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Vierundzwanzig weihnachtliche Geschichten zur die Adventszeit für die ganze Familie.
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Seitenzahl: 148
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O Nadelbaum
Fussels erstes Weihnachtsfest
Der Wunschbaum
Hilfe, der Adventskranz brennt
Weihnachtsmarkt im Birkenhof
Der Nikolaus kommt
Jonte
Oma Immi
Silas
Urlaub statt Weihnachten
Der verlassene Engel
Eierpunsch und mehr
Der Weihnachts-Teddy
Ein Kater auf Abwegen
Versöhnung unterm Tannenbaum
Geheimnisse
Ein Weihnachtsgeschenk für Oma
Ein Weihnachtsmärchen
Das vertauschte Paket
Engeltaxi
Geschenke für das Jesuskind
Weihnachten - niemals ohne Single Malt
Corona gibt es auch im Himmel
Wirbel am Heiligabend
„Der neueste Trend zum Weihnachtsfest geht jetzt dahin, dass man den Tannenbaum schon zum ersten Advent aufstellt. Dann hat man wenigstens was davon, außerdem kann man ihn sogar als Adventskalender nutzen. Was hältst Du davon?“, fragte Juli ihren Mann.
Der schüttelte nur den Kopf: „Vier Wochen und länger um eine geschmückte Tanne, die uns im Wohnzimmer nur im Wege steht, herumlaufen müssen? Ich weiß nicht, so recht...“, antwortete Gunnar unschlüssig.
Aber er kannte seine Eheliebste. Wenn sie sich etwas in ihr hübsches Köpfchen gesetzt hatte, dann fand sie in der Regel auch Mittel und Wege es durchzusetzen. So hatte sie in den fünf Jahren ihrer Ehe zu jeder Saison neuen Weihnachtsschmuck gekauft, je nachdem welche Farbe in dem Jahr gerade angesagt war. Im Keller standen schon etliche Kartons mit klassischen goldenen, silberfarbenen und knallbunten Kugeln, Strohsternen, Engeln und Schleifen in diversen Farben. Im Jahr zuvor hatte er im letzten Moment gerade noch verhindern können, dass sie auch noch diese kitschigen amerikanischen Accessoires für den Weihnachtsbaum kaufte. Die grellbunten Anhänger in Form von Obst oder Gemüse, Autos und alten Telefonen fand er einfach scheußlich. Ebenso wenig gefielen ihm die hässlichen Tiere, die zu allem Überfluss auch noch rote Zipfelmützen mit weißem Fellrand trugen Die Vorstellung einen so verunstalteten Weihnachtsbaum anschauen zu müssen konnte er nicht ertragen. Schmollend hatte Juli sich überreden lassen davon Abstand zu nehmen. Sie wollte unbedingt „trendy“ sein, so wie ihre, in seinen Augen etwas überspannte, beste Freundin Sophia. Er seufzte. Aber wenn es sie glücklich machte, sich schon Ende November eine Tanne ins Haus zu holen, dann wollte er ihr den Spaß daran nicht verderben. Damit konnte Gunnar leben.
„Gibt es denn jetzt schon Weihnachtsbäume zu kaufen?“ erkundigte er sich, als seine Frau Mitte November auf das Thema zurück kam.
„Im Baumarkt habe ich welche gesehen“, gab sie zurück.
Damit war die Sache entschieden, dass wusste er genau.
„Also gut, dann fahren wir am Wochenende hin und holen uns einen Baum. Ist Dir das recht?“, schlug er vor.
Damit gab Juli sich zufrieden. Eifrig überlegte sie, ob es sinnvoll wäre, den Baum gleich zu schmücken oder ob er bis kurz vor dem Fest zunächst nur als Adventskalender genutzt werden sollte. Da seine Frau immer Wünsche hatte, war es für Gunnar nicht schwierig vierundzwanzig kleine Päckchen für sie zu packen, damit sie jeden Tag eine Überraschung vom Baum pflücken konnte. Er hatte in ihrer Lieblingsparfümerie mehrere Parfüm- und Cremeproben bekommen und einen kleinen Schlüsselanhänger mit Schutzengelmotiv gekauft. Den hatten sie beide beim letzten gemeinsamen Stadtbummel in Schaufenster gesehen, und Juli war davon ganz entzückt gewesen. Die restlichen Tage würde sie einige weihnachtliche Süßigkeiten in ihren Päckchen finden. Damit konnte man sie immer beglücken. In den letzten Jahren hatten sie im Flur eine Leine gespannt, an die jeder von ihnen für den Anderen vierundzwanzig Päckchen gehängt hatte. In diesem Jahr sollten diese Gaben an den Weihnachtsbaum gehängt werden.
