3,99 €
Marley Bennett wuchs behütet in einer Kleinstadt in Georgia auf, doch zum Studieren zieht es sie in die Großstadt nach Chicago. Obwohl sie sich eigentlich aufs College konzentrieren will, gibt sie ihrer neuen Mitbewohnerin Shauna nach und besucht gleich am ersten Abend den angesagtesten Club der Stadt, das »Stardust«. Dort begegnet Marley Corey Connor, dem attraktiven Sohn des Clubbesitzers. Der sieht nicht nur unverschämt gut aus, sondern ist genauso arrogant wie geheimnisvoll und auch ein bisschen angsteinflößend. Ein echter Bad Boy eben. Corey gehört zu der Sorte Mann, vor der Marley zu Hause immer gewarnt worden ist. Vom ersten Moment an fühlt sie sich zu ihm hingezogen und lässt sich auf ihn ein. Allerdings ist Corey nicht so leicht zu zähmen und schon bald ist Marley hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und der Vernunft ... Von Drucie Anne Taylor sind bei Forever by Ullstein erschienen: Nights within Stardust Logan - Ein Sommer auf der McBannon Ranch (McBannon Brothers 1) Liev - Ein Herbst auf der McBannon Ranch (McBannon Brothers 2)
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2016
Die AutorinDrucie Anne Taylor, geboren 1987 in Köln, absolvierte eine Ausbildung im Einzelhandel, dem sie später wegen der Geburt ihres ersten Kindes den Rücken kehrte. Gemeinsam mit ihrer Familie, zu der auch eine Katze und ein Zwergkaninchen gehören, lebt sie immer noch in der Stadt am Rhein. Schon in ihrer Jugend entdeckte sie die Liebe zum Schreiben, weshalb sich noch viele Manuskripte in dunklen, seither nie wieder geöffneten Schubladen verbergen. Wenn sie nicht gerade schreibt, besucht sie gerne Musicals oder schaut sich solche Verfilmungen an, deren Soundtracks sie zum Leidwesen ihrer Familie noch tagelang anhört oder auch mitsingt. Zum Schreiben braucht sie nur wenige Dinge: Latte Macchiato und Musik, oder Lärm, da sie sich bei absoluter Ruhe nicht konzentrieren kann.
Das BuchMarley Bennett wuchs behütet in einer Kleinstadt in Georgia auf, doch zum Studieren zieht es sie in die Großstadt nach Chicago. Obwohl sie sich eigentlich aufs College konzentrieren will, gibt sie ihrer neuen Mitbewohnerin Shauna nach und besucht gleich am ersten Abend den angesagtesten Club der Stadt, das »Stardust«. Dort begegnet Marley Corey Connor, dem attraktiven Sohn des Clubbesitzers. Der sieht nicht nur unverschämt gut aus, sondern ist genauso arrogant wie geheimnisvoll und auch ein bisschen angsteinflößend. Ein echter Bad Boy eben. Corey gehört zu der Sorte Mann, vor der Marley zu Hause immer gewarnt worden ist. Vom ersten Moment an fühlt sie sich zu ihm hingezogen und lässt sich auf ihn ein. Allerdings ist Corey nicht so leicht zu zähmen und schon bald ist Marley hin- und hergerissen zwischen ihren Gefühlen und der Vernunft ...
Drucie Anne Taylor
Nights within Stardust
Roman
Forever by Ullsteinforever.ullstein.de
In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt. Originalausgabe bei Forever Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin April 2016 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016 Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat ISBN 978-3-95818-080-2 Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben.
»Ja, Mom, ich hab dich auch lieb«, erwidere ich auf die fünfte Liebesbekundung meiner Mutter, die sich nicht von mir trennen kann. Von meinen Freundinnen habe ich mich bereits verabschiedet, sie stehen hinter ihr und schneiden Grimassen, um sich über mich lustig zu machen. Ich bin die Einzige, die Georgia verlassen wird, und werde in Chicago studieren.
»Und du passt wirklich gut auf dich auf, ja? Du lässt dich nicht auf irgendwelche Weiberhelden ein, die dir das Herz brechen könnten, okay?«
Ich nicke ihr zu, denn auch das habe ich in den letzten Minuten schon mehr als einmal gehört.
»Marley, ich mein’s ernst.«
»Ich auch, Mom. Ich verspreche dir, dass ich auf mich aufpasse und mich mindestens zweimal pro Woche melde, okay?«
Sie verzieht ihre Lippen zu einem breiten Lächeln. »Okay, mein Schatz.« Anschließend legt sie ihre Hände an meine Wangen und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. »Du wirst mir fehlen.«
»Du mir auch, aber bald sind Ferien und dann komme ich nach Hause, versprochen.« Ich sehe mich um. »Mom, der Bus fährt gleich, ich sollte einsteigen und mir einen Platz suchen.«
»Ja, ich weiß, aber ich will dich einfach nicht gehen lassen.«
Seufzend löse ich mich von ihr. »Ich melde mich, sobald ich angekommen bin.«
»Pass auf dich auf.«
Langsam nervt’s, aber ich lächle ihr zu, nicke und schultere meinen Rucksack. »Bis bald, Mom.« Dann mache ich mich auf den Weg zum Fernbus. Meine Koffer wurden vom Fahrer bereits verstaut, weshalb ich einen Vorteil gegenüber den anderen Fahrgästen, die eben erst gekommen sind, habe. Ich kann nicht fassen, dass ich dieses Kaff endlich hinter mir lasse. Sicher wird mich die Großstadt zuerst überfordern, doch das ist normal, wenn man aus einer kleinen Gemeinde in den Südstaaten kommt. Ich meine, ich tausche ein paar Tausend Menschen gegen ein paar Millionen ein. Wer macht das mal eben so?
Im Bus schaue ich mich nach einem Sitzplatz um. Ich möchte unbedingt am Fenster sitzen, doch die meisten Fensterplätze sind schon besetzt. In der letzten Reihe sehe ich meine Chance – na ja, überholen kann mich in dem engen Gang sowieso niemand.
Ich setze mich ans Fenster, nehme den Rucksack auf den Schoß und lehne mich zurück. Ich zucke zusammen, als jemand neben mir gegen die Scheibe klopft. Als ich meinen Blick dorthin wende, sehe ich meine Mom und meine Freundinnen, sie haben Tränen in den Augen, dabei habe ich ihnen doch ausdrücklich verboten zu weinen, weil ich dann auch nicht stark bleiben kann.
