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Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Freundlich lächelnd reichte der junge Tierarzt der Besucherin die Hand. »Was führt Sie zu mir?« fragte er und sah interessiert auf den Hund, den die Dame auf dem Arm trug. Es handelte sich um ein sehr gepflegtes, nach teuren Badezusätzen duftendes Malteser-Hündchen. Langes, seidiges Haar in sehr hellem Beige bedeckte den kleinen Körper. Auf dem Kopf war dieses Haar mit einer rosaroten Schleife zurückgehalten, damit es nicht über die blanken dunklen Augen fiel. Hans-Joachim von Lehn unterdrückte ein Schmunzeln. Beim Anblick des neuen Patienten war ihm klargeworden, weshalb Waldi, der zu seinem Haushalt gehörende Kurzhaardackel, vor einigen Minuten so erbost gebellt hatte, als hätten sich heimlich gefährliche Einbrecher in die Praxis und das angeschlossene Tierheim geschlichen. Waldi war ein wachsames, aber sehr gutmütiges Tier. Was er nicht leiden konnte, waren überzüchtete Schoßhündchen, deren vermenschlichtes Wesen dem Naturburschen Waldi ein begreifliches Ärgernis war. Bereitwillig gestattete Waldi dem vierbeinigen Patienten seines Herrchens und dessen Begleitung den Zugang zum Haus. Nur wenn er ein so verwöhntes und offensichtlich hochmütiges Tier wie den kleinen Malteser-Hund erblickte, gab er seiner Empörung durch wütendes Bellen Ausdruck. Die Begleiterin des neuen Patienten war nicht weniger vornehm. Zu einem schwarzen Hosenanzug trug sie viel glitzernden Schmuck, dem auch ein Nichtfachmann sofort ansah, daß er echt war. Üppige silberblonde Locken umrahmten ein perfekt geschminktes Gesicht, das in seiner Vollkommenheit an eine Puppe erinnerte. Dieser Eindruck wurde allerdings vom Übergewicht der Besucherin wieder aufgehoben. Sie sah nicht schlecht aus, aber Hans-Joachims Geschmack entsprach sie nicht. »Ich bin Sara Meerkamp«, stellte sie sich selbst vor. »Die Meerkamp-Werke in Stuttgart, in denen Auto-Zubehör hergestellt wird, sind Ihnen vielleicht ein Begriff.
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Seitenzahl: 112
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Freundlich lächelnd reichte der junge Tierarzt der Besucherin die Hand. »Was führt Sie zu mir?« fragte er und sah interessiert auf den Hund, den die Dame auf dem Arm trug. Es handelte sich um ein sehr gepflegtes, nach teuren Badezusätzen duftendes Malteser-Hündchen. Langes, seidiges Haar in sehr hellem Beige bedeckte den kleinen Körper. Auf dem Kopf war dieses Haar mit einer rosaroten Schleife zurückgehalten, damit es nicht über die blanken dunklen Augen fiel.
Hans-Joachim von Lehn unterdrückte ein Schmunzeln. Beim Anblick des neuen Patienten war ihm klargeworden, weshalb Waldi, der zu seinem Haushalt gehörende Kurzhaardackel, vor einigen Minuten so erbost gebellt hatte, als hätten sich heimlich gefährliche Einbrecher in die Praxis und das angeschlossene Tierheim geschlichen.
Waldi war ein wachsames, aber sehr gutmütiges Tier. Was er nicht leiden konnte, waren überzüchtete Schoßhündchen, deren vermenschlichtes Wesen dem Naturburschen Waldi ein begreifliches Ärgernis war. Bereitwillig gestattete Waldi dem vierbeinigen Patienten seines Herrchens und dessen Begleitung den Zugang zum Haus. Nur wenn er ein so verwöhntes und offensichtlich hochmütiges Tier wie den kleinen Malteser-Hund erblickte, gab er seiner Empörung durch wütendes Bellen Ausdruck.
Die Begleiterin des neuen Patienten war nicht weniger vornehm. Zu einem schwarzen Hosenanzug trug sie viel glitzernden Schmuck, dem auch ein Nichtfachmann sofort ansah, daß er echt war. Üppige silberblonde Locken umrahmten ein perfekt geschminktes Gesicht, das in seiner Vollkommenheit an eine Puppe erinnerte. Dieser Eindruck wurde allerdings vom Übergewicht der Besucherin wieder aufgehoben. Sie sah nicht schlecht aus, aber Hans-Joachims Geschmack entsprach sie nicht.