„Heiligabend fällt in diesem Jahr auf einen Montag. Ich würde vorschlagen, dass wir den Baum dann am vierten Advent dekorieren“, meinte Juli.
Auch damit war Gunnar einverstanden. Also wurde der aus dem Baumarkt geholte Baum gleich ins Haus geholt und dort aufgestellt.
„Sieht prima aus“, fand Juli zufrieden. „Ich hole gleich meine Päckchen für Dich. Hast Du auch schon einige fertig?“
„Ich habe noch nicht alle zusammen, aber ich werde in den nächsten Tagen die restlichen Päckchen noch dran hängen“, versprach Gunnar.
„In Ordnung, aber ich habe schon alles vorbereitet!“ verkündete Juli stolz.
Wenig später hingen ihre Päckchen am Baum. Alle mit blauen Schleifen, so wie jedes Jahr, Gunnar war zu diesem Zweck die Farbe Rot zugeteilt worden. Er hatte erst die Hälfte verpackt, aber als alle Geschenke am Baum hingen, sah es wirklich gut aus, das musste Gunnar zugeben. Und Juli war zufrieden, das war das Wichtigste. Am nächsten Tag kaufte er noch einige Süßigkeiten, um auch für sie jeden Tag eine Kleinigkeit zu haben. So vergingen die Tage bis kurz vor dem zweiten Advent. Der Baum war inzwischen natürlich nicht mehr ganz so frisch und durch die Wärme im Haus, hatte er auch begonnen ein paar Nadeln abzuwerfen. Eines Abends betrachtete Juli ihn skeptisch und meinte: „Jetzt, wo nur noch so wenige Päckchen dran hängen, sieht der Baum etwas kahl aus, finde ich. Wir sollten einige Kugeln dazu hängen und vielleicht auch schon Kerzen aufstecken. Was meinst Du?“ „Wenn Du willst, können wir das gern tun“, gab Gunnar ihr recht.
Also wurden die goldenen Kugeln und einige Strohsterne aus dem Keller nach oben geholt und der Tannenbaum damit aufgeputzt. Am Ende dieser Aktion hatte er wiederum etliche Nadeln verloren.
„Vielleicht sollten wir mit dem restlichen Baumschmuck und den Kerzen doch lieber noch warten“, fand Juli.
Gunnar widersprach nicht, er fürchtete ohnehin, dass sie noch einmal einen neuen Baum kaufen mussten, aber diese Einsicht behielt er wohlweislich für sich. Dann rief einige Tage später Juli´s Freundin Sophia an und teilte ihnen mit, dass sie sich einen Hund angeschafft hatte. Ein weiblicher Mischlingswelpe war es, in den sie sich „auf den ersten Blick total verliebt“ hatte, wie sie es ausdrückte.
„Leah heißt die Kleine und sie ist total verspielt“, schwärmte sie am Telefon. „Natürlich macht Leah noch Dummheiten, aber sie ist schon stubenrein. Die Züchterin wollte ursprünglich, dass ich sie nach den Feiertagen abholen sollte, aber ich wollte sie unbedingt so schnell wie möglich bei mir haben. Ich würde sie Euch sehr gern vorstellen. Dürfen wir bald mal bei Euch vorbeikommen?“
„Klar, wie wäre es, wenn Du gleich morgen Nachmittag mit ihr herkommst? Unser Weihnachtsbaum steht schon. Wir machen es uns richtig gemütlich“, freute sich Juli.
Pünktlich am nächsten Tag klingelte es, und als Juli die Tür öffnete, schoss ein kleines Wollknäuel an ihr vorbei, nahm sofort Kurs auf die offene Wohnzimmertür und sprang gleich voll Begeisterung direkt in den geschmückten Tannenbaum. Der schwankte bedenklich, blieb aber stehen. Natürlich verlor er dabei wiederum etliche Nadeln.
„Oh sorry, ich habe nur schnell nach meinem Smartphone gegriffen. Ich habe eine SMS bekommen, dabei ist mir wohl die Leine aus der Hand gerutscht“, entschuldigte Sophia sich verlegen. „Leah“, rief sie entsetzt, als sie sah, dass ihr kleiner Hund erneut Anstalten machte, in den Baum zu springen. Sophia stürzte sofort hin, um Leah zu bändigen. Sie versuchte sie an die Leine zu nehmen, aber der kleine Hund entwischte ihr erneut und sprang noch einmal in den Tannenbaum, der sich nun doch zur Seite neigte und mitsamt dem Ständer umfiel und Leah unter sich begrub.