Sie winken mir weinend und ich kann mich ebenfalls nicht mehr zusammenreißen. Mühsam wische ich die Tränen von meinen Wangen, doch sie laufen ohne Unterlass weiter. Fuck! Und es tut weh, dass Dave nicht dabei ist. Mein Ex bedeutet mir noch eine Menge, nun zerreißt seine Abwesenheit mir fast das Herz. Ich werfe meiner Mom und meinen Freundinnen Kusshände zu, als der Bus sich in Bewegung setzt, und nicke ihnen zu, als sie eine nach der anderen gestikulieren, dass ich sie anrufen soll.
Nur wenige Atemzüge später sind sie aus meiner Sicht verschwunden.
Mein neues Leben beginnt … in unzähligen Stunden und ich kann es kaum erwarten.
***
»Wow«, stoße ich aus, als ich in Chicago aus dem Bus steige. Schon die Fahrt durch die Stadt war atemberaubend, doch noch beeindruckender ist es, jetzt inmitten dieser Metropole zu stehen, die Gebäude zu sehen und … den Gestank einzuatmen. Der Gestank ist das im wahrsten Sinne des Wortes Atemberaubendste. Wie kann man hier leben? Es sieht zwar toll aus, aber der Geruch von Abgasen, Abwasser und Müll ist penetrant. Angewidert stelle ich mein Handcase auf den großen Trolley und mache mich auf den Weg zum Studentenwohnheim. Ich weiß nicht wirklich, wie ich dorthin komme, doch sicher ist hier irgendwo ein Taxistand. Ich will mich nicht durchfragen, ich werde einmal den Luxus genießen und mich fahren lassen. Andernfalls werde ich sicher nie ankommen, weil ich mich verlaufe.
***
»Das muss es sein«, nuschele ich, als ich die Messingziffern, die an der Tür angebracht sind, mit denen auf dem Schreiben der Wohnheimleitung vergleiche. Ich zücke meinen Schlüssel, stecke ihn ins Schloss und drehe ihn langsam. Bitte lass mich das Zimmer nicht mit irgendeiner Hippie- oder Satansbraut teilen, Gott, bete ich im Stillen, als ich die Zimmertür langsam öffne.
Kaum sehe ich durch einen Spalt das Zimmer, wird die Tür aufgerissen. »Hi, du musst Marley sein, ich bin Shauna, deine Mitbewohnerin, freut mich, dich kennenzulernen.« Sie spricht schnell und gestikuliert so wild dabei, dass ich Angst habe, ein Schleudertrauma zu bekommen, wenn ich den Bewegungen folge.
»Hi, ähm … ja, ich bin Marley, hi.« Ich würde ihr gern die Hand geben, aber irgendwie habe ich Angst, dass sie sie so heftig schüttelt, dass ich wie eine Dose, die unter Druck steht, in die Luft gehe.
»Lass mich dir helfen.« Lächelnd nimmt sie mir das Handcase ab und trägt es ins Zimmer. »Ich habe mir noch keines der Betten ausgesucht, aber mir wäre es lieber, wenn ich nicht am Fenster schlafen müsste, ich brauche es dunkel.«
»Kein Problem, ich eher nicht, also passt das Bett am Fenster perfekt zu mir.« Ich erwidere ihr Lächeln schüchtern, als ich meine neue Schlafstatt ansteuere.
Shauna stellt mein Case ans Fußende, danach setzt sie sich auf ihr Bett. »Woher kommst du? Du hast so einen krassen Dialekt.«
Ich hebe eine Augenbraue. »Für mich bist du diejenige, die mit einem krassen Dialekt spricht«, kichere ich und nehme ebenfalls Platz.
»Ich komme aus New York«, erwidert sie irritiert.
»Ich komme aus Georgia und glaube, die Gemeinde, aus der ich komme, steht auf keiner Landkarte, weil sie so verdammt klein ist«, erzähle ich trocken.
Shauna lacht auf. »Wow, so kleine Städte gibt’s?«
»Ich würde es nicht mal eine Stadt nennen, Kleinstadt vielleicht.« Um ehrlich zu sein, wäre mir jetzt ein Themenwechsel ganz lieb, denn hier kollidieren zwei vollkommen verschiedene Welten, allerdings möchte ich Shauna nicht nach wenigen Minuten vor den Kopf stoßen und schweige daher.
Sie legt den Kopf schief, dann betrachtet sie mich interessiert. »Ist das dein erstes Semester?«
»Ja, deines auch?«
»Nein, ich bin im zweiten, habe im Frühjahr angefangen, aber wohne jetzt erst hier im Wohnheim, weil meine WG aufgelöst wurde. Ich konnte mir die Bude allein nicht leisten, sonst wäre ich nicht hier«, erzählt sie wehmütig.
»Das tut mir leid für dich.« Ich ziehe meine Jeansjacke aus und werfe sie aufs Bett. »Aber vielleicht verstehen wir beide uns gut, dann ist es doch nur halb so schlimm, oder?«
Einmal mehr verzieht sie ihre vollen Lippen zu einem breiten Lächeln. »Es ist absolut nicht schlimm, du wirkst nett.«
Innerlich atme ich auf. Was für eine Erleichterung. Ich habe eher damit gerechnet, dass sie es für eine mittelschwere Katastrophe halten würde.
»Was wirst du studieren?«, fragt sie mir weiter Löcher in den Bauch.
»Medizin, und du?«
»Ich studiere Rechtswissenschaften, verdammt trockenes Thema, aber mich interessiert’s.«
Ich nicke langsam. »Klingt gut.«
»Ich treffe mich heute Abend mit ein paar Kommilitonen, um im Stardust feiern zu gehen, möchtest du mitkommen?«
Ich schüttle den Kopf. »Lieber nicht, ich habe eine ziemlich lange Fahrt hinter mir und möchte mich nur ausruhen.«
»Okay, vielleicht ein anderes Mal?«
»Klar, am Wochenende komme ich gerne mal mit, bis dahin bin ich auch mit den Einführungskursen durch und kenne mich vielleicht ein wenig auf dem Campus aus«, antworte ich lächelnd. Heute könnte ich vielleicht eine Stunde in einer Bar aushalten, aber keine ganze Nacht, dafür war die Fahrt von Georgia hierher zu lang.
»Alles klar, dann rocken wir am Freitag das Stardust.«
»Das ist doch eine Bar, oder?«
»Ein Club, aber ein cooler, und man kommt auch unter einundzwanzig rein, auch wenn man dann keinen Alkohol bekommt.«
»Na ja, man darf unter einundzwanzig auch nicht trinken«, sage ich vorsichtig.
Shaunas Gesichtszüge entgleisen. »Ernsthaft? Du hältst dich dran?«
»Schon«, nicke ich.
»Wow!« Sie pfeift – ob anerkennend oder abfällig, kann ich noch nicht sagen.
»Was ist daran so schlimm?«, möchte ich wissen, da ihre Reaktion mehr als irritierend für mich ist.
»Nichts daran ist schlimm, ich wundere mich bloß.« Sie schmunzelt. »Aber wenn ich es recht bedenke, ich habe auch mal so gedacht, bis ich hier an einen falschen Ausweis und in den Genuss von Caipirinhas kam.« Nun grinst sie mich an.
Vielleicht sollte ich mir auch so einen Ausweis besorgen, andererseits gibt’s bestimmt mächtigen Ärger, wenn ich damit erwischt werde.
»Ich besorge dir auch einen«, sagt sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen. »Und dann machen wir eine richtige Clubtour durch die Stadt.«
»In Ordnung«, erwidere ich leise, erhebe mich und hieve meinen Trolley aufs Bett. »Wo kann ich meine Sachen unterbringen?«
Shauna zeigt auf einen großen Kleiderschrank. »Ich habe meine Sachen ins linke Schrankelement gelegt.«
»Okay. Danke.« Ich fange an, meinen Koffer auszuräumen, während sie mir vom Campusleben erzählt. Es klingt ungemein interessant und nach einem spannenden Abenteuer, das ich von nun an für vier Jahre erleben werde.
***
Shauna lässt nicht locker, sie will mich heute Abend unbedingt mit ins Stardust nehmen. Und um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, was ich anziehen soll, – ich fühle mich definitiv nicht bereit dazu, mir die Nacht um die Ohren zu hauen. Andererseits hat sie inzwischen so viele Argumente vorgebracht, dass ich gar nicht mehr Nein sagen kann. Außerdem kann ich mich so wunderbar von Dave ablenken. Wir haben vor zwei Wochen Schluss gemacht, weil er nicht damit zurechtkam, dass ich in die Großstadt ziehe und für vier Jahre nur in den Ferien nach Hause komme. Er hätte es lieber gesehen, dass ich in Georgia auf ein Community College gehe, um in seiner Nähe zu sein, aber das wollte ich nicht. Ich wollte in die Großstadt, um dieses hektische Leben kennenzulernen. Ich war mir sicher und bin es noch, dass ich meine kleine Heimatstadt danach erst richtig zu schätzen weiß.
»Komm, gib dir einen Ruck, Marley«, bettelt Shauna, die vor mir steht.
Ihre Wodkafahne – sie glüht vor, wie sie es nannte – raubt mir fast den Atem. Ich seufze schwer. »Okay, ich komme mit, aber ich bleibe nicht lang.«
Shaunas Augen strahlen plötzlich. »Yay!« Sie drückt mir ihr Glas in die Hand. »Hier, trink das und lass mich dein Outfit zusammenstellen, wir müssten ja ungefähr die gleiche Größe haben.«
»Ähm …«
»Darf ich in deinen Kleiderschrank gucken? Vielleicht ist ja was drin, was ich vorhin nicht gesehen habe«, fährt sie mir über den Mund, tänzelt zum Schrank und reißt schwungvoll die Türen auf.
»Ähm«, wiederhole ich, doch sie plappert munter weiter darüber, dass mein Modegeschmack unterirdisch sei, weil ich Oberteile ohne weite Ausschnitte trage. Aber was soll’s? Sie ist sicher gut angetrunken, weshalb ich ihr keinen Vorwurf mache.
»Wow, das könnte klappen.« Sie dreht sich zu mir um und zeigt mir eines meiner Sommerkleider. »Das sieht bestimmt heiß aus.«
Ich mustere das weiße Kleid. »Das ist aber auch nicht besonders tief ausgeschnitten.«
»Ließe sich mit einer Schere und einer Sicherheitsnadel ändern, aber ich denke, das muss nicht sein. Es ist schön so, wie es ist«, sagt sie gut gelaunt. »Zieh es an.«
»Ich habe nur Boots mit, die passen sicher nicht dazu.«
Shauna lässt sich auf den Boden plumpsen. »Boots?«
»Ja.«
»Scheiße, Mann, kennt man bei euch keine High Heels?«, hakt sie entgeistert nach.
»Hm, ich bin einsachtundsiebzig groß, ich brauche keine High Heels.«
»Du brauchst definitiv High Heels.«
»Dann wäre ich ein Meter neunzig groß, das wäre zu viel.«
»Dann eben Pumps, aber ein Paar Schuhe mit Absätzen sollte jede Frau haben, Marley«, stößt sie aus. »Welche Schuhgröße hast du?«
»Achteinhalb«, erwidere ich.
»Gott sei Dank.« Sie steht auf und holt ein paar weiße Pumps aus ihrem Schrank. »Das ist Größe neun, die dürften vielleicht ein bisschen groß sein, aber du kannst vorne Taschentücher reinstopfen, damit sie passen.« Sie kommt zu mir, drückt mir die Schuhe in die Hand. »Probier sie an … oder warte, zieh dich um, schmink dich und dann probier die Schuhe an.«
»Aye, Ma’am«, entgegne ich kleinlaut, gebe ihr das Glas, aus dem ich nichts getrunken habe, zurück und hole weiße Unterwäsche aus meinem Teil des Kleiderschranks. »Wann willst du los?«
»So in einer Stunde.«
»Alles klar.« Dann reicht die Zeit noch für eine Dusche.
***
Geduscht, gestylt und mit einem dummen Gesichtsausdruck sehe ich mein Spiegelbild an. Ich erkenne mich selbst nicht mehr. Wie um alles in der Welt hat Shauna das hinbekommen? Meine sonst gekräuselten Locken fallen glatt über meine Schultern, meine Augen wirken katzenhaft, so sehr wandle ich auf dem schmalen Grat zwischen Smokey Eyes und Cracknutte – habe mal in einem Buch gelesen, dass besagte Damen häufig überschminkt sind – und meine Brüste wirken so unglaublich … groß. Wow. Einerseits gefalle ich mir, andererseits wird mich niemand wiedererkennen, den ich heute Abend möglicherweise kennenlerne.
»Gefällst du dir nicht?«, fragt Shauna, die mir bei meiner Musterung genau zugesehen hat.
Ich schaue sie überfragt an, schüttle den Kopf und hole Luft.
