Sie reiten für Gerechtigkeit: 6 Western in einem Band - Tomos Forrest - E-Book

Sie reiten für Gerechtigkeit: 6 Western in einem Band E-Book

Tomos Forrest

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Beschreibung

Wie der Mensch zur reißenden Bestie wird, wenn er um das nackte Leben kämpft …
James Butler Hickok kam in Homer, Illinois, zur Welt und erlebte bereits als Kind, dass seine Eltern ihre Ranch zu einer »Underground Railway Station« machten, wie die Gegner der Sklaverei die Orte nannten, von wo aus sie geflüchteten Sklaven weiter in den Norden halfen. Der junge Hickok erwies sich schon sehr früh als treffsicherer Revolverschütze und ging auch keinem Faustkampf aus dem Weg. Schon bald nannte man ihn überall »Wild Bill«. Nachdem er mit seinem ersten Arbeitgeber im Streit die Nase einschlug, verließ er seine Heimat und ging in das Kansas-Territorium, in dem die Jayhawker, wie man die Bürgermilizen nannte, sich gegen die Bushwhaker-Banden der Sklavenhalter aus Missouri wehrten.
Kansas war zu dieser Zeit noch kein eigener Staat, sondern Territorium, und die Regierung überließ die Sklavenfrage ihren Bürgern. Die Sklavenhalter bemühten sich mit den wilden Bushwhakern, die Farmer einzuschüchtern und durchzusetzen, dass Sklaven wie überall im Süden rechtlos blieben. Als Wild Bill Hickok in die junge Stadt Eastin kommt, wird er mitten in die Ereignisse gezogen, denn als Kundschafter der Miliz-Einheit von General Lane hat er ohnehin die Aufgabe übernommen, sich für die entlaufenen Sklaven einzusetzen, sie zu schützen und sobald es möglich ist, in den Norden zu bringen. Wir sind am Vorabend des Bürgerkrieges …


In diesem Band sind folgende Romane enthalten:
› Er nannte sich Judge von Tomos Forrest
› Im Sattel der Verdammten von John F. Beck
› Der Henker wartet von Glenn Stirling
› Menschenjagd in Kansas von Tomos Forrest
› Der Todestrail-Kurier von John F. Beck
› Aus Freundschaft wurde Hass von Glenn Stirling

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Glenn Stirling / Tomos Forrest / John F. Beck

 

 

Sie reiten für Gerechtigkeit

 

 

 

Sechs Western-Romane großer Autoren in einem Band

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Author/Xebusch-Verlag 

Cover: © Oskar Walder mit einem Motiv von Steve Mayer, 2023

 

 

Verlag: Xebusch. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Das Copyright auf den Text oder andere Medien und Illustrationen und Bilder erlaubt es KIs/AIs und allen damit in Verbindung stehenden Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren oder damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung erstellen, zeitlich und räumlich unbegrenzt nicht, diesen Text oder auch nur Teile davon als Vorlage zu nutzen, und damit auch nicht allen Firmen und menschlichen Personen, welche KIs/AIs nutzen, diesen Text oder Teile daraus für ihre Texte zu verwenden, um daraus neue, eigene Texte im Stil des ursprünglichen Autors oder ähnlich zu generieren. Es haften alle Firmen und menschlichen Personen, die mit dieser menschlichen Roman-Vorlage einen neuen Text über eine KI/AI in der Art des ursprünglichen Autors erzeugen, sowie alle Firmen, menschlichen Personen, welche KIs/AIs bereitstellen, trainieren um damit weitere Texte oder Textteile in der Art, dem Ausdruck oder als Nachahmung zu erstellen; das Copyright für diesen Impressumstext sowie artverwandte Abwandlungen davon liegt zeitlich und räumlich unbegrenzt bei Bärenklau Exklusiv

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Wild Bill – Gottes eigenes Land: Er nannte sich Judge 

Zur Person Wild Bill 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

Im Sattel der Verdammten 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

Der Henker wartet 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

23. Kapitel 

24. Kapitel 

25. Kapitel 

Wild Bill – Gottes eigenes Land: Menschenjagd in Kansas 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

Der Todestrail-Kurier 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

Aus Freundschaft wurde Hass 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

14. Kapitel 

15. Kapitel 

16. Kapitel 

17. Kapitel 

18. Kapitel 

19. Kapitel 

20. Kapitel 

21. Kapitel 

22. Kapitel 

23. Kapitel 

24. Kapitel 

25. Kapitel 

26. Kapitel 

Weitere Western-Anthologien sind erhältlich: 

 

Das Buch

 

 

 

 

Wie der Mensch zur reißenden Bestie wird, wenn er um das nackte Leben kämpft …

James Butler Hickok kam in Homer, Illinois, zur Welt und erlebte bereits als Kind, dass seine Eltern ihre Ranch zu einer »Underground Railway Station« machten, wie die Gegner der Sklaverei die Orte nannten, von wo aus sie geflüchteten Sklaven weiter in den Norden halfen. Der junge Hickok erwies sich schon sehr früh als treffsicherer Revolverschütze und ging auch keinem Faustkampf aus dem Weg. Schon bald nannte man ihn überall »Wild Bill«. Nachdem er mit seinem ersten Arbeitgeber im Streit die Nase einschlug, verließ er seine Heimat und ging in das Kansas-Territorium, in dem die Jayhawker, wie man die Bürgermilizen nannte, sich gegen die Bushwhaker-Banden der Sklavenhalter aus Missouri wehrten.

Kansas war zu dieser Zeit noch kein eigener Staat, sondern Territorium, und die Regierung überließ die Sklavenfrage ihren Bürgern. Die Sklavenhalter bemühten sich mit den wilden Bushwhakern, die Farmer einzuschüchtern und durchzusetzen, dass Sklaven wie überall im Süden rechtlos blieben. Als Wild Bill Hickok in die junge Stadt Eastin kommt, wird er mitten in die Ereignisse gezogen, denn als Kundschafter der Miliz-Einheit von General Lane hat er ohnehin die Aufgabe übernommen, sich für die entlaufenen Sklaven einzusetzen, sie zu schützen und sobald es möglich ist, in den Norden zu bringen. Wir sind am Vorabend des Bürgerkrieges …

 

 

In diesem Band sind folgende Romane enthalten:

 

› Er nannte sich Judge von Tomos Forrest

› Im Sattel der Verdammten von John F. Beck

› Der Henker wartet von Glenn Stirling

› Menschenjagd in Kansas von Tomos Forrest

› Der Todestrail-Kurier von John F. Beck

› Aus Freundschaft wurde Hass von Glenn Stirling

 

 

***

 

Sie reiten für Gerechtigkeit

 

 

 

Wild Bill – Gottes eigenes Land: Er nannte sich Judge

 

von Tomos Forrest

 

 

Zur Person Wild Bill

 

James Butler Hickok, genannt Wild Bill, ist eine historische Figur. Er kam am 27.5.1837 als viertes von sechs Kindern im US-Staat Illinois auf einer Farm zur Welt. Sein Vater war überzeugter Gegner der Sklaverei und wurde deshalb schwer misshandelt. Mit achtzehn Jahren wurde Hickok Mitglied der Jayhawkers, die gegen Bushwhacker-Banden, die Befürworter der Sklaverei, kämpften. Das Titelbild zeigt ihn, wie man ihn beschrieb – als schießwütigen Mann, der seine Navy Colts schneller zog und abfeuerte als mancher andere. Die Begegnung mit William F. Cody, dem späteren Buffalo Bill, ist verbürgt. Hickok starb im August 1876 in Deadwood, South Dakota. 

 

 

***

 

 

1. Kapitel

 

Der Junge saß auf der Holzveranda, hielt den Vogel in beiden Händen und pustete leicht in das Gefieder. Er wusste nicht, was das für ein Vogel war, der an diesem frühen Morgen tot vor der Tür des Stores gelegen hatte. Aber er nahm ihn auf, ganz behutsam, als könnte er jeden Moment seine Flügel wieder ausbreiten und davonfliegen. Obwohl William vorsichtig den schlaffen Körper in seinen Händen hin und her drehte, immer wieder in das dichte Gefieder blies, konnte er keine Verletzung finden. War es denn möglich, dass ein Vogel einfach tot vom Himmel herunterfiel?

Einfach so?

William starrte in den wolkenlosen, blauen Himmel und dachte nach.

Er hatte schon erlebt, wie ein Mensch starb.

Sogar schon zwei Mal.

Das war vor der schlimmen Geschichte mit seinem Vater.

Der eine war ein alter Mann, ein entfernter Verwandter, dem seine Mom regelmäßig das Essen brachte. Er hatte ein winziges Haus am Ende der Straße, windschief und mit einem undichten Dach. Durch die undichten Fenster pfiff der Wind, und niemand kümmerte sich um den alten Fred, mit Ausnahme seiner Mutter, die ihn aus früheren Jahren kannte. Damals war Fred als Schmied im Ort tätig und hatte ihr einmal sehr geholfen, als das Kutschpferd lahmte und seine Mom keinen einzigen Cent in der Tasche hatte, um ihn für seine Arbeit zu bezahlen.

