Patrick - Walter Kaufmann - E-Book
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Patrick E-Book

Walter Kaufmann

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Beschreibung

Belfast, Nordirland, Anfang der 1970er Jahren. Dort lebt der zwölfjährige Patrick. Er ist ein kleiner Junge, der vielleicht manchmal etwas sanft wirkt, sich aber trotzdem durchzusetzen versteht – wenn es hart auf hart kommt. Überall in Belfast gib es auch in der Gegend, wohin die Familie von Patrick vor zwei Jahren gezogen war, Lücken, viele Lücken, wo verfallene Häuser abgerissen und keine neuen gebaut worden sind. Auch eine ganze Menge Mauern sind in letzter Zeit zerschossen oder weggebombt worden. Sie sind das Ergebnis von Auseinandersetzungen, regelrechten Straßenschlachten zwischen Katholiken und Protestanten. Selbst Kinder sind nicht sicher. Gewohnheitsmäßig geht Patrick den Streifen britischer Soldaten aus dem Weg, auch wenn er sich an den Anblick der Streifen mit Maschinenpistolen im Anschlag längst gewöhnt hat. Aber man weiß nie, was die Soldaten von einem wollen. Und dann muss Patrick miterleben, wie sein bester Freund Cathal Haughey von einem Soldaten in einem Jeep erschossen wurde, weil er nicht auf seinen Befehl reagierte, stehen zu bleiben … Das Buch für Kinder ab 9 Jahre war erstmals 1977 im Verlag Junge Welt Berlin erschienen und wurde von Angela Brunner illustriert. LESEPROBE: „Schwörst du, dichtzuhalten bei allem, was dir heilig ist?“ Dabei deutete sie über die Schulter zum Fenster. „Kein Wort, zu niemand!“ „Verlass dich drauf“, sagte ich leise, aber so eindringlich, dass sie mir glaubte. „Ich vertrau’ dir“, sagte sie. „Hast ja auch früher immer zu mir gehalten.“ Und dann erfuhr ich den Rest, von dem ich nicht zu verschweigen brauche, was die Polizei ohnehin vermutet - nämlich dass Kierans bester Freund, Brian O’Hara, an der Explosion auf dem großen amerikanischen Fangschiff beteiligt gewesen war. Das Schiff wurde von einigen mutigen Männern versenkt, als alle Proteste der irischen Fischer gegen die Plünderung ihrer Austernbänke im Sande verlaufen waren. Es hat auch in der Zeitung gestanden, dass nach diesem Vorfall Brian O’Hara aus einem vorbeifahrenden Auto in der Falls Road von einem unbekannten Täter erschossen wurde. Nicht in der Zeitung stand, dass Kieran Zeuge von dem Mord gewesen ist, den Täter erkannt und der Polizei gemeldet hat: Jimmy McKlintocks Vater!

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Seitenzahl: 48

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Impressum

Walter Kaufmann

Patrick

ISBN 978-3-86394-571-8 (E-Book)

Das Buch erschien erstmals 1977 im Verlag Junge Welt Berlin.

Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta

Illustrationen: Angela Brunner

Foto: Barbara Meffert

© 2013 EDITION digital®Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.ddrautoren.de

1. Kapitel

Zugegeben, ich bin ziemlich klein, manchmal kriege ich auch zu hören, dass ich mit meinem weichen dunklen Haar, den grünbraunen Augen und meiner leisen Art zu sprechen etwas sanft wirke - ist mir egal, ich weiß mich schon durchzusetzen, wenn’s hart auf hart geht. Nie hat mir einer nachsagen können, ich sei schreckhaft oder feige. Und so abergläubisch bin ich auch nicht, dass ich gleich kehrtmachen würde, wenn mir mal eine schwarze Katze über den Weg läuft. Sonst wäre ich nämlich an diesem Sonntagmorgen zu Hause geblieben, als mir das streunende Tier von links nach rechts über die Füße sprang. Es war eine pechschwarze Katze, die plötzlich vor mir auftauchte und dann mit einem Satz über Finnagans Zaun verschwand. Jetzt möchte ich fast glauben, dass das ein böses Zeichen war, denn der Tag endete böse! Damals aber beachtete ich das Tier fast gar nicht. Ich hatte was vor, und daran hielt ich mich. Es war ausgemacht, dass ich gleich nach dem Kirchgang den Maler Sean O’Connor abholen sollte, der nicht weit von uns in der Jamaica Street wohnt. Wir wollten zusammen von Hazelwood aus den Berg Cave Hill besteigen, um von da oben Bilder zu malen. Einen schöneren Ausblick über Belfast, die Bucht und das Meer als von diesem Berg gibt es nirgends sonst.

Ich freute mich auf den Ausflug. Als ich dann aber an die Tür von O’Connors kleinem Ziegelhäuschen klopfte und keiner antwortete, wurde ich schon ein bisschen unruhig. War Sean etwa ohne mich losgezogen? Ich wartete, klopfte noch mal und stieß schließlich heftig gegen die Tür. Diese gab nach. Ich trat ein und rief nach Sean, und als immer noch alles still blieb, stieg ich einfach die Treppe hoch bis ins Atelier unterm Dach. Im hellen Licht, das durch das schräge Dachfenster fiel, sah ich ihn vor seiner Staffelei stehen. Er war dabei, mit düsteren Farben das Bild einer Berglandschaft zu übermalen. Mir gefiel überhaupt nicht, was er da machte, und darum störte mich auch, dass er sich nicht einmal zu mir umsah. Es war, als hätte es gar keine Verabredung zwischen uns gegeben. Mit der Zeit verlor ich die Geduld und ließ meinen Malkasten, den ich an einem Riemen über der Schulter trug, polternd auf den Boden fallen. Da erst unterbrach er seine Arbeit, schob seine Nickelbrille auf die Stirn und drehte sich zu mir um. Sein stoppliges, unrasiertes Gesicht sah noch blasser aus als sonst. Er leidet unter einer Blutkrankheit, die schwer zu heilen sein soll; seine Augen blickten müde. Er wirkte nachdenklich und irgendwie traurig.

„Vorher gefiel mir das Bild besser“, sagte ich. „Ich hätt’s gelassen, wie’s war.“

„Das sind die Gewitterwolken von Golgatha“, antwortete er leise, „die unseren Himmel bedrohen und jetzt tief über den Bergen von Sperrin und Carntogher hängen.“

Was er damit sagen wollte, begriff ich erst, als er von dem Feuer am Grab von Daniel Devin anfing und mich fragte, ob denn der Pfarrer in der Kirche nichts davon erwähnt hätte. Ich nickte, denn ich hatte die zornigen Worte von Pfarrer Nugent noch im Ohr, wusste, was gestern passiert war, und ahnte gleich, wer dahinterstecken könnte. Mich wunderte nur, dass Sean O’Connor schon davon gehört hatte, denn der geht doch nie zur Kirche. „Der Rauch der brennenden Papierblumen soll bis weit in die Falls Road zu sehen gewesen sein“, sagte er. „Doch niemand tat was. Die Polizei griff nicht ein, obwohl sie eine Wache gleich beim Friedhof haben, und kein britischer Soldat ließ sich sehen - war ja nur das Grab von einem kleinen Jungen armer Leute!“

Ich sagte nichts, weil ich wusste, dass Daniel Devin schon mit sieben Jahren an derselben Krankheit gestorben war, an der auch Sean leidet – vielleicht stellte er sich vor, was eines Tages an seinem eigenen Grab geschehen könnte.

Ich musste an Molly Macnamara denken, die bestimmt die Papierblumen für die Kränze gebastelt hatte - sie ist nämlich weit und breit dafür bekannt, und ihre Papierlilien zum Beispiel sind auf den ersten Blick von richtigen Lilien kaum zu unterscheiden. Weil mir klar geworden war, dass aus dem Ausflug zum Cave Hill nichts mehr werden würde, beschloss ich, Molly aufzusuchen.

2. Kapitel

Bis zu unserem Umzug von der Leeson Street nach Ardoyne vor zwei Jahren waren wir beide befreundet gewesen, sie ging in dieselbe Klasse wie ich, und erst als ich dahinterkam, dass ich Bilder malen kann, hatte ich mich für ihre Papierblumen nicht mehr so interessiert und aufgehört, ihr beim Basteln zu helfen. Jetzt dachte ich mir, dass sie mich brauchen könnte, wo das doch auf dem Friedhof passiert war, und froh sein würde, wenn ich ihr meine Hilfe anbot. Dabei wollte ich ihr nicht nur helfen, sie sollte auch spüren, dass ich ihre Sorge um Devin nie lächerlich gefunden und schon damals begriffen hatte, dass sie mitfühlend und immer bereit ist, sich für Schwächere einzusetzen.

Eine Weile sah ich noch Sean O’Connor zu, wie er aus seiner Berglandschaft ein immer düsteres Bild machte, mit schweren Wolken über den Kuppen und tiefschwarzen Schatten in den Tälern. Dann drehte ich mich wortlos um und kletterte die Treppe vom Atelier nach unten. Meinen Malkasten ließ ich liegen, weil ich ja wusste, dass ich ihn an diesem Tag nicht mehr brauchen würde.

3. Kapitel

Wie überall in Belfast gibt es auch in unserer Gegend viele Lücken, wo verfallene Häuser abgerissen und keine neuen gebaut worden sind. Auch eine ganze Menge Mauern sind in letzter Zeit zerschossen oder weggebombt worden.