»Also nicht?«
»Doch, ich gefalle mir, aber ich fühle mich fremd, als wäre das nicht ich«, gestehe ich aufrichtig.
Daraufhin grinst sie. »Das war Sinn der Sache, immerhin musst du älter wirken, als du bist, sonst müssen wir um Mitternacht aus dem Club raus.«
»Ach so.« Nun fällt mir wieder ein, dass wir vorhin davon gesprochen hatten, dass das Stardust zwar Unter-Einundzwanzigjährige reinlässt, sie jedoch keinen Alkohol bekommen und gegen Mitternacht aussortiert werden.
»Hatte ich dir schon gesagt.«
»Ich weiß, aber ich hatte einen langen Tag und hab es vergessen.« Ich lächle scheu und widme mich noch einmal meinem Spiegelbild. »Wahnsinn, was du aus mir gemacht hast.«
»Das bisschen Schminke.«
Von wegen »ein bisschen«, ich fühle mich vollkommen zugekleistert und werde es wohl niemals nachmachen können, doch das möchte ich auch nicht. Mal so herumzulaufen ist okay, aber das wird nicht mein Standardlook, da ich unscheinbar bleiben möchte, um in Ruhe studieren zu können, statt mich vor Männern retten zu müssen – zwar wird mir das sowieso nicht passieren, aber sicher ist sicher. Immerhin ist ein Medizinstudium anspruchsvoll und erfordert meine vollkommene Aufmerksamkeit.
»Das dürften meine Freunde sein!«, ruft Shauna aufgeregt aus, nachdem es an der Tür geklopft hat.
»Wolltet ihr euch nicht woanders treffen?«
»Ach, ich hab vergessen, dir von der Planänderung zu erzählen, die vorhin zustande kam, als ich mit Daisy gesprochen habe«, erwidert sie, während sie zur Tür tänzelt.
»Oh, okay.«
»Du kannst schon mal deine Jacke anziehen.« Sie öffnet die Tür und ich stehe kurz vorm Hörsturz. Shauna und ihre Freundinnen kreischen so laut, dass es mir beinahe das Trommelfell zerreißt. Ich frage mich, ob meine Mädels und ich auch so waren, wenn wir uns abends zum Ausgehen getroffen haben. Bei uns gibt es keine Clubs wie in Chicago, dafür hatten wir allerdings andere Möglichkeiten, uns die Nächte um die Ohren zu schlagen.
»Darf ich euch Marley vorstellen? Sie kommt aus Georgia und fängt erst mit dem Studium an«, vernehme ich Shauna. »Marley?«
Ich drehe mich zu ihr um, dabei schlüpfe ich in meine Jeansjacke. »Hm?«
»Das sind von links nach rechts: Taylor, meine beste Freundin, Alex, mein bester Freund, Emma, Lucy und Jax, mein Cousin.«
»Hi«, sage ich allgemein in die Runde, da ich ein furchtbar schlechtes Namensgedächtnis habe. Ich werde sie über den Abend einfach durch ihre Eigenschaften, die ich bis dahin kenne, zu unterscheiden versuchen.
»Freut mich«, sagt Alex, der unwahrscheinlich gut aussieht, Jax ebenso. Ich frage mich, ob sie mit einem der Mädels liiert oder noch zu haben sind, aber nicht, weil ich an einem von ihnen interessiert bin, bloß aus Neugier.
»Können wir dann?«, erkundigt sich Taylor, die ungeduldig wirkt.
»Meinetwegen schon«, erwidere ich, da ich alles bei mir habe, was ich brauche. Geld habe ich ebenso wie mein Handy und die Schlüssel zum Wohnheim und zum Zimmer in einer kleinen gehäkelten Handtasche. Ich habe sie mal im Kunstunterricht gemacht, da mir die Handtaschen, die damals modern waren, nicht gefallen haben.
»Ich bin auch fertig.« Shauna schnappt sich eine Lederjacke und ihre Tasche, dann schiebt sie schon ihre Freunde aus unserem Zimmer.
Ich folge ihnen unsicher, da ich dachte, es wären nur Frauen dabei, und die beiden Männer mich überfordern.
»Taxi oder zu Fuß?«, fragt Jax, dessen tiefe Stimme in meinen Ohren summt.
»Zu Fuß«, antworten die anderen im Chor, während ich mich der Stimme enthalte. Ich kenne mich sowieso nicht in der Stadt aus, weshalb ich auf sie angewiesen bin.
Noch immer folge ich den anderen durch die Stadt, inzwischen haben wir uns ein gutes Stück von der Uni entfernt, doch sehe ich noch keine Leuchtreklame, die auf einen Club namens Stardust hindeutet. Herrgott, ich hätte nicht mitkommen sollen, denn schon jetzt tun mir die Füße höllisch weh, außerdem bin ich hundemüde. Ich bin froh, dass ich morgen ausschlafen kann, statt mich früh morgens zu den Einführungskursen schleppen zu müssen.
»Woher kommst du, Marley?«, fragt Alex, der sich von der Gruppe gelöst hat, damit ich ihnen nicht wie ein Schoßhund folge.
»Aus Georgia, und du?«
»Aus New York.«
»Kennst du Shauna von dort?«
»Ja, wir waren gemeinsam auf der Highschool, Taylor ebenfalls, und Jax und ich kennen uns seit dem Kindergarten. Emma und Lucy sind erst hier auf dem College zu uns gestoßen«, erzählt er.
»Okay.«
»Interessiert dich nicht, hm?«
Ich schaue zu ihm hoch. »Doch … schon«, stammele ich.
»Aber?«
»Ich … kenne euch … doch gar nicht.«
Alex verzieht seine schmalen Lippen zu einem breiten Grinsen. »Lern uns eben kennen.«
Daraufhin lächle ich. »Werde mir Mühe geben.«
»Braves Mädchen.«
Ich unterdrücke den Drang, eine Augenbraue zu heben, denn »braves Mädchen« sagt man zu einem Pferd oder einem anderen Tier, aber nicht zu einer jungen Frau – jedenfalls meiner Meinung nach. Wäre ich in der Stimmung, würde ich ihm nun einen verbalen Einlauf verpassen, aber zum Glück bin ich zu müde und somit nicht in der Gefahr, die zerbrechlichen Bande, die ich bisher geknüpft habe, zu zerstören.
***
Die Bässe dröhnen in meinen Ohren und um mich mit den anderen zu unterhalten, muss ich schreien, weshalb ich mich an den Tisch, den wir besetzt haben, gesetzt und mich in meinen Cocktail vertieft habe. Man schmeckt den Alkohol gar nicht, jedoch befürchte ich, dass ich ihn morgen in meinem Kopf, der mir wegen der Technomusik bereits wehtut, spüren werde.
»Marley?«, brüllt Shauna, die von der Tanzfläche zurückgekehrt ist.
»Ja?«
»Willst du tanzen?«
»Kann ich nicht«, rede ich mich heraus, denn solche Musik habe ich noch nie gehört, wie soll ich dann dazu tanzen können, ohne wie ein Eichhörnchen auf Koks zu wirken?
»Komm schon, du musst nur meine Bewegungen nachmachen!«
Erneut winke ich ab und rutsche von meinem Hocker. »Ich hole mir noch was zu trinken. Will noch jemand was?«
»Du kannst mir ein Bier mitbringen«, ruft Jax und zeigt auf seine leere Flasche. Einer der beiden Männer ist immer bei mir geblieben, sie versuchten sogar, mich in ein Gespräch zu verwickeln, doch war ich zu schüchtern, um es am Laufen zu halten. Ich konnte nun mal nicht vollkommen cool reagieren, als sie mich unabhängig voneinander nach meinen nicht jugendfreien Erfahrungen fragten. Ich überlege seitdem, ob sie immer so … offen sind oder es am Alkohol liegt.
»Soll ich mitkommen?«, fragt Emma.
»Ich komme schon klar.« Ich schiebe mich an ihr und Alex vorbei, um mich durch weitere Gäste zu kämpfen, die mir den Weg zur Theke versperren. Mit einem derart großen Publikum verstößt der Besitzer sicher gegen die Brandschutzbestimmungen und ich hoffe, dass hier kein Feuer ausbricht. Der Club ist beeindruckend, sogar Tänzer stehen auf erhöhten Podesten und heizen neben dem DJ die Gäste an, aber es ist absolut nicht mein Musikgeschmack.
Minuten später habe ich die Theke erreicht. Mühsam versuche ich, den Barkeeper auf mich aufmerksam zu machen, aber ich bin wohl zu unscheinbar. Wann immer ich ihn zu mir winke, sieht er geradewegs durch mich durch.
»Steve!«, ruft ein Mann neben mir.
»Was kann ich dir bringen, Corey?«
Ich schnaube. »Eigentlich stehe ich länger hier!«, rufe ich dem Barkeeper zu.
Neben mir wird gelacht. »Zwei Bier und was die Kleine will, damit sie nicht weiter hier rumsteht!«
Ich hebe meinen Blick, um meinen Retter anzusehen.
Er lächelt zu mir runter und für einen Moment setzen mein Hirn und mein Herz aus. Was für ein verdammt heißer Typ, aber ich spüre auch eine Gefahr, die von ihm ausgeht! »Was willst du trinken?«
»Ein Bier und eine Cola.«
»Gib mir drei Bier und eine Coke«, fordert er den Barkeeper auf.
Es dauert nur einen Moment und drei Flaschen Bier sowie meine Cola stehen vor uns auf der Theke. »Danke.«
»Gern.«
Ich möchte bezahlen, doch die beiden Männer winken ab.
»Geht auf mich, als Entschädigung dafür, dass ich mich vorgedrängelt habe«, lächelt der neben mir und schiebt mir meine Getränke zu.
»Danke, äh … wie war dein Name noch gleich?«
»Corey … Corey Connor und wer bist du?«
Ich strecke meine Hand aus, doch er ignoriert sie. Von Höflichkeit hat man in diesem Club wohl noch nichts gehört. »Marley Bennett.«
»Freut mich, Kleines, genieß dein Bier und deine Cola.«
»Danke«, entgegne ich, als er sich bereits umgedreht und mich stehen gelassen hat. Er ist echt unhöflich, aber so sexy. Groß, breite Schultern, etwas zu lange schwarze Haare und Augen so grün wie Smaragde – ein Wunder, dass ich es in diesem schlechten Licht überhaupt erkannt habe. Und seine Ausstrahlung wirkt so … gefährlich. Nur wenige Augenblicke mit ihm haben gereicht, um meine Alarmglocken schrillen zu lassen.
»Der Sohn vom Chef hat Eindruck hinterlassen, was?«, fragt jemand hinter mir.
Ich drehe mich um. »Wie bitte?«
Der Barkeeper wiederholt seine Frage.
»Oh … ähm … nicht doch.«
»Deshalb starrst du ihm auch hinterher«, schmunzelt er.
Desinteressiert zucke ich mit den Schultern, nehme die beiden Getränke an mich und mache mich auf den Weg zu den anderen. Hoffentlich haben sie den Tisch nicht verlassen, sonst finde ich sie sicher nicht wieder.
Bemüht, mich nicht mit Bier oder Cola zu übergießen, während ich den Gästen ausweiche, gerate ich immer tiefer in die Meute, statt meine Begleiter wiederzufinden. Herrgott, worauf habe ich mich nur eingelassen? Ich hätte im Wohnheim bleiben sollen, aber nein, ich habe mich breitschlagen lassen, um mich jetzt in einer pulsierenden Masse von wedelnden Körperteilen zu verlieren. Man wird verrückt dabei, den Armen auszuweichen, die die Tanzenden hochreißen, wann immer der Beat sie dazu bringt. »Passt doch auf!«, herrsche ich zwei Frauen an, die sich noch weniger um ihre Umgebung kümmern als die anderen.
Eine von ihnen hebt ihre rechte Augenbraue, während die andere dümmlich grinst. »Verpiss dich, du Spaßbremse!«, schnauzt die mit der gehobenen Augenbraue zurück.
Memo an mich: Du hättest aufs Community College in Georgia gehen sollen, sagt meine innere Stimme, während ich den Kopf schüttle.
»Sag mal, willst du Ärger oder warum stehst du noch hier?«, hakt sie nach, doch ich ignoriere jeden Versuch, mich stressen zu lassen.
Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, mache ich mich erneut auf die Suche nach Shauna und ihren Freunden. Weit können sie nicht gekommen sein, allerdings sehen hier alle gleich aus, weshalb ich sie in der Menge, die vom Neonlicht angestrahlt wird, nicht erkennen kann – und ich war der Meinung, dass eine auffällige Frau wie Shauna nicht verloren gehen kann.