„Mein armes Schätzchen“, kreischte Sophia hektisch.
„Ich würde vorschlagen, Du und Juli, Ihr macht jetzt mit Deinem Schätzchen einen langen Spaziergang, dabei könnt Ihr Euch in aller Ruhe unterhalten“, giftete Gunnar.
Ihm reichte es. Bei dem Sturz waren mehrere Kugeln zerbrochen und der Weihnachtsbaum sah inzwischen wirklich jämmerlich aus. Die meisten Äste zierten nur noch vereinzelt hier und dort ein paar grüne Nadeln. Im Grunde konnte man das Tännchen nur noch als Gerippe bezeichnen. „Aber Liebling...“, wollte Juli protestieren, verstummte allerdings, als sie den äußerst verärgerten Blick ihres Ehemannes auffing. Offenbar war Gunnar mit seiner Geduld jetzt endgültig am Ende. Natürlich war Sophia beleidigt, als Juli nach ihrem Mantel griff und sagte: „Komm, es ist besser!“
Nachdem die Frauen mit Leah das Haus verlassen hatten, atmete Gunnar auf. Er hob den verunglückten Weihnachtsbaum aus dem Ständer, nahm den Schmuck sowie die letzten Päckchen ab, und brachte ihn anschließend auf die Terrasse. Dabei verlor das gute Stück auch die allerletzten Nadeln. Morgen würde er sofort einen frischen Weihnachtsbaum kaufen müssen. In dem Moment schwor er sich, dass er nie wieder zum ersten Advent einen Weihnachtsbaum aufstellen würde. Schließlich musste man ja nicht jedem Trend folgen. Er hoffte, das würde auch Juli einsehen.
Einmal im Jahr tickt meine liebe Familie für einige Wochen komplett aus. Diese Zeit nennen sie Advent. Und am Schluss, sozusagen als Krönung des Irrsinns, steht das Weihnachtsfest. Da ich diese stressige Zeit nun schon einige Male miterlebt habe, schreckt sie mich nicht mehr. Aber ich werde es niemals vergessen, als ich das erste Mal damit konfrontiert wurde. Papa Söhnke, Mama Tina und ihre Tochter Chiara hatten mich einige Wochen zuvor aus dem Tierheim zu sich geholt. Da bin ich nämlich gelandet, weil meine Katzenmama dort meine Geschwister und mich zur Welt gebracht hat. Ich war übrigens der Kleinste in dem Wurf und wie ich gehört habe, hing mein Leben an einem seidenen Faden. Die Mitarbeiter im Tierheim mussten mich mit der Flasche großziehen. Inzwischen bin ich ein stattlicher Kater mit weißem Pelz und roten Flecken, aber meine Vergangenheit geht ja im Grunde niemanden etwas an. Krampus, das ist mein Katzenkumpel und großer Bruder, und der hat gemeint, meine Familie hätte mich nur aus Mitleid zu sich genommen, weil ich so mickrig war. Mein Fell war damals noch unglaublich weich und zerzaust, daher auch mein Name Fussel. Damit ärgert Krampus mich immer, wenn er mich auf die Palme bringen will. Inzwischen bin ich ihm bei unseren spielerischen Balgereien nämlich durchaus gewachsen, und das wurmt ihn unendlich.
Es war Herbst, als ich hierhergekommen bin. Die Blätter hatten sich schon bunt gefärbt und ich war froh, endlich auch eine eigene Familie zu bekommen, denn meine Katzengeschwister wurden alle schon eher vermittelt. Als ich aus der Transportbox krabbelte, sah ich als erstes die grünen Augen eines riesigen, schwarzen Katers vor mir - das war Krampus. Er musterte mich zunächst einmal recht misstrauisch, griff mich aber nicht an, sondern zog sich schnell wieder zurück.
„Das ist unser neuer Familienzuwachs Krampus, sei nett zu ihm“, hörte ich Mama Tina sagen.
