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„Wer bog die Banane krumm?“ – Mit dieser Frage spaziert der kleine Drache Woggelstein eines Tages mitten in das Wohnzimmer von Franz-Alfred. Ohne die Antwort kommt er nämlich nicht mehr auf die Dracheninsel zurück. Und weil Franz-Alfred bald die Kieselsteine ausgehen, die der Drache so gerne zum Frühstück verspeist, ist guter Rat teuer. Die beiden machen sich auf, die Bananenbieger zu finden ... Franz-Alfred lacht. „Schließlich sind doch alle Bananen krumm, da muss überhaupt nichts gebogen werden.“ Woggelstein starrt ihn an. Eigentlich, denkt er, sieht Franz-Alfred ganz harmlos aus, wenn auch ein bisschen groß. Aber auf der Schriftrolle steht doch, dass Spatzen und Löwen manchmal gefährlich sind. Franz-Alfred ist zwar ein Mensch, aber vielleicht hat die Gefährlichkeit ein bisschen auf ihn abgefärbt, so ein ganz kleines bisschen vielleicht. Vielleicht ist er gerade in einer gefährlichen Laune und man darf ihn nicht reizen. „Alle Bananen sind natürlich gerade“, säuselt Woggelstein deshalb sanft und lässt nur ein paar ganz winzige Flammen aus seinen Nüstern tanzen, so winzige, als wären sie überhaupt nicht da. Franz-Alfred runzelt die Stirn und starrt Woggelstein an. Eigentlich, denkt er, kommt mir dieser Drache gar nicht gefährlich vor, von den Flammenstößen mal abgesehen und von dem eigenartigen Schädel. Der runde Bauch wirkt sogar eher gemütlich. Aber wenn er einen schlimmen Dachschaden hat, dann sollte man ihn besser nicht reizen. Er sieht fast so aus, als könnte er Feuer speien – besonders wenn er gerade Feuer speit. „Alle Bananen sind natürlich krumm“, entgegnet er deshalb ganz ruhig und mit seiner sanftesten Stimme.
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Volker Friebel
Woggelstein
Wer bog die Banane krumm?
Edition Blaue Felder
Impressum
Edition Blaue Felder,Volker Friebel, Denzenbergstraße 29, 72074 Tübingen (Deutschland)
www.Volker-Friebel.de
Texte, Foto und Gestaltung: Volker FriebelVeröffentlichung: Oktober 2013, leicht überarbeitete Neuausgabe: November 2015
Alle Rechte vorbehalten
Inhalt
Woggelstein
Knast 7
Das Rätsel
Ein Zimmer wird eingerichtet
Im Zoo
Durch das Viertel
Woggelstein telefoniert
Würmelstein und der Ritter
Vom Land der Rechenmeister
Manuel Raffelzahn
Im Freier-Himmel-Laden
Auf der Mauer am Fluss
Schuhe
Mäuse und Mäuse
Telefon
Geschichte von den zwölf Küken
Im Garten
Die Busfahrt
Treffen vor Raffelzahns Villa
Streit in Raffelzahns Wohnzimmer
Bananen-Schach
Schacherstein
Heimweg am Fluss
Auf dem Rummel
Der Schmetterlingstraum
Beratung
Die Lösung
Zu Buch und Autor
Wer plötzlich auftaucht.
Franz-Alfred sitzt wie jeden Morgen in seinem Arbeitszimmer und schreibt an einem Buch. Da läutet es an seiner Tür.
Franz-Alfred setzt einen Punkt hinter den letzten Satz und liest den Satz noch einmal ganz genau durch. Er löscht den Punkt wieder und tippt dafür ein Ausrufezeichen. Dann erhebt er sich brummend und schlendert zur Wohnungstür.
Am Sprechapparat meldet sich niemand. Franz-Alfred öffnet die Tür – niemand zu sehen. ,Sicher wieder Schulkinder beim Klingelnputzen', denkt er, schüttelt den Kopf und schließt die Tür eben wieder.
Brummend geht er in die Küche und setzt Tee auf. Endlich Pause! Sein Brummen verändert sich, es steigt vergnügt die Tonleiter aufwärts. Die Amsel vor dem Küchenfenster singt noch viel heller. Franz-Alfred lauscht ihr, während das Wasser kocht. Mit einer heißen Tasse Tee macht er sich schließlich auf den Rückweg ins Arbeitszimmer. Jetzt summt er hell vor sich hin, denn er hat für sein Buch eine neue Idee.
Als er das Arbeitszimmer betritt, trifft Franz-Alfred nicht der Schlag. Er lässt noch nicht einmal die Tasse fallen. ,Wie ruhig ich doch bin', denkt er, ,fast so ruhig wie der Stuhl.' Er stellt die Tasse vorsichtig auf seinem Schreibtisch ab und setzt sich. Doch unter ihm der Stuhl bricht zusammen.
„Hallo, ich bin Woggelstein“, brummelt es durch die Staubwolke.
Warum Woggelstein ausgerechnet Franz-Alfred besucht.
Bei einer guten Tasse Tee lässt sich alles bereden. Franz-Alfred dachte schon oft, es gäbe nicht halb so viel Streit, wenn mehr Leute Tee tränken. Woggelstein allerdings will lieber Kakao. „Am besten den Guten von den Südhängen des Vulkans“, sagt er.
Franz-Alfred weiß allerdings von keinem Vulkan und keinen Südhängen. Sein Kakao kommt aus einer Packung auf dem obersten Brett seiner Vorratskammer. Franz-Alfred holt die Packung und setzt Milch auf den Herd. Das Teewasser kocht. Schon fängt Franz-Alfred wieder zu brummen an. Aus dem Arbeitszimmer brummt etwas mit. Und bald ist nach einem Tässchen Tee für Franz-Alfred und einer Kanne Kakao für Woggelstein alles wieder in schönster Ordnung. Nur der Computerstuhl bleibt kaputt. Dafür hat Franz-Alfred einen Stuhl aus dem Wohnzimmer geholt.
„So, so“, nickt er gemütlich und wiederholt noch einmal alles, was Woggelstein ihm gesagt hat. „Du bist also ein, hm, Drache, du kommst von der“, er kratzt sich hinter dem Ohr, „Dracheninsel, und du hast“, er verschluckt sich und muss husten, „in einem Spiel verloren ...“
„Nicht verloren, überhaupt nicht verloren, bloß eine Strafrunde aufgebrummt“, protestiert Woggelstein sofort.
„... eine Strafrunde aufgebrummt bekommen. Und die sitzt du nun ab. Weil du nämlich glaubst, unsere schöne Stadt sei das Gefängnis in einem Drachenspiel.“
„Nämlich Knast 7. Der Schiedsrichter hat mich hergeschickt“, sagt Woggelstein, „für eine Aufgabe.“
„Knast 7“, Franz-Alfred seufzt. „Manchmal kommt mir unsere schöne Stadt auch ein bisschen merkwürdig vor. Aber Knast 7 in einem Drachenspiel?“ Franz-Alfred seufzt noch einmal. „Wie auch immer. Wie kann ich dir helfen? Und wieso fragst du gerade mich?“
„Der Schiedsrichter setzt einen irgendwo ab, wo es etwas von der Dracheninsel gibt“, brummelt Woggelstein, leckt sich ein bisschen Kakao von den Lippen und lässt gemütlich seinen Drachenschwanz über den feinen Bezug von Franz-Alfreds Lesesofa raspeln. „Und was, das muss man selbst herausfinden.“
Franz-Alfred runzelt die Stirn. „Etwas von der Dracheninsel? Mir fällt nichts ein“, sagt er dann.
„Grünenstein“, gluckert der kleine Drache und schenkt sich aus der Kanne den letzten Kakaorest nach.
Franz-Alfred schließt kurz die Augen und lacht.
„Du schreibst Bücher. Andere Leute lesen sie dann“, fährt Woggelstein fort. „In einem Buch hast du von der Dracheninsel geschrieben und von Grünenstein. Und das ist ein Vetter von mir. Und deshalb musst du mir helfen.“
Franz-Alfred öffnet den Mund, aber Woggelstein setzt noch dazu:
„Das einzige, was mir der Schiedsrichter mitgegeben hat, ist eine Tarnkappe. Aber jetzt bist ja du da!“ Er blinzelt Richtung Kakaokanne.
„Na prima!“, sagt Franz-Alfred und erhebt sich, um Milch für die nächste Kanne Kakao aufzusetzen.
„Was ist das für ein Rätsel?“, fragt er beim Gang zur Küchentür.
Über Bananen und anderes vielleicht Gefährliche.
Frischer Kakao ist gemacht und Franz-Alfred hat sich wieder in seinen Stuhl gesetzt. „Also, das Rätsel?“, erinnert er und nimmt einen Schluck kalten Tee. Woggelstein zieht eine zerknitterte Schriftrolle aus seiner Tarnkappe. Er rollt sie auf, streicht sie glatt und fängt laut an zu lesen.
Knast 7. Denn in einem Labyrinth steht kein Klavier, sondern tobt ein gefährlicher Stier. Das Labyrinth war also eine Falle. Du hättest keine Notenblätter mit hineinnehmen sollen, schon weil du gar nicht Klavier spielen kannst, sondern die Lanze, die du aber schon als Zahnstocher benutzt und abgebrochen hast.
Bestimmungen: Du wirst in Knast 7 verbannt, eine Stadt mit vielen komischen Zweibeinern, genannt Menschen, außerdem mit Katzen, Spatzen, Löwentatzen und noch manchen anderen Leckereien, aber fast ganz ohne Drachen. Dort musst du ein Rätsel lösen. Die Hilfe eines Menschen oder eines Löwen darfst du suchen und annehmen – wenn dieser Mensch oder Löwe irgend etwas mit der Dracheninsel zu tun hat. Jeden Tag um 12 Uhr mittags darfst du unter einem Kirschbaum eine Lösung hinein in den Himmel brüllen. Wenn sie richtig ist, darfst du zurück auf die Dracheninsel und das Spiel geht weiter. Wenn sie falsch ist, musst du noch bleiben. Außerdem (hähähä) erhältst du für jeden Tag 24 Punkte Abzug.
Hilfsmittel: Eine Tarnkappe. Alles andere muss von der Hilfsperson entliehen werden.
Warnung: Die Eingeborenen können manchmal gefährlich werden, vor allem die Löwen und die Spatzen!
Und nun das Wichtigste, das Rätsel:
Fauch es, schrei es oder summ:
Wer bog die Banane krumm?
Woggelstein hat fertig gelesen. Er schaut zu Franz-Alfred, der die Augen geschlossen hat und entweder eingeschlafen ist oder immer noch zuhört. Woggelstein nutzt die gute Gelegenheit, den Rest des Kakaos in sich hinein zu schütten und gleich noch die Teetasse zu leeren. Er schüttelt sich. Franz-Alfred schüttelt sich auch und öffnet die Augen.
„Die Frage ist doch Unsinn“, behauptet er.
„Ja“, meint Woggelstein, „das ist klar. Es gibt so viele Bananen. Wenn ich sagen soll, wer eine davon krumm gebogen hat, dann muss ich doch wissen, welche Banane der Schiedsrichter meint.“
„Du hast schon Ideen“, Franz-Alfred lacht. „Schließlich sind doch alle Bananen krumm, da muss überhaupt nichts gebogen werden.