Ausgerechnet an dem Tag, an dem der alte Mann seinen letzten Seufzer von sich gab, begleitete William seine Mutter, weil er ihr den schweren Korb tragen wollte. Sie konnten ihr Fuhrwerk dazu benutzen, denn nach dem Krankenbesuch waren noch Einkäufe erforderlich, bei denen die Kraft eines zwölfjährigen Jungen eine willkommene Hilfe war. Schon beim Betreten der armseligen Hütte hatte Bill ein unangenehmes Gefühl. Es roch seltsam, und dann blickte er auf das wachsbleiche, eingefallene Gesicht des Sterbenden.

Der zahnlose, offene Mund, die rasselnden Atemzüge, dann die fahrigen Handbewegungen, mit denen Fred nach imaginären Fliegen zu haschen schien.

Ein Anblick, den er für lange Zeit nicht vergessen würde.

Aber der alte Mann starb friedlich im Schlaf, und hätte seine Mutter nicht mit einem kleinen Spiegel festgestellt, dass er nicht mehr atmete, wären sie wohl wieder leise hinausgegangen, nachdem sie das mitgebrachte Essen auf dem kleinen Tisch an seinem wurmstichigen Bettgestell mit der schäbigen Decke darauf abgestellt hatten. Fred war zu diesem Zeitpunkt so abgemagert, dass sich sein Körper unter der Decke fast nur erahnen ließ.

Schlimmer war da der Tod auf der Straße für alle unbeteiligten Zuschauer gekommen.

Die lauten Stimmen der Streitenden hatten Bill aus dem Store getrieben und neugierig dem Geschehen folgen lassen.

Seine Eltern waren an diesem Tag beide mit ihren Einkäufen beschäftigt, denn es musste neues Saatgut gekauft werden und dazu einiges an Werkzeugen, um den alten Zaun zu reparieren. Mom hatte seinem Vater damit schon lange in den Ohren gelegen, denn immer wieder waren die Rinder zwischen ihre Kohlköpfe geraten und hatten sie innerhalb kürzester Zeit abgefressen. Jetzt, nachdem die Ernte unter Dach und Fach war, konnte sein Vater daran gehen, die notwendigen Reparaturarbeiten auszuführen.

Bill schlenderte zwischen den vollgestopften Regalen hin und her, unschlüssig, ob er seinen Dime für ein paar Zuckerstangen ausgeben oder doch lieber sparen sollte, bis er genügend für ein Pfund Schwarzpulver zusammen hatte. Sein Vater war immer gern bereit, zusätzliche Arbeiten, die sein William freiwillig übernahm, mit einem Dime zu vergüten. Aber er war nicht bereit, ständig Pulver, Bleistangen zum Kugelgießen oder die teuren Zündhütchen zu kaufen, die Bill für seinen Paterson Colt dringend benötigte.

Der fünfschüssige Revolver war Bills ganzer Stolz. Er hatte ihn zu seinem zwölften Geburtstag erhalten und von dem Tag an mit seinen Schießübungen begonnen, bis auch der letzte Krümel von dem schwarzen Pulver verbraucht war. Seine Bitte, etwas von dem Vorrat seines Vaters zu erhalten, wurde schlichtweg abgelehnt.

»Du hattest ein ganzes Pfund zu dem Revolver dazu bekommen, Bill. Ich erkenne deine Übungen an, und du scheinst auch so etwas wie ein Naturtalent zu sein. Wenn du schießt, triffst du dein Ziel. Aber es kann nicht sein, dass ich für deine Leidenschaft an unsere Ersparnisse gehe. Benötigst du Pulver, Blei oder etwa die Zündhütchen, musst du dir das Geld dafür verdienen. Der Revolver hat einmal so viel gekostet, wie ein Cowboy in sechs harten Monaten verdient hat. Das solltest du bedenken, Junge.«

Bill hatte sein Gesicht verzogen und leise geantwortet:

»Aber das war vor unendlich langer Zeit, Pa, und ich …«

»Es bleibt dabei. Benötigst du etwas, verdienst du dir das Geld dafür. Arbeit haben wir in Hülle und Fülle. Ein Dime pro Tag, das haben wir so vereinbart, Bill.«

Und damit war die Diskussion beendet.

Bis zu dem Tag der Schießerei.

Bill hatte selbst im Store noch die lauten Stimmen der beiden Männer gehört. Dann trat er auf die überdachte Terrasse hinaus, und wurde unmittelbar Zeuge, wie ein Mann seinen Revolver zog und ihn auf einen anderen anschlug. Beide standen mitten auf der vom letzten Regenguss noch aufgeweichten Straße, die breitrandigen Hüte staubbedeckt wie die übrige Kleidung, die hohen Stiefel vom Schlamm verkrustet. Es mochten Viehtreiber sein, Cowboys, wie sie zumeist an den Wochenenden in die Stadt kamen.

Dann krachten fast gleichzeitig die beiden Schüsse, und mit weit aufgerissenen Augen starrte Bill auf den Mann, der plötzlich ein blutüberströmtes Gesicht hatte, wankte und den Revolver fallen ließ, bevor er selbst in den Straßendreck fiel.

Die nach den Schüssen eingetretene Stille wurde jetzt von lauten Schreien durchbrochen. Einige riefen nach einem Arzt, andere nach dem Sheriff, und der Schütze, der den Mann erschossen hatte, schob seinen Revolver zurück in den breiten Ledergürtel, drückte sich den Hut tiefer in die Stirn und ging ganz gelassen hinüber in den Saloon. Bill starrte ihm so lange hinterher, bis die kurzen Türen aufgehört hatten, hin und her zu pendeln. In dem Augenblick packte ihn eine Hand mit hartem Griff im Nacken und schüttelte ihn heftig.

Erschrocken sah Bill in das vor Wut verzerrte Gesicht seines Vaters, der ihn rasch in den Store von Mr. Baker schob.

»Mach das nie wieder, William, hast du mich verstanden? Niemand hat etwas auf der Straße zu suchen, wenn es eine Schießerei gibt. Oder willst du von einer Kugel getroffen werden?«

»Aber … Pa, es waren doch nur zwei Schüsse, und der Mann …«

»Ich will nichts darüber hören, William, hast du das verstanden? Lass es dir eine Lehre sein und geh solchen Auseinandersetzungen aus dem Weg, wenn es möglich ist!«

Das versprach der Junge, aber als er in dieser Nacht keinen Schlaf fand, sah er immer wieder das Gesicht des Mannes vor sich, den die Kugel des Gegners genau in die Stirn getroffen hatte. Während das Leben aus ihm rann, begriff der Getroffene nicht, was da gerade geschehen war, und Bill hatte das erstaunte Gesicht noch immer vor sich, als der Mann wie im Wind schwankte, ihm der Revolver aus der Hand fiel und schließlich der Tote in den Straßendreck stürzte.

Wie mochte sich das wohl anfühlen?, dachte der Junge. Für den, der getroffen wurde, und für den, der den anderen mit dem Schuss getötet hatte? Er nahm sich vor, am anderen Morgen mit seinem Vater darüber zu sprechen. Aber als Bill schon beim Frühstück die erste Frage stellte, reagierte Isaac Cody sehr verärgert. Von dem Zeitpunkt an vermied Bill es, das Thema noch einmal anzuschneiden. 

Doch dann kam der schlimmste Tag im Leben des jungen William Cody.

Sein Vater, überzeugter Abolitionist, geriet in einen Streit mit Anhängern der Sklaverei und wurde mit einem Messer schwer verwundet. Da Bill nach einem tödlichen Reitunfall seines Bruders Samuel nun der älteste Junge war, schickte ihn seine besorgte Mutter auf die Suche nach dem Vater, der auch nach Einbruch der Dunkelheit von dem Treffen der Sklaverei-Gegner nicht zurückgekehrt war. Zusammen mit einem Nachbarn suchte Bill die gesamte Umgebung ab und fand seinen schwer verletzten Vater. Er brachte ihn mit dem Fuhrwerk nach Hause, während der Nachbar per Pferd in die Stadt jagte, um einen Arzt zu holen. Zu diesem Zeitpunkt war Bill ganze neun Jahre alt, aber er konnte reiten wie ein alter Cowboy.

Seine Gedanken kehrten zurück zu dem toten Vogel, den er jetzt behutsam auf das raue Holz des Boardwalks legte. Gerade wollte er hinüber zu Mr. Bakers Store gehen und ihn nach einer leeren Schachtel fragen, um den Vogel darin zu begraben, als sein Blick auf einen Reiter fiel, dessen Pferd mit sehr langsamen Schritten die Straße hinunter kam. Der Mann war von großer und kräftiger Statur, seine langen Haare fielen ihm bis auf die Schultern herab, und seine Kleidung schien ganz nach indianischer Art aus sämisch gegerbtem Hirschleder zu bestehen.

Bill hatte einmal einen kleinen Beutel aus diesem weichen Leder von seinem Vater bekommen, in dem er jetzt die mit der Kugelzange hergestellten Rundkugeln für den Paterson Colt aufbewahrte. Sein Vater erklärte ihm dazu, dass die Indianer die enthaarte Tierhaut zusammen mit dem Gehirn des Tieres lange Zeit walken, dann ausspülen und über stark rauchendem Feuer räuchern. Das hatte den Jungen ungeheuer beeindruckt, aber er hatte noch keinen Weißen gesehen, der auf diese Weise hergestellte Bekleidung trug.