Dann nahm sie mich auf den Arm und zeigte mir meinen Futterplatz und das Katzenklo. Krampus trottete hinterher und ließ uns nicht aus den Augen. Zum Glück hat es nicht lange gedauert, und er hat mich akzeptiert. Ich habe ja sofort ein eigenes Körbchen bekommen, aber bald durfte ich mit ihm in seinem Bettchen schlafen. Eng aneinander gekuschelt fand ich es darin viel gemütlicher, aber inzwischen bin ich zu groß dafür. Jetzt liegen wir manchmal nebeneinander auf dem Sofa oder auf der Fensterbank. Krampus hat mir alles Wichtige beigebracht und ich bin froh, dass ich ihn habe, den Krampus. Aber ich schweife ab, ich wollte doch von dem ersten Weihnachtsfest bei uns, der Familie Klöckner, erzählen. Nachdem ich mich eingewöhnt hatte, gefiel es mir gut hier. Aber dann kam der Tag, an dem Mama Tina beim Mittagessen verkündete: „Wenn ich es heute noch schaffe, alle Fenster zu putzen, dann hole ich morgen die Weihnachtsdeko aus dem Keller!“
Krampus verzog sorgenvoll das Gesicht. „Oh je, geht das wieder los“, seufzte er.
„Was geht schon wieder los?“, fragte ich ahnungslos.
„Weihnachten steht vor der Tür“, antwortete Krampus.
„Ja und? Was bedeutet das?“
„Das heißt, dass alle mehr oder weniger verrücktspielen“, klärte Krampus mich auf.
„Warum, was ist denn Weihnachten?“, wollte ich wissen.
„Weihnachten ist für die meisten Menschen der Höhepunkt des Jahres. Lass Dich einfach überraschen“, meinte Krampus nur geheimnisvoll und hüllte sich fortan in Schweigen, so sehr ich mich auch bemühte ihm Näheres zu entlocken.
Es begann ganz harmlos. Nachdem die Fenster geputzt waren, holte Mama Tina etliche Kartons aus dem Keller und begann den Inhalt im Haus zu verteilen. Sie stellte jede Menge große und kleine Kerzen auf, holte weihnachtliche Figuren hervor und schmückte alle Wohnräume mit frischem Tannengrün, Ilexzweigen und noch allerlei anderem Krimskrams. Ein paar Tage duftete das ganze Haus herrlich nach Wald. Für mich sah es so aus, als hätte sie das alles nur hingestellt, damit wir damit spielen konnten. Ich fand es toll aufs Fensterbrett zu springen, die leichten, bunten Kugeln von dort auf den Boden zu pfoteln und zuzusehen wie sie unten zersprangen.
„Fussel! Was machst Du denn da?“ schimpfte Mama Tina, als sie das sah.
Dann holte sie schnell Handfeger und Kehrblech und verbot mir streng, mich an dem restlichen Weihnachtsschmuck zu vergreifen. Aber das Zeug lag doch auf meinem Lieblingsplatz! Von dort habe ich nämlich die ganze Straße im Blick und sehe gern zu, was draußen los ist. Nun musste mein Kissen der Weihnachtsdekoration weichen. Das fand ich gar nicht lustig! Es war also streng verboten die Deko anzutasten oder durcheinander zu bringen. Bis dahin hatten wir ein beschauliches Leben geführt, aber das wurde jetzt anders. Fast jeden Tag kam Mama Tina mit geheimnisvollen Päckchen nach Hause. Sie war oft gereizt, weil sie so viel zu tun und zu bedenken hatte. Chiara saß meistens in ihrem Zimmer und malte oder bastelte. Außerdem musste sie den Text für ihre Rolle im Krippenspiel lernen, da konnte sie keine Ablenkung gebrauchen. Wenn wir auftauchten, scheuchte sie uns fort und meinte, wir würden nur stören. Sogar Papa Söhnke, der sonst immer die Ruhe selbst ist, beschwerte sich einige Male bei Mama Tina, weil sein Essen wieder mal nicht pünktlich auf dem Tisch stand.
„Du weißt doch, ich habe nur so eine kurze Mittagspause“, schimpfte er.
Ich verstand die Welt nicht mehr. Krampus, der das Theater ja schon kannte, meinte, das wäre alles wegen Weihnachten. Ehrlich gesagt, mir gefiel dieses Weihnachten immer weniger. Jeden Abend wurden die Kerzen auf dem Adventskranz angezündet und Mama Tina las Chiara vor dem Schlafengehen in unserem Wohnzimmer eine schöne Geschichte vor. Einmal bin ich währenddessen auf den Tisch gesprungen, um mir die brennenden Kerzen aus der Nähe anzusehen. Dabei habe ich mir die Spitzen meiner Schnurrhaare verbrannt. Mama Tina und Chiara waren mächtig erschrocken, und ich erst. Zum Glück ist nicht mehr passiert. Und ein kleines Leckerli machte die Sache ohnehin schnell wieder gut.
