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Frühjahr 2022: Russland greift in einem großangelegten Angriff die Ukraine an und marschiert dort ein. Als Folge dessen verhängt die EU massive Sanktionen gegen Russland, welches wiederum mit einer Verknappung der Gaslieferungen in die EU reagiert. Gleichzeitig beschließt die OPEC ebenfalls eine Kürzung der Ölfördermengen, was insgesamt zu einem massiven Anstieg der Öl- und Gaspreise führt. Oliver, ein nach Frankreich ausgewanderter Wirtschaftsprofessor ist erzürnt ob des Handelns der OPEC und reicht daraufhin vor Gericht eine Klage gegen das kartellähnliche Handeln der OPEC ein. Es kommt schließlich zu einem viel beachteten Gerichtsprozess, der die OPEC in ihrer jetzigen Form wirklich in die Knie zwingen könnte...
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Seitenzahl: 78
Udo Fehring
Alleine gegen das Kartell
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Alleine gegen das Kartell
Impressum neobooks
24. Februar 2022
Oliver Weimbach saß gerade mit seiner Ehefrau Hannah beim Frühstück, als die Nachricht im Radio kam, dass Russland in der vergangenen Nacht die Ukraine angegriffen hatte und somit den Krieg gegen ebendiese begonnen hatte.
Oliver drehte die Lautstärke des Radios ein wenig lauter, da er von dieser Meldung erschrocken war und sie zunächst nicht glauben konnte.
Laut dem Nachrichtensprecher waren zuerst die Infrastruktur der ukrainischen Luftwaffenstützpunkte angegriffen worden, um damit deren Luftwaffe funktionsunfähig zu machen.
Daneben seien russische Bodentruppen mit Panzern und schwerem Gerät vom Norden und von der Krim aus in die Ukraine einmarschiert.
Präsident Putin erklärte auf einer Pressekonferenz in Moskau, dass er mit dieser Spezialoperation, wie er das Ganze nannte, u.a. die Menschen in den besetzten Gebieten im Osten der Ukraine zu schützen, die seit Jahren Misshandlung und Genozid ausgesetzt seien.
Weiter wolle er nach eigenen Angaben die Ukraine von den regierenden Nazis befreien.
Oliver und Hannah schüttelten den Kopf, als sie diese Nachrichten hörten. Hannah hielt sich vor Betroffenheit die Hände vor den Mund und war zunächst zu keiner Reaktion fähig.
Als sich Oliver einigermaßen gefangen hatte, sprach er aus, was auch Hannah dachte: „Damit hätte ich nie im Leben gerechnet. Ich hätte mein gesamtes Hab und Gut darauf gewettet, dass es zu keinem Krieg zwischen Russland und der Ukraine kommt.“
Hannah, die sich ihrerseits nun auch wieder etwas gefangen hatte, ergänzte nur lapidar: „Ich auch.“
Oliver und Hannah waren vor zwei Jahren aus Deutschland nach Frankreich, konkret nach Paris ausgewandert. Oliver hatte dort eine Professur an der wirtschaftsnahen Universität HEC angenommen. Beide betrachteten den Schritt ins Ausland als Abenteuer, aber bisher wurden sie von ihrem Umfeld eigentlich nur positiv überrascht. Ihre Nachbarn waren sehr liebenswert, wie auch die gesamte Stadt, zumindest empfanden es Oliver und Hannah so.
Sie lebten in einer Neubauwohnung, nahe der Universität, die im Westen von Paris im neumodernen Hochhausviertel La Defense lag.
Hannah hatte einen Job als Versicherungskauffrau bei einer der vielen großen Versicherungsunternehmen gefunden, die ebenfalls in La Defense ansässig waren. Sowohl Hannah als auch Oliver beherrschten die französische Sprache gut. Ohne diesen Umstand hätten sie den Schritt von Berlin nach Paris wohl nicht gewagt.
Beide mochten die französische Mentalität. Sie hatten früher schon des Öfteren zusammen Urlaub in Frankreich gemacht und irgendwann bei diesen unzähligen Aufenthalten im Nachbarland reifte der Entschluss von der Auswanderung dorthin.
Schon zu der Zeit empfanden sie ihr damaliges Leben in Berlin als zunehmend hektisch und auch, wenn selbst Paris seine hektischen Seiten hatte, so war dort trotzdem das berühmte „Savoir-vivre“ zu spüren, jene Gelassenheit gegenüber den Herausforderungen des Alltags.
Kinder hatten sie keine. Sie hatten es früher oft genug probiert, welche zu bekommen und hätten auch sehr gerne Kinder gehabt, aber es hatte nicht sollen sein. Klar hätten sie es auch noch mit medizinischer Unterstützung versuchen können, aber irgendwann akzeptierten sie es einfach für sich.
Oliver schaute auf die große Uhr an der Wand neben dem Frühstückstisch; nun wurde es Zeit, sich auf den Weg zu machen. Für die Strecke zur Uni nahm Oliver seinen kleinen Motorroller, mit dem er relativ flexibel im morgendlichen Berufsverkehr von La Defense war und so manchen Stau umfahren konnte.
Hannah dagegen konnte ihre Arbeitsstelle fußläufig erreichen, sie war nur ein paar Blocks von ihrer Wohnung entfernt. Ein Auto besaßen die Beiden nicht. In einer Metropole wie Paris war das Metronetz so gut ausgebaut, dass man eigentlich jeden Punkt im Stadtgebiet gut damit erreichen konnte. Und wenn sie am Wochenende mal einen Ausflug ins Umland planten, so nahmen sie sich einfach einen Mietwagen.
Oliver kam zehn Minuten, nachdem er zuhause losgefahren war, an der Uni an. Nachdem er seinen Motorroller abgestellt hatte und an den vielen Gruppen von Studenten und Kollegen vorbei zum Vorlesungssaal schlenderte, registrierte er, dass es auch hier nur ein Gesprächsthema gab, der Überfall von Russland auf die Ukraine. Im Allgemeinen waren der durchschnittliche Student bzw. die Studentin sehr interessiert am Weltgeschehen, zumal dieses, wie Oliver es sie lehrte, einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die gesamte Wirtschaft hatte.
Und so eröffnete Oliver seine erste Vorlesung an diesem Morgen auch mit diesem Thema und fragte in die Runde, was seine Studenten dazu aus den Nachrichten gehört hatten. Es war im Großen und Ganzen das, was Oliver auch mitbekommen hatte. Ein Student, Claude war sein Name, berichtete, dass er von der Reaktion Wolodymyr Selenskyjs, des ukrainischen Präsidenten, gehört hatte. Er bezichtigte Russland angesichts des Angriffs auf sein Land eines terroristischen Akts und rief gleichzeitig seine Armee sowie auch die gesamte Bevölkerung dazu auf, sich mit all ihren Kräften diesen sogenannten „Barbaren“ entgegenzusetzen.
Selenskyj war vielen Studenten vorher nur als Komiker bekannt gewesen. Sie sollten in den kommenden Monaten aber noch eine komplett andere Seite an ihm kennenlernen, die ihnen den größten Respekt abverlangte.
Oliver fragte in die Runde, welche Auswirkungen dieser, so wie es sich darstellte, Krieg zwischen Russland und der Ukraine haben könnte, auch wenn das in diesem Anfangsstadium des Angriffs noch schwer abzuschätzen war. Oliver war überrascht, wie gut seine Studenten von den wirtschaftlichen Abhängigkeiten Frankreichs mit beiden Ländern Bescheid wussten: Da war zum einen Russland, welches der größte Gaslieferant Frankreichs war, aber auch einen Großteil des importieren Erdöls lieferte. Auf der anderen Seite war da die Ukraine, die sich als „Kornkammer Europas“ einen Namen gemacht hatte. Ob und in welchem Maße diese Erzeugnisse teurer werden würden durch diesen Konflikt, stand zwar noch in den Sternen, aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit war schon real.
In allen anderen Vorlesungen an diesem Tag thematisierte Oliver ebenfalls diese Problematik und die Mitarbeit seiner Studenten spiegelte ihr großes Interesse an dieser Thematik und auch ihre Sorgen und Befürchtungen dabei wider.
Es war vor diesem Hintergrund ein intensiver Tag, sowohl für Oliver als auch für seine Studenten und so verging die Zeit auch schnell. Für gewöhnlich hatte Oliver so gegen 15:00 Uhr Feierabend.
Generell fühlte sich Oliver an der Uni schon wie ein alter Hase, obwohl Hannah und er erst zwei Jahre in Paris lebten. Vor ihrem Umzug von Berlin nach Paris machte Oliver beruflich etwas komplett anderes. In Berlin arbeitete er seinerzeit im Wirtschaftsministerium der Bundesregierung als Referatsleiter. Das war insgesamt ein ebenso spannender wie gut dotierter Job, aber im Endeffekt war die Sehnsucht nach etwas Neuem doch stärker und so kündigte er diesen Job, was sein damaliger Chef sehr bedauerte.
Nachdem Oliver an diesem Tag nach Hause kam, kaufte er erstmal im nahen Lebensmittelladen ein und bereite danach das Abendessen für Hannah und sich vor. Es sollte Quiche Lorraine geben, die beide sehr liebten. Hannah kam in der Regel gegen 18:00 Uhr von der Arbeit, wobei dann meist das Essen schon auf dem Tisch stand.
Nach dem Essen bereitete sich Oliver noch ein wenig auf die Vorlesungen des kommenden Tages vor und machte noch etwas Bürokram: U.a. führte er akribisch ein Haushaltsbuch, in dem er jegliche Ausgaben des Tages wie auch Banküberweisungen und -abbuchungen eintrug. Diesmal hatte er nicht viel zu übertragen, nur die Tankrechnung für seinen Motorroller und der Einkauf der Lebensmittel.
In den nächsten Tagen und Wochen verfolgten Oliver und Hannah die Ereignisse in der Ukraine mit großem Interesse. Anfangs hatten alle Angst vor einem Blitzkrieg, also, dass Russland mit seinem Einmarsch die Ukraine einfach überrollen würde, doch wahrscheinlich benötigte die ukrainische Armee nur ein wenig Zeit, sich aufzustellen und zu strukturieren.
Schnell reagierte auch die EU auf den russischen Angriffskrieg und verhängte erste Sanktionen. So wurde in einem ersten Schritt die Ausfuhr gewisser Güter nach Russland verboten. Stellvertretend sollten hier Spitzentechnologieprodukte und Güter sowie Technologien für die Luft- und Raumfahrt genannt werden. Ebenso wurden Geschäfte mit russischen Banken unter Strafe gestellt.
Russland seinerseits verknappte die Gaslieferungen nach Europa, wodurch die Preise für Gas und Erdöl sofort stark anstiegen.
Auch Oliver merkte den Preisanstieg an der Tankstelle, obwohl sein Verbrauch natürlich deutlich geringer war wie bei einem entsprechenden PKW.
Die OPEC, die Gemeinschaft der erdölproduzierenden Länder, verknappte ihrerseits die Erdölförderungen, was zu einem weiteren Anstieg der Benzinpreise führte. Oliver mit seiner wirtschaftlichen Expertise interessierte persönlich die Preisgestaltung der Erdölindustrie sehr. Und daher war ihm auch diese OPEC ein "Dorn im Auge", gerade vor dem Hintergrund, da sie wie ein Kartell operierten und Kartelle in der EU verboten waren.
Einige Wochen verstrichen. In Oliver reifte dabei langsam aber sicher der Gedanke, etwas gegen dieses System der hohen Ölpreise zu unternehmen. In seiner Zeit in Berlin hatte er schon einmal beim dortigen Landgericht eine Klage gegen die OPEC angestrengt, doch durch seinen exponierten Job im Wirtschaftsministerium riet man ihm, diese Klage fallen zu lassen, weil dies zu diplomatischen Konflikten auf höchster Ebene hätte führen können. So ließ er die Klage dann fallen, was ihm schwerfiel, doch sein Job, zumal er auch seinerzeit kurz vor der Verbeamtung stand, war ihm dann doch wichtiger.
Doch in seinem jetzigen Job sprach eigentlich nichts dagegen, eine solche Klage nochmals anzustrengen. Da er die Abläufe von früher kannte, entschied er sich, die Klage nun noch einmal bei dem gleichen Gericht einzureichen wie seine damalige, dem Berliner Landgericht.