Ungewöhnlich war nicht nur die Erscheinung dieses Fremden, sondern auch das zweite Pferd, das an sein Reittier mit einer Leine gebunden war. Ritt der Mann einen großrahmigen Fuchs, wie sie gern von den Cowboys für das Viehtreiben verwendet wurden, so war das zweite Pferd einwandfrei aus indianischer Zucht. Bill kannte sich da recht gut aus, denn Pferde waren seine Leidenschaft und er träumte davon, eines Tages einmal selbst über eine große Ranch zu verfügen und dort edle Pferde zu züchten.

Und noch etwas war sehr seltsam.

Über dem Rücken dieses indianischen Pferdes hing ein menschlicher Körper, und als Bill aufstand, um ihn besser betrachten zu können, war er sich vollkommen sicher. Dieser Reiter hatte einen toten Indianer nach Eastin gebracht.

Jetzt hielt er vor dem Store und blickte Bill freundlich an.

»Hallo!«, grüßte er und tippte sich dabei mit zwei Fingern an die Hutkrempe.

Das gefiel Bill sofort, denn die anderen Menschen in der Stadt zogen immer ihre Hüte vom Kopf und verneigten sich tief voreinander, wenn sie sich begegneten.

Der Reiter schien noch sehr jung zu sein, sein Gesicht wirkte frisch und straff, und nur ein Schnurrbart gab ihm eine besondere Note. Jedenfalls beschloss Bill in diesem Moment, sich ebenfalls mal einen so prächtigen Schnurrbart wachsen zu lassen, wenn denn der zarte Flaum auf seiner Oberlippe und den Wangen endlich einmal kräftiger wachsen würde.

»Gibt es einen Mietstall in der Stadt, Junge?«, erkundigte sich der Reiter, und Bill, der auf die Füße des Indianers starrte, die in vollkommen verdreckten Mokassins steckten, sah hoch und nickte.

»Ja, Sir, nur ein Stück die Straße hinauf. Ist der … ist der Indianer tot, Sir? Sind Sie ein Kopfgeldjäger?«

»Nein, ich bin kein Kopfgeldjäger. Derzeit arbeite ich für General James Lane. Und der Indianer ist nur betrunken!«, antwortete der Mann lachend. »Aber das macht nichts, er wird bald wieder wach werden, sich wundern, wo er hier gelandet ist, und wenn ich ihn nicht davon abhalte, gleich in den nächsten Saloon gehen, um sich erneut zu betrinken.«

Der Reiter lachte, aber Bill verstand das nicht.

»Warum trinkt der Mann denn so viel?«

»Tja!«, lachte der Fremde noch etwas fröhlicher. »Das musst du ihn einmal selbst fragen, wenn er wieder wach geworden ist. Noch etwas, Junge. Gibt es außer dort drüben im Saloon noch einen anderen Ort, wo man eine warme Mahlzeit bekommen kann?«

»Leider nicht, Sir. So groß ist der Ort nicht, und im Saloon ist auch nur dann etwas los, wenn die Viehtreiber hier durchkommen. Wenn Sie jetzt Hunger haben, Sir, so empfehle ich Ihnen, gleich hinüber zu gehen. Es ist ja schon lange Mittagszeit, und Old Ma Cruickshanks hält ihren Saloon nur kurze Zeit offen.«

Der Fremde lachte.

»Wie heißt die Wirtin?«

»Mrs. Cruickshanks, Sir, aber sie legt auf den Namen keinen Wert. Wir alle sagen Old Ma zu ihr. Ich bin heute mit meiner Mutter zum Einkaufen hier. Wenn mein Vater mit dabei ist, gehen wir anschließend alle in den Saloon hinüber und essen das Stew, das Old Ma wie keine andere zubereitet. Und das sagt selbst meine Mom, die sehr gut kochen kann! Heute wird es wohl leider nichts damit werden, denn wir sind schon spät dran, das spüre ich an meinem Magen, der schon mehrfach laut geknurrt hat!«

Der Reiter lachte erneut auf und musterte den Jungen noch einmal eingehend von Kopf bis Fuß.

»Du siehst aus, als würdest du auf einer der Farmen in der Nähe wohnen, ist das richtig?«

»Ja, Sir!«

»Gut, also kannst du auch reiten, richtig?«

Bill grinste über die ständige Floskel und antwortete rasch:

»Reiten und schießen wie ein Cowboy, Sir!«

»Gut, dann schlage ich dir einen Handel vor. Ich gehe hinüber in den Saloon und bestelle mir mein Essen. Du reitest inzwischen mit meinen Pferden hinüber zu dem Stall und sagst, sie sollen die Pferde gut abreiben und ihnen etwas Anständiges in den Trog werfen. Später hole ich sie dann ab und bezahle alles!«

Bill riss seine Augen weit auf, als der große Mann aus dem Sattel stieg. Er trug einen langen Mantel, den er jetzt auszog, zusammenrollte und am Sattel befestigte. Dabei bewunderte Bill die beiden Revolver, die der Mann in wundervoll verzierten Holstern trug.

»Wow!«, stieß er bewundernd hervor. »Sind das Colt Navy Revolver, Sir?«

Bill konnte den Blick nicht von den hellen Griffschalen wenden, die aus den punzierten Holstern schauten.

»Ah, ein Kenner, was? Ja, das sind die besten Colts, die der gute alte Samuel jemals gebaut hat«, antwortete der Mann lächelnd. »Du hast das sofort erkannt. Schau mal!«

Blitzschnell hatte er beide Revolver gezogen, sie auf die Straße gerichtet und ebenso schnell wieder in die Futterale gesteckt. Einfach so, ohne weitere Mätzchen. Kein Wirbeln um den Zeigefinger. Keine Show, aber mit einer Geschwindigkeit, die das Auge kaum erfassen konnte.

»Das habe ich noch nie gesehen, Sir! Machen Sie das noch einmal!«

»Später vielleicht!«, antwortete der Fremde lächelnd, denn jetzt waren ein paar Müßiggänger über die Straße gekommen, um neugierig den scheinbar toten Indianer zu betrachten. »Steig auf und verdiene dir diesen Silberdollar!«

Damit griff der schlanke Hüne in die kleine Seitentasche seiner Weste, zog ein glänzendes Silberstück heraus und warf es Bill zu, der es geschickt auffing und gleich darauf erstaunt betrachtete.

»Aber, Sir, das ist ein ganzer Dollar! Das kann ich nicht annehmen, so viel Geld!«

»Ist schon in Ordnung, Junge. Ich habe genug davon und bin der Meinung, dass du es verdienst, wenn du die Pferde unterstellen lässt.«

»Und der … Indianer, Sir?«

Der Fremde warf einen Blick auf den Körper des Indianers, der noch immer bewegungslos in seiner unbequemen Lage über dem Pferd hing.

»Der kann bleiben, wo er ist. Sag dem Stallbesitzer, er muss nicht gefüttert werden.«

»Gut, dann will ich das alles so machen, Mister …«

»Hickok, Junge, James Butler Hickok aus Illinois. Aber man nennt mich allgemein auch Wild Bill 

. Du findest mich drüben im Saloon, sollte es noch Fragen geben. Jetzt aber los, sonst gibt mir Old Ma bestimmt nichts mehr von ihrem köstlichen Stew!«

»Mein Name ist William Cody, Sir, und auch ich werde Bill gerufen. Vielen Dank, ich werde alles richtig besorgen!«

Damit wechselte der große Mann die Straßenseite, und Bill trieb nach einem raschen Blick zum Store die Pferde an, war gleich darauf am Mietstall und richtete seinen Auftrag aus. Beschwingt eilte er über den Boardwalk, der vom Stall angefangen alle Geschäfte der Main Street miteinander verband, damit die Bürger auch bei Regen trockenen Fußes ihre Einkäufe erledigen konnten, zurück zum Store, aus dem gerade seine Mutter getreten war und mit besorgter Miene Ausschau nach ihrem Ältesten hielt.

Die resolute Mary Cody stemmte bei seinem Anblick die Hände in die Hüften und verzog das Gesicht auf so finstere Weise, wie es ihr nur möglich war.

»William Frederick Cody, ich glaube, ich muss einmal mit deinem Vater ein ernstes Wort reden! So geht es jedenfalls nicht weiter!«

»Aber Mom, ich habe nur einem Gentleman einen Gefallen getan und seine Pferde dort hinten in den Stall gebracht!«

»Wie oft habe ich dir schon eingeschärft, dass man nicht mit fremden Leuten spricht!«

»Aber er hat sich vorgestellt, das ist Mister Hickok aus Illinois, und er arbeitet für General Lane!«

»Nie gehört, weder den Namen Hickok noch Lane. Und außerdem ist es vollkommen egal, ob dir so ein hergelaufener Kerl einen Namen nennt oder nicht. Du hast hier zu warten, damit ich nicht erst nach dir suchen muss, um die Einkäufe aufzuladen!«

»Mom?«

»Was noch?«

Anstelle einer Antwort streckte Bill die Handfläche aus, auf der ein Silberdollar glänzte.

»Woher kommt dieses Geld?«

»Von Mister Hickok, Mom. Für meine Mühe, die beiden Pferde mit dem Indianer in den Mietstall zu bringen. Mister Hickok hatte Hunger, und ich habe ihn zu Old Ma geschickt, und …«

»Indianer? Was faselst du von einem Indianer, Junge?«

Bill zuckte die Schultern.

»Auf dem zweiten Pferd … befand sich ein … Indianer, Mom.«

»So, und der konnte nicht reiten?«

»Er … schlief.«

Mary Cody stieß ein verächtliches Schnauben aus, griff ihren Ältesten am Arm und zog ihn über die Straße zum Saloon hinüber. Ohne weitere Erklärungen trat sie ein, blinzelte etwas, um ihre Augen an das herrschende Zwielicht zu gewöhnen, und entdeckte einen hoch gewachsenen Mann mit einem Schnurrbart allein an einem Tisch sitzen.

Mit Bill im Schlepptau steuerte sie darauf zu und baute sich vor dem Fremden auf, der erstaunt von seinem gerade geleerten Teller aufsah.

»Ja, Madame?«

»Sind Sie dieser Mr. Hickok?«

Der junge Mann erhob und verbeugte sich, und antwortete höflich: »James Butler Hickok, Madame, derzeit im Dienst des Generals Lane.«

Die ausgestreckte Hand übersah Mary geflissentlich und fuhr ihn stattdessen an:

»Und Sie werfen mit Silberdollars um sich, Mister? Ich möchte das nicht, verstanden? Lassen Sie meinen Billy in Ruhe, sonst bekommen Sie es mit mir zu tun, ist das klar?«

Bevor Hickok etwas darauf erwidern konnte, schaltete sich Old Ma ein.

Sie kam hinter dem Tresen hervor und baute sich mitten im Raum auf.

Old Ma bot einen imposanten Anblick.

Ihr ungeheurer Körperumfang steckte in einem sauberen Calico-Kleid, über dem sich eine schneeweiße, makellose Schürze spannte. Auch ihre Haube war von gleicher Qualität und konnte ihre prächtigen, rossbraunen Haare kaum bändigen. Das dicke, rote Gesicht lächelte fast immer gutmütig, und in der Hand hielt sie den großen Holzlöffel, mit dem sie gerade noch im Kessel über der Feuerstelle gerührt hatte. Jetzt lächelte sie nicht gutmütig, sondern hatte die Augenbrauen hochgezogen, als sie mit lauter, kräftiger Stimme nach hinten rief:

»Sid! Sid, wo steckst du? Bring sofort für Mrs. Cody und den Jungen zwei Teller. Sie sind hungrig und möchten noch etwas zu sich nehmen, bevor sie nach Hause fahren!«

»Ich komme schon!«, erklang die Stimme des Boys von der Küche her, in der allerdings nur Platz war für das Geschirr und Old Mas Vorratsschrank, zu dem sie den großen Schlüssel an einem Bund über der Schürze trug. Gekocht wurde am offenen Kamin im Saloon. Das war praktisch für Old Ma, denn sie hatte auf diese Weise jederzeit das Etablissement vor Augen.

Erstaunt drehte sich Bills Mutter vom Tisch zu der alten, runden Wirtin und wollte gerade protestieren, als der kleine, farbige Sid schon mit den beiden tiefen Blechtellern angelaufen kam und sie auf dem Tisch abstellte, an dem ein jetzt sehr verlegener Mr. Hickok saß. Sid fügte zwei Löffel hinzu, die er aus seiner Hosentasche zauberte, und verneigte sich.

»Bitte, nehmen Sie doch bei mir Platz. Wäre mir eine Ehre!«, sagte der lange Mann aus Illinois höflich und deutete auf den Nebenstuhl. Aber Mrs. Cody rümpfte nur die Nase und drehte sich auf dem Absatz um, als auch die Saloonbesitzerin hinter ihr stand und mit eindrücklicher Geste auf die freien Stühle verwies.

Noch einmal machte Bills Mutter Anstalten, einfach aus dem Raum zu eilen, aber da kam sie an die falsche Person. Während ein neuer Gast eintrat, sich kurz umsah und dann zum Tresen ging, flüsterte Old Ma ihr zu: »Das können Sie mir heute nicht antun, Mrs. Cody. Ich habe extra Fleisch hineingetan, und wenn ich Ihren Sohn Bill so sehe, möchte man glauben, dass der Junge gleich umfällt vor Hunger!«

»Ein kaltes Bier!«, rief der Mann am Tresen und deutete dabei auf das gemalte Schild, auf dem ein randvoll geschenktes Bierglas abgebildet war und darunter die Worte standen: »Ice cold beer – served here daily!«

»Komme gleich!«, rief Old Ma über die Schulter, ohne sich die Mühe zu machen, dem Mann einen Blick zu schenken.

Unschlüssig stand Mrs. Cody, als ihr plötzlich der große, schlanke Mann den Stuhl etwas vorzog und mit der Hand eine einladende Bewegung machte.

»Also gut, Old Ma, aber nur, weil der Junge Hunger hat!«

»Selbstverständlich!«, antwortete die alte Dame, ging zum Kamin, nahm den Kessel vom Haken und eilte damit zum Tisch zurück. Im Nu waren mit der großen Suppenkelle die Teller bis zum Rand gefüllt, und auch Hickok erhielt einen Nachschlag, noch ehe er die Hand über seinen Teller halten konnte.

»Essen Sie Mister, Sie können es vertragen!«, kommentierte Old Ma nur, nahm den Kessel wie ein Fliegengewicht in eine Hand und trug ihm zum Kamin zurück.

James Butler Hickok beugte sich etwas vor, lächelte so charmant er es nur konnte und sagte leise: »Wünsche einen guten Appetit!«

»Kommt jetzt endlich mein Bier?«, rief der Mann am Tresen ungeduldig.

Old Ma musterte ihn kurz und nickte nur.

Der Mann machte den Eindruck, als hätte er seit Wochen weder Wasser noch Seife in Berührung mit seiner Haut gebracht. Auch seine Kleidung hätte dringend eine Reinigung und die Hand einer geschickten Schneiderin benötigt. Seinen breitrandigen, schwarzen Hut hatte er abgenommen und neben sich auf den Tresen gelegt. Seine dunklen, fettigen Haare fielen in langen Strähnen auf die Schultern herunter. In einem breiten Ledergürtel steckte seitlich ein Messer und nach vorn schaute der Griff eines Revolvers heraus, als der Mann sich langsam umdrehte und die bunte Gruppe am Tisch beim Essen musterte.

Gleich darauf knallte Old Ma das volle Bierglas so vor ihn auf den Tresen, dass der Inhalt überschwappte.

»He, nicht so stürmisch, gute Frau!«, rief der fremde Gast laut heraus. »Hast du eine gute Zigarre, Old Ma?«, erkundigte er sich dann.

»Old Ma? Wüsste nicht, dass wir schon so weit sind, Mate!«, entgegnete die Wirtin. »Für dich immer noch Mrs Cruickshanks, verstanden? Wer sich bei mir nicht benehmen kann, kann gleich wieder gehen und erst dann wiederkommen, wenn er weiß, wie man sich einer Lady gegenüber zu benehmen hat!«

»Bitte um Entschuldigung, Lady!«, antwortete der Fremde grinsend. »Ich bitte um eine gute Zigarre!«

»Aber keine Havanna, mein Freund. Hier gibt es echten Virginia-Tabak!«, antwortete Old Ma brummend.

»Hervorragend!«, kommentierte der Mann und nahm sich aus der gereichten Kiste ein Exemplar heraus, rollte es genießerisch zwischen zwei Fingern unter der Nase, biss dann die Spitze ab, kramte eine Schachtel Lucifer von Samuel Jones aus der Tasche und riss sich ein Streichholz an der rauen Thekenoberfläche an. Dann paffte er ein paar dicke Wolken, achtete darauf, dass die Zigarre gut zog und trank sein Bierglas aus. »Noch eins und bitte genauso kalt!«

»Kommt sofort, und kalt ist mein Bier sowieso – wenn der Eisblock noch hält!«, antwortete Old Ma und füllte aus dem Fass ein weiteres Glas.

Erneut setzten sich die beiden kurzen Türflügel in Bewegung, als ein dicker, älterer Mann mit langen, weißen Haaren und einem prächtigen Vollbart den Saloon betrat.

»Hallo, Old Ma, gibt es noch Stew für mich?«

Die beleibte Wirtin nickte ihm zu und deutete auf den Tisch neben dem anderen, an denen es sich die Gäste bereits gut schmecken ließen.

»Sheriff Kelly, aber gern. Schön, dass Sie schon vom Fort zurück sind. Gibt es Neuigkeiten?«

Der Sheriff ließ sich schwerfällig auf einen Stuhl fallen, zog ein rotes Schnupftuch aus der Hosentasche und wischte sich damit die schweißnasse Stirn trocken. Ein ziemlich dicker Bauch ragt weit über seinen Ledergürtel, an dem ein einfaches Holster mit einem Revolver hing. Sheriff Kelly, der längst in den Ruhestand gehen wollte, legte mehr Wert auf seine Autorität als auf seine Waffe. Der Colt Dragoon hatte den verkürzten Lauf, war aber längst durch die Nachfolgemodelle überholt. Das unverzierte Lederholster besaß zudem eine Sicherung mit einem Lederstreifen, den man zwischen Griff und Abzugsbügel zog, um beim Reiten das Herausfallen zu verhindern.