„Bis zum Heiligen Abend ist sicher alles wieder in Ordnung“, versuchte Chiaraa mich zu trösten und nahm mich liebevoll auf den Schoß. „Aber um die brennenden Kerzen musst Du einen großen Bogen machen!“
Das wusste ich von da an auch. Diese ruhige Stunde des Tages liebten Krampus und ich sehr. Aber am nächsten Morgen ging die Hektik wieder los. Als es einige Tage später zu schneien begann, war ich begeistert. Schnee hatte ich noch nie zuvor gesehen. Mir gefiel es sehr, von meinem Platz vor der Terrassentür zuzuschauen wie die weißen Flocken vor dem Fenster hin und her tanzten. Chiara freute sich ebenfalls über den Schnee und baute am Sonntag mit ihrem Papa im Garten einen großen, dicken Schneemann.
„Der wird sicher kein langes Leben haben“, prophezeite Krampus.
„Wieso nicht?“, fragte ich.
„Na, wenn es wärmer wird, dann schmilzt der Schnee“, klärte Krampus mich auf.
Ach ja, ich musste noch so viel lernen! Wenige Tage später setzte Tauwetter ein und als der Schneemann immer kleiner und kleiner wurde, war Chiara sehr traurig. Krampus und ich versuchten sie zu trösten, indem wir um ihre Beine schlichen und schnurrten, aber das half nur wenig. Sie war zudem beleidigt, weil sie im Krippenspiel nicht die Rolle der Maria bekommen hatte. Ihr Lehrer hatte bestimmt, dass sie lieber die Erzählerin sein sollte, weil sie eine laute und klare Stimme hat. Aber dafür musste sie viel mehr Text lernen und dazu hatte sie keine Lust. Der Postbote kam fast täglich und brachte viele bunte Karten. Mama Tina musste alle beantworten und stöhnte: „Ich wünschte, wir bekämen nicht mehr so viele Weihnachtskarten. Dann müsste ich mich nicht immer dafür bedanken. Das kostet so viel Zeit.“
Ja, aber was hatte es denn nun auf sich mit diesem geheimnisvollen Weihnachtsfest? Krampus wollte es mir nicht verraten, egal wie sehr ich ihn deshalb zu löchern versuchte. Oma Käthe und Opa Gernot kamen aus Berlin angereist und Papa Söhnke holte sie vom Bahnhof ab. Die beiden kannte ich noch nicht, aber sie waren auch ganz nett, deshalb waren sie mir willkommen. Und dann kam endlich der große Tag.
„Heute ist Weihnachten“, sagte Krampus mit grämlicher Miene.
Den ganzen Tag standen Mama Tina und ihre Mutter in der Küche und bereiteten ein Festmahl zu.
„Kriegen wir auch was ab?“, wollte ich von Krampus wissen.
„Nee, das würde uns sicher nicht gut bekommen, aber ich denke, wir kriegen auch was Feines“, versprach Krampus mir.
Die Aussicht darauf fand ich nun wieder gut an Weihnachten. Während die Frauen in der Küche werkelten, sollten Papa Söhnke und Opa den Weihnachtsbaum schmücken. Das war eine große Tanne, die sie mit dicken Kugeln, einer Lichterkette und vielen dünnen Silberfäden behängten. Zwei Mal kippte die Tanne um, bevor es ihnen endlich gelang, sie im Ständer fest zu verankern. Dabei verletzte sich Papa Söhnke. Weil die Wunde heftig blutete, ging er in die Küche zu den Frauen, um sich verarzten zu lassen.
Am späten Nachmittag brachen alle auf, um zur Kirche zu gehen. Als sie zurück kamen, heulte Chiara, weil sie vor Aufregung ihren Text durcheinander gebracht hatte und meinte, die anderen Kinder hätten sie deshalb ausgelacht. Dabei hatte sie doch so fleißig dafür gelernt! Mama Tina war entsetzt, weil der Tannenbaum nun schon wieder schief im Ständer hing.
„Ich dachte, Ihr hättet das Ding vorhin ordentlich befestigt“, schimpfte sie. Papa Söhnke verteidigte sich, indem er sagte: „Das hatten wir auch. Ich verstehe das wirklich nicht.“