»Ich bin Sara Meerkamp«, stellte sie sich selbst vor. »Die Meerkamp-Werke in Stuttgart, in denen Auto-Zubehör hergestellt wird, sind Ihnen vielleicht ein Begriff.
Sie gehören meinem Mann. Ein äußerst einträgliches Unternehmen.« Frau Meerkamp lächelte zufrieden.
Hans-Joachim von Lehn beeilte sich, pflichtschuldig zu nicken. Er kümmerte sich nicht um Industrie-Unternehmen, hatte er doch mit seinen vierbeinigen Patienten so viel zu tun, daß ihm nur wenig Freizeit blieb. »Und was führt Sie hierher?« wiederholte der junge Tierarzt seine Frage. Für ihn war die Zeit knapp.
Frau Meerkamp interessierte das nicht. Zeit hatte sie im Überfluß und Langeweile auch. Der Besuch bei diesem gutaussehenden jungen Tierarzt war für sie eine willkommene Abwechslung. »Sie wurden mir von einer Freundin empfohlen«, erklärte sie mit eindrucksvollem Augenaufschlag und strahlenden blaßblauen Augen, die durch geschickt aufgetragene Schatten optisch größer wirkten. »Sie haben ja keine Ahnung, bei wievielen Tierärzten in Stuttgart und der näheren Umgebung ich bereits war. Sie sind allesamt Pfuscher, die meinem armen Chou-Chou nicht helfen konnten.« Frau Meerkamp drückte das Hündchen zärtlich an sich, strich mit dicklichen, ringgeschmückten Fingern über sein sorgfältig gebürstetes Fell.
»Was fehlt Ihrem Hund?« erkundigte sich Hans-Joachim und betrachtete interessiert das Fellbündel.
Chou-Chou, der bisher eine vornehme Teilnahmslosigkeit gezeigt hatte, entblößte die kleinen Zähne und knurrte böse.
»Mein Kleiner hat Migräne«, klagte Frau Meerkamp und seufzte tief.
»Und wie äußert sich das?« Der Tierarzt machte sich Notizen auf der neu angelegten Karteikarte.
»Das arme Tier mag nichts essen, liegt nur kraftlos herum und hält die Augen geschlossen. Es hat bestimmt rasende Kopfschmerzen. Ich fühlte es förmlich, wenn ich seine Stirn berühre.« Frau Meerkamp wurde lebhaft. Ihre sorgfältig geschminkten Lippen zitterten.
Hans-Joachim überlegte, wie alt sie sein mochte. Vermutlich Mitte Dreißig, eine Frau, die keine Aufgabe hatte und deshalb ihrem Hund Leiden andichtete, die er gar nicht hatte. Doch das konnte von Lehn ihr nicht sagen, wenigstens nicht beim ersten Besuch. »Würden Sie Chou-Chou bitte auf den Untersuchungstisch setzen und festhalten.« Hans-Joachim deutete auf den höhenverstellbaren Tisch am Fenster, der einer Krankenliege ähnlich war.
»Normalerweise assistiert mir meine Frau, aber sie hilft heute in Sophienlust aus«, entschuldigte sich der blonde Mann im weißen Kittel.
»Ein Gasthaus?« erkundigte sich Frau Meerkamp neugierig. Sie hatte ihren Hund vorsichtig abgesetzt und streichelte ihn beruhigend.
Trotzdem knurrte Chou-Chou böse, als sich Hans-Joachim ihm nähern wollte. Die schwarzen Knopfaugen des Malteser-Hündchens funkelten drohend.
»Ein Kinderheim«, antwortete der Tierarzt höflich. Er hatte Erfahrung im Umgang mit hinterlistigen, verzogenen kleinen Hunden, die in den Augen ihrer Besitzer immer unschuldig und bemitleidenswert waren. Rascher, als der überraschte Chou-Chou damit gerechnet hatte, tasteten zwei geübte, feinfühlige Hände seinen Leib ab. Giftig wollte der kleine Kerl zuschnappen, doch da hatte von Lehn seine Finger bereits zurückgezogen.
Die kurze Untersuchung hatte ihm gezeigt, daß der kleine Hund viel zu fett war. Darin war die Ursache seines Appetitmangels zu sehen. Doch das würde die Besitzerin ganz bestimmt nicht glauben. Wenn ihr Hans-Joachim die Wahrheit sagte, würde sie ihn als Pfuscher einstufen und ihr Tier weiterhin mit Steaks und Süßigkeiten füttern. Wenn er dem überernährten Chou-Chou helfen wollte, mußte er es anders anstellen.
»Ihre Frau arbeitet in einem Kinderheim?« fragte Sara Meerkamp ungläubig. Sie war sicher, daß es sich nur um eine Entfremdung handeln konnte, wenn eine Ehefrau ihren attraktiven Mann allein ließ, um tagsüber einer Beschäftigung nachzugehen. Saras Aufmerksamkeit galt jetzt nicht mehr ausschließlich dem böse kläffenden Chou-Chou, sondern mehr dem hübschen jungen Tierarzt. Groß und schlank war er, hatte ein schmales, sehr interessantes Gesicht mit schönen blauen Augen.
»Die Stiefmama meiner Frau hat dieses Heim gegründet und verwaltet es. Sie macht mit ihrem Mann, dem Vater meiner Frau, für eine Woche Urlaub in der Schweiz. Während dieser Zeit kümmert sich Andrea ein wenig um die Kinder von Sophienlust. Sie wissen ja, das Personal ist knapp. Sophienlust hat zwar eine sehr tüchtige Heimleiterin und sehr zuverlässige Mitarbeiterinnen, aber die Zahl der Kinder wächst ständig und damit auch das Arbeitsaufkommen.« Mit einem raschen Griff faßte der Tierarzt nach Chou-Chous aufgerissenem Mäulchen und sah dem kleinen Hund in den Rachen. Wie erwartet, war alles in Ordnung. Die spitzen Zähnchen waren vollständig, Zunge und Schleimhäute waren ohne Belag. Dem verblüfften Chou-Chou, der Hans-Joachim liebend gern in die Hand gebissen hätte, fehlte gar nichts. Es hatte aber keinen Sinn, diese Erkenntnis an Frau Meerkamp weiterzugeben, weil sie die Krankheit ihres Hundes irgendwie brauchte. Sie füllte ihr langweiliges Dasein aus, ergab Gesprächsstoff für die Zusammenkünfte ebenso unbeschäftigter Damen.
»Chou-Chou leidet an einer Insuffizienz der Hormondrüsen«, faßte Dr. von Lehn zusammen. Seine Diagnose war richtig, denn der kleine Rüde zeigte auffallend weibliche Merkmale, die mit seiner falschen Haltung zusammenhingen.
»Ich wußte es ja!« Sara Meerkamp atmete auf. Endlich bestätigte ein Arzt, daß es ihrem Liebling nicht gutging. »Müssen Sie Chou-Chou operieren?«
»Nein, das ist nicht nötig.« Hans-Joachim mußte laut sprechen, um das geifernde Bellen seines empörten Patienten zu übertönen. So bequem und satt Chou-Chou auch war, er schien doch zu spüren, daß da jemand war, der seine Gewohnheiten stören würde.
»Dann werden Sie meinem armen Liebling starke Medikamente verschreiben«, vermutete Frau Meerkamp und sah Hans-Joachim erwartungsvoll an.
»Auch nicht.« Dr. von Lehn notierte das Ergebnis seiner Untersuchung auf der Karteikarte. Auch das übernahm sonst Andrea, seine Frau. Sie fehlte ihm.
»Aber Spritzen braucht Chou-Chou. Ich werde täglich in ihre Praxis kommen, Doktor. Sie dürfen mir glauben, für meinen kleinen Goldschatz tu ich alles.«
Von Lehn nickte, denn Sara Meerkamp hatte ihn längst überzeugt. Er wußte, daß es enttäuschend für sie sein würde, aber er mußte auch die Spritzen ablehnen. »Chou-Chou braucht eine ausgewogene Diät und viel Bewegung, möglichst an der frischen Luft.« Der Tierarzt schrieb Vorschläge für eine artgerechte Ernährung und die für so kleine Hunde nötigen Mengen auf einen Zettel.
Frau Meerkamp vergaß für einen Moment ihre vornehme Gelassenheit und öffnete erschrocken und wenig damenhaft weit den Mund. Chou-Chou, mit seinem Frauchen eng verbunden, unterbrach sein Kläffen, klemmte den Schwanz zwischen die Hinterbeine und jaulte wehleidig.
»Da! Da hören Sie es. Mein Liebling hat Schmerzen!« Der Gedanke schien in Sara Meerkamp ähnliche Empfindungen auszulösen, denn sie schnappte nach Luft, als stehe sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch.
Im nächsten Moment zeigte es sich, daß Chou-Chou recht gut zu schauspielern verstand. Kaum näherte sich Hans-Joachim, um nach der Ursache seines Jammerns zu forschen, schoß er vor, erwischte den Daumen des Tierarztes und biß rachsüchtig zu.
Es tat weh, aber Hans-Joachim verzog keine Miene. Ruhig zog er das Gebiß des Hundes auseinander und befreite sich.
»Ich muß sagen, Sie sind der erste Arzt, den Chou-Chou mag«, freute sich Sara Meerkamp.
Au weia, wie muß es den anderen ergangen sein, überlegte Hans-Joachim und betrachtete ärgerlich seinen Daumen. »Wenn Sie sich bei Chou-Chous Fütterung streng an die vorgeschlagene Diät halten und mit ihrem Hund täglich mindestens zwei Stunden spazierengehen, ist er schnell wieder fit.« Damit verabschiedete Dr. von Lehn die Besucherin und atmete befreit auf, als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte.
Draußen bellte Waldi wie wild. Hans-Joachim konnte seine Abneigung gut verstehen.
*
Einige Stunden später fiel Andrea ihrem Mann stürmisch um den Hals. Sie küßte ihn, als hätten sie sich nicht nur einen Tag, sondern wochenlang nicht mehr gesehen. Peterle, der zweijährige Sohn des Ehepaares, stand daneben und krähte begeistert. Er hatte das lebhafte Temperament seiner Mutti geerbt und die sympathische Freundlichkeit seines Vaters. So ausgestattet, wurde der Knirps mit den blonden Locken und den ausdrucksvollen dunklen Augen überall zum bewunderten Mittelpunkt. Natürlich war er das auch bei den Eltern.
Hans-Joachim bückte sich, hob das Kind auf seinen Arm. »Ich hab’ dich vermißt, mein Kleiner.« Hans-Joachim strich über die blonden Löckchen seines Sohnes.
Dabei entdeckte Andrea das Pflaster an seinem Daumen. »Hast du dich verletzt?« wollte sie wissen.
»Ein kleiner Giftzwerg hat mich gebissen. Er gehört einer Stuttgarter Millionärsgattin.« Hans-Joachim lachte über sein Mißgeschick.
»Warum hast du sie denn nicht an einen Stuttgarter Kollegen verwiesen?« Andrea betrachtete mitleidig den verletzten Daumen ihres Mannes.
»Die hat sie doch schon alle konsultiert, und wenn sie ihr gesagt haben, daß sich ihr Hund nur überfressen hat, ging sie beleidigt zum nächsten Arzt.«
»Und was hast du ihr gesagt?« Andrea blinzelte vergnügt. Sie wußte, daß ihr Mann einem Tierhalter schonungslos die Meinung sagte, wenn es nötig war.
»Ich habe dem armen Hund eine Diät verordnet. Damit sie aber auch eingehalten wird, mußte ich ihm auch eine Krankheit verpassen.«
»Ich an seiner Stelle hätte dich auch gebissen.« Andrea kicherte wie ein Kobold. Ihre auffallend schönen blauen Augen blitzten Hans-Joachim herausfordernd an.
Er hatte mehr mit Andreas Mitgefühl gerechnet, ging deshalb nicht darauf ein.
Es war gut, daß Peterle in diesem Moment ungeduldig von Hans-Joachims Arm rutschte und ihn lautstark aufforderte: »Tomm, pielen!«
Hans-Joachim sah sich rasch noch nach den Unterlagen auf seinem Schreibtisch um, bevor er sich wegziehen ließ. »Nun warst du mit Mutti den ganzen Tag über in Sophienlust. Hast du dort nicht genug gespielt?« Dr. von Lehn war stolz auf seinen Sohn, obwohl er manchmal recht anstrengend sein konnte.
»Kim und Heidi können eben nicht den Vati ersetzen«, erläuterte Andrea. Sie sah es gern, wenn sich ihr Mann mit dem Kind beschäftigte, denn das ungezwungene Spiel förderte nicht nur den familiären Zusammenhalt, sondern war auch für den vielbeschäftigten Vater ein wichtiger Ausgleich.
»Zug pielen«, verlangte Peterle, sobald sie drüben in der Privatwohnung waren.
Das Zugspiel war im Moment Peterles liebste Freizeitgestaltung. Sein Vater mußte dabei auf allen vieren durch die Wohnung kriechen, mußte »sch-sch-sch« machen, tuten und pfeifen und das alles mit Peterle auf dem Rücken. Wenn sich dann noch Andrea als zweiter Wagen anhängte, war der Spaß vollkommen.
Heute hatte sie allerdings keine Zeit. Sie bereitete das Abendbrot zu, während Hans-Joachim mit seinem Passagier unermüdlich um Sessel und Tische kroch und Peterle vor Vergnügen jauchzte.
Als Andrea im Eßzimmer den Tisch deckte, erbat sich Hans-Joachim, reichlich außer Atem, eine Pause.
»Noch«, forderte Peterle.
»Der Vati kann nicht mehr«, japste Hans-Joachim, hielt an und ließ den Rücken durchhängen.
»Endstation, alles aussteigen«, keuchte er erschöpft.
»Noch!!« Peterle zappelte, um den »Zug« wieder in Gang zu setzen.
Er wurde enttäuscht, Hans-Joachim richtete sich vorsichtig auf, sein Passagier rutschte ab. Er nahm es gelassen, ließ sich ohne Widerstand füttern und ins Bettchen bringen.
»Wie lief es denn heute drüben in Sophienlust?« erkundigte sich Hans-Joachim bei seiner Frau, als sie allein waren.
Andrea räumte gerade das Geschirr zusammen und stellte es draußen in der Küche in die Spülmaschine. Hans-Joachim übernahm es, die übriggebliebenen Speisen zu versorgen und die Arbeitstische abzuwischen. Wenn das Hausmädchen Marianne nicht da war, unterstützte er seine Frau mit großer Selbstverständlichkeit.
»Ich habe beim Bügeln der Wäsche geholfen. Du stellst dir gar nicht vor, was da jeden Tag anfällt.« Andrea schüttelte den Kopf mit den schulterlangen dunkelbraunen Haaren.
»Wann bekommt ihr denn Unterstützung? Frau Rennert bemüht sich doch seit Wochen um eine zusätzliche Kraft.«
»Morgen. Natürlich haben alle mit einer jungen Frau gerechnet. Aber nun hat sich heute ein Mann vorgestellt.«
»Ein Mann?« Hans-Joachim zog die Stirn in Falten. »Hoffentlich hat ihm Frau Rennert gleich gesagt, daß dies nicht die richtige Beschäftigung für ihn ist.«
Andrea wandte sich um, sah ihren Partner vergnügt lachend an. »Du kannst dich auch nicht an die Gleichberechtigung gewöhnen«, scherzte sie. »Frauen fahren Laster, arbeiten als Dachdecker oder Maurer, und Männer hüten Kinder. Was ist dabei?«
Hans-Joachim schnaubte unwillig. Normalerweise gab er Andrea immer recht, denn er liebte sie viel zu sehr, um einen Streit zu riskieren. In diesem Punkt konnte er ihr allerdings nicht zustimmen.
»Der Mann hat in diesem Beruf doch überhaupt keine Zukunft.«
»Das erwartet er auch gar nicht. Es handelt sich um einen künftigen Rechtsanwalt, der nicht zur Bundeswehr will und statt dessen Zivildienst leistet. Er hat vor einigen Wochen sein Examen gemacht, und wenn seine Ersatzdienstzeit um ist, gründet er mit einem Freund zusammen ein Anwaltsbüro.«