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"Wieso zum Teufel sucht er sich nicht seine eigenen Aufträge?" Pearl ist fuchsteufelswild. Seit Tagen funkt ein Unbekannter ihr dazwischen, der ihre Opfer tötet, auf die sie angesetzt worden ist. Sie schafft es einfach nicht, ihn zu erwischen. Und als hätte sie nicht schon genug um die Ohren, taucht ein Untergrundboss auf, in dessen Visier sie geraten ist. Selbst ihr Psychologe Dr. Barlow verliert die Geduld mit ihr und muss zu ungewöhnlichen Mitteln greifen. Ehe sie sich versieht, kommt alles anders, und sie sieht sich dem Mann gegenüberstehen, der ihre Ängste beherrscht. Was wird Pearl in dieser Situation tun? Sich dem stellen oder flüchten? Eine aufwühlende, heiße Erotikgeschichte mit einer starken, weiblichen Persönlichkeit und einem noch stärkeren Protagonisten. Dieses Buch enthält explizite Ausdrücke und Szenen, die für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren nicht geeignet sind. Die Protagonisten achten nicht auf Safer Sex- es ist schließlich nur ein Buch!
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Sound of Silence, Sound of Pain
Christina Daron
1. Auflage
Copyright: Christina Daron, 2019, Deutschland
Christina Daron
c/o Autorenservice Patchwork
Schlossweg 6
A-9020 Klagenfurt
Coverfoto: covermanufaktur.de - Sarah Buhr
Korrektorat: www.korrekt-ac.com – Kristina Krüger
Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.
Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.
Prolog
Da ist sie wieder.
Panik hat mich gepackt, als ich gedacht habe, sie aus den Augen verloren zu haben. Doch da oben – auf dem Dach des Towers – kann ich sie durch mein Fernglas entdecken.
Ihre schwarze Kleidung macht es mir nicht einfach, sie in der Dunkelheit der Nacht ausfindig zu machen, aber wie gut, dass der Mond ungehindert am wolkenlosen Sternenhimmel scheinen kann.
Selbst von meinem Standpunkt aus kann ich durch das Fernglas ihre kurvige Silhouette erkennen. Diese Silhouette werde ich irgendwann nackt unter mir gefesselt haben und Pearl, so heißt sie, einen Ausweg zeigen.
Seit sie einmal in eine Opferrolle gedrängt worden ist, setzt sie sich für andere Opfer ein. In ihrem Fall sind es Frauen, die von Männern – ob es die eigenen Ehemänner, Verwandte, Bekannte oder Unbekannte sind, spielt keine Rolle – misshandelt und missbraucht worden sind, die sie nun rächt.
Im Untergrund hat sie sich einen Namen machen können, wie mir zu Ohren gekommen ist. Wie gut, dass ich da gut vernetzt bin.
Seitdem verfolge ich sie auf Schritt und Tritt, und soeben kann ich sehen, wie sie ihr Gewehr aus dem Rucksack holt und zusammensteckt.
Ich schwenke das Fernglas rüber zum Wohngebäude. Ich weiß genau, welches beleuchtete Fenster ich anvisieren muss, um das nächste Todesopfer auf ihrer Liste sehen zu können.
Sie wird noch einen Moment brauchen, weil sie noch Schwierigkeiten hat, das Gewehr zusammenzustecken.
Es ist niedlich, sie heimlich dabei zu beobachten, wie sie immer wieder den gleichen Fehler macht.
Irgendwann werde ich ihr zeigen müssen, welchen Handgriff sie ändern muss, um sich nicht noch selbst zu erschießen.
Aber bis dahin habe ich ein Zeitfenster von etwa vier Minuten, um ins Gebäude zu gelangen, in die Wohnung einzudringen und den Mann zu töten.
Ich schaue auf meine Armbanduhr, stelle die Stoppuhr.
Ab jetzt laufen die vier Minuten …
Kapitel 1
Pearl
Die Bar ist eine Spelunke, die mit den zwielichtigen Gestalten und dem Barbesitzer mein zweites Zuhause geworden ist.
