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Von einer Situation in die nächste zu schliddern, ist für mich Alltag- neuerdings mit einem verflucht hübschen Ärgernis namens Joni. Da denkst du an nichts bösartiges, holst hier und da Forderungen ein, oder sprichst Drohungen aus, taucht Joni auf. Wie zum Teufel kann sie mit einem Polizisten Umgang haben, wenn zeitgleich ihr Vater Anführer einer berüchtigten Rockerbande ist? Zudem stellt sich heraus, dass der sagenumwobene Hellboy ihr Vater und sie definitiv des Teufels Tochter ist - auch wenn sie den Anschein macht, sie könne kein Wässerchen trüben. Aber stille Wasser sind verdammt tief! Dieses Buch enthält explizite Szenen, die für Jugendliche und Kinder unter 18 Jahren nicht geeignet sind!Zudem weise ich darauf hin, dass die Protagonisten nicht auf Safer Sex achten - schließlich ist es nur ein Buch!
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Des Teufels Tochter
Christina Daron
2. Auflage - 2019
1. Auflage - 2017
Copyright: Christina Daron, 2017, Deutschland
Christina Daron
c/o Autorenservice Patchwork
Schlossweg 6
A-9020 Klagenfurt
Coverfoto: covermanufaktur.de - Sarah Buhr
Korrektorat: www.korrekt-ac.com – Kristina Krüger
Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.
Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.
Kapitel 1
Joni
Wenn man die Art von Männern, auf die man steht, nicht im realen Leben findet, dann muss halt das gute alte Internet her.
Am besten sucht man heimlich in den eigenen vier Wänden bei Dunkelheit, damit man bloß nicht dabei erwischt wird.
Auch wenn es für viele Menschen das normalste der Welt ist, im Internet nach dem Richtigen zu suchen, gehöre ich zu den Frauen – zu den mit neunundzwanzig noch jungen Frauen (!) –, die es ein wenig beschämend finden.
Wenn ich an mein Alter denke, fange ich gleich an zu weinen, und ich weiß jetzt schon, was auf meinem Grabstein stehen wird: Von ‚jung gestorben‘ kann bei Joni keine Rede sein.
Okay, das hört sich ein wenig makaber an, aber ich kann nichts für meinen Humor. Der wird von Generation zu Generation in der Familie Cox weitervererbt.
Also sitze ich in meine flauschige Lammfelldecke eingekuschelt auf der Couch, mit meinem Laptop auf dem Schoß und einem Glas Wein auf dem Designerteil von Couchtisch.
Meine Schwester ist der Meinung, je teurer etwas ist – und je schräger und hässlicher das Design, meine ich –, desto mehr zeugt dies von gutem Geschmack. Nein, tut es nicht.
Aber wenn man vorrübergehend bei seiner Schwester eingezogen ist, will man sich nicht beschweren – noch nicht.
Umso erfreuter bin ich gewesen, als Janice angekündigt hat, mit ihrem neuen Lover Urlaub auf den Malediven zu machen und ich somit die Wohnung ganze einundzwanzig Tage für mich allein habe.
Draußen höre ich lautes Frauengelächter gemischt mit einer dunklen Männerstimme und dem Rasseln eines Schlüssels. Das Zuschlagen einer Tür zeugt davon, dass das Pärchen in die Wohnung verschwunden ist.
Wenn ich mich nicht irre, dürfte es wieder der Nachbar von nebenan sein, der seine Frauen wechselt wie seine Unterhosen.
Ich horche auf und nicke bestätigend, als ich die beiden auf dem Balkon höre. Seit ich hier wohne, ist besagter Nachbar kaum für eine längere Zeit allein geblieben.
Woher ich das weiß? – Ich belausche meinen Nachbarn. So einfach ist das.
Das passiert, wenn man als Künstlerin nichts verdient und Langeweile entwickelt. Zwar betreibe ich einen Blog, der auch gut besucht ist, aber bisher sind keine großen Namen auf mich aufmerksam geworden.
Ich stelle meinen Laptop auf dem hässlichen Teil von Tisch ab und gehe zum Balkon, dessen Tür wie zufällig offen steht. Mittlerweile habe ich mir angewöhnt, einen Skizzenblock griffbereit auf dem Servierwagen liegen zu haben, der links in der Ecke neben dem Balkon steht.