Der matt glänzende Sheriffstern wirkte auf dem vom Schweiß durchtränkten, dicken Wollhemd irgendwie verloren. Aber das waren Äußerlichkeiten, für die Sheriff Kelly nicht viel übrig hatte. Einem Revolvermann war er noch nie begegnet, und die Viehtreiber, die gern mal über die Stränge schlugen und dabei wild auf der Straße in die Luft schossen, hatte er noch immer zur Raison gebracht. Ein ernstes Wort, die Androhung, die Nacht im Gefängnis zu verbringen, genügten in der Regel, und die Cowboys, die am Wochenende nur Spaß in der Stadt haben wollten, gaben gutmütig ihre Waffen bei ihm ab und holten sie aus dem Sheriff Office wieder, wenn sie nüchtern genug waren und die Stadt verließen.

»Ja, aber von den Neuigkeiten später. Erst einmal brauche ich einen Teller von dem köstlichen Eintopf, ich habe einen Hunger, dass ich einen ganzen Elch verdrücken könnte!«, ließ sich der Sheriff vernehmen.

Der Mann mit der Zigarre hatte seinen Rücken gegen den Tresen gelehnt und musterte aus kleinen, verschlagenen Augen den Sheriff genau.

Die alte Dame lachte und kam erneut mit dem Kessel herüber, während der kleine, farbige Küchenhelfer mit Teller und Löffel herbeiflitzte und alles vor dem Sheriff abstellte.

»Geht es Ihnen dort draußen gut auf Ihrer Ranch, Mrs. Cody?«, versuchte Hickok etwas Unterhaltung, denn die beiden löffelten ihren Eintopf schweigend in sich hinein. Aber er hatte längst bemerkt, wie gern Bill etwas gesagt hätte und jedes Mal, wenn er aufsah, einen strengen Blick seiner Mutter einfing.

Mrs. Cody schien noch immer ärgerlich zu sein, überwand sich dann aber und antwortete: »Es geht so. Das Land ist gut und fruchtbar, aber wir schaffen die Arbeit kaum noch. Mein Mann ist … nicht gesund.«

»Und er muss sich die meiste Zeit von unserer Farm fernhalten!«, platzte Bill heraus.

Verwundert sah Hickok zu ihm herüber, und der Junge bekam einen roten Kopf, blickte wieder auf seinen inzwischen geleerten Teller und begann, verlegen mit dem Löffel darauf herumzukratzen.

Als seine Mutter ebenfalls schwieg, stellte Hickok direkt seine Frage.

»Warum muss sich Ihr Mann von der Farm fernhalten, Mrs. Cody? Ich habe das Land schon seit ein paar Tagen durchquert, es ist bestes Acker- und Weideland. Der Mais ist in Kürze reif und scheint prächtig zu gedeihen, die Rinder stehen in fettem, grünem Gras und sehen so aus, als würden sie vor Kraft kaum noch laufen können. Kurz und gut, Mrs. Cody, ich hatte den Eindruck, dass ich Gottes eigenes Land durchquerte, so grün und fruchtbar schien es mir zu sein! Und meilenweit bin ich an riesigen Weizenfeldern entlanggeritten, bis zum Horizont. Wenn das nicht ein fruchtbares Land ist, weiß ich nicht.«

»Gottes eigenes Land?«, lächelte Bills Mutter jetzt und antwortete mit etwas bitterem Unterton: »Ja, das mag wohl stimmen, Mister. Kansas ist gesegnet, was die Natur angeht. Etwas trocken vielleicht und die Winter eine Spur zu kalt. Aber der Santa-Fe-Trail bringt immer wieder Auswanderertrecks in die Stadt. Doch leider ist da eine Menge übles Volk unterwegs, das eine Blutspur durch Kansas zieht.« Bei dieser Bemerkung schickte sie einen scheuen Blick zu dem Fremden am Tresen hinüber, der gerade sein drittes Bierglas in der Hand hielt.

»Verstehe!«, antwortete Hickok und nickte ihr zu. »Die Border Ruffians sind zu einem echten Problem im Staat geworden.« Der junge Mann wollte noch etwas anfügen, schwieg dann aber, nachdem er ebenfalls einen raschen Blick zum Tresen geworfen hatte. Eigentlich wollte er noch von General Lane und der Miliz berichten, in der er derzeit diente, um die Farmersfrau zu beruhigen. Doch das ging fremde Ohren nichts an, und ein Blick zum Sheriff, der sich eben eine zweite Portion von dem Stew reichen ließ, bestätigte ihm, dass es besser war, in der Öffentlichkeit zu schweigen. 

Old Ma hatte den Kupferkessel bis auf den letzten Rest ausgekratzt und Sheriff Kelly einen gehäuften Teller gegeben. Jetzt ging sie zum Kamin zurück und stellte dabei den Kessel in den Eingang zu ihrem sogenannten Küchenraum.

»Sid, bevor ich es vergesse, bring bitte noch den Abfall hinaus! Ich habe es dir vorhin schon gesagt, der Eimer stinkt erbärmlich!«

»Sofort, Madame!«, antwortete der kleine, schwarze Boy, schnappte sich den Abfallbehälter und wollte damit hinauslaufen, als das Unglück geschah.

Sid lief in seinem Übereifer mit dem vollen Behälter auf die Schwingtüren zu, als diese plötzlich nach innen aufgestoßen wurden und er mit einem breitschultrigen, übel aussehenden Mann zusammenstieß. Der Inhalt des Abfalleimers flog durch die Luft, verteilte sich auf dem Fußboden und auf den Stiefeln des neuen Gastes.

»Kannst du nicht aufpassen, verfluchter Nigger!«, brüllte der ihn an.

Sid, vollkommen verschüchtert, saß zwischen dem verstreuten Abfall auf dem Boden und blickte sich mit angstvoll geweiteten Augen um.

»Nun seht euch das an!«, brüllte der Mann, als seine beiden Begleiter eintraten. Auf seinen ohnehin verdreckten Stiefeln hatte sich etwas Kartoffelschale gesammelt, die Old Ma beim Zubereiten des Stews dort hineingeworfen hatte. »So eine elende Sauerei! Komm her, Nigger, und leck mir die Stiefel sauber!«

Es wurde totenstill im Saloon, als der kleine Sid sich hilflos umsah.

Der Mann hatte sein vom Alkohol und anderen Ausschweifungen gezeichnetes Gesicht wütend verzogen. Tiefe Furchen waren um seinen Mund eingegraben, und wer die schwarzen Zahnstummel sah, wenn er sprach, musste unwillkürlich zurückschrecken. Offenbar hatte der Mann auch bereits getrunken, denn mit blutig unterlaufenen Augen stierte er den armen Sid an.

Als er die nächsten Worte herausschrie, versprühte er dabei seinen Speichel und lief dunkelrot vor Zorn an.

»Du sollst mir die Stiefel ablecken, Nigger!«, schrie er erneut und riss dabei einen Revolver aus dem Hosenbund, spannte den Hebel und richtete die Waffe auf den Jungen.

»Stopp, Mister, das geht zu weit!«, ließ sich jetzt die Stimme von James Butler Hickok vernehmen, der sich langsam erhoben hatte.

Sofort drehte sich der Bursche am Eingang zu ihm um und herrschte ihn an:

»Was willst du denn von mir, du Abolitionist?«

»Sir, ich spreche höflich und ruhig mit Ihnen. Sie bedrohen ein Kind mit der Waffe und schreien hier herum, während andere Leute essen wollen. Das kann ich nicht dulden!«

»Ach so, kannst du nicht, ja? Dann will ich dir mal zeigen, was ich mit diesem Nigger mache!«, schrie ihn der Mann an.

Hickok hatte seine Hände zwar in der Nähe der Revolverkolben, aber keine Waffe gezogen. Mrs. Cody und Bill saßen ihm genau gegenüber und damit in der Schusslinie.

Als er eine abwehrende Handbewegung machte, hatte sein Gegenüber den kleinen Sid am Kragen gepackt, zu sich hochgezogen und hielt ihm nun den Revolverlauf an den Kopf.

Sids Augen waren vor Angst weit aufgerissen, sodass man das Weiße deutlich sah. In seinem hübschen, schokoladenfarbigen Gesicht wirkten sie dadurch noch ängstlicher.

»Lassen Sie doch den Jungen los!«, versuchte es Hickok noch einmal mit ruhiger Stimme.

»Sonst?«, schrie ihn der andere an. »Was passiert sonst?«

»Ich würde Ihnen bessere Manieren beibringen, Sir!«, antwortete Hickok noch immer ruhig.

»Ich denke mal, es ist an der Zeit, etwas zurückzurudern!«, ließ sich Sheriff Kelly vernehmen und erhob sich schwerfällig von seinem Stuhl, sodass sein Sheriffstern deutlich erkennbar wurde.

Der Mann trat einen Schritt vor und presste dabei Sid dicht an seinen Körper.

»Setz dich lieber wieder hin, alter Mann! Das hier ist eine Sache zwischen mir und diesem dreckigen, kleinen Nigger!«

»Hören Sie lieber auf den Sheriff, Mann. Er meint es nur gut mit Ihnen«, sagte Hickok mit ruhiger Stimme.

»Ach ja, du bist ja ein ganz ausgeschlafenes Kerlchen, was? Pass auf, wenn ich mit dem Nigger hier fertig bin, bist du dran, verstehst du …«

Der Mann schwenkte kurz die Waffe und drückte ab.

Sheriff Kelly stand mit ungläubig weit aufgerissenen Augen, dann fuhr seine Hand zur Brust und verfärbte sich sofort vom Blut, das aus einer Wunde direkt über dem Herz mit jedem Atemzug heraussprudelte. Der Sheriff stand noch einen kurzen Moment, dann brach er zusammen.

Sein Mörder hob den Arm mit dem Revolver etwas an, richtete ihn wieder auf den Kopf von Sid, den er wie einen Schild an sich presste. Der kleine Boy schrie ängstlich auf.

»Lassen Sie den Jungen los!«, rief Hickok jetzt warnend, als sich ihm plötzlich ein harter Gegenstand in die Rippen bohrte.

»Schön ruhig bleiben, dann passiert auch nichts. Die Hände von den Revolvergriffen!«

Das war der Mann, der eben noch in aller Ruhe an seiner Zigarre gezogen hatte. Mit einem raschen Schritt war er hinter Hickok getreten, um ihn in Schach zu halten. Doch plötzlich nahmen die Ereignisse eine andere Wendung.

Der Mann, der eben noch den kleinen Sid in den Armen hielt und jeden Moment erneut abdrücken konnte, zuckte plötzlich zusammen und schwieg.

Dann öffneten sich seine Hände, und Sid sprang auf den Boden. Diese Gelegenheit nutzte er sofort und lief hinter den Tresen, um bei Old Ma Schutz zu suchen.

Polternd fiel jetzt der schwere Revolver auf den Holzboden, dann drehte sich der Mann einmal um die eigene Achse, bevor er ebenfalls der Länge nach auf dem Boden aufschlug. Doch gleichzeitig hatten seine beiden Begleiter ihre Waffen gezogen.

»Hank«, sagte der Zigarrenraucher, »was ist mit Clyde geschehen? Dreh ihn mal herum!«

Die Worte waren an einen der Begleiter des Mannes gerichtet, der eben wie vom Blitz gefällt auf den Boden gestürzt war. Aber bevor noch einer von ihnen der Aufforderung nachkommen konnte, ertönte eine laute Stimme von der Pendeltür her:

»Die Hände nach oben, sodass ich sie gut sehen kann. Eine falsche Bewegung, und ich drücke ab. Mein Zeigefinger ist ohnehin sehr nervös!«

Beide Männer versuchten, mit einem Blick über die Schulter die Lage einzuschätzen.

»Ein dreckiger Indianer!«, stieß einer von ihnen verächtlich aus.

»Richtig!«, antwortete der Mann in ihrem Rücken. »Aber mit einer Schrotflinte in den Händen. Macht keinen Unsinn, Leute, das Ding macht Löcher so groß wie ein Scheunentor!«

»Indianer und Nigger!«, schrie der Mann hinter Hickok. »Wag es, abzudrücken, und der ganze Ort wird dabei sein, wenn wir dich lynchen! Her mit deinen Revolvern, aber langsam! Erst den einen – so, ja, sehr gut!«

Hickok war der Aufforderung nachgekommen, zog den Revolver auf der rechten Seite heraus und reichte ihn nach hinten.

»Schön, und nun den anderen!«

Plötzlich überstürzte sich alles.

Wieder krachte ein Schuss, Pulverdampf stieg hinter den beiden Männern auf, und Hickok schwang seinen Colt Navy wieder nach vorn.

»Entschuldigung, Madam, aber diesen Trick kann ich nur mit der linken Hand!«, sagte er, als der Zigarrenraucher nach hinten fiel. Doch jetzt waren auch die beiden Gefährten des anderen dabei, ihre Waffen auf die Codys zu richten, und erneut dröhnten zwei rasche Schüsse durch den Saloon.

Der Indianer hatte seine Schrotflinte abgefeuert, und das Ergebnis waren zwei weitere tote Männer, deren Rücken von den Kugeln nahezu zerfetzt waren.

»Was für eine unangenehme Sauerei!«, sagte Hickok leise und schob den Colt zurück, bückte sich nach dem anderen, den der Zigarrenraucher noch in der Hand hielt, und steckte ihn ebenfalls wieder ein.

Ein lang gezogener, schriller Schrei hallte allen in den Ohren, und Hickok ging um den Tisch, um Mrs. Cody zu beruhigen.

 

 

2. Kapitel

 

»Du bist ja ein ganz Wilder, mein Cowboy!«

Die Hure räkelte sich noch genüsslich in den Laken, während sich Hickok auf die Bettkante gesetzt hatte und aus dem Fenster starrte.

»Ich bin kein Cowboy.«

»Gut, aber ein wilder Hengst. So etwas wie dich hatte ich noch nie in diesem Kaff. Aber sag mal, Süßer, so ein Name wie James Butler ist ja nun furchtbar langweilig! Wie nennen dich deine Freunde?«

»Bill.«

Die Hure lachte fröhlich.

»Bill? Warum nicht Jimmy, das würde sich doch anbieten?«

Hickok zuckte die Schultern.

»Keine Ahnung. Das kam irgendwann einmal auf, als ich in Homer, meiner Lieblingsstadt, eine Prügelei mit fünf Kerlen siegreich überstanden hatte. Anschließend nannte mich jemand Wild Bill, und wie es scheint, ist der Name geblieben.« 

Lilly lächelte ihn fröhlich an.

»Das gefällt mir, wilder Bill, weil es zu dir passt! Bleibst du länger?«

Hickok erhob sich, nahm seine Sachen auf und begann, sich wieder anzukleiden.

»Das wird sich kaum vermeiden lassen, Süße. Immerhin war ich dabei, als der Sheriff erschossen wurde. Ich nehme an, man holt jemand aus Fort Leavenworth für die Leichenschau und die notwendige Untersuchung. Ein paar Tage werde ich schon noch hierbleiben.«

»Und dein Freund, der Indianer, hat auch zwei Männer erschossen? Hat er sie danach skalpiert?«

Hickok lachte laut auf.

»Skalpiert? Nein, das macht er nicht. Dazu ist er zu zivilisiert. Obwohl …«, fügte er an und warf einen anzüglichen Blick auf die langen, roten Haare der Hure.

»Huh, wenn du mich so ansiehst, läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken! Kannst du nicht noch einmal zurückkommen und mich etwas wärmen?«

»Nein, Lilly, das kann ich nicht. Aber wir sehen uns wieder, ich mag saubere Huren. Jetzt zieh dich an, ich denke, es wird Zeit, mal nach den Pferden zu sehen.«

»Schade!«, antwortete die Rothaarige, räkelte sich noch einmal genüsslich und stand dann auf. Ihr schlichtes Calico-Kleid lag neben dem Bett. Sie fischte es mit einer eleganten Handbewegung auf, zog es sich über den Kopf, rückte ihre Brüste zurecht und drehte sich zu Hickok um.

»Na, mein Hengst? Nicht doch noch Lust?«

Hickok lächelte.

»Ich bin ein verrückter Kerl, Lilly, das kann ich dir bestätigen. Und nach einer solchen Schießerei habe ich immer das Bedürfnis, mich in einem Bett auszutoben. Aber das macht auch hungrig, und wenn ich die Pferde versorgt weiß, werde ich eine Kleinigkeit essen. Wir sehen uns bestimmt bei Old Ma.«

Er ging zuerst und gürtete sich dabei noch den Revolvergurt mit den beiden Holstern um, während ihm die rothaarige Hure langsam folgte. Es gab über dem Saloon einige Zimmer, die mit einem gemeinsamen Flur verbunden waren. Eine geschwungene Treppe führte in den eigentlichen Schankraum, aus dem jetzt Stimmen ertönten und eine dicke Tabakwolke bis auf die Treppe hinaufwaberte. Es war der frühe Freitagabend, und die texanischen Viehtreiber hatten rechtzeitig ihre Rinder in die Corrals getrieben und wollten nun ihren kargen Wochenlohn bei Old Ma für etwas Alkohol und viel Spaß ausgeben.

»Früher hatten wir auch einen Klavierspieler!«, erklärte ihm Lilly. »Aber nachdem ein paar Saufköppe unserem letzten Pianisten in die Hand geschossen haben, weil er ihnen nicht schnell genug spielte, will niemand mehr an die Tasten. Schade eigentlich, denn ich liebe diese Reels und Cajuns, wenn sie gekonnt gespielt werden.«

Lächelnd drehte sich Hickok zu ihr um, als er am Fuß der Treppe angelangt war.

»Du liebst die Reels aus Schottland und die Musik aus Louisiana? Ziemlich ungewöhnlich, findest du nicht?«

»Und was spielt man so in Illinois?«, antwortete Lilly mit keckem Augenaufschlag.

Hickok sah hinüber zu dem Klavier, das in einer Ecke verstaubte. Etliche Gäste benutzten es zusätzlich als Abstellmöglichkeit, wenn Old Ma und Sid nicht mit dem Abräumen der Gläser nachkamen.