Ich habe keine Ahnung, wie lange ich durch den Club geirrt bin, aber weder habe ich Shauna noch einen ihrer Freunde gefunden. Ich war schon kurz davor, mich beim DJ zu melden, damit er sie ausruft, aber habe mich dagegen entschieden, um nicht gleich als Witzfigur abgestempelt zu werden. Nun stehe ich an der Seite, schaue mich immer wieder um und trinke vor lauter Frust das schal gewordene Bier, das ich für Jax geholt hatte. Es schmeckt bitter, keineswegs erfrischend, und ich weiß jetzt schon, dass ich niemals eine Freundin dieses Getränks werde.
»Da ist ja die Kleine von der Bar«, vernehme ich eine fremde Stimme, aber es kann nur einer sein.
Ich hebe meinen Blick. »Und da der Mann, der sich einfach vorgedrängelt hat.«
»Nimmst du es mir immer noch übel?«, fragt er lächelnd und wegen des Lichts wirken seine Zähne blau.
»Ich … Nein, tue ich nicht.« Meine Aussage untermauere ich mit einem heftigen Kopfschütteln.
»Bist du ganz allein hier?«, fragt Corey.
Hitze steigt in meine Wangen, die anfangen zu glühen. »Nein, ich … habe meine Freunde verloren.«
Corey presst seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, doch im nächsten Moment bricht alles aus ihm heraus. Er lacht und ich weiß genau, dass ich der Grund für seine Belustigung bin. »Wie kann man seine Freunde verlieren? So groß ist der Club doch gar nicht!«
Peinlich berührt kratze ich mit dem Zeigefinger meine Schläfe. »Tja, mir ist es gelungen und ich denke, ich sollte noch einen Versuch wagen, sie zu finden.« Ich wende mich ab und möchte ihn stehen lassen, doch Corey greift nach meinem Handgelenk. »Sorry, dass ich gelacht habe. Wenn du mir sagst, wer deine Freunde sind, suche ich mit dir.«
»Ich glaube kaum, dass du sie kennst.«
»Sag’s mir einfach, dann werden wir sehen, ob ich sie kenne oder nicht.«
»Meine Freundin heißt Shauna und ihre Freunde heißen Alex, Jax, Emma, Lucy und Taylor.«
Überrascht hebt Corey eine Augenbraue. »Also die Gruppe kenne ich und die stehen an der Bar, hab sie noch vor ein paar Minuten dort gesehen.« Er deutet mir den Weg dorthin.
»Danke, Corey.«
»Gern, Harley.«
»Marley.«
»Habe ich doch gesagt«, erwidert er grinsend.
Ich verdrehe die Augen, komme aber nicht um ein Lächeln herum. »Na klar.«
»Na los, hau schon ab«, verlangt er, fährt sich dabei durch die Haare und scheint auf etwas vollkommen anderes konzentriert zu sein als auf mich.
Ich folge seinem Blick. »Wow.«
»Was?«
»Du flirtest mit dieser Blondine, während wir uns unterhalten?«, hake ich irritiert nach.
»Was spricht dagegen?«, fragt er unbeeindruckt.
»Nichts, außer einer gewissen Etikette.«
»Tja, nie von gehört und nun hau ab zu deinen Freunden, bevor du sie wieder suchen musst«, erwidert Corey grinsend, dabei zwinkert er der Blondine zu.
Kopfschüttelnd und darüber murrend, wie unverschämt und arrogant dieser Kerl ist, mache ich einen Schritt auf die Tanzfläche, die ich überqueren muss, um an die Bar zu gelangen, doch lasse ich es mir nicht nehmen, ihn mit meiner Schulter anzurempeln.
»Pass doch auf«, sagt er aufgebracht und dann sehe ich den großen Fleck auf seinem Shirt.
»Das tut mir aber leid … Vielleicht saugt die Blondine ja den Bierfleck aus deinem Hemd«, kontere ich amüsiert, wende mich ab und schiebe mich schließlich ein weiteres Mal durch die Tanzenden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit habe ich es geschafft und stehe fast an der Bar, nun sehe ich auch endlich Alex und Jax.
»Da bist du ja, Marley, wir wollten schon einen Suchtrupp losschicken!«, ruft Shauna aus.
»Sorry, ich scheine mich auf dem Weg zu euch irgendwie verlaufen zu haben und dann stand ich dort hinten.« Ich deute zu Corey, der mit der Blondine von vorhin auf einem Podest steht und tanzt. Scheint so, als würde sie heute nicht nur das Bier aus seinem Shirt saugen, denke ich verbittert und erschrecke vor meinem Gedanken.
»Du hast bei Corey Connor gestanden?«, hakt Emma nach.
Ich schaue zu ihr, nicke. »Ja, und mich sogar kurz mit ihm unterhalten.«
»Krass, erst einen Tag in der Stadt und schon den begehrtesten Kerl des Campus auf sich aufmerksam gemacht«, lacht Lucy.
»Das war nicht meine Absicht, wir … er … Egal«, stammele ich und stelle das abgestandene Bier auf den Tresen. »Ich bin ziemlich müde und habe Kopfweh vom Flashlight, ich haue ab.«
»Es ist noch nicht mal ein Uhr«, hält Shauna dagegen.
»Ich weiß, aber ich war stundenlang mit dem Bus unterwegs und kann echt nicht mehr«, erwidere ich und untermale meine Aussage mit einem herzhaften Gähnen.
»Okay, sollen wir mitkommen oder nimmst du dir ein Taxi?«
Ich denke einen Moment nach. »Ich nehme mir ein Taxi.« Allerdings will ich mein hart erarbeitetes Geld nicht für ein Yellow Cab ausgeben, ich werde zu Fuß gehen und dabei hoffentlich die Gedanken an Corey aus meinem Kopf verdrängen. »Wir sehen uns, Leute«, verabschiede ich mich von ihnen.
»Warte, ich komme mit«, sagt Alex, verabschiedet sich ebenfalls von seinen Freunden und kommt an meine Seite. »Bis morgen, Leute.« Anschließend ergreift er meine Hand und führt mich zum Ausgang. Immerhin. Allein hätte ich mich sicher wieder in diesem Club verirrt.
»Willst du deine Jacke nicht anziehen?«, fragt er, nachdem wir das Stardust verlassen haben, dabei deutet er auf die Jeansjacke, die ich über meinen Arm gelegt habe.
»Gleich, erst mal muss ich ein wenig abkühlen«, antworte ich, als wir uns vom Club entfernen.
»Also Georgia, hm?«
»Ja, Georgia.«
»Wie ist es dort so?«
»Ländlich, zumindest die Kleinstadt, aus der ich komme.«
»Welche ist es?«
»Ich bezweifle, dass du sie kennst, Alex.«
»Na gut, aber ich hätte sie googeln können«, schmunzelt er.
Ich reiße die Augen auf. »Bloß nicht, du würdest einen Schock kriegen, weil es dort nicht mal einen Club oder eine Uni gibt, dafür muss man stundenlang fahren«, rede ich es ihm aus, denn sollte er wirklich Google bemühen und die Website der Stadt finden, bin ich am Arsch.
»Wieso nicht?«
»Weil es absolut langweilig ist.«
»Langweilig? Das kann ich mir nicht vorstellen.«
»Doch, das ist es, glaub mir einfach.« Oh bitte, frag nicht weiter, sonst weiß ich nicht, ob ich den Mund halten kann. Ich will nicht, dass er die Fotos von mir als Maiskönigin sieht oder jene, die mich in meinem Cheerleader-Outfit zeigen. Das alles ist Schnee von gestern und so bin ich nicht mehr. Ich habe mich verändert, seit ich vor zwei Jahren die Cheerleader und das Festtagskomitee verlassen habe. Ich war die Einzige unter meinen Freundinnen, die nicht mehr dabei sein wollte, weil ich Zeit fürs Lernen brauchte. Sie hatten, auch ohne sich den Unterrichtsstoff anzusehen, gute Noten – ganz im Gegensatz zu mir.
»Na gut, aber vielleicht sagst du es mir, wenn wir uns besser kennen.« Er schenkt mir ein Lächeln, das seine blauen Augen zum Strahlen bringt.
»Vielleicht.« Meine Stimme ist so leise, dass ich sicher kaum zu verstehen bin, aber warum hat er auch so eine beeindruckende Erscheinung? Ich hoffe, dass ich nicht das Opfer meiner Libido werde, solange ich auf dem College bin! Jeder Typ, der mir heute Abend begegnet ist – klar, es gab Ausnahmen –, war heiß, doch außer Corey, Jax und Alex hat niemand mit mir gesprochen. Vielleicht versprühe ich ja den Duft einer Landpomeranze oder ich bin einfach nicht interessant genug, immerhin hat Corey mit einer anderen geflirtet, während ich mich mit ihm unterhalten habe. Fuck, du hast schon wieder an ihn gedacht, ermahne ich mich im Stillen.
»Du redest nicht besonders viel, hm?«
Noch einmal schaue ich zu Alex hoch. »Ich rede eigentlich nur, wenn ich etwas zu sagen habe.«
»Das ist außerordentlich …«
»Was? Dumm, uninteressant, nicht weiblich genug?«, hake ich etwas zu schnippisch nach.
Alex hebt abwehrend die Hände. »,Erfrischend‹ wollte ich sagen, komm mal wieder runter, Marley.«
Ein schweres Seufzen stiehlt sich über meine Lippen. »Sorry, ich bin bloß so müde und ich hätte nicht gedacht, dass ich, bis auf Shauna und euch, nur unfreundlichen Leute begegne.«
»Corey Connor war unfreundlich zu dir?«
»Ja, aber halb so schlimm, ich hatte bloß etwas anderes von der Großstadt erwartet.«
»Corey Connor ist ein Arschloch, du solltest ihm aus dem Weg gehen, denn er ist nicht gut für dich«, sagt Alex mitfühlend.
»Woher … Vergiss es.«
Alex schnaubt verächtlich. »Eine Kommilitonin von mir hatte mal etwas mit ihm und für sie war er alles andere als gut. Ihre Noten legten eine Talfahrt hin, sie selbst stürzte ab, und er hat sie einfach fallen lassen.«
»Was heißt, sie stürzte ab?«
»In solchen Clubs tanzen die Leute keine drei Stunden am Stück, weil sie so gut trainiert sind, Marley, mehr möchte ich dazu nicht sagen«, erwidert er und sieht erneut auf meine Jacke. »Du solltest sie wirklich anziehen.«
Moment mal, er wechselt das Thema! Dabei sind wir noch gar nicht damit durch. »Du meinst, sie hat Drogen genommen?«, frage ich weiter, als ich im Gehen meine Jacke anziehe.
»Hat sie und ich bin immer noch der Meinung, dass Corey sie damit angefixt hat.«
»Sie hat gefixt?« Meine Stimme klingt schrill.
»Nein«, beruhigt er mich. »Aber sie hat verschiedene Pillen geschmissen und ich bin immer noch der Meinung, dass sie die von Corey hatte.«
Irgendwie kann ich es mir nicht vorstellen, aber andererseits kann ich mir nicht erklären, wieso Alex mich anlügen sollte.
»Ist dir wärmer?«
»Mir war gar nicht kalt, aber ja, mit der Jacke ist es etwas angenehmer«, antworte ich aufrichtig, als wir an einer Ampel stehen bleiben.
»Das ist die Hauptsache.«
Ich nicke knapp, während meine Gedanken erneut zu Corey Connor abschweifen. Scheiße, Mann! Wieso geht mir der Kerl einfach nicht aus dem Kopf? Dave konnte ich auch aus meinen Gedanken verbannen, nachdem wir Schluss gemacht hatten – auch wenn wenig später das böse Erwachen in Form von Trauer kam −, aber mit Corey will es mir nicht gelingen und ihn kenne ich nicht einmal. Bisher weiß ich bloß, dass er wenig hilfsbereit und verdammt arrogant ist. Ein Arschloch eben. Genau die Sorte Mann, vor der mich meine Freundinnen und meine Mom gewarnt haben. Verboten und doch so verführerisch. Nennt mich Eva, Corey die Schlange und am besten schmeißt man mir noch einen Apfel zu, den ich anbeiße, um schließlich aus dem Paradies eines geordneten Lebens zu fliegen.
»Erde an Marley, Erde an Marley«, sagt Alex amüsiert.
Ich schüttle den Kopf in der Hoffnung, die Gedanken aus ihm zu verbannen. »Hm?«
»Es ist grün.«
Ich schaue auf das Verkehrssignal. »Oh.« Wir gehen weiter.
»Du redest nicht viel und verlierst dich gerne in deinen Gedanken …«
»Ist das schlimm?«, frage ich beschämt, weil meine Mom es immer als unhöflich abgetan hat, wenn es mir passiert ist.
»Nein, ganz und gar nicht. Gefällt mir sogar ganz gut. Es ist mal etwas anderes, als immer nur das Geplapper über Mode und Make-up anzuhören.«
Ich kichere. »Du hängst wohl zu viel mit Mädels rum.«
»Geht so, mehr mit Jax, aber da er mit Taylor zusammen ist, muss ich sie und Shauna gezwungenermaßen auch dann ertragen, wenn mir der Kopf nicht danach steht, die neuesten Mode- und Make-up-Trends zu erfahren«, sagt er lachend.
»Ich dachte, du bist Shaunas bester Freund.«
»Bin ich auch, aber man muss doch nicht alle Facetten einer Person schätzen. Sie mag zum Beispiel nicht meine Vorliebe für Kampfsport und nörgelt ständig daran herum.«
»Welche Art Kampfsport?«
»Boxen, Karate, MMA.«
»Mixed Martial Arts?«, hake ich nach, denn das hat es sogar bis in mein kleines Heimatkaff geschafft. »Ich habe es immer wieder im Fernsehen angeschaut, bin sogar heimlich für die Übertragungen wach geblieben, obwohl ich für Klausuren hätte ausgeschlafen sein müssen.«
»Ja.«
»Wahnsinn, und ich dachte, ich bin die Einzige, der das gefällt.«
Alex lacht erneut auf. »Na ja, es wäre nicht so erfolgreich, wenn nur du darauf stehen würdest.«
Ich verziehe das Gesicht zu einer Grimasse und strecke ihm die Zunge raus. »Nicht? Ich dachte, das würde es nur geben, weil ich es so gern gucke«, erwidere ich schließlich sarkastisch.
»Oh, entschuldigt bitte, Eure Hoheit, ich vergaß, dass es diesen Sport wirklich nur gibt, um Euch zu belustigen«, geht er ebenso sarkastisch darauf ein.
Wir brechen in Gelächter aus, als wir den Campus betreten.
»Endlich mal jemand, mit dem ich scherzen kann, von den anderen Mädels werde ich immer kindisch genannt, wenn ich damit anfange«, erzählt er.
»Das Leben wäre nur halb so bunt, wenn man sich den Humor verkneifen würde.«
Er nickt zustimmend. »Stimmt.«
»Sonst hätte ich es nicht gesagt«, erwidere ich und zwinkere ihm zu.
Wir erreichen das Wohnheim nach ein paar weiteren Schritten. »Möchtest du vielleicht noch einen Kaffee mit mir trinken?«, erkundigt sich Alex.
Ich schüttle den Kopf. »Heute nicht mehr, ich bin wirklich todmüde, aber vielleicht können wir uns morgen zum Kaffee treffen.«
»Klar, wenn du willst, hole ich dich morgen Nachmittag ab.«
»Gegen zwei?«
»Ja, wieso nicht? Ich kenne ein gutes Café in der Nähe, wo es den besten Kaffee weit und breit gibt.«
»Alles klar, dann bis morgen, Alex.«
»Bis morgen, Marley.« Er umarmt mich fest, was ich nur flüchtig erwidere, um mich dann von ihm zu lösen.
»Gute Nacht«, sage ich etwas irritiert, als ich die Treppe zum Wohnheim hochgehe und den Schlüssel aus meiner Häkeltasche krame.
Ich spüre, dass Alex hinter mir steht. Scheinbar wartet er, bis ich im Wohnheim bin, um sicherzugehen, dass mir nichts mehr passieren kann.
Als ich die Tür geöffnet habe, drehe ich mich zu ihm um, winke und verschwinde lächelnd ins Innere. Durchatmend schließe ich einen Moment die Augen, dann mache ich mich auf den Weg in Shaunas und mein Zimmer. Ich freue mich wahnsinnig aufs Bett, hoffe allerdings, dass ich nicht zu lange brauche, das Make-up zu entfernen.
***
»An albino!«, schmettert Shauna den wohl bekanntesten Song von Nirvana lauthals mit und weckt mich somit auf.
Mein Schädel dröhnt, was ich auf die Cocktails und das abgestandene Bier des Vorabends schiebe. »Geht das nicht leiser?«, frage ich maulend.
»Hast du einen Kater?«
»Fürchte, ja«, erwidere ich, nachdem ich mich aufgesetzt habe. »Könntest du diesen grölenden Kurt Cobain bitte leiser drehen?« Ich mag dieses Lied, aber nicht am frühen Morgen und viel weniger noch, wenn ich das Gefühl habe, dass mir jeden Moment der Kopf platzt.
Shauna schaltet die Musik ganz ab. »Immer so mies drauf, wenn du einen Kater hast?«
»Keine Ahnung.«
Ihre Gesichtszüge entgleisen. »Nicht?«
Ich schüttle vorsichtig den Kopf. »Nein, weil es mein erster Kater überhaupt ist.«
»O mein Gott«, stößt sie aus und lacht anschließend. »Du hast mein vollstes Mitgefühl, der erste Kater ist der schlimmste, weil man nicht weiß, wie man ihn bekämpfen kann.« Sie steht auf und holt etwas aus ihrem Schreibtisch. »Hier nimm die mit viel Wasser, von dem du heute überhaupt viel trinken solltest, dann wird’s besser.« Sie wirft mir eine Aspirin zu.
»Danke.« Ich kämpfe mich mühsam aus dem Bett und wanke in das kleine Badezimmer. Die Tablette spüle ich mit einer Menge Wasser runter und hoffe, dass sie schnell wirkt, andernfalls sage ich den Kaffee mit Alex ab. Oh, Scheiße! Ich habe nicht mal seine Handynummer, um ihm eine SMS zu schreiben, falls ich mich wirklich für eine Absage entscheide. »Shauna?«
»Anwesend!«
»Kannst du mir Alex’ Nummer geben?«
Sie kommt an die Badezimmertür. »Warum?«
»Wir sind um zwei zum Kaffee verabredet, aber sollte es mir nicht besser gehen, will ich absagen, und das, bevor er hier vor der Tür steht«, erkläre ich notgedrungen.
»Wow, der erste Abend in Chicago hat dir gleich ein Date eingebracht«, sagt sie grinsend.
»Wir wollen nur einen Kaffee trinken gehen.«
»Alex ist kein Kaffeetrinker, also ist es ein Date.« Ihr Grinsen will einfach nicht verschwinden.
Ich seufze schwer. »Könntest du mir bitte seine Nummer geben?«
»Klar, ich schreibe sie dir gleich auf.« Sie sieht mich von oben bis unten an. »Du solltest ganz klar eine Dusche nehmen, du siehst aus, als wärst du von den Toten auferstanden.«