und dem Frosch, sondern von Menschen und Geschehnissen, die mir fremd sind, weit weg in der Welt.

Der ganzen Welt? Die Technik schreitet voran, Teleskope durchforschen das All. Bald werden die Morgennachrichten womöglich auch über den Streit am Hof von Epsilon Eridani um die Goldene Wabe oder den Skandal um das illegale Klonen von Arbeiterinnen auf Tau Ceti berichten.

Die Erfahrungen eines Froschs sind – vermutlich – alle direkt, er lebt ganz in der Welt, die ihn unmittelbar umgibt. Wir allerdings sind Menschen, auch die von uns, die eigentlich lieber Spatzen, Kiefern oder Schmetterlinge wären.

Vielleicht wird irgendwann ein Analysegerät angeboten, das beim Gewichten von Erfahrungen behilflich ist. Wie viel Prozent indirekte Erfahrungen sind stimulierend für uns, bei wie viel Prozent sind wir gesättigt, ab wann wird es negativ?

Auf Stimulation und Übersättigung wird sich das Gerät wohl beschränken. Denn bei der Frage, wie viel all der indirekten Erfahrungen tatsächlich hilfreich für das eigene Leben sind, nicht für Konstrukte wie den „geistigen Horizont“ oder die „Bildung“, sondern für unser ganz alltägliches Leben, tendiere ich nach kurzer Abschätzung auf einen Wert dicht bei Null.

Trotzdem will ich auf die Morgennachrichten des eigenen Planeten nicht verzichten und wäre begeistert über die Zuschaltung weiterer Welten.

Ist das Lust am bloßen Nervenkitzel? Lust an der Stimulation von Gefühlen, um zu spüren, dass man lebt? Hat sich die Neu-Gier einfach evolutionär als erfolgreich erwiesen und stichelt uns nun aus den Genen an?

Allerdings können wir nicht immer mehr Informationen aufnehmen – und so treten direkte Erfahrungen zurück, wenn die indirekten zunehmen. Wahrscheinlich kennen wir alle mehr Menschen aus den Medien als aus unserer unmittelbaren Umgebung. Es kann sogar vorteilhaft sein, wenn wir für unsere negativen Gefühle ein paar böse Stellvertreter auf dem Schirm ernennen, das erleichtert uns das Auskommen mit dem eigenartigen Nachbarn.

Trotzdem finde ich, dass direkte Erfahrungen zu kurz kommen und gestärkt werden sollten. Das wird einer der Gründe sein, weshalb ich Haiku so schätze. Da ärgere ich mich in der Stadt über die Laubbläser und die schlechte Ampelschaltung, da lausche ich im Wald den Morgennachrichten der Vögel, des Windes, der Grashalme – und schreibe etwas davon mit.

Auch wenn ich Haiku lese, werde ich eher mit Dingen aus realen Welten konfrontiert, mit der U-Bahn, den Kiefernnadeln, dem Sonnenaufgang, einem Lächeln. Dagegen sind Meinungen, Urteile, Weltanschauungen dem Haiku nicht eigen, Trotzdem kommen sie vor; ihren halsstarrigen Dichtern sei auch für sie ein Dank,

Um die Auseinandersetzung mit der eigenen Welt geht es also im Haiku, um Momentaufnahmen unserer Gegenwart, In diesem Jahrbuch werden wir wieder eine Vielzahl an Sichtweisen finden. 

 

Aufgenommen wurden 553 Haiku von 116 Autoren sowie neun Tan-Renga. Die meisten Texte erschienen erstmals in den Monatsauswahlen von Haiku heute, in den Organen der Deutschen Haiku-Gesellschaft (Vierteljahresschrift Sommergras, Werkstatt), in Chrysanthemum (halbjährliche internationale eZeitschrift), in der Facebook-Gruppe Haiku-like. Weitere Texte wurden von den Autoren auf die Ausschreibung des Jahrbuchs hin eingereicht. Für die Aufnahme war Bedingung, dass die Texte im Jahr 2018 geschrieben oder in diesem Jahr erstveröffentlicht worden sind. Alle Texte wurden durch den Herausgeber ausgewählt und von ihm zusammengestellt, kritisch unterstützt durch Elisabeth Menrad. 

 

Freude beim Lesen und viel Inspiration wünscht

 

Volker Friebel 

 

Haiku

 

 

Iwa Antonow

 

Schwer voller Äpfel

die Zweige –

im Wind ein Trommeln

 

Klemens Antusch

 

Herbsthimmel

betrachte das Pulsieren

ihrer Halsschlagader

 

Monika Audorff

 

Die alte Katze

Knochig liegen die Jahre

Im Sonnensessel

 

Sylvia Bacher

 

karneval getarnt die tränen in venedig

 

Marita Bagdahn

 

Vor der Bescherung das Schlüsselloch immer noch zu klein

 

Auf der Terrasse sie betrachtet sein Foto – so zärtlich der Wind

 

Vor dem Opernhaus die Amsel auf dem Dachfirst singt ihr Abendlied

 

Sonja Bautz

 

lange Umarmung die Rücklichter verschwimmen in meinen Augen

 

Christa Beau

 

Ehekrach

ihr Kind streichelt

den Hund

 

Hochzeitstag

er putzt

seinen Ehering

 

im See

ich schwimme

um den Mond

 

Gartenarbeit

die Sonne des Frühlings blinkt

auf der Schaufel

 

Eis am Stiel

er leckt die Kühle

von ihren Lippen

 

entschlafen ...

im Schein der Laterne

gefriert das Licht

 

Papiervogel

durchs Kinderzimmer segeln

die Morgennachrichten

 

Gartenarbeit

ich berühre den Kokon

des Schmetterlings

 

Rauhnacht

Geistergeschichten lesen

am Kamin

 

Silke Berke

 

Maiglöckchens Reize

Um unter ihnen zu sein

Muss ich sie küssen

 

Weihnachtskirchgang

Kälteschmerz in den Fingern

Stille Gebete

 

Martin Berner

 

Januarspaziergang

ihre Wortwechsel

klirren

 

Bahnen schwimmen

nur Fliesen

und Fugen

 

austherapiert er kauft sich eine Sanduhr

 

einmal springen können

schreibt sie

auf ihren Wunschzettel

 

immer immer immer tot

er sucht

nach einem Kindergebet

 

Erde zu Erde sie schmeißt mit dem Schäufelchen nach dem Pfarrer

 

in der Sonne sitzen

ein Spinnlein seilt sich

am Mützenrand ab

 

Schulweg

die Eiszapfen

bekommen Noten

 

Kranichflug

sie verschluckt

das böse Wort

 

Säuglingsstation

etwas in ihm

schreit und schreit

 

Lidwina Bilgerig

 

Flamme

von Kerze zu Kerze gereicht

unzählige Lichter

 

Geschenke fallen hernieder Schneesterne

 

Nach dem Loslassen

sie tanzen

die Ahornblätter

 

Christof Blumentrath

 

Frühjahrsputz

wische den Himmel

in mein Fenster

 

all das Grün

in ihrer Stimme

Singdrossel

 

Kindergeburtstag

eines der kleinen Ferkel

gehört zu mir

 

erster Frost

auf dem See

der zerbrochene Mond

 

Schneefall

in tiefer Nacht

Chopin

 

zu wenig

der letzte Pinselstrich

zu viel

 

letzter Sommer

stecke meine Nase

in ihr Kissen

 

Gerald Böhnel

 

neue Heimat

das Flüchtlingskind sammelt

Gänseblümchen

 

smartphone

sie wischt ihn weg

 

Im Kneipenlärm

„Stille Nacht, heilige Nacht“

 

ostern

der hase verschwindet

im leckermaul

 

Gerd Börner

 

Sonnenaufgang –

wir schauen aufs Meer

der Fremde und ich

 

der unbekannte Soldat –

seine Frau legt Blumen

an sein Grab

 

Kinderlachen

mein Daumen merkt sich

die Zeile im Buch

 

der erste Kuss

auf ihre Wimpern –

Schneeflocken

 

Aphrodite –

die warme Haut

des Marmors

 

die Nacht taut –

in der Fensterscheibe spiegelt sich

meine Angst

 

im Dunkelwerden –

um die Quitten

vibriert noch Licht

 

Kettenkarussell – in der letzten Runde deine Hand

 

---ENDE DER LESEPROBE---