Dann ging er quer durch den Saloon, wobei ihm zahlreiche Augenpaare folgten und ein paar Männer an den Tischen die Köpfe zusammensteckten und halblaute Bemerkungen miteinander tauschten.

Mehrfach vernahm er die Worte Revolvermann und Gesetzeshüter, aber er reagierte nicht darauf, nahm die Gläser vom Klavier und stellte sie auf dem Fußboden ab. Danach klappte er den Deckel hoch und sah auf die schon stark vergilbten Elfenbeintasten. Als er einen raschen Takt anschlug, erwies sich das Instrument als erstaunlich sauber im Klang. In rascher Folge spielte er die Melodien, die ihm durch den Kopf gingen, und plötzlich wurde es so still im Saloon, dass man nur noch die Klaviermusik hören konnte.

Als Hickok eine Pause machte, um einen Schluck aus dem Bierglas zu nehmen, das ihm Sid hingestellt hatte, brach der Jubel unter den Cowboys aus. Rufe wurden laut und schließlich spielte der junge Mann aus Illinois weiter, eine gute Stunde lang, bis er sich lächelnd umdrehte und sich erhob.

Brausender Beifall belohnte ihn, und James Butler Hickok verbeugte sich mit einem verbindlichen Lächeln in alle Richtungen, während er den Raum durchquerte und zu Old Ma hinüberging, die ihn mit einem riesigen Steak überraschte. Auf dem Teller befand sich sonst nur noch etwas geröstetes Brot, und die dicke Saloonbesitzerin hatte ein breites Lachen in ihrem runden, von der Hitze und der Arbeit geröteten Gesicht.

»Steht nicht auf dem Speisezettel bei Old Ma, aber das haben Sie sich verdient, Mr. Hickok, vielen Dank für die Unterhaltung!«

Hickok, der eigentlich nach unten gegangen war, um etwas zu essen und stattdessen die Viehtreiber mit seinem Klavierspiel unterhalten hatte, bedankte sich artig, schob seinen Teller an den Rand des Tresens und begann dort, im Stehen sein Steak zu zerschneiden. Zwei Männer vom benachbarten Tisch standen auf und traten zu ihm. Hickok musterte sie rasch von Kopf bis Fuß und bemerkte, dass beide keine Waffen trugen.

»Wir möchten Sie an unseren Tisch einladen, Sir. Bitte, essen Sie doch nicht hier im Stehen. Es wäre eine große Ehre für uns, sie bei uns sitzen zu haben!«, sagte einer von den Männern mit den von der Sonne verbrannten Gesichtern. Die beiden, wie auch die übrigen drei Männer an dem runden Tisch, schienen Cowboys zu sein, wie ihre über den Hosen getragenen, ledernen Chaps zeigten. Sie dienten zum Schutz vor Dornen und Gestrüpp, wenn die Männer nach verlorenem Vieh suchten, das sich gern in solche unzugänglichen Bereiche verirrte.

»Gut, wenn Sie meinen!«, antwortete er freundlich, griff seinen Teller und folgte der Einladung.

Eine Weile sahen die Männer ihm schweigend zu, wie er ein Fleischstück nach dem anderen in seinen Mund schob und offenbar voller Genuss kaute. Jemand war zur Theke gegangen und hatte ihm ein frisches Bier geholt. Als der Mann aus Illinois sein Essen beendete und den Teller etwas zurückschob, sagte sein Gegenüber:

»Muss ja ganz schön wild zugegangen sein bei der Schießerei!«

Hickok zuckte die Schultern, lehnte sich zurück und antwortete:

»Mit so vielen Toten, zu denen leider auch der Sheriff gehört, trifft das wohl zu.«

»Und wo ist jetzt Ihr Freund, der Indianer?«

»Ich hoffe, dass er bei unseren Pferden ist und heute seinen großen Durst bezwingen kann«, antwortete Hickok.

»Ah, auch eines von den Rotfellen, das nicht die Hand vom Alkohol lassen kann!«, antwortete ein anderer aus der Runde, an dessen Aussprache man sofort den Texaner erkannte.

»Ja, leider, aber meistens kann er sich beherrschen!«, antwortete der Lange ihrer Runde. »Danke für das Bier, ich würde jetzt gern …«

Er wurde unterbrochen, als eine neue Gruppe lautstark gröhlend den Saloon betrat. Die Männer lachten und riefen sich ein paar wüste Bemerkungen über die Anwesenden zu, und schlagartig kehrte Ruhe ein. Die neu eingetroffenen Männer trugen alle einen Revolver im Gürtel oder auch in einem Holster, und wer ihnen in die Gesichter sah, mochte der Ansicht sein, dass hier ein Haufen übelster Galgenvögel zusammengekommen war. Alle wirkten schon bei ihrem Auftreten gefährlich, denn Wild Bill Hickok entging es nicht, dass die Männer sofort Positionen einnahmen, von denen aus sie den gesamten Raum kontrollieren konnten.

Erst jetzt kam ein weiterer Mann herein, vollkommen in schwarz gekleidet, und schob ein sonderbares Gefährt vor sich her. Als sich die großen Räder laut auf dem Holzboden bewegten, trat atemlose Stille ein. Alle Augen richteten sich auf den Mann, der in diesem Rollstuhl saß. Er schien keineswegs hilflos zu sein, sondern saß groß und breitschultrig, in einen Gehrock aus gutem Stoff gekleidet, in dem Gefährt und blickte der Reihe nach die Anwesenden an, als wäre er ein europäischer Herrscher, den man auf seinem Thron hereingefahren hätte.

Hickok musterte mit raschem Blick seine Nachbarn und stellte fest, dass die meisten diese Männer wohl kannten, denn alle schienen es jetzt zu vermeiden, dem Blick des Rollstuhlfahrers zu begegnen.

Das harte, kantige Gesicht mit den scharfen Linien an den Nasenflügeln und Mundwinkeln, die kalt blickenden Augen und die geballten Fäuste des Mannes schienen auf einen willensstarken Charakter zu deuten. Der Mann hinter ihm schob den Rollstuhl bis an den Tresen und drehte ihn dann so, dass er mit dem Rücken dazu saß und alles überblicken konnte.

Noch immer hatte niemand ein Wort gesprochen, und es war Old Ma, die jetzt etwas umständlich ihren gewaltigen Körper hinter dem Tresen herauswand und laut sagte: »Guten Abend, Mr. Stevenson. Ihre Bestellung nehme ich gleich auf. Mr. Hickok, wie wäre es, wenn Sie uns noch ein wenig zur Unterhaltung aufspielen?«

»Aber gern, Madam!«, antwortete der, erhob sich und wollte zum Klavier hinübergehen, als ihn der ausgestreckte Arm eines Mannes bremste. Verwundert sah er in das wie versteinert wirkende Gesicht des Mannes, der eine Kopfbewegung zu dem Rollstuhlinsassen machte.

»Der Judge mag keine Musik!«, sagte er dabei mit halblauter Stimme.

»Schade, aber er kann ja auch weiterziehen. Wenn Old Ma Musik wünscht, erfülle ich ihr den Wunsch gern!«, erwiderte Hickok, wischte den Arm beiseite und setzte seinen Weg fort. Als er auf dem Klavierhocker Platz nahm, sagte eine seltsam kalt und schneidend klingende Stimme:

»Fremder, haben Sie nicht verstanden, was Ihnen der Mann gerade gesagt hat?«

Hickok drehte sich langsam um und sah den Mann im Rollstuhl an. Durch den Raum schienen sich ihre Blicke zu kreuzen, dann zuckte er die Schultern, drehte sich wieder zum Klavier und begann mit einer flotten Weise. Aber diesmal wich die seltsame Stille nicht dem begeisterten Mitklatschen oder dem Stampfen der Stiefel auf den Boden. Plötzlich fiel ein Schuss, und die Kugel schlug dicht neben Hickoks Kopf in das Klavier. Holzsplitter flogen durch die Gegend, und jetzt hielt es der Klavierspieler für angebracht, sich zu erheben. Es war der Mann, der den Rollstuhl hereingeschoben hatte. Seinen Revolver hatte er noch in der Hand, und eine dünne Rauchfahne stieg zur Decke hinauf. Hickok schlenderte an den Tischen vorbei und spürte förmlich, wie die zahlreichen Augenpaare an ihm hingen.

Vor dem Rollstuhl blieb er stehen und betrachtete das Gesicht des Mannes, das vollkommen ohne jede erkennbare Regung blieb.

»Mister … wie war doch der Name? Stevenson? Haben Sie Ihrem Mann befohlen, auf mich zu schießen?«

Seine eiskalten, grauen Augen schienen plötzlich zu glühen, als er mit etwas heiserer Stimme antwortete: »Sie scheinen nicht nur taub zu sein, sondern außerdem auch vollkommen verblödet. Wissen Sie eigentlich, wen Sie vor sich haben?«

»Nein, ich habe noch nie den Namen Stevenson gehört. Allerdings stamme ich nicht von hier. Mein Name ist James Butler Hickok, ich komme aus Illinois.«

Die Augen seines Gegenübers schienen sich zu Schlitzen zu verengen.