Seit Wochen habe ich keine Ideen, und irgendwann habe ich damit begonnen, mir aus dem Dialog der beiden Liebenden – also gleicher Mann, verschiedene Frauen – Zeichnungen anzufertigen.
In meinen Zeichnungen sind Mann und Frau immer die gleichen und ich notiere mir, wenn ich das Gesprochene verstehe, die Sätze der Menschen in der Wohnung nebenan.
Ich lehne an der Wand neben der offenen Balkontür, die kalte Herbstluft ins Wohnzimmer lässt, und versuche zu verstehen, was genau nebenan geschieht.
Mir ist klar, dass die beiden nicht nur Händchen halten werden, aber es regte meine Fantasie an, wenn ich sie hören würde.
Angestrengt lausche ich, aber die beiden scheinen das Innere der Wohnung zu bevorzugen – was bei ihm eher die Ausnahme ist. Das habe ich schon oft genug an wärmeren Tagen mitanhören dürfen.
Ich schnalze mit der Zunge, als sie immer noch nicht auf dem Balkon sind.
Kurzerhand schnappe ich mir die Lammfelldecke. Die leichten Vorhänge, die vom Wind ins Zimmer geweht werden, schiebe ich zur Seite und setze mich in einen der anthrazitfarbenen Geflechtsessel, dessen Beine aus einem filigranen, schwarzen Stahlgestell bestehen.
Die Decke wickle ich mir um den Oberkörper und knalle mich in den Sessel. Viele Bewohner des Hauses haben, so wie meine Schwester, enganliegende Balkone zu ihren Nachbarn. Zwar sind die Balkone sehr breit und lang, aber leider kann man auf den Balkon des Nachbarn spucken, wenn man wollte, da sie direkt nebeneinander liegen.
So haben die meisten – wie Janice auch – an beiden Enden eine Art Abschirmung aufgestellt. Rechts zum besagten Nachbarn, der als kreative Vorlage dient, sind Holzpaneele auf dem Geländer des Balkons befestigt worden, welche man wie einen Fächer auf- und zuklappen kann.
Am anderen Ende steht ein riesiger, unfassbar scharfkantiger Sonnenschirm, um so die Privatsphäre zu gewährleisten.
Es scheint, als würde das Turtelpaar nebenan keine Lust haben, die Ärsche nach draußen zu bewegen, und so seufze ich genervt auf und klatsche meinen Skizzenblock auf den Tisch.
Ich wickle mich aus meiner Decke, husche in die Wohnung und schnappe mir das Weinglas samt Flasche – ich bin doch nicht bescheuert und renne zwanzig Mal rein und raus, um mir nachzuschenken – und begebe mich wieder in den Sessel.
In der Hoffnung, dass sich der Nachbar samt One-Night-Stand – mehr wird es nicht sein – doch noch blicken lässt, warte ich einfach ab und genieße den Wein.
Ich runzle die Stirn. Lausche. Zucke mit den Schultern. Scheint doch nichts gewesen zu sein.
Ich will am Wein nippen und halte inne, als ich wieder dieses merkwürdige Geräusch höre.
Angestrengt spitze ich die Ohren und versuche, dieses merkwürdige Geräusch zu lokalisieren.
Da schreit doch jemand. Oder nicht?! Unsicher stehe ich auf und gehe zu den Holzpaneelen rüber, um diese herunterzudrücken.
Da, schon wieder. Da schreit eindeutig ein Mann. Nicht irgendein Mann. Es ist der Nachbar.
Was zum Teufel ist da los?
Mein Handy liegt im Wohnzimmer. Meine Gedanken rasen, als ich wieder dieses unterdrückte Geräusch höre.
Ohne groß zu überlegen, raste ich die Holzpaneele ein, damit sie nicht wieder nach oben springen, gehe ein ganzes Stück rückwärts und konzentriere mich auf den nächsten Schritt.
Unfassbar, wie wenig man nachdenkt und wie ruhig man wird, wenn man in eine Situation hineinmanövriert wird, die man so nicht hat kommen sehen.
Ich atme tiefe ein und aus und sprinte los. Mit ausgestreckten Armen umfasse ich die eingeklemmten Paneele und schwinge meine Beine über das Geländer.
Unzählige Male habe ich am Geländer gestanden und zum Nachbarbalkon rübergeschaut. Der Spalt zwischen den einzelnen Balkonen ist mir nie besonders groß erschienen.
Doch im kurzen Sprung und der untrainierten Landung danach wird mir bewusst, dass das hätte schiefgehen können.
Schmerzhaft schlägt mein Herz in der Brust, als das Adrenalin durch meine Adern pumpt und meinen Puls in die Höhe schießen lässt.
Ich rapple mich auf, fasse mir an die Stirn bei dem unwahrscheinlichen Glück. Für einen Moment erscheint mir der Plan, spontan zu Hilfe zu eilen, sehr dumm.
Als das Blut in meinen Ohren aufhört zu rauschen, höre ich nichts. Eine unheimliche Stille scheint von der Wohnung erfasst worden zu sein.
Auf Zehenspitzen schleiche ich mich an die Tür und verziehe das Gesicht, als ich auf einen kleinen spitzen Stein trete.
Da erst wird mir bewusst, dass ich gar keine Schuhe, sondern nur Socken anhabe. Ich schüttle den Kopf, weil ich nicht wenigstens Schuhe angezogen und mein Handy eingesteckt habe.
Für einen kurzen Augenblick schließe ich die Augen und überwinde den Drang, wieder zurückspringen zu wollen, und kreise den Kopf in den Nacken.
Bis wieder ein gequälter Schrei nach draußen dringt.
Ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden, was ich in der Wohnung vorfinden werde, sprinte ich an den Balkonmöbeln vorbei und hinein in die Wohnung.
Ich lasse den Blick durchs Wohnzimmer schweifen. Mir ist vorher nicht bewusst gewesen, wie kalt eine Wohnung trotz Möbeln wirken kann.
Schwarze Hochglanzfliesen bedecken den Boden, dazu die Möbel aus Leder in Verbindung mit Chromgestellen. Der Typ hat genauso wenig Geschmack wie meine Schwester.
Ich schleiche mich durchs Wohnzimmer und bin froh, dass ich nur Socken trage. Die verursachen keine Geräusche, wenn ich nicht gerade mit dem Zeh ein Chrombein einer Kommode streifen würde.
Lautlos fluche ich, und ich kann von Glück sagen, dass sich keine Deko auf der Kommode befindet, die ich hätte herunterstoßen können.
Ein Schauer jagt über meinen Rücken, als wieder dieses Geräusch zu hören ist. Mein Verstand gaukelt mir Situationen vor, in denen ich mich gleich befinden könnte. Dadurch zögere ich, ins Schlafzimmer gehen zu wollen.
Vom Wohnzimmer aus führt mich die hintere Tür in einen weiteren Flur, und da, links am Ende, müsste sich das Schlafzimmer befinden. Licht dringt durch den unteren Türschlitz, welches schwach den dunklen Flur erhellt. Die gedämpften Geräusche werden lauter, als ich mich der Tür nähere. Da ist eine Frauenstimme zu hören, aber ich kann nicht verstehen, was sie sagt. Gleichzeitig dieses gequälte Wimmern.
So verpeilt wie ich bin, taste ich mich ab, in der Hoffnung, einen Gegenstand zu finden, mit dem ich mich wehren kann, und schlage mir erneut gegen die Stirn.
Ich hätte vorher zur Küche gehen sollen, um mich dort mit einem Messer auszustatten.
Für den Fall der Fälle.
Ich will kehrtmachen, als die Tür aufgerissen wird. Erschrocken mache ich einen großen Schritt nach hinten. Zu mehr ist mein Körper nicht fähig.
Für den Bruchteil einer Sekunde starren die Fremde und ich uns an, als sie losrennt und mich hart zur Seite schubst.
Mein Hinterkopf knallt unglücklich gegen die Wand, sodass ich für ein paar Sekunden Sternchen sehe, und dann renne ich los. Warte ab, wenn ich dich erwische.
Schnell überblicke ich das Wohnzimmer und werfe einen Blick in die Küche. Aber wie ich mir denken kann, hat sie schon längst das Weite gesucht.
Ich reiße die Haustür auf, aber sie scheint wie vom Erdboden verschluckt. Der Hausflur bis zu den Fahrstühlen ist ziemlich lang, da sich unsere Wohnungen am Ende des Flurs befinden.
So flink wie sie ist, kann sie Usain Bolt ernsthaft Konkurrenz machen. Ich runzle trotzdem die Stirn, weil ich mich frage, wie lange Sternchen vor meinen Augen geflimmert haben.
Die Haustür lasse ich auf, falls ich nach Hilfe rufen muss, und husche zurück zum Schlafzimmer.
Ich schlucke heftig, als ich die Tür weit genug aufstoße, und reiße bei dem Anblick die Augen auf. Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht damit.
Mein Nachbar liegt bäuchlings auf dem Bett. Ich habe ihn nie richtig gesehen, weil wir uns ständig verpasst haben.
Die seltenen Momente, in denen wir uns begegnet sind, scheinen wie weggeblasen, als ich ihn völlig nackt und mit den Handgelenken ans Bett gefesselt vor mir liegen sehe. Neben ihm liegt eine lederne Peitsche. Mein Blick huscht zu seinem nackten Hintern, der in allen möglichen Rottönen leuchtet. Einige Striemen nehmen gar Lila- und Blautöne an.
Wie in Trance sehe ich diesen weißen, dicken Körper vor mir, als er wie wild an seinen Fesseln zerrt. Ich zucke zusammen, als unartikulierte Geräusche aus seinem Mund dringen. Ein Knebelball verstopft seinen Mund.
„Warten Sie … warten Sie …“ Immer noch zerrt er an seinen Fesseln. Wie ein Wildgewordener wirft er den Kopf von rechts nach links, als er meine Hand auf sich spürt. Verfluchter Mist!
„Halten Sie doch still! Ich will Ihnen helfen.“ Mit beiden Händen fummle ich am Verschluss des Knebelballs herum, als ich eine dunkle Gestalt im Augenwinkel sehe.
Bevor ich den Eindringling richtig erkennen oder mich gar erklären kann, reißt er mich von dem Nackten weg und knallt mich mit seinem ganzen Körpergewicht auf den Boden.
Ich stöhne auf, als ich erneut Sternchen sehe. Ich spüre eine Hand auf meinem Hinterkopf, die offensichtlich einen Gesichtsabdruck von mir im Boden hinterlassen will.
Verzweifelt winde ich mich wie ein Wurm unter dem fremden Körper und versuche, mich aus dem harten Griff zu befreien. Erleichtert atme ich auf, als der Druck auf meinen Kopf nachlässt. Im nächsten Moment werden meine Arme auf dem Rücken verdreht und an den Handgelenken gefesselt. Als ich mit aller Macht versuche, meine Hände aus der Schlinge zu befreien, schneidet sich die Fessel scharf ins Handgelenk.
„Ich habe nichts gemacht!“ Ich schreie drauf los und schluchze auf, als mein Gesicht erneut Bekanntschaft mit dem Boden macht.
Der Fremde knurrt irgendwas, was ich zwischen all meinem Schluchzen nicht verstehen kann. Aber ich vermute, dass ich die Klappe halten soll.
Schwere Schritte dringen an mein Ohr, als er an mir vorbei und zum Bett geht.
Langsam hebe ich den Kopf, um etwas sehen zu können. Ich blinzle heftig, als mein Kreislauf Achterbahn fährt und meine Stirn schmerzhaft anfängt zu pulsieren.
Nur verschwommen erkenne ich die Gestalt vor mir, die mich von den Füßen gerissen hat, und so von unten betrachtet erscheint sie mir riesig.
Die gebückte Haltung verrät mir, dass er meinen Nachbarn befreit und an den Fesseln herumfummelt.
Wieder brummt er etwas, was bei dem plötzlichen Gezeter meines Nachbarn nicht mehr zu hören ist.
„Wo bist du verdammt nochmal gewesen?!“ Keine Antwort. „Ich bezahle dich nicht, damit du dich einfach verdrücken kannst, wie es dir passt!“ Wieder keine Antwort.
Ein unverkennbares Geräusch von nackten Füßen, die an meinem Kopf auf dem Boden vorbeilaufen, signalisiert mir, dass das eigentliche Opfer nie wirklich in Gefahr gewesen ist. Nun frage ich mich ernsthaft, welches Schicksal mich ereilen wird.
Beide Männer scheinen mich vergessen zu haben, also muss ich sie doch nochmal daran erinnern, dass ich gefesselt auf dem Boden liege.
„Ähm … könnte ich bitte von meinen Fesseln befreit werden?“ Ich hebe den Kopf, und diesmal folgt kein Schwindel mit Übelkeit.
Beide Männer, der eine blass und untersetzt, der andere groß und von dunkler Erscheinung, schauen auf mich herab. Der eine verächtlich, der andere grimmig.
„Das ist diese Nachbarin, von der ich dir erzählt habe.“
Der Angeredete zieht belustigt eine Braue hoch. „Die Voyeurin.“
Empört reiße ich den Mund auf und will etwas sagen, als mein Nachbar sich wieder einschaltet. So untrainiert, wie ich bin, hebe ich meinen Oberkörper unter Anstrengung hoch, um mich zumindest auf die Knie setzen zu können. Wirr fallen meine Haare mir ins Gesicht, was meine Sicht auf die beiden erheblich einschränkt.
„Genau die. Ständig hockt sie auf dem Balkon und belauscht mich. Vielleicht hat sie die Nutte angeheuert, mich so zu demütigen.“ Mittlerweile hat er sich einen Bademantel übergezogen. Er geht an mir vorbei und schaut in die Schublade. „Na toll, beklaut hat mich die Schlampe auch noch.“
„Ich weiß überhaupt nicht, wer Ihre Bekanntschaft war. Geschweige denn könnte ich ein Phantombild von ihr anfertigen“, gifte ich ihn an. „Vielleicht sollten Sie Ihre Bettbekanntschaften einmal mehr zum Essen einladen, um sie näher kennenzulernen.“
„Ich habe dich nicht um deine Meinung gebeten. Ich müsste die Polizei rufen, weil du einfach in meine Wohnung eingebrochen bist.“„DAS bin ich nicht!“ Mein Nachbar steht so schräg neben mir, dass ich ihn nicht sehen kann. Stattdessen wende ich mich diesem grimmig dreinblickenden Zeitgenossen zu, der mich immer noch beobachtet. „Ich habe seltsame Geräusche gehört, und ehe ich weiter nachgedacht habe, bin ich los, um zu helfen.“
Diesmal zieht er skeptisch beide Augenbrauen hoch. „Also warst du wieder draußen, wie mein Boss gesagt hat.“
Meine Wangen leuchten auf. „Ja, aber nicht so, wie er denkt.“
Fragend schaut er mich an.
„Meine Fantasie wird angeregt …“
Seine Brauen wandern noch höher.
„Für meine Kreativität. Also ich zeichne“, werfe ich hinterher. Ich rede mich um Kopf und Kragen. Meine Wangen glühen derweil.
Unerwartet hockt er sich direkt vor meine Nase. Ich halte die Luft an, als er seine Hand ausstreckt und mir meine Haare aus dem Gesicht streicht. Obwohl seine Handfläche sich rau anfühlt, streichelt er beinahe zärtlich meine Wange. Seine dunklen Augen vergraben sich in meinen. Wie hypnotisiert sauge ich alles in mich auf. Seiner ganzen Energie, die er ausstrahlt, scheint nichts etwas anhaben und nichts erschüttern zu können. Seine große, starke Hand, die meine Wange berührt, zeichnet gerade eben die Kontur meiner Lippen nach.
Ein Prickeln breitet sich auf meiner Haut aus, was ein angenehmes Ziehen in meiner Bauchgegend auslöst.
„Was genau zeichnest du?“ Seine dunkle Stimme jagt mir einen angenehmen Schauer über den Rücken. „Wenn du deinen Nachbarn belauschen musst, damit deine Fantasie angeregt wird, bin ich sehr auf deine Antwort gespannt.“
Sein Mundwinkel verzieht sich ein wenig nach oben. Offensichtlich amüsiert er sich. Auf meine Kosten. Ein Bartschatten bedeckt seine Wangen, ein harter Zug liegt um seine Lippen. Aber der wird durch das Andeuten eines Lächelns aufgelockert. Seine gerade Nase passt irgendwie nicht zum Gesamtbild seiner Erscheinung. Er trägt ein enganliegendes schwarzes Hemd, schwarze Jeans, eine schwarze Lederjacke. Zu seiner düsteren Aura erwartet man eher eine leicht schiefe Nase, hervorgerufen durch einen Bruch. Eine ordentliche Schlägerei würde mehr zu ihm passen.
Erneut huschen meine Augen zu seinen Lippen.
„Wirst du mir endlich antworten?“ Belustigung schwingt in seiner Stimme mit.
Ich schließe kurz die Augen, um mich zu sammeln und mich nicht länger von seinem Aussehen ablenken zu lassen. „Ähm … also ich zeichne Liebesgeschichten. So eine Art kurzer Comic mit einer Portion Erotik.“
„Kein Wunder, dass sie mich auf dem Balkon belauscht.“ Mein Nachbar schaltet sich ein, der Bann zwischen dem Fremden und mir ist gebrochen. Aus ist der kleine Zauber. Er steht auf und dreht sich zu ihm. „Aber trotzdem bevorzuge ich Privatsphäre.“
„Dann sollten Sie Sex innerhalb der Wohnung haben. Selbst wenn ich Sie nicht hätte bereitwillig belauschen wollen, wäre ich gar nicht darum herumgekommen. Den ganzen Sommer über habe ich nicht ein einziges Mal in Ruhe die Abende auf dem Balkon ausklingen lassen können.“
Ich frage mich ernsthaft, ob Frauen so sehr auf Geld aus sind, um freiwillig mit diesem Mann ins Bett gehen zu können.
Ich beiße mir auf die Zunge, um mir jegliche blöde Bemerkung zu verkneifen. „Könnte ich bitte befreit werden, damit ich in meine Wohnung gehen kann?“
Erneut werde ich ignoriert. Die beiden Männer tuscheln miteinander, und mir wird mulmig zumute.
Ich zerre an meinen Fesseln, aber ich schneide mir dadurch eher die Pulsadern auf, als mich von ihnen zu lösen. Ich seufze tief und leidvoll. „Was ist nun?“
Ich stehe wankend auf. Meine Beine sind durch die kniende Position eingeschlafen, und ich bin heilfroh, dass ich mich auf ihnen halten kann und nicht wie eine Schranke umfalle.
Die Männer drehen sich zu mir. Mein Nachbar nickt dem anderen zu. Das ist das Signal, mich grob am Oberarm zu packen und durch die Wohnung zu bugsieren.
„Könntest du mich nicht eben losmachen?“ Wir gehen an der Küche vorbei, und ich versuche, ihn aufzuhalten. Beflissentlich übergeht er meine Bemerkung, zieht die Wohnungstür auf und schubst mich mehr als mich zu führen in den Hausflur. Vor meiner Wohnungstür bleiben wir stehen.
„In welcher Hosentasche hast du die Schlüssel?“
Mein Gesichtsausdruck spricht Bände.
„Du hast keine eingesteckt?“ Skeptisch zieht er seine Brauen hoch.
„Ich versuche die ganze Zeit zu erklären, dass ich nicht groß nachgedacht habe. Ich bin einfach los.“
Ich drehe mich zu ihm um. Ich habe nicht bemerkt, dass er so verdammt nahe ist. Meine Nase streift fast seinen Oberkörper. So breit. So muskulös. So sexy.
Er starrt mich von oben herab an. „Das soll ich dir glauben? Du bist ohne Hintergedanken über den Balkon geklettert und wolltest bloß helfen.“
Ich spitze die Lippen aufgrund seines Tones. „Ja! Ich habe noch nicht einmal Schuhe an.“
Sein imposanter Körper drängt mich an die Haustür. Ich schlucke und werde nervös. Ich zucke zusammen, als seine Hände meinen Hintern umfassen. „Hey! Was soll das werden?!“
Ich winde mich, um mich von seinen Händen zu befreien. Der Griff um meinen Allerwertesten verstärkt sich.
„Ich überprüfe, ob du mir die Wahrheit sagst.“
Irre ich mich oder klingt seine Stimme dunkler? Auch versuche ich, das warme Gefühl zu ignorieren, welches seine Hände in mir auslösen.
Viel zu lange verharren seine Hände auf meinem Hintern, um es als harmloses Abtasten abzutun, als sie sich in Richtung Becken vortasten. Auf der Höhe befinden sich schließlich auch noch Taschen meiner Jogginghose.
Der finstere Fremde schaut mich unentwegt an. Saugt alles in sich auf. Seinem Blick halte ich stand, auch wenn meine Wangen glühen und ich am liebsten im Erdboden verschwinden will. Aber die plötzliche Anziehung zwischen uns ist nicht zu bestreiten.
Meine Augen werden groß, als seine Hände erneut meinen Hintern umschließen und mich an seinen Körper drängen.
Da ich kein naives, unschuldiges Blödchen bin, weiß ich genau, was sich da Hartes an meinen Bauch schmiegt. Er ist erregt. Mein Puls beschleunigt sich, als er sich zu mir herabbeugt und meinen Mund erobert. Eher grob und rau. Und so verdammt verheißungsvoll.
Eine Hand greift fest in mein Haar und zerrt meinen Kopf weiter in den Nacken. Mein Scham- und Anstandsgefühl verabschieden sich sofort, als seine Zunge Einlass fordert.
Das Gefühl von Ausgeliefertsein verstärkt sich, als ich meine Hände um seinen Nacken schlingen will und die Fesseln mich gnadenlos davon abhalten.
Es ist zu lange her, seit ich geküsst worden bin. Aber noch nie bin ich so geküsst worden.
Ohne Rücksichtnahme. Ohne viel Tamtam. Aber voller Intensität.
Wie oft habe ich mir von einem Mann gewünscht, dass er mich einfach schnappt, an die Wand drängt und mich hemmungslos küsst. Verdammt oft.
Seine Zunge spielt mit meiner. Lockt mich dabei, und wie eine Katze schmiege ich mich eng an seinen Körper. Seine Hand, die immer noch meinen Hintern umfasst, presst mich noch enger an seinen Körper. Sein rechtes Bein schiebt sich zwischen meine und presst sich an meine Mitte.
Wie sehr wünschte ich mir in diesem Moment meinen Schlüssel herbei. Ein heiseres Stöhnen dringt an mein Ohr, was meine Nerven vibrieren lässt.
Und so abrupt wie ich er mich geküsst hat, so urplötzlich löst er sich von mir. Ich blinzle ein paar Mal, um mich daran zu erinnern, wo ich eigentlich bin. Um meinen Verstand wieder in Fahrt zu bringen.
Mit heißen Wangen wird mir bewusst, dass ich immer noch gefesselt im Hausflur stehe, wo jederzeit ein Nachbar hätte vorbeikommen können.
Der mir immer noch unbekannte Mann starrt mich an. Beinah ungläubig, als könne er selbst nicht glauben, was er gerade getan hat.
Ich räuspere mich und versuche wieder, meine Contenance zu finden. „Was hast du jetzt vor, um mich in meine Wohnung zu bekommen?“ Meine Stimme klingt erstaunlich trocken. „Offensichtlich habe ich keinen Wohnungsschlüssel dabei.“
Kapitel 2
Matt
Wie oft habe ich Daniel vor Sue gewarnt und ihm gesagt, dass er sich an ihr die Finger verbrennen wird? Und nun ist genau das eingetreten, was ich vorhergesagt habe.
Wieso ich das habe kommen sehen? Sie ist meine geldgeile Stiefschwester. So eine, wie sie im Bilderbuche steht.
Sie hat schon meinen Bruder in eine prekäre Lage gebracht und daraufhin mit Fotos erpresst.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch Daniel die ersten Nachrichten erhält.
Aber mein Motto lautet: Wer nicht hören will, muss leiden!
Ich habe mich bewusst im Hintergrund gehalten und Daniel mit Sue in das Appartement verschwinden lassen.
Mein momentaner Auftraggeber hat überall in seiner Wohnung sogenannte Notfallschalter angebracht, die nicht die Polizei oder den Krankenwagen, sondern mich rufen.
Ich habe das Empfangsgerät dafür. Für den Fall der Fälle.
„Ein Lightbier, bitte“, rufe ich dem Kellner zu. Gegenüber des Appartementkomplexes ist eine kleine Bar, und ich zähle im Stillen die Sekunden, bis ich den ersten Notruf hereinbekomme.
Dem Kellner gebe ich ein paar Dollarscheine und trinke genüsslich mein Bier … meine Jackentasche vibriert. Zehn Minuten.
Im Laufschritt weiche ich im Slalom den heranfahrenden Autos auf der Straße aus und verschwinde in den Aufzug.
Es dauert ganze fünf Minuten, bis der Aufzug seine Türen öffnet und mich auf der Etage herauslässt.
Ich runzle die Stirn, als ich die offene Wohnungstür sehe. Das ist nicht gut. Gar nicht gut.
Bleischwer legt sich ein Kloß in meinen Magen, weil ich angenommen habe, dass meine Stiefschwester ganze Arbeit geleistet hat. Aber eine offene Tür gehört nicht dazu.
Ich zücke meine Pistole und betrete die Wohnung.
Wie ich diese sterile, chrombeschichtete Einrichtung verabscheue. Irgendwo und irgendwie muss Daniel seine Männlichkeit nach außen tragen, weil sein Aussehen weit davon entfernt ist, beim weiblichen Geschlecht als männlich bezeichnet zu werden.
Aber neben den Chrommöbeln entdecke ich nichts, was einen inneren Alarm in mir auslösen könnte. Leise schleiche ich mich vor zur Tür, die mich in den nächsten Flur bringt, wo sich auch das Schlafzimmer befindet. Ich halte den Atem an, als ich unverständliche Laute aus dem Zimmer höre, dessen Türe aufsteht. Die eine Stimme gehört unverkennbar einer Frau. Ist Sue etwa immer noch da?
Eng an die Wand gepresst nähere ich mich dem Schlafzimmer. Das ist eindeutig nicht Sue.
Dafür ist sie zu groß und zu kurvig, um Sues hagere Gestalt sein zu können. Ihre Haare sind ungewöhnlich gefärbt. Zumindest in den Augen eines Mannes. Der obere Ansatz ist dunkel, fast schwarz und fließt über in – was ist das? Silber?
Ich muss mich irgendwie bemerkbar gemacht haben, denn urplötzlich ruckt ihr Kopf in meine Richtung. Ehe ich weiter darüber nachdenke, mache ich einen Satz und knalle sie mit meinem Körper auf den Boden.
Ich verziehe das Gesicht, als ihr Kopf unglücklich Bekanntschaft mit dem Boden macht und sie gequält aufstöhnt. Schnell verstaue ich meine Waffe und zerre aus der Innentasche einen kleinen Kabelbinder, um ihn um ihre Handgelenke zu zerren.
Diese Kabelbinder sind aber auch praktische Teile für diese Art von Zweckentfremdung.
Obwohl sie größer als Sue ist (Sue ist keine ein Meter sechzig), entgeht mir keineswegs, wie klein sie unter meinem Körper wirkt.
Und dann fängt sie an, den Mund aufzumachen. Sie keift, zetert und zerrt an ihren Fesseln, was den Kabelbinder dazu veranlasst, sich in ihr Fleisch zu bohren.
Obwohl ich ihr sage, sie solle sich beruhigen, steigert sie sich in ihren Wahn. Knurrend packe ich mir ihren Kopf und presse ihn erneut auf den Boden.
Sofort hört sie auf. Kleine Schluchzer entschlüpfen ihr. Sofort lockere ich meinen Griff um ihren Hinterkopf und stehe auf, um mich Daniel zu widmen.
Ich schüttle griesgrämig den Kopf, als ich sehe, wie er da dick, blass und schlaff bäuchlings auf dem Bett liegt und ihm Sabber aus den Mundwinkeln tropft.