Die Musik ist zu laut, die Getränke zu stark, das Mobiliar zu alt, zu verbraucht, zu kaputt – im Grunde wie die meisten der Barbesucher.
„Sid, noch einen, bitte!“ Ich schreie über die Musik hinweg den Barkeeper an, der sich trotz seines Gewichts und seiner Körpergröße agil bewegt.
Er grinst mich breit an, als er mir Tequila nachschenkt und ich diesen hinunterkippe wie Wasser. „Schätzchen, dein Besuch ist da. Und sie sieht übel aus.“ Sein eben noch süffisanter Blick verschwindet, in seinen Schweinsaugen lodert eine Wut, die man ihm nicht zutrauen würde. Also drehe ich mich auf dem wackligen Barhocker um und entdecke sofort die Frau, die Sid mit seinen Augen fixiert.
Für einen kurzen Moment erkenne ich mich selbst in dieser Frau wieder, und sofort finde ich mich in eine bestimmte Zeit zurückversetzt, obwohl ich seit sechs Monaten daran arbeite, genau diese zu vergessen.
Ich gebe Sid einen Wink, die Musik leiser zu drehen, und sofort dröhnt es nicht mehr in meinen Ohren, dabei versuche ich durch das Bewegen meines Unterkiefers, den Druck darin auszugleichen, was mir nur semigelingt.
Verunsichert sieht mich die untersetzte Frau an, als ich auf sie zugehe und mich wie selbstverständlich durch die grölende, besoffene Menge, die überwiegend aus Männern besteht, dränge und vor ihr stehenbleibe.
Diese Frau ist so fehl am Platz, in vielerlei Hinsicht. Sie passt hierhin wie gesundes, frisches Obst und Gemüse.
Ihre Dauerwelle, die sich heute nur noch Leute zu Halloween machen würden, stammt aus einer anderen Zeit, selbst ihre Kleidung ist farb- und schmucklos.
Doch das alles ist nebensächlich, wenn man weiß, aus welchen Gründen sie hier ist, die so offensichtlich in ihrem Gesicht prangern.
Ihre geschwollenen, blauen Augen werden nur noch durch den Verband auf ihrer Nase übertroffen sowie durch ihren linken, eingegipsten Arm und ihre humpelnde Bewegung.
Wieder ist da dieser Kloß im Hals, den ich niederkämpfen muss, als ich sie zu einer Ecke der Bar führe, wo wir etwas abseits sitzen.
Die anderen interessiert es eh nicht, was gesprochen wird, aber man weiß nie, wer dir zuhört.
„Willst du was trinken?“
Sie, die mich soeben verdutzt durch ihre geschwollenen Augen ansieht, weil ich sie geduzt oder sie mit sanfter Stimme angesprochen habe, ist sichtlich älter als ich. Mir widerstrebt es, Frauen anzuraunzen oder gar die Starke zu spielen, weil es von Opfern überheblich aufgefasst wird. Ich weiß nur zu gut, worüber ich rede.
„Nein, ich will nichts.“ Jetzt bin ich diejenige, die erstaunt dreinguckt. In ihrer gefestigten Stimme schwingt ein aggressiver Ton mit, den ich nicht erwartet habe. „Ich bin wegen einer bestimmten Sache hier.“
Ich halte dem Blick stand, den sie mir zuwirft, auch wenn es mir fast unerträglich erscheint, diese geschwollenen Augen als solche zu bezeichnen.
„Draußen wartet mein Bruder auf mich, den ich nicht mit hineinziehen wollte, der sich aber nicht abwimmeln ließ. Wenn ich in zehn Minuten nicht raus bin, will er die Cops rufen. Die Zeit läuft.“
Ich nicke anerkennend, weil ihre Stimme nicht einmal gezittert und nicht eine Träne ihre Wange benetzt hat. „Wie du sehen kannst, bin ich verprügelt worden … nein, lass mich ausreden“, warnt sie mich. „Ich bin oft von meinem Ehemann verprügelt worden, habe es zugelassen und mich nie gewehrt. Was sich geändert hat?“ Ihr Blick verändert sich, ihr Gesicht wird zu einer hasserfüllten Fratze. „Meine Kinder. Noch nie hat er die Hand gegen meine Kinder erhoben, ich hätte mich auch töten lassen, wenn es bedeutet hätte, diese zu schützen.“
Schlagartig erfasst mich eine eiskalte Wut auf ihren Mann, und es wird mir ein Vergnügen sein, diesen zu töten.
„Meine Söhne warten im Wagen meines Bruders, wir werden einen Urlaub machen. Und ich werde diesen Urlaub jede Minute genießen, wenn ich weiß, dass es dieses Monster nicht mehr gibt.“
Sie reicht mir wortlos einen Zettel. „Name, Adresse seines Appartements, in dem er Nutten empfängt. Es ist Freitagabend. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, ihn genau dort übers Wochenende zu finden. Die untere Adresse ist das Haus, in dem ich gefangen war. Und hier …“ – sie reicht mir ein Passfoto – „… haben Sie ein Bild von meinem Mann.“
Sie steht auf, schmerzgeplagt verzieht sie das Gesicht, aber sie ist entschlossen und greift sich von oben in die Bluse.
Der weiße Umschlag, den sie mir überreicht, ist zerknittert und an einer Ecke bereits eingerissen, als wäre er schon oft genutzt worden.
Im Umschlag befinden sich mehre Einhundert-Dollar-Scheine, die ein schönes dickes Bündel ergeben, das ich sofort in der Innentasche meiner Jacke verschwinden lasse.
„Er ist so gut wie tot“, verspreche ich.
„Wie waren die letzten Nächte seit unserer letzten Sitzung, Pearl?“
Ich fahre mir mit der Hand durch meine kinnlangen Haare, und mit aller Wahrscheinlichkeit ist die Frisur hin, die ich mir mühselig hergerichtet habe.
Ich muss dringend die Angewohnheit abgelegen, mir ständig durchs Haar fahren zu wollen. Ich frage mich, wie die ganzen Hollywood-Stars und Diven es schaffen, die Hände von ihrem Haar zu lassen.
Die letzte Nacht ist anstrengend gewesen. Nachdem die gepeinigte Frau die Bar verlassen hat, habe ich mich drangesetzt, Informationen heranzuholen.
Da es spät in der Nacht gewesen ist, habe ich zuerst im Internet recherchiert, was es über ihren widerwärtigen Mann zu finden gibt.
Und erstaunlicherweise sieht er besser aus als auf dem Passfoto, aber leider kann man der schönen Fassade nicht ansehen, was dahinter steckt, zumal dieses Ehepaar äußerlich überhaupt nicht zusammengepasst hat.
Ob er und sie das Klischee erfüllen, dass sie das Hausmütterchen ist und er der erfolgreiche Geschäftsmann? Meine Antwort würde sofort Ja lauten.
Wenn ich nicht die Informationen über die Nutten hätte, wäre es mein erster Gedanke gewesen, dass er sich woanders seine Befriedigung holt.
Da der Herr auf Instagram und Twitter unterwegs ist, ist es ein Leichtes für Lucas gewesen, sich in die Accounts zu hacken.
Obwohl er laut einem Artikel der New York Times ein gerissener Geschäftsmann ist und seine Moral eher verwerflich, bewegt er sich trotzdem im legalen Bereich, und trotzdem scheint er sich ziemlich sicher zu sein, dass diese Nachrichten, die wir in seinen Accounts gefunden haben, nie jemand sehen würde.
So gerissen und doch so dumm.
Die Frau, mit der geschrieben hat, ist eine Escort-Lady, die für ein Unternehmen arbeitet, das weit davon entfernt ist, als seriös durchzugehen.
Ich gähne erneut. „Wie Sie sehen, ist der Schlaf zu kurz gekommen.“
Dr. Barlow sieht mich über seine Brille hinweg an, sein Blick ist musternd und forsch. „Erzählen Sie mir, wieso Sie nicht schlafen konnten.“
Ich winde mich unter seinem Blick, denn immer noch fällt es mir schwer, mich ihm anzuvertrauen. Nicht wegen der Sache mit dem Auftragsmord. Das nehme ich mit ins Grab.
Nein, es fällt mir schwer, mich einem Mann anzuvertrauen, der nicht älter als vierzig ist und so muskulös und fit erscheint, wie ich es von einem Psychologen am allerwenigsten erwartet hätte.
Manchmal kommt es mir vor, als könne er meine Gedanken erraten, als könne er genau wissen, dass ich ihm ausweiche oder ihn direkt anlüge.
Keine Ahnung, wie er es macht, aber seine ganze Körperhaltung wirkt angespannt, obwohl er in seinem Sessel zurückgelehnt ist und den rechten Fußknöchel auf dem linke Knie liegen hat.
Ich bilde mir ein, dass er einen entspannten Anschein machen will. Mein Verstand spielt mir einfach einen Streich, das muss am Schlafmangel liegen.
„Meine Gedanken ließen mich nicht schlafen, Dr. Barlow.“
Schweigen.
Ich rutsche auf der Couch hin und her, zupfe an meinem Rock, den ich nicht hätte anziehen sollen. Plötzlich komme ich mir nackt vor. Die Sonne hat mich dazu verleitet, mir sowas anzuziehen, dazu ein lockeres Top, an dem ich genauso nervös zupfe, als wären meine Nerven im Gehirn falsch verknüpft.
Dr. Barlow macht sich Notizen, und ich frage mich, was er da aufschreibt. Ob er die auch digital irgendwo speichert?
Doch dann sollte ich mir ernsthaft die Frage stellen, ob ich wissen will, was er über mich denkt und sich notiert hat.
Verrückte ist aufgrund von Schlafmangel suizidgefährdet …
Ich seufze in die Stille hinein, die mir immer unangenehmer wird. Wieso redet der Psychologe nicht mit mir? Darf er das? Seine Patientin anschweigen und trotzdem Geld kassieren?
„Mir fällt es schwer, nachts Ruhe zu finden. Als es passierte, war es auch nachts, seitdem mache ich die Nacht zum Tag“, versuche ich zu erklären. Erschreckenderweise mache ich es tatsächlich, es hat nicht unbedingt was mit meinem jetzigen Beruf zu tun.
Die Gänsehaut spricht Bände, als mir schlagartig kalt wird und ich mich in jene Nacht zurückversetzt fühle.
„Reden Sie mit mir, Pearl. Sie müssen darüber sprechen, damit Sie endlich wieder schlafen können.“
Meine Kehle fühlt sich wie zugeschnürt an, die Panikattacke, die mich soeben erfasst, ist unvermeidbar.
Wie ich es hasse, schlagartig zu ersticken, obwohl mich dieses Mal keiner versucht, umzubringen …
Kapitel 2
Chris
„Du musst sie in Ruhe lassen. Sie wird irgendwann herausfinden, dass du sie stalkst.“
Shirlonna sitzt auf der vorletzten Stufe der Treppe und sieht mich besorgt an. Ihre lockige Mähne kommt der eines Löwen ziemlich nahe, der ihren Charakter widerspiegelt.
Ihre dunkelbraunen Augen, die mich an zwei Pistolenläufe erinnern, fixieren mich, ihre glatte dunkle Haut hebt sich wundervoll von ihrem weißen Stricktop ab, und es sieht so aus, als trüge sie keinen BH.
„Würdest du dich bitte anständig anziehen“, knurre ich. „Es gibt sowas, das nennt sich Unterwäsche.“
Sie zuckt mit den Achseln. „Hör auf, sie zu stalken, dann fange ich an, Unterwäsche zu tragen.“
Ich werfe ihr einen giftigen Blick zu, greife nach meinem schwarzen Shirt, das ich den Tag zuvor achtlos in die Ecke geschmissen habe.
„Willst du dir kein frisches anziehen?“
„Das ist frisch.“
„Das sieht aus, als hättest du es schon vier Tage durchgehend getragen. Und bei der Hitze …“
Genervt ziehe ich es wieder aus und schleudere es in die Ecke. „Wieso bist du nochmal hier?“
„Um meinen Bruder zu ärgern.“
„Kannst du nicht einen anderen ärgern?“
„Einen anderen Bruder?“
„Egal, Hauptsache nicht mich.“
„Vielleicht haben wir noch irgendwo einen Halbbruder in der Weltgeschichte rumspringen, von dem wir noch nichts wissen.“
„Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, wenn wir bedenken, welche Art Vater wir haben.“
„Du siehst ihm ziemlich ähnlich.“
Leider. „Ich weiß.“
„Keiner will mir glauben, dass du mein Halbbruder bist.“
Ich werfe ihr einen trockenen Blick zu. „Wieso bloß glauben sie dir das nicht?“
Sie lacht angesichts meines Tons. „Mal abgesehen von der unterschiedlichen Hautfarbe … im Vergleich zu mir siehst du wie ein Bleichgesicht aus.“
Ich rolle mit den Augen. „Jeder sieht neben dir wie ein Bleichgesicht aus. Deine Mutter ist eine Schwarze.“
„Tiefschwarz“, setzt sie nach.
„Wenn ich das sagen würde, wäre das rassistisch.“
„Wäre es ja auch, weißer Mann.“
Wir albern noch rum, ehe wir zusammen mein Haus verlassen und uns verabschieden. Angespannt steige ich in meinen SUV und schaue Shirlonna nach, wie sie mit ihrem Cabrio auf die Straße heizt.
Diese Frau wird sich eines Tages totfahren.
Und ich werde jeden Mann umbringen, der sie verletzt. Das wird auch der Grund sein, wieso sie mir nie von den Männern erzählt, die sie kennenlernt.
Ich sollte mir überlegen, auch noch Shirlonna zu stalken oder jemanden drauf anzusetzen. Aber Shirlonna wird sowas drei Meilen gegen den Wind riechen, zumal sie, wenn ihre Karriere weiter so steil verläuft, bald beim FBI arbeiten wird.
Mit Stolz geschwellter Brust fahre auch ich los.
Laut Navi muss das die Adresse sein. Ich parke, steige aus und schaue mich um. Pearl kann ich nirgends entdecken; wenn ich Glück habe und geschickt bin, werde ich ihr nicht begegnen.
Schnurstracks laufe ich in die Gasse, klettere auf den Müllcontainer und springe.
Ich beiße die Zähne zusammen, als ich die Feuerleiter zu packen bekomme und mich daran hochziehe. Obwohl ich körperlich in Höchstform bin, sieht es in den Filmen definitiv leichter und eleganter aus.
Ich bin heilfroh, dass es keinen interessiert, dass ich mich auf der Feuerleiter befinde, und sprinte diese hoch, bis ich vor einem Fenster stehen bleibe.
Wenn ich alles richtig gemacht habe, muss das das Appartement sein, in dem ein gewisser Franklin wohnt.
Ein fetter Franklin, der seine Tochter missbraucht hat.
Ich muss durchatmen und Ruhe bewahren, wenn ich nicht erwischt werden will.
Das Fenster ist klebrig und verdreckt, sodass ich nicht erkennen kann, ob sich jemand in der Küche befindet.
Zu meinem Glück ist es einen Spalt geöffnet, also drücke ich es auf. Mir bleibt das Herz stehen, weil ich praktisch blind das Fenster aufschiebe. Mein eigenes Herzrasen verursacht eine Geräuschkulisse in meinen Ohren, sodass ich nicht erkennen kann, ob sich gerade jemand in der Nähe der Küche aufhält.
Ich fluche stumm, zähle bis zwanzig, um mich wieder unter Kontrolle zu kriegen.
Angewidert rümpfe ich die Nase. Der Gestank, der mich empfängt, als ich mich durch das Fenster zwänge, ist atemraubend.
Ich muss mich zwingen, flach zu atmen, als ich die völlig mit Geschirr und Besteck überladene Arbeitsfläche sehe. In der Ecke neben dem Kühlschrank stehen unzählige Tüten von Fastfood-Ketten, der Bewohner hat es aufgegeben, zu spülen und zu kochen.
Ich muss achtgeben, dass ich nicht aus Versehen etwas umschmeiße oder vom einstigen Esstisch einen der überladenen Aschenbecher auf den Boden fege.
Ehe ich die Küche durch die Tür verlasse, ziehe ich meine Waffe hervor, schraube den Schalldämpfer drauf und entsichere sie anschließend.
Durch die Küchentür versuche ich, die Geräusche einzuordnen, die zu mir dringen. Derjenige, der Fernsehen schaut, muss fast taub sein angesichts der Lautstärke. Nur dummerweise werden dadurch andere Geräusche überdeckt.
Ich zähle bis drei und stoße die Tür auf.
Sofort überblicke ich den Raum, der sich als Wohnzimmer entpuppt, wie ich vermutet habe, doch vor dem Fernseher steht ein völlig ausgedienter, längst für den Sperrmüll bereiter Sessel, der nicht besetzt ist.
Die Couch, auf der noch zwei Leute Platz finden würden, hängt durch, dass selbst ein Fliegengewicht Angst haben sollte, sich auf diese zu setzen.
Der Couchtisch, den man nur mühselig unter all den Zeitschriften ausmachen kann, hat in den Fünfzigern seine besten Jahre gehabt.
Erneut schüttle ich mich vor Ekel.
Ich dringe tiefer in die Wohnung ein, meine Schuhsohlen kleben am Boden, sodass es unmöglich erscheinen würde, mich geräuschlos zu nähern, wenn der Nachrichtensprecher nicht ohrenbetäubend durch die Wohnung schallen würde.
Ich würge trocken, als erneut meine Schuhe am Vinylboden kleben bleiben; schon dafür hat der Mann einen Schuss zwischen die Augen verdient.
Die Tür rechts vom Wohnzimmer, von der ich ungefähr sechs klebrige Schritte entfernt bin, wird geöffnet.
Es ist zu spät, um mich zu verstecken. Als der Fettwanst aus dem Badezimmer kommt, schaut er direkt in den Lauf meiner Waffe.
Innerlich seufze ich bei seinem Anblick. Schmieriges Unterhemd, dazu labbrige Boxershorts und darüber ein ehemals weißer Bademantel, den er sicherlich aus einem Hotel hat mitgehen lassen.
Und trotz seiner Aufmachung ist er eindeutig der Pädophile auf dem Foto, den Pearl töten will.
Der Überraschungsmoment ist auf meiner Seite.
Ich gebe ihm keine Zeit, um Hilfe zu rufen oder sich auf mich zu stürzen. Der Lauf zielt genau auf seine Stirn, durch den Schalldämpfer jagt die Kugel direkt in seinen Kopf.
Was noch lauter als der Fernseher ist, ist der dumpfe Aufprall des Fettkloßes.
Jetzt, da ich ihn tot auf dem Boden liegen sehe, bereue ich es, überstürzt gehandelt zu haben. Einst hat dieses Schwein sein eigenes Kind missbraucht, ich hätte ihn verstümmeln sollen.
An seinen Wunden wäre er elend zugrunde gegangen.
Ich wende mich von der Leiche ab und betrete die Küche, um wieder aus dem Fenster zu steigen. Zuvor schraube ich den Schalldämpfer ab und stecke ihn in die Gesäßtasche meiner Jeans, die Waffe verstecke ich unter meinem Shirt am Rücken.
Erleichtert atme ich die frische Luft ein. Tagsüber ist die Sonne so heiß, dass sie selbst die Straßen zum Schmelzen bringt, abends strahlen genau diese die gespeicherte Hitze wieder aus, sodass es einfach nicht erfrischend kühl wird.
Und doch ist diese warme Nachtluft allemal besser als der Gestank in der Küche.
Kapitel 3
Pearl
Ich tobe vor Wut, Tränen glitzern in meinen Augen.
„Sag mal, weinst du gleich?“ Lucas sieht mich verunsichert an.
„Ja“, schluchze ich wütend.
„Weil jemand vor dir den Typen kaltgemacht hat?“
„JA, Lucas“, schnauze ich. „Irgendein Arschloch wandert nachts herum und wartet nur darauf, mich zu ärgern. Wieso ausgerechnet MICH?!“
Beschwichtigend hebt Lucas die Hände, schweigt aber.
„ICH wollte dieses Schwein abschlachten, doch nein, wie treffe ich ihn vor? – Mit einem harmlosen Loch im Kopf! Mit einem verfluchten LOCH!“ Mit dem Zeigefinger deute ich auf meine Stirn.
„Findest du nicht, dass du dich ein wenig zu sehr in die Sache hinein …“
„Ich steigere mich nicht HINEIN! Lucas, es kann doch nicht sein, dass zum dritten Mal in Folge jemand meinen Auftrag erledigt.“
„Es kann dir doch egal sein, schließlich bekommst du dein Geld.“
Ich seufze genervt und wische mir grob über die Augen. Seit ich in psychologischer Behandlung bei Dr. Barlow bin, sind meine emotionalen Ausbrüche weniger geworden, aber sie sind noch da.
Und nach wie vor kann ich sie nicht kontrollieren, wenn sie mich überwältigen.
Ich lasse mich auf die Couch fallen, schnappe mir das Bier, das Lucas mir hingestellt hat, und genehmige mir einen großen Schluck.
Lucas sitzt unterdessen am Laptop und tippt darauf herum. Er tut nichts anderes. Beruflich wie privat sitzt er nur vor diesem Ding.
„Wie sieht der Plan für die nächste Nacht aus?“ Ich weiß genau, wer als nächstes dran ist, aber ich muss mich ablenken und mich beruhigen.
Es kann nicht drei Zufälle hintereinander geben. Das gibt es einfach nicht. Irgendjemand hat es auf mich abgesehen, doch ich habe keinerlei Anhaltspunkte, wer es sein könnte.
Im Untergrund, in dem ich mich seit Monaten bewege, ist schnell einer beleidigt, und man ist schneller tot, als man gucken kann.
Aber ich bin niemandem mehr auf den Schlips getreten, bewege mich unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit, und offiziell bin ich untergetaucht.
Ob derjenige, der mir mit den Auftragsmorden zuvorkommt, will, dass ich auftauche? Dass ich mich wieder offiziell in einer Gesellschaft bewege, in der es toleriert wird, dass Frauen geschlagen, gedemütigt und gar vergewaltigt werden?
Nur noch tot werde ich mich in so einer Gesellschaft wiederfinden.
Lucas ist der einzige Freund, den ich habe.
Ab und zu landen wir miteinander in der Kiste, sodass wir beide was davon haben, aber besonders gut ist er nicht.
Und doch reicht sein Schwanz, mir ein wenig Lust zu verschaffen, die ich seit längerem in seiner Gegenwart nicht mehr verspüre.
Bisher hat er keine Anstalten gemacht, mich danach zu fragen oder mir Vorwürfe zu machen, doch ich spüre, wie sehr es ihm missfällt.
Gleichzeitig weiß er genau, dass er bei mir keine offenen Türen einrennt, wenn er deswegen jammert und sich beschwert.
Aber leider ist er auch nicht der Typ Mann, es einfach einzufordern.
„Pearl? Pearl!“
„Was ist denn?“
„Ich rede die ganze Zeit mit dir … sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“
„Worüber hast du nochmal gesprochen?“
„Du hörst mir nie zu. Nie! Da kann ich ja gleich mit der Wand reden“, murrt er.
Ich rolle mit den Augen, muss aber leise lachen bei seinem Gemeckere.
„Ich hab dir einen Vorschlag gemacht, wie du dein nächstes Opfer töten kannst.“
„Schieß los. Ich bin ganz Ohr.“
„Jetzt bist du ganz Ohr?