»Dann hören Sie mir mal gut zu, Mr. Illinois. Ich bin Judge Frederic Isaac Stevenson. Mir gehört hier die größte Ranch, fast das gesamte Land bis zum Fort, und außerdem die Zinn- und Kupfermine. Alles, was in dieser Stadt geschieht, betrifft mich, denn auch die meisten Läden und ein Großteil der Häuser gehören mir. Haben Sie das verstanden?«

Hickok probierte es mit einem Lächeln, als er antwortete:

»Ja, Sie sprechen ja deutlich genug, Mr. Stevenson. Das ist schon irgendwie sehr beeindruckend, aber es interessiert mich nicht die Bohne. Keine Ahnung, welche Art von Judge Sie sein sollen. Und jetzt sagen Sie Ihrem Angestellten, er soll seinen verdammten Revolver einstecken und sich bei mir entschuldigen.«

Einen ganz kurzen Moment lang zuckte etwas im Gesicht des Mannes, dann sagte er nur: »Schmeißt den Burschen raus. Ich kann seine Visage nicht ertragen.«

Gleich darauf legte sich eine Hand auf Hickoks Schulter, aber er wartete das weitere Vorgehen nicht ab. Blitzschnell fuhr er auf den Absätzen herum und schlug dem Mann die Faust ins Gesicht, sodass der vollkommen Überraschte nach hinten fiel und auf einem der Tische landete.

Das war das Signal für die anderen, die sich eben auf Hickok stürzen wollten, als der mit einer unglaublich schnellen Bewegung seine Colts zog und einen davon auf den Mann im Rollstuhl richtete, den anderen auf die Angreifer.

»Überlegt gut, was ihr jetzt macht, Leute! Es könnte für Euren Boss nicht günstig ausgehen!«

Aus dem Augenwinkel erkannte Hickok eine Bewegung in der zweiten Reihe der Angreifer, die beim Anblick seiner Revolver stehen geblieben war. Ohne zu zögern hob er seine rechte Revolverhand und schoss dem Mann in die Schulter. Mit dem Schrei polterte dessen Waffe herunter, und das schien dem Mann neben dem Rollstuhl der geeignete Moment zu sein. Er hatte den Hahn seines Revolvers gespannt und drückte ab. Aber an der Stelle, an der eben noch der Mann aus Illinois gestanden hatte, befand er sich nicht mehr. Die Kugel fuhr in den Boden und riss ein paar Splitter heraus. Gleich darauf traf Hickoks Kugel den Schützen mitten in die Stirn, riss den Mann einmal um die eigene Achse und ließ ihn über dem Tresen zusammenbrechen. Als sein Körper herunterrutschte, versuchte er, sich noch am Rollstuhl festzuhalten, doch das war nur ein letzter Reflex.

»So, Mr. Stevenson, wenn Sie noch an Ihrem Leben hängen, rate ich Ihnen, sich mit Ihren Männern unverzüglich nach draußen zu begeben, bevor ich es mir anders überlege!«

Der Mann hatte ein wachsbleiches Gesicht und starrte Hickok mit wahrer Mordlust in den Augen an. Schließlich nickte er leise, gab einem seiner Leute ein Zeichen und zischte:

»Das hat ein Nachspiel, Hickok! Sie gehen ein großes Risiko ein, wenn Sie die Stadt nicht innerhalb der nächsten Stunde verlassen. Schauen Sie sich um, unter diesen Feiglingen gibt es keinen einzigen Mann, der Ihnen den Rücken freihält!«

»Aber ein paar Frauen, Mr. Stevenson. Ich denke, es war einmal an der Zeit, dass Ihnen jemand Respekt beibringt!«, erklang die Stimme von Old Ma.

Sie trat vor, und die Männer von Stevenson trauten ihren Augen nicht.

Die dicke, sonst so gemütlich wirkende Frau, hatte eine doppelläufige Flinte auf sie gerichtet und machte dazu ein entschlossenes Gesicht. Fast noch beeindruckender wirkten die drei Huren ihres Hauses, die hinter ihr standen und alle Gewehre in den Händen hielten. Grinsend bemerkte Hickok, dass alle drei eine ziemlich neu aussehende Sharps-Rifle in den Händen hielten. Das waren zwar nur einschüssige Waffen, aber das Kaliber .52 riss so hässliche Wunden, dass es die Gefolgsleute Stevensons vorzogen, den Saloon zu verlassen.

Kaum war die doppelte Pendeltür hinter ihnen wieder zur Ruhe gekommen, machte sich ungeheurer Jubel breit. Der Mann im Rollstuhl hörte ihn sehr gut, aber im Moment blieb ihm nichts anderes übrig, als die Fäuste zu ballen. Zwei seiner Leute schoben ihn hinüber zu dem Fuhrwerk, klappten die Vorrichtung für ihn herunter und verbanden auf der Ladefläche die Räder fest mit den dafür vorgesehenen Riemen. Danach stiegen sie auf ihre Pferde und folgten dem rasch vorauseilenden Fuhrwerk, das Mr. Stevenson persönlich lenkte.

»Ein gefährlicher Mann, Hickok!«, sagte Old Ma leise zu ihm. »Er behauptet, nach dem Tod des Sheriffs für Recht und Ordnung in Eastin zu stehen. Sie sollten seinen Rat beherzigen und die Stadt so schnell wie möglich verlassen.«

Wild Bill sah ihr lächelnd ins Gesicht.

»Dazu besteht überhaupt kein Anlass. Aber jetzt mache ich erst einmal etwas Musik, das entspannt alle!« Und ehe die Wirtin noch etwas erwidern konnte, saß er erneut am Klavier und spielte fröhlich sein gesamtes Repertoire herunter, bis irgendwann nach Mitternacht Lilly neben ihm stand, ihre Hand leicht auf seine Schulter legte und ihm zuflüsterte:

»Zeit für einen kleinen Nachtritt, mein Hengst!«

Hickok stand grinsend auf, fasste sie um die Hüfte und machte ein paar rasche Tanzschritte mit der Rothaarigen, und sofort klatschten die Cowboys den Takt des gerade gehörten Liedes dazu. Lachend wirbelte er die Frau durch den Raum, und als sie an der Treppe angelangt waren, nahm er sie rasch hoch, warf sie sich über die Schulter und eilte unter dem Gejohle und Gelächter der Männer im Saloon nach oben.

Während Lilly ihr Kleid über den Kopf zog, verriegelte Hickok die Tür, nahm den einzigen Stuhl und kippte die Lehne so unter den Knauf, dass sie nicht lautlos von außen geöffnet werden konnte.

Danach trat er an das Fenster, öffnete es, warf einen Blick auf die Straße und die umlaufende Veranda, anschließend klappte er die Läden zu, schloss das Fenster und drehte sich zu Lilly um, die ihn mit einem Seufzer in die Arme schloss.

 

 

3. Kapitel

 

James Butler Hickok hatte stets einen sehr leichten Schlaf, was ihm schon manches Mal in der Wildnis das Leben gerettet hatte. So konnte es nicht ausbleiben, dass er das leise Knarren vor der Tür hörte. Er beugte sich zu Lillys Ohr herüber und flüsterte:

»Mach kein Geräusch, Lilly. Sie sind draußen. Komm rasch, wir werden unter dem Bett in Deckung gehen.«

Die Rothaarige hatte sich verwundert aufgerichtet, besaß aber genügend Geistesgegenwart, zu schweigen und sofort seiner Anweisung zu folgen. Kaum lagen sie unter dem Metallgestell, als eine Reihe von Schüssen fiel. Offenbar schoss man direkt durch die geschlossene Tür und hoffte, ihn dabei zu treffen. Hickok zählte mit, und als der sechste Schuss gefallen war und kein weiterer die Gegenwart eines zweiten Schützen verriet, war er mit dem Revolver an der durchlöcherten Tür, entfernte den Stuhl und riss sie auf. Im dunklen Flur bemerkte er eine Bewegung und schoss sofort.

Ein durchdringender, schriller Schrei antwortete ihm, und sofort war er bei dem Mann, der zuckend auf dem Boden lag. Er hatte gerade damit begonnen, seinen Revolver nachzuladen, den Hickok jetzt aufhob und in seinen Raum zurückkehrte. Erneut kam der Stuhl unter den Knauf, und gleich darauf lag er wieder unter dem Bett neben der rasch atmenden Lilly.

»Hast du ihn erwischt?«, flüsterte sie.

»Ja, kannst du den Revolver laden? Er hat das gleiche Kaliber, hier ist meine Pulverflasche und sechs Kugeln!«, antwortete er leise.

»Nichts leichter als das!«, antwortete Lilly und begann, trotz ihrer unglücklichen Lage unter dem Bett und der Dunkelheit mit dem fachgerechten Laden. Hickok beobachtete sie dabei lächelnd und war erstaunt, dass Lilly auch in dieser Beziehung offenbar über ungewöhnliche Fähigkeiten verfügte. Sie spannte den Hahn, drehte die Trommel sechsmal und füllte dabei in jede Kammer das Pulver. Anschließend nahm sie eine Kugel nach der anderen und stieß mit der Laderamme, die unterhalb des Laufes sitzt, das Blei herunter.

»Zündhütchen!«, verkündete sie dann, und Hickok gab ihr eine kleine Schachtel in die Hand.

»Vorsicht, jetzt sind sie am Fenster!«, raunte er ihr zu.

Es war nur eine Bewegung an den Fensterläden, die ihn alarmiert hatte.