Das Glück liegt auf der Strasse - Udo Fehring - E-Book

Das Glück liegt auf der Strasse E-Book

Udo Fehring

3,9

Beschreibung

Horacio Jiminez, ein junger Strassenkehrer aus El Salvador, verliert seinen Job und wagt daraufhin den großen Schritt einer Auswanderung nach New York. Er findet dort problemlos Arbeit und Freunde. Es läuft alles wie erhofft, bis Horacio eines Tages eine niederschmetternde Nachricht seiner Mutter ereilt.

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Für meinen geliebten Papa Ewald, der viel zu früh von uns gegangen ist!

Horacio Jiminez war 20 Jahre alt und lebte als Single in einem kleinen 1-Zimmer-Appartment in San Salvador, der Hauptstadt von El Salvador. Er hatte buschiges, langes Haar, welches hinten von einem Haargummi gezähmt wurde.

Er arbeitete als Strassenkehrer und liebte seinen Job. Es war für ihn immer eine Genugtuung, nach getaner Arbeit als Ergebnis einen sauberen Gehsteig oder eine saubere Strasse zu sehen, auch wenn er wusste, dass dieser Zustand nicht lange anhalten würde und morgen der gleiche Gehsteig und die gleiche Strasse wieder mit jeder Menge Unrat verdreckt sein würde.

Das Problem für Horacio war allerdings, dass die Stadtverwaltung von San Salvador kürzlich entschieden hatte, fünfzehn Prozent der Jobs im öffentlichen Dienst zu streichen und seiner war leider auch darunter, was man ihm merkwürdigerweise nicht persönlich, sondern per Post mitgeteilt hatte. Sein Pech war dabei, dass die Mitarbeiter mit Familie und mit einer längeren Berufszeit einen gewissen Kündigungsschutz hatten. Und da er erst seit vier Jahren diesen Job ausübte, traf die Kündigung ihn als einen der Ersten.

Horacio sah keine wirkliche Perspektive mehr in El Salvador. Was ihn aus El Salvador ebenso wegzog, war die nach wie vor hohe Kriminalitätsrate in seinem Lande. Die Waffengesetze waren sehr locker, viele Privatpersonen besaßen Waffen und die Hemmschwelle, diese zu nutzen, war bei Vielen sehr niedrig.

Doch was war die Alternative?

Viele seiner ehemaligen Schulfreunde waren mittlerweile in die USA ausgewandert. Und auch, wenn manche, die den amerikanischen Traum „vom Tellerwäscher zum Millionär“ geträumt hatten und ernüchtert

zurückgekehrt waren, hatten doch auch viele ihr „kleines Glück“ dort gefunden.

Hauptsächliches Ziel seiner ausgewanderten Freunde und Bekannten waren die großen Städte an der Ostküste der USA: New York, Washington und Philadelphia.

Er hatte gehört, dass man auch als Ungelernter in den USA derzeit gute Chancen hatte, einen Job zu finden, da die Wirtschaft dort gerade boomte.

Er überlegte deshalb nicht lange und beantragte ein Visum und eine Green Card für die USA. Er wusste, dass er seine Heimat, Freunde und Familie vermissen würde, aber er wusste auch, dass er ein offener und kontaktfreudiger Mensch war und sicherlich auch in den USA Freunde finden würde. Und er war noch jung und ungebunden. Wenn also, wenn nicht jetzt!

Den meisten Zuspruch zu dieser Idee bekam er von seiner Mutter, von der er eigentlich Gegenteiliges erwartet hatte: „Wenn Du denkst, dass das der richtige Weg ist, dann probier es. Zurückkommen kannst Du dann immer noch.“

„Ja, Du hast recht, Mama! Meine Heimat ist wie das Netz im Zirkus. Ich weiß, dass ich hierhin immer wieder zurückkommen kann. Und das gibt mir die nötige Sicherheit, es zu wagen und alles dafür zu tun, dass mein Traum vom Glück wahr wird.“

Keine drei Wochen später bekam er eine positive Antwort aus den USA. Er erhielt eine zunächst auf 3 Jahre befristete Arbeitserlaubnis.

Er dachte, dass die Jobchancen desto grösser waren, je größer die Stadt war. Deshalb suchte er sich mit New York die größte Stadt an der Ostküste aus.

Gleich setzte er sich hin und schrieb eine Bewerbung an die Stadtverwaltung von New York mit einem entsprechenden Lebenslauf. Das Problem war nur, dass er nur die spanische Sprache beherrschte, aber er einige Freunde, die auch des Englischen mächtig waren. So kontaktierte er Roberto, einen langjährigen Freund.

Er schickte ihm Bewerbung und Lebenslauf per Mail und keine 24 Stunden später hatte er die Übersetzung in seinem Mail-Eingangsordner. Ja, das war Roberto, er war immer zur Stelle, wenn Horacio Hilfe brauchte. Aber auch andersherum war es so. Horacios Verständnis von Freundschaft basierte auf Gegenseitigkeit.

So druckte Horacio die Bewerbung aus und unterschrieb sie. Am nächsten Morgen führte dann sein erster Weg zur Post, um alles auf den Weg zu bringen.

Keine zwei Wochen später kam die Antwort. Horacio riss den Umschlag auf, weil er so gespannt war. Leider war auch die Antwort auf Englisch. So kontaktierte er wieder Roberto, der Horacio den Brief am Abend übersetzt vorlas.

„Sehr geehrter Herr Jiminez, es ist uns eine Freude, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir ihre Bewerbung akzeptieren. Sie können zum nächsten Monat bei uns in der Stadtreinigung anfangen. Wir möchten Sie bitten, zu diesem Zwecke den beiliegenden Fragebogen auszufüllen und umgehend an uns zurückzusenden. Danach erhalten Sie dann genauere Informationen, wo sie sich an ihrem ersten Arbeitstag zu melden haben.

Mit herzlichen Grüßen,

Charles M. Walter, Personalleiter der Stadt New York“

Spontan lud er alle Freunde fürs nächste Wochenende zu einer großen Party ein. Er konnte es noch gar nicht begreifen: In einem Monat wird er alles zurücklassen: seine Familie, seine Freunde und sein vertrautes Umfeld.

Er fand ein schönes kleines Apartment in Queens, dem östlichsten Stadtteil von New York. Die Wohnungspreise und auch alles andere war dort um einiges günstiger als in Manhattan, wo die Quadratmeterpreise für Mietwohnungen inzwischen schwindelerregende Höhen erreicht hatten. Das Gute an Queens war, dass es etwas gemächlicher zuging als in Manhattan. In Manhattan hetzten die Leute regelrecht durch die Strassen.

Aber auch in Queens war das Leben sehr viel hektischer als in seiner Heimat El Salvador. In seiner Heimat gab es für die Personen, die im Freien arbeiteten traditionell im Sommer eine dreistündige Siesta, wo sämtliches Leben zur Ruhe kