Weil's so schön war - Gustav Knudsen - E-Book

Weil's so schön war E-Book

Gustav Knudsen

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Beschreibung

Nach der Rückkehr Wilmas wird schnell klar, wie weit die Vorstellungen des Trios im Hinblick auf das künftige Zusammenleben auseinandergehen. Während Gustav insgeheim hofft, dass alles wieder so wird, wie es vor Wilmas Auszug war, kämpft Michelle um die vermeintliche Vormachtstellung als Frau an seiner Seite. Wilma hingegen befindet sich in einem Strudel widersprüchlicher Gefühle, denn wünscht sie sich einerseits nichts sehnlicher, als wieder eine bedeutende Rolle in Gustavs Leben zu spielen, versucht sie doch andererseits zu respektieren, dass er und Michelle ein Paar ist. Bei einem gemeinsamen Ausflug, an dem Michelle nicht teilnimmt, geben Wilma und Gustav ihrem Verlangen nach und verbringen das Wochenende in einem Hotel anstatt beim Autorennen. Halten sie das Geschehene auch zunächst geheim, so beschließt Gustav schließlich doch, Michelle die Wahrheit zu sagen, die diese zwar wütend, aber relativ gefasst zur Kenntnis nimmt. Beim einem Sonntagsfrühstück eröffnet Wilma dann völlig überraschend, dass sie eine Wohnung gefunden hat und ausziehen wird. Bevor Gustav Wilmas Worte richtig verinnerlicht hat, verkündet diese freudestrahlend, dass sie von ihm schwanger ist. Und scheinen sich auch beim Weihnachtsbesuch in Wilmas neuer Wohnung die Wogen geglättet zu haben, so werden die Karten wieder völlig neu gemischt.

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Nach der Rückkehr Wilmas wird schnell klar, wie weit die Vorstellungen des Trios im Hinblick auf das künftige Zusammenleben auseinandergehen.

Während Gustav insgeheim hofft, dass alles wieder so wird, wie es vor Wilmas Auszug war, kämpft Michelle um die vermeintliche Vormachtstellung als Frau an seiner Seite.

Wilma hingegen befindet sich in einem Strudel widersprüchlicher Gefühle, denn wünscht sie sich einerseits nichts sehnlicher, als wieder eine bedeutende Rolle in Gustavs Leben zu spielen, versucht sie doch andererseits zu respektieren, dass er und Michelle ein Paar ist.

Bei einem gemeinsamen Ausflug, an dem Michelle nicht teilnimmt, geben Wilma und Gustav ihrem Verlangen nach und verbringen das Wochenende in einem Hotel anstatt beim Autorennen.

Halten sie das Geschehene auch zunächst geheim, so beschließt Gustav schließlich doch, Michelle die Wahrheit zu sagen, die diese zwar wütend, aber relativ gefasst zur Kenntnis nimmt.

Beim einem Sonntagsfrühstück eröffnet Wilma dann völlig überraschend, dass sie eine Wohnung gefunden hat und ausziehen wird. Bevor Gustav Wilmas Worte richtig verinnerlicht hat, verkündet diese freudestrahlend, dass sie von ihm schwanger ist.

Und scheinen sich auch beim Weihnachtsbesuch in Wilmas neuer Wohnung die Wogen geglättet zu haben, so werden die Karten wieder völlig neu gemischt.

Inhaltsverzeichnis

„Prolog“

„Anständig Rum“

„Basta“

„Waschlappen“

„Glaub’ mir“

„Bock“

„Hörnchen“

„Zusammen“

„Kein aber“

„Turnier“

„Kribbeln“

„Irregular“

„Ohrfeige“

„Van Gogh“

„Streichelzoo“

„Zahn. Riemen“

„Blumenfrau“

„Lekkerbekjes“

„Blablabla“

„Liebes Stäbchen“

„Slikken“

„Wehe“

„Kraftwerk“

„Sander“

„Ungeniert“

„Paar“

„Der Plan“

„Ontbijt“

„Passat“

„Sättigungsbeilagen“

„Doe maar“

„Euromast“

„Wut und Hass“

„Johan“

„Betrug?“

„The Race“

„Sit-Up“

„Knie“

„Meschugge“

„Pavian“

„Frans“

„Religion“

„Liste“

„Monstertüten“

„Rauch“

„Protein“

„Huch“

„Bauch“

„Grunzen“

„Karton“

„Zeitreise“

„Süsser Tropfen“

„Nichts“

„Epilog“

„Prolog“

Wilma hatte zu meiner Hand gegriffen, die erste zärtliche Berührung liess mich zusammenzucken. Wie ein Blitz durchfuhr es meinen Körper.

Sie war aufgestanden, um den Tisch herumgekommen. Legte ihre Arme um meinen Hals. „So warst du immer schon. Du regelst alles. Du fackelst nicht lange“.

Küsste mich auf den Hals. „Michelle muss sehr glücklich sein dich zum Mann zu haben“.

Auf dem Stuhl drehte ich mich zu ihr um. „Ja, ist sie. Wir. Wir sind glücklich. Und du warst und bist immer meine Prinzessin. Und so gehörst du auch behandelt. Wie eine Prinzessin“.

Beim Verlassen des Bistros nahm ich erneut ihre Hand. „Lass’ uns anfangen. Jetzt beginnt dein Leben wieder. Dein Leben in Nederland. Da gehörst du hin“.

Wilma stellte sich auf Zehenspitzen vor mich, zog sich an meinem Hals hoch. „Ich möchte dich küssen. Darf ich?“. Drückte zärtlich ihre Lippen auf meine. „Danke. Für alles“.

Ihr Gesicht sich aufhellen zu sehen machte mich glücklich. „Das darfst du. Küss’ mich so viel du willst. Wann du willst. Und danken brauchst du mir nicht. Du hast alles für mich getan. Immer. Da ist es wohl klar, dass ich das Gleiche für dich tue. Immer“.

Ihren Geruch wahrzunehmen, auch wenn er sehr mit Schweissgeruch vermischt war, machte mich glücklich. Alles in meinem Hirn sprach dieses eine Wort aus. „Wilma“. Auch wenn das, was ich vor mir sah, so gar nicht meiner Erinnerung entsprach. Fettige Haare, eingefallene Wangenknochen, blasse Haut, dreckige, abgeranzte Klamotten – aber es war Wilma.

„Also dann, zum Flughafen“. Das war das Erste was geregelt werden musste, alles andere konnte, musste warten. Ob wir einen Flug für sie buchen konnten machte alles andere, alle weiteren Vorgehen zweitrangig. Mein Sitzplatz war ja bereits in Rotterdam, im Reisebüro fest gebucht – und ich musste diesen Flug auch nehmen, egal was passierte. Für mich hing zuviel davon ab, dass ich am Montag wieder auf der SHELL erschien. Nicht nur dass ich es Kees versprochen hatte, mehr noch waren garantiert ziemliche Repressialien zu erwarten, wenn ich nicht erschien.

„Sie haben Glück, drei Sitzplätze sind noch in der Maschine verfügbar. Sollen wir einen Platz für Sie einbuchen?“

Allerdings gab es da noch ein „kleines Problem“. Wilma hatte keinen Ausweis dabei. „Was können wir tun? Wie lässt sich das regeln?“ Die junge Frau von KLM liess sich von meiner Geschichte erweichen. Auch ihr gegenüber betronte ich „Dit is een noodgeval“. Buchte auch diesen Flug auf meinen Namen ein. „Sie müssen nur ausreichend vor Check-In hier erscheinen, damit wir die Personalien Ihrer Begleitperson in das Ticket übertragen können“. Sie lächelte. „Ohne Passport geht gar nichts“. Ich sah zu Wilma. „Du hast doch deinen Pass? Oder ist der noch bei dem Arschloch?“ Wilma nickte. „Ja“. Noch einmal sah ich sie eindringlich an. „Was Ja? Hast du den? Oder hast du den nicht?“ Wilma drückte meine Hand. „Ja, den hab’ ich. Der ist in meiner Wohnung. In meinem Zimmer“.

Das Flugticket war sogar deutlich preiswerter als das von mir vorab gebuchte. „Wenn wir nicht alle Sitzplätze in der Maschine besetzt haben gewähren wir einen Last-Minute-Rabatt“ war die Erklärung.

Während die KLM-Mitarbeiterin die Zahlung mit meiner Scheckkarte abwickelte begann Wilma erneut „Du weißt, dass ich kein Geld habe. Das nicht bezahlen kann“. Ich strich ihr durch die Haare. Was aber eher ein Gleiten, ein Schmieren war - so fettig waren ihre Haare. „Wilma, wann war das jemals ein Thema zwischen uns? Geld? Doch nie, oder? Warum sollte sich das verändert haben? Ich zahl’ das. Gerne. Sehr gerne sogar“.

Kein Geld der Welt könnte jemals den Gegenwert zu einem geliebten Menschen wettmachen. Egal welchen Namen dieser Mensch trug. Geld war lediglich buntes Papier. Und in dem Fall nicht einmal das, lediglich eine kleine Plastikkarte. Wie könnte also dieses Stück Plastik auch nur annähernd an den Wert des Menschen neben mir herankommen? Konnte diese Plastikkarte lächeln? Gar nichts konnte diese Karte, nicht einmal Kaffee kochen. „Also Wilma, wo ist das Problem? Es gibt kein Problem. Das Einzige was zählt bist du“.

Nach der Buchung wollte ich noch schnell zu Europcar. Auf dem Parkplatz stand ein Ford Escort Cabrio. Mit zerfetztem Vinyldach. Ich wollte bei der Gelegenheit, jetzt wo ich sowieso am Flughafen war, den Schaden melden, aber auch direkt ein anderes Auto bekommen.

„Machen Sie sich keine Sorgen, das Auto ist ja versichert. Wie ist das denn passiert?“ Achselzuckend sah ich die Europcar-Beraterin an. „Gute Frage, nächste Frage. Wohl in der Nacht, als ich im Hotel übernachtet habe“. Ob ich sonst einen Schaden festgestellt habe wollte sie anschliessend wissen. Dass das Autoradio fehlte war für mich offensichtlich, mehr konnte ich nicht sagen. Wusste ja nicht einmal wie das Mietauto sonst ausgestattet war.

Das zwischenzeitlich von einem Nadeldrucker ausgespuckte Papier wurde mir zur Unterschrift vorgelegt. „Wir können Ihnen einen Renault R5 anbieten. Genügt Ihnen das?“ „Ja, gerne. Aber bitte kein Cabrio. Schon mit richtigem Dach. Aus Blech“.

Die Autoschlüssel gab ich direkt an Wilma weiter. „R5 kennst du ja. Und wo deine Wohnung ist weißt du auch. Du fährst also“.

Das Gefühl mit Wilma, sie an der Hand haltend, durch das Flughafen-Terminal zu schreiten war unbeschreiblich. Immer wieder sah ich zu ihr. Ungepflegt, runtergekommen. Trotzdem war ich stolz wie Oskar sie festhalten zu können. Das war es also, was ich Stunden zuvor nicht wissend erreichen wollte. Es war gar nicht so sehr der Wunsch diesen Teun zu töten, sondern ich wollte Wilma neben mir haben. Sie festhalten. Sie beschützen. Ihr Geborgenheit geben.

Ihre Wohnung - ihr Zimmer schockierte mich. In einer schlimmen Gegend, einem schäbigen Wohnblock gelegen. Im Treppenhaus öffnete sich eine Türe. Eine dicke Frau redete sofort auf Wilma ein. „Keine Herrenbesuche, das weißt du doch“. Weder kannte ich diese Frau, noch was sie überhaupt zu melden hatte, trotzdem kam es direkt aus mir heraus. „Ach halt doch die Fresse. Kop dicht“. Wilma sah mich an. „Das ist Kimberly, meine Vermieterin“. „Und? Was will die? Was geht die irgendwas an?“

Wilma zog mich an der Hand in das Zimmer. „Jetzt wo ich das wieder erlebe … Wie habe ich das vermisst … Wie du bist … Wie du reagierst“.

Einmal im Kreis drehend überflog ich die Einrichtung. Ein Bett, so schmal, dass mit Mühe gerade mal eine Person darin Platz fand, ein winziger Tisch, ein Stuhl. Hinter einem Vorhang hingen ein paar Kleidungsstücke. „Ist das … ist das dein Kleiderschrank? Ist das alles was du besitzt?“ Fassungslos schaute ich sie an. Nicht einmal ein Badezimmer gab es. Keine Kosmetikartikel. Kein Spiegel. Einfach gar nichts. Nur dieses eine Zimmerchen. Wie sollte eine Frau sich hübsch machen können, wenn sie nicht kontrollieren konnte wie sie aussah? „Es wird Zeit, dass du hier rauskommst. Das ist kein Platz für eine Prinzessin“.

Ihr Hab und Gut liess sich in zwei Händen tragen. Wilma klopfte an der Haustüre, an der zuvor die dicke Kimberly laut herausgepoltert hatte. „Ich ziehe aus. Jetzt“. Kimberly setzte an etwas sagen zu wollen. „Dann musst du aber noch …“ Ich unterbrach sie. „Wilma muss gar nichts. Nicht mehr. Sie zieht aus. Jetzt“.

Wilmas Habseligkeiten verstauten wir im Kofferraum des R5. Eigentlich hätten wir das genauso gut auch einfach an den Strassenrand legen können. Für den nächsten Sperrmüll. Oder für jemanden der es gerne haben wollte. Das zu äussern verkniff ich mir aber.

Irgendwo müssten wir einen kleinen Koffer für Wilma besorgen. Oder zumindest eine Reisetasche für ihre Kleidungsstücke. „Ich möchte eigentlich nirgendwo hingehen. Ich schäme mich für mein Aussehen“. Wilma war das sichtbar unangenehm. „Auch dass du mich so siehst“.

„Anständig Rum“

„Dann suchen wir also ein Hotelzimmer“. Ich nahm Wilma in den Arm. „Mit Badewanne, wenn ich mich recht erinnere“.

Dass wir hier in der Gegend kein gescheites Hotel finden würden war klar. Auf welchem Level sich das Angebot hier befand hatte ich ja selbst erfahren. Eine lausige Pension, ein aufgeschlitztes Cabriodach. Das waren meine Eindücke der ersten Nacht in Willemstad. „Wo gibt es denn was Gescheites?“ wollte ich von Wilma wissen. „In der Urlaubergegend, bei Mundo Nobo“ war ihre Antwort.

Auf der Fahrt dorthin wurde mir klar, dass ich mir einen Wolf hätte suchen können, wenn ich mich nach der auf Wilmas Brief genannten Adresse gerichtet hätte. Die Strasse, die wir jetzt befuhren hiess „Schottegatweg Zuid“. Sehr einfallsreich war man hier bei der Beschilderung nicht wirklich.

Aber Willemstad, oder dieses Curaçao, war wunderschön. Wenn man hier seinen Urlaub verbringen würde. Oder eben ein sorgloses Leben führen konnte. Beides war aber für Wilma nicht gegeben.

Viele farbig getünchte Häuserfassaden säumten den Strandbereich. Das Meer hatte eine intensive Färbung, die Sonne schien. „Warst du oft am Strand?“ Ist schon schön hier“. Wilma drückte meine Hand. „Ja, am Anfang ein paar Mal. Aber das hat alles sehr schnell nachgelassen. Teun hat sich nur für sein Büro interessiert“. Sie schluckte. „Oder für andere Weiber. Ich war schnell abgemeldet. Der hat mich nie wirklich gewollt. Ficken, das wollte er. Aber sonst auch nichts. Nicht mit mir ausgehen, gar nix. Einfach nur ficken. Nicht einmal zärtlich war er“. Sie begann zu weinen, schlug mit der Handfläche auf das Lenkrad. „Dieses Arschloch“.

„Marco Hotel“, so war der Name des Hotels in das wir eincheckten. Wilma konnte jetzt auch ihren Ausweis vorlegen.

Zu meiner Erleichterung war auch dieses Problem gelöst. Ein sehr gepflegtes Haus, etwas gehobener Klasse. Kein Vergleich zu meiner gestrigen Pension. „Mit Badewanne“ hatte ich zwar bei der Buchung betont, bekamm aber zu hören „Alle unsere Zimmer haben Badewanne und Dusche“.

Meine Antwort auf die Frage nach unserem Gepäck - „Wir haben kein Gepäck“ erstaunte die Rezeptionistin doch sehr. Was mochte sie gerade denken? Bestimmt so was wie „Klar, Sextourist. Da schleppt der Typ irgendso eine abgeranzte Alte in ein Hotel. Lässt den reichen Europäer raushängen“. So schien ihr Blick es mich zumindest vermuten. Was mir aber, ob sie es dachte oder auch nicht, so was von Scheissegal war. Ich wusste ja wie es war. Wie so vieles was andere dachten, auch über mich, war sowieso nicht wichtig.

Ein helles, geräumiges Zimmer empfing uns. Ein grosses Doppelbett, eine Sitzecke, ein Tisch samt zwei Stühlen. Durch einige Spiegel reflektierte das einfallende Licht, hellte den Raum zusätzlich auf, liess ihn noch grösser erscheinen als er sowieso schon war. Auf einem weissen Nachttisch neben dem Bett stand ein Telefon. „Ich muss auf jeden Fall Michelle anrufen. Sie ist bestimmt schon zuhause. In Rockanje ist es ja schon …“ Die Uhrzeit wusste ich nicht genau, aber wenn ich die fünf Stunden Zeitverschiebung hinzurechnete war für sie garantiert schon Feierabend. Ihr Wochenende hatte begonnen.

„Mach’ das. Ich geh’ ins Bad. Ich seh’ ja furchtbar aus“. Wilma betrachtete sich in einem der Spiegel.

Michelle freute sich nicht nur meine Stimme zu hören. Auch die Nachricht, dass Wilma bei mir sei, ich sie mit nach Amsterdam bringen würde. „Ich habe das gewusst. Auch wenn du gesagt hast, dass du diesem Teun etwas antun willst … mir war klar, dass du Wilma abholen willst. Das wolltest du von Anfang an. Nicht wahr?“

Es war so, es hatte sich so ergeben. Bei meiner Abreise wusste ich aber selber nicht was ich genau mit meiner Reise bezwecken wollte. Jetzt aber war es sonnenklar. In dem Moment als ich Wilma in dieser Wäscherei gesehen hatte war mir klar, dass sie da wegmusste.

„Wir sehen uns am Sonntag. Ich freu’ mich auf dich. Ich liebe dich“ verabschiedete ich mich von Michelle. Ging zum Badezimmer, klopfte an die Türe. „Komm’ rein“.

Wilmas Kopf ragte aus einem Meer von Badeschaum hervor. Und die Kette, die sie von mir bekommen hatte. Sie lächelte mich an. „Erinnerst du dich noch an die Zeiten, wenn wir unterwegs waren?“

Auf dem Wannenrand setzte ich mich zu ihr. „Gut, dass du wenigstens noch deinen Schmuck hast. Sollen wir wirklich nicht deine Sachen abholen? Deine Kleider? All das was dir gehört?“

Mit ihrer Hand fasst sie an meinen Unterarm. „Nein. Ich weiss wie du bist. Das gibt nur Ärger“. Ihre Augen waren so traurig. „Wieso Ärger? Glaubst du ich hab’ Angst vor dem Typ?“ Wilma legte ihre Hand fest um meinen Arm. „Nein. Aber eben genau deshalb. Ich weiss genau, dass du die Beherrschung verlierst“.

Mit meinen Händen öffnete ich die Kette in meinem Nacken. Die Kette, die ich ihr geschenkt hatte. Deren beide ineinander liegenden Ringe für unsere Verbundenheit standen. Die sie vor ihrer Abreise an Michelle gegeben hatte. Für mich. „Die gehört dir. Ich hab’ sie nur für dich aufbewahrt“. Beugte mich zu ihr. Wilma richtete sich in der Wanne auf. Ihre Brüste durchbrachen das Badeschaummeer. Vorsichtig legte ich ihr die Kette um den Hals.

Wilma zuckte zusammen. „Was ist? Hab’ ich deine Haut eingeklemmt?“ Wilma nahm mein Gesicht in ihre Hände. „Nein, alles gut. Ich bin nur so lange nicht berührt worden … Von einem Mann … Und jetzt bist es ausgerechnet du …“ Sie streichelte über meinen Wangen. „Nach der Fehlgeburt sowieso nicht. Das einzige was in mir war war dieses kalte Metallzeugs mit dem die Frauenärztin …“ Tränen liefen ihr Gesicht herunter. „Es … es tut mir so leid … Was dir passiert ist“.

Wilma kniete sich in die Wanne. Drückte ihren nassen Oberkörper an mich heran, führte meine Hände an ihre Brüste. „Magst du … Kannst du mich anfassen?“

Ich liess sie meine Hände ihren Körper entlangführen. „Mein Gott. Ich hab’ vergessen wie schön du bist“. Wilma lachte. „Naja, da fehlt bestimmt noch einiges. Ich seh’ furchtbar aus. Habe ich doch eben im Spiegel gesehen“. Küsste mich. „Findest du mich immer noch hübsch? Auch so verlottert?“

Meine Hände befreite ich. Musste mich von ihrem Körper lösen. „Ich … ich muss noch ein paar Dinge erledigen“. Wilma lachte. „Klar, Sachen halt. Dann mach’ mal. So schnell werde ich die Wanne nicht verlassen“.

An der Hotelrezeption erkundigte ich mich nach Einkaufsmöglichkeiten. Nach Damenmode und Kosmetik.

Mit der genannten Schilderung fand ich die nahegelegenen Geschäfte. Bei „Fragantica“ kaufte ich gleich ein ganzes Set aus Make-Up in zartpastelligen Tönen. Dazu einen knallig roten Lippenstift. In einem Damenoberbekleidungsgeschäft, „Bohemian Fashion“, suchte ich ein fesches Kleid für Wilma aus. Noch schnell einen aparten Slip. Für die Verkäuferinnen war das sicher, genau wie für mich, auch nicht alltäglich. Dass ein Mann so zielgerichtet und selbstsicher Frauenkleidung aussuchte. Zumal ihnen wohl auch klar war, dass das alles, aufgrund der Konfektionsgrösse, nicht für mich sein konnte.

Zurück in dem Hotelzimmer legte ich alles für Wilma auf das Bett parat. Stopfte die Kleidung die sie zuvor getragen hatte direkt in den Papierkorb.

Wilma hatte ein grosses, weisses Frotteehandtuch um ihren Oberkörper gewickelt. Ein weiteres, kleineres um ihre Haare. „Und? Hast du deine Sachen erledigt?“

Mit einer Kopfbewegung wies ich auf das Bett. „Ja. Das ist für dich“. Wilma hob das Kleid an, hielt es sich vor den Körper. „Das ist hübsch. Du weißt meine Grösse noch?“

War es überhaupt möglich diesen Körper, diese Körpermasse zu vergessen? „Ja, 38, oder? Und wenn es nicht passen sollte kannst du es gerne umtauschen. Das Geschäft ist direkt um die Ecke“.

Wilma fiel mir um den Hals. „Und auch das … das hast du immer schon getan. Mich hübsch angezogen. Du hast dich immer um mich gekümmert. Sie stand auf Zehenspitzen, ihr Körper streckte sich. Das Frotteetuch rutschte an ihr herunter. Wie weich und zart ihre Haut war. „Wilma. Nicht. Es fällt mir schwer dir zu widerstehen“.

Wilma lächelte. „Danke für das Kleid“. Griff zu dem Kosmetikset. „Auch für die Schminksachen“. Küsste meine Stirn. „Und … wenn ein Typ mich … meinen Körper haben kann … dann bist du das“.

Verdattert, aber auch unwissend wollte ich wissen ob das überhaupt möglich war? Körperlichkeit? Nach einer Fehlgeburt?

Wilma begann sich anzukleiden. „Ich hätte vielleicht besser alles so gesehen wie es eigentlich war. Ja, ich habe mit Teun auf dieser Party gefickt. Besoffen Aber ich hätte warten sollen bis ich von dir … mit dir schwanger geworden wäre“. „Das ist Quatsch. Das weißt du. Das wissen wir beide. Man kann nichts dagegen tun, dass man sich verliebt. Gar nichts.

Das passiert einfach. Was dann daraus wird weiss man erst hinterher“. Wilma lächelte ein wenig gequält. „Jepp. Und ich hab’ diesmal voll ins Klo gegriffen“.

Sie drehte sich mehrmals vor dem Spiegel um die eigene Achse. „Gefalle ich dir?“ Mit der Gegenfrage „Gefällst du dir selber? Erkennst du dich so langsam wieder?“ versuchte ich eine direkte Antwort schuldig zu bleiben.

Mit dem Kosmetikset setzte sich Wilma vor den Spiegel. „Noch ein bisschen Rouge … ich bin auf einem guten Weg“.

Während sie sich nach und nach verwandelte sprach ihr Spiegelbild zu mir. Mehr als einmal bedankte sie sich für mein spontanes Erscheinen. „Warum hast du das überhaupt getan? Bist hierhin gekommen?“

Was sollte, was konnte ich antworten? Ausser der Wahrheit. „Weil ich dich liebe. Wie du mir sehr viel bedeutest. Weil du meine Freundin bist“. Wilma schluckte. Ich stellte mich hinter sie, sah ihr Spiegelbild an. „Jetzt nicht weinen, sonst verläuft deine ganze Schminke“ versuchte ich die Situation etwas zu Verlustigen.

„Und Michelle? Was hat sie denn überhaupt dazu gesagt? Dass du hierhin gekommen bist? Zu mir? Wusste sie was du vorhast?“

Auch das konnte ich nur wahrheitsgemäss beantworten. „Sie wusste … sie weiss natürlich dass ich zu dir will. Was genau ich hier wollte ist mir auch erst klar geworden als ich dich gesehen habe. Dass ich dich will. Und dass sie mich sowieso nicht abhalten könne von dem was ich vorhabe …. hat sie auch gesagt. Und dass sie dich auch liebt“.

Wilmas Spiegelbild sah auf, drehte sich dann zu mir. „Habt ihr denn … nach unserer Zeit … noch mal eine Dreierbeziehung gehabt?“

Ich erzählte ein wenig von unserem Urlaub in Norwegen. Von der überwältigenden Naturfaszination. Und von Ingrid. Unserem gemeinsamen Urlaubsflirt.

„Wollen wir ein wenig an den Strand? Irgendwie habe ich ja auch Urlaub. Zwar nur kurz, aber immerhin“.

Das Hotel lag im Stadtteil Pietermaai, nur wenige Schritte von der Beachfront entfernt. Und wenn ich dann doch schon mal in der Karibik war, auch unter anderen Bedingungen als einem entspannten Urlaub, wollte ich zumindest die wenigen Stunden geniessen. Mich wie ein Urlauber fühlen.

Wilma führte mich zielstrebig an den ersten sehenswerten Punkt, wie sie es nannte. „Den Floating Market“. Sicher, im Prinzip ein normaler Obst- und Gemüsemarkt wie jeder andere in Holland auch. Mit der Besonderheit, dass hier die Waren von Booten aus verkauft werden.

Von hier ging es weiter, mit feinster Sicht auf die architektonisch interessanten Gebäude von Willemstad. Wilma habe diese Strecke extra so gewählt, wie sie mir sagte „Weil du doch so auf Häuser und Gebäude stehst“. Ich drückte sie an mich. „Dass du das behalten hast“. Wilma lächelte mich an. „Ich hab’ so viel von dir behalten. Nicht nur das“.

Wir gelangten an die „Handelskade“, die mich beinahe vermuten liess plötzlich in Amsterdam gelandet zu sein. Mit dem Unterschied, dass hier die Häuserfronten einen lebensfrohen Mix der Kulturen boten.

Sehr schnell waren Wilma und ich wieder zu einer Einheit verschmolzen. Fast so als wären wir beide zu einem kleinen Wochenendtrip unterwegs. Als wäre keine Zeit vergangen. Schlenderten albernd durch die Hauptstadt der Karibikinsel. Erzählten von „früher“, von uns. Nichts, aber auch gar nichts aus unserem gemeinsamen Leben war „weit weg“, sofort präsent. Und auch wir waren nicht weit weg, nicht weit auseinander, tauschten mehr und mehr Küsse und zärtliche Worte aus. Wie immer schon. Irgendwie. Und doch wussten wir, dass sich etwas verändert hatte. Bei uns beiden. Unsere Leben in der Zeit, in der wir uns „aus den Augen verloren“ hatten, weiter gegangen waren. Jetzt aber schien es mir so als würden wir uns wieder ineinander verlieren.

„Hast du Hunger? Magst du etwas essen? Du bist ja ein richtiger Hungerhaken geworden. So schmal. Du hast bestimmt einige Kilo abgenommen“. Wilma wiederholte was sie schon einmal gesagt hatte. „Kein Geld zu haben ist die beste Diät“.

Zu meiner Verwunderung wählte Wilma ein „Eetcafé“. Genau so wie es sie in Nederland gab. Mit den gleichen frittierten Leckereien. Aber auch einige landestypischen Spezialitäten. Deren Namen in meinen Ohren natürlich sehr abenteuerlich klangen. Nur gut, dass neben den Namen in der Speisenkarte auch beschrieben war um was es sich genau handelte. „KABRITU STOBA“ lautete meine Wahl. Geschmortes, pikant gewürztes Ziegenfleisch. Dazu gab es Maismehl-Rollen, gebackene Kochbananen und Gemüse. Wilma orderte „KESHI YENA“, Käsetaschen mit gedünstetem Fleisch gefüllt.

„Hmm, das ist lekker“ liess ich Wilma wissen was ich von ihrer Empfehlung hielt. Sie lächelte mich an. „Die sagen hier das schmeckt dushi“.

Zu ihren Käsetaschen hatte sie Pommes geordert. Mit reichlich Mayo. So wie ich es von ihr kannte. Ich konnte mich der Verlockung ihr Mayonnaise aus ihren Mundwinkeln zu lecken nicht entziehen. Verfiel sehr schnell in eine wilde, hemmungslose Züngelei in ihrem Mund. Wilma lachte. „Eigentlich ist doch alles wie immer schon“. Warf ihre Serviette auf den Tisch. „Wollen wir ins Hotel gehen? Ich möchte mit dir schlafen“.

„Willst du das wirklich? Geht das denn überhaupt? Nach einer Fehlgeburt? Kannst du überhaupt wieder schwanger werden? Willst du denn wieder schwanger werden?“ Wilma lachte laut auf. „Wie man eine Frau behandelt … damit kennst du ja aus. Verdammt gut sogar. Aber von Frauen … vom Frauenkörper hast du immer noch keine Ahnung. Da hast du nichts dazu gelernt“. Sie schaute mich an. „Ekelst du dich immer noch vor Menstruationsblut?“

Dann erklärte sie mir wie das so war bei ihr. Dass ihr im Krankenhaus Gebärmutterschleimhaut im Bereich des Gebärmutterhalses und der Gebärmutterhöhle operativ entfernt wurde. Dass sie in den ersten 14 Tagen nach der Ausschabung schon noch einige Schmerzen hatte. Jetzt aber alles wieder „normal“ sei. „Und um deine Fragen zu beantworten, ja, ich habe Lust auf Sex. Sex mit dir. Ich möchte mit dir schlafen. Und ja, ich kann wieder Schwanger werden. Ich möchte sogar wieder Schwanger werden. Dieses Mal aber echt von dir. Mit dir. So wie ich mir eigentlich auch schon zuvor gewünscht habe ein Kind mit dir zu zeugen“.

Wilma schien meinen fragenden Blick komplett richtig einzuschätzen. „Du kannst ja ein Kondom benutzen, dann passiert nichts“. Sie lachte bei meiner verstörten Antwort „Ja, ich will“. „Das hört sich an wie beim Pastor, bei der Hochzeitsmesse“. In dem Moment fiel mir ein, dass sie bei ihrem Abflug gesagt hatte dass sie in Willemstad heiraten wolle.

„Bist du … hast du eigentlich geheiratet? Bist du verheiratet?“ Wilma lächelte. „Nein. Und gut, dass es so ist. Oder besser gesagt, dass es nicht so gekommen ist. Ich hab’ dir doch geschrieben, dass Teun fast direkt unser Hausmädchen gefickt hat, geschwängert hat. Sonst hätte ich das jetzt auch noch an den Hacken. Einen Ehemann der seinen Schwanz nicht im Griff hat“.

Über den Tisch herüber griff ich zu ihrer Hand. „Kannst du dich an den Tag erinnern als du Michelle mit zu uns gebracht hast? Mir erzählt hast, dass du Bock auf sie hast? An dem Tag … in dem Moment wollte ich dich fragen ob du mich heiratest. Meine Frau werden möchtest. Und jetzt ist alles anders. Ich lebe mit Michelle zusammen. Sie ist meine Partnerin. Geworden. Und ich liebe sie. Total. Wer weiss wie es geworden wäre? Wenn ich dich gefragt hätte? Aber jetzt ist es so wie es ist“. Beugte mich zu ihr herüber, küsste sie. „Aber ich möchte auch mit dir schlafen“.

Wilma zwinkerte mir zu. „Dann besorg’ ich Kondome“. Ich hielt sie am Arm, hinderte sie am Aufstehen. „Nein, bleib’. Wenn es denn so sein sollte … Dass du Schwanger wirst … dann soll es so sein … Nur … ich kann dich nicht heiraten. Nicht mehr. Und wir können auch kein Paar mehr werden. Michelle ist meine Partnerin. Geworden. Mehr und mehr. Dass wir auch mit anderen schlafen ist dir bekannt. Uns allen dreien. Aber es kann … es darf nicht mehr werden. Verstehst du das?“

Wilma nickte mir zu. „Ja, verstehe“. Sah mich einen Moment an. „Damit komm’ ich klar“.

Mit einer Handbewegung winkte ich die Bedienung an unseren Tisch, bat um die Rechnung. „Dann lass’ uns los. Ich will dich auch. Unbedingt“.

Auf dem Rückweg, zum Hotel unterhielten wir uns weiter. Auch darüber wie meine Beziehung mit Michelle sei. Dass ich es auch nicht als „Untreue“ empfand jetzt mit Wilma schlafen zu wollen. Sondern wir unserer Begierde nachgeben wollten. Denn das war es ja auch. Ich begehrte Wilma. Weiterhin. Und ich liebte sie, war verliebt in sie. Und das schon seit unendlichen Monaten. Sie war ein Teil meines Lebens. Zu dem eben, wie auch immer, Michelle hinzugekommen war.

Wilmas Frage nach „Was wäre wenn …?“ war müssig. Es war ja nicht wenn, sondern es war einfach. Und zwar ganz real.

Wilma schaute in der Hotellobby zur Bar herüber. „Wollen wir noch etwas trinken?“ Ich nahm sie in den Arm. „Nein. Wie wäre es, wenn wir uns betrinken? Nicht etwas, uns betrinken. Richtig?“

Der Barkeeper liebte es in seine Cocktails ordentlich Rum einzumixen. Anständig besoffen wankten wir auf unser Zimmer. Wilma stellte sich aufreizend vor mich. „Magst du es immer noch deine Frau auszuziehen? Sie zu verwöhnen?“

Ich zog sie an mich. „Ja. Nur dass mit dem deine Frau habe ich dir eben erklärt. Meine Frau … das ist Michelle“.

Seit Wochen, Monaten hatte ich Wilma nicht mehr gespürt, ihren Körper liebkosen dürfen. Sicher, davor ungezählte Male, es war wie unser erstes Mal. Unsere erste Nacht. Leicht betüdelt. Innig, zärtlich. Ich ertappte mich dabei wie ich ihre Worte in ihren Hals hauchte. „Verdammt, was wäre, wenn …“.

Alles war so vertraut, wir waren uns so vertraut, die Worte die wir einander zusäuselten. Die Art wie wir uns liebkosten. Zu wissen wer auf was stand. Die richtigen Knöpfe zu drücken, wie Wilma es einmal genannt hatte.

„Hat dir eigentlich mal jemand gesagt was für unfassbar tolle Titten du hast?“ Wilma schaute mit grossen Augen. „Früher hatte ich mal einen Typen, der hat mir das fast jeden Tag gesagt. Und überhaupt … hat er mir immer Komplimente gemacht. Der hat mich richtig geliebt, nicht einfach nur mit mir gefickt … Wie es in den letzten Monaten war“. Sie zog mich an ihr Gesicht. Ihre weichen Lippen küssten meinen Mund. „Das warst du. Du warst immer so aufmerksam. Bei dir habe ich mich immer wie eine Frau gefühlt. Eine Frau die begehrt wird“. Tränen kullerten über ihre Wangen. „Du warst immer so lieb … so liebevoll zu mir … Ich hätte nicht fortgehen sollen …“.

Die Hotelbar war jetzt der Frühstücksraum geworden. Ein üppiges kontinentales Frühstückbüffet aufgebaut. Ich genoss den frisch gebrühten Kaffee, rauchte mir eine Zigarette. Bewunderte Wilma, die kurz nach mir den Raum betrat.

Scherzte sie an. „Und wie ist das so frisch gefickt?“ Wilma gab mir einen Kuss auf die Wange. „Von dir immer wieder gerne“.

„Basta“

Die Zeit bis wir das Zimmer um 11.30 Uhr räumen mussten nutzten wir. Das mitunter langwierige Packen von Taschen bei Reisen mit Frauen, wie ich es zur Genüge kannte, auch mit Wilma, entfiel mangels Garderobe. Wir schliefen erneut miteinander. Was sowieso weitaus schöner war als Klamotten packen. Jetzt schon etwas wilder, ungezügelter.

Bis zum Abflug, bis 21 Uhr, blieb uns reichlich Zeit. Das Mietauto müsste ich noch abgeben, bei KLM Wilmas Ausweis vorlegen, Ticket umschreiben lassen. Es würde genügen, wenn wir etwa um sieben am Flughafen wären. Könnten also noch etwas die Stadt erkunden.

Um mich zu vergewissern fragte ich „Du bist dir ganz sicher mit deiner Entscheidung? Du willst wirklich das Land, die Insel verlassen? Zurück nach Nederland?“.

Wilma hakte sich bei mir unter. „Ja. Ich bin froh, dass diese Episode in meinem Leben zu Ende ist. Dass ich wieder nach Hause kann“. Sie küsste meine Wange. „Dass du mich abgeholt hast. Ich danke dir“. Mit meiner Hand strich ich durch ihr Haar. Jetzt konnte man das auch wieder so nennen. Nicht mehr das Gefühl haben man würde über ein Schmalzbrot streichen. „Gerne mein Schatz. Für dich immer. Alles“.

Betrachtete sie von oben bis unten. Innerhalb eines Tages hatte sich die speckig gekleidete Frau mit fettigen Haaren in der Grosswäscherei in eine wahre Schönheit zurückverwandelt. Hübsch geschminkt, rosig frisch gefickte Wangen, seidig glänzende Haare. Ein hübsches Kleidchen tragend das ihre Figur zur Geltung brachte.

Nicht nur weil es in Rockanje locker zehn Grad kühler war als hier in Willemstad, sondern auch vor allem deswegen, weil Wilma quasi nichts hatte, als das was sie jetzt trug, bot ich ihr an eine Jacke oder einen Mantel für sie zu kaufen. Sah erneut an ihr herunter. „Und vielleicht ein paar Schuhe. Die ausgelatschten Adidas passen so gar nicht zu deinem Outfit“.

„Hast du nicht genug für mich ausgegeben? Der Flug, das Kleid …?“ Wilma sah mich an. „Was gibt es da zu Schmunzeln?“ Als ich ihr erzählte, dass ich von Michelle einmal darauf hingewiesen wurde „dass Frauen echt teuer im Unterhalt sind“ stimmte sie mir zu. „Da hat sie Recht“.

Es wurde eine Dreiviertel-Jacke aus Alpaka Wolle. Die Schnittkanten fein paspeliert. Dekorative, farbige Knöpfe rundeten das Gesamtbild der Jacke ab. Besonders raffiniert war der asymmetrische Verschluss, verlieh dem Cardigan einen außergewöhnlichen Look. Dabei war die Wolle so elastisch, dass sie sich jeder ihrer Bewegungen anpasste, ihren Körper toll betonte.

Was sie für Schuhe mochte war mir immer noch bekannt. „Ankle-Boots“, Stiefeletten.

Über die Phase ihrer Einwendungen waren wir hinaus. „Nimm es einfach an, ich kaufe dir das gerne. Ausserdem mag ich es selber neben einer hübschen Frau zu laufen. Es macht mich stolz die Begleitung einer Schönheit sein zu dürfen“.

Wilma schaute mich an. „Ja, du bist gemeint. Du bist eine Schönheit – und warst es schon immer“. Wilma drückte mich. „Und du bist dir sicher, dass du nicht wieder in mich verlieben wirst?“ „Ja, bin ich. Brauch’ ich auch gar nicht. Ich bin doch schon lange in dich verliebt. Was ich dir gesagt habe ist etwas anderes. Wir werden kein Paar mehr. Was aber nicht heisst, dass ich nicht in dich verliebt bin. Dich liebe. Wahre Liebe ist bedingungslos, auch wenn sie keine Erfüllung findet“.

Wilma legte ihren Arm um meine Hüfte. „Heisst das wir haben nur noch Sex? Sonst nichts?“ „Nein, das habe ich auch nicht gesagt, gemeint. Wir können alles zusammen machen, unternehmen. Wir sind sehr gute Freunde. Aber es gibt halt Grenzen. Meine Frau heisst Michelle. Wir beide können auch Sex haben. Wenn du möchtest. Also mir jedenfalls hat es gefallen mit dir zu schlafen“. Wilma kniff mir in den Hintern. „Mir auch. Mir hat es sogar sehr gefallen“. Sah mich von der Seite an. „Vielleicht machst du mir ja doch noch ein Kind“.

In einem ruhigen Moment musste ich das alles aber für mich doch noch einmal hinterfragen. „Glaubst du selber was du gesagt hast?“

Meine Gedanken gingen zu Michelle. Ich freute mich darauf sie wiederzusehen, in meinen Armen halten zu können. „Ja, das ist so. Wie ich gesagt habe. Wilma ist meine Freundin. Ich liebe sie. Ich hab’ sie sehr gern. Und Michelle ist meine Frau. Und ich liebe sie über alles. Basta“. Damit war das für mich erledigt.

Und Wilma war es schliesslich selbst die mir nahegebracht hatte, dass man mehr als einen Menschen lieben kann. Zeitgleich. Auf unterschiedliche Art. Mit differenzierter Intensität.

Bevor wir uns zum Flughafen aufmachten legten wir noch einen Spaziergang an Kanoa Beach ein. Wilma zog ihre neue Jacke wärmend an ihr Kinn. Um sich ein wenig vor dem Wind zu schützen. Vielleicht auch gegen das Gefühl das sie doch übermannte. „Bist du sehr traurig?“ nahm ich sie in den Arm. „Irgendwie schon, aber es ist mehr der Horror der gerade von mir abfällt. Gleich, sobald wir abheben, bin ich frei. Endlich. Sowas passiert mir nie wieder. Das verspreche ich dir“.

Eine seltsame Frage überkam mich. Warum war es an mir, „geschundene Frauen“ um mich zu haben. War es meine Aufgabe ihnen das zu geben was sie verdienten? Uneingeschränkte, grenzenlose Liebe. Konnte ich das überhaupt? „Ich geb’ alles. Versprochen“ rief ich laut gen Himmel aus.

„Waschlappen“

Es blieb ausreichend Zeit. Das Mietauto war zurück gegeben. Diesmal ohne Schäden. Auch das Flugticket wurde bei KLM ohne Probleme umgeschrieben. Mein kleiner Trolley und Wilmas Reisetasche waren auf dem Laufband in Inneren des Flughafens verschwunden. In einer Caféteria warteten wir darauf, dass unser Flug aufgerufen wurde.

Wilma sprang plötzlich von ihrem Hocker auf. Drückte sich ganz eng an mich heran. „Oh nein. Da kommt Teun“. Sie begann zu zittern. Mit einer Dreistheit, als wenn nichts wäre, steuerte er auf Wilma zu. „Bitte komm’ nach Hause. Geh’ nicht fort“.

„Wie … wie kommst du hier hin? Was willst du von mir? Hau ab. Zu deiner Haushaltsfotze. Verschwinde. Lass’ mich in Ruhe. Geh weg du Dreckschwein“. Wilma war ausser sich. „Wilma. Deine Vorarbeiterin hat bei mir im Büro angerufen. Mir gesagt, dass irgendein Typ dich abgeholt hat. Du gekündigt hast“.

Er habe überall rumtelefoniert, auch bei KLM ob sie auf einem Flug gebucht sei. „Bitte mein Schatz. Ich kann nicht ohne dich leben“. Mit jedem Schritt den er näher auf Wilma zuging presste sie sich stärker an mich heran.

„Hast du nicht gehört was Wilma gesagt hat? Du sollst dich verpissen. Du bist eine Drecksau. Geh’ zu deiner Latino-Fotze. Halt dich von Wilma fern“.

Er versuchte erneut auf Wilma einzureden.

„Hör’ zu Arschloch. Ich hab’ dir schon einmal gedroht. In meiner Wohnung. Dummerweise habe ich dir bei eurer Abreise die Hand gegeben. Mein Gefühl war aber von Anfang richtig. Also verschwinde“.

Mit einer schnellen Handbewegung zog ich mein Klappmesser, das ich immer bei mir trug, aus der Hosentasche. Mit einer Schleuderbewegung schnellte die Klinge heraus.

„Wenn du nicht willst, dass ich dich hier absteche dann rate ich dir, dass du abhaust. Ganz schnell“. Er sah mich an. „Ich geh’ vielleicht ins Gefängnis. Damit kennt ihr Rechtsanwaltsarschöcher euch ja aus … aber Wilma fliegt jetzt nach Hause … Das kriegst du aber gar nicht mehr mit. Du bist dann schon lange hier auf dem Fussboden ausgeblutet. Wie du es verdienst. Wie ein Schwein. Ich stech’ dich ab, wenn du nicht sofort verschwindest“.

Auf Hüfthöhe hatte ich die Messerklinge bereits gegen seinen Bauch gedrückt. „Letzte Aufforderung. Du verschwindest. Oder ich mach’ dich weg. Hier. Vor allen Leuten“.

Ich zog Wilma an der Hand. „Wir müssen los“. Sie zitterte am ganzen Körper. Tränen liefen ihre Wangen herunter. Ich drehte mich noch mal kurz zu Teun um. „Rot op Paardelul“.

Mit einer Hand klappte ich die Messerklinge an meinem Oberschenkel ein. Mit der anderen hielt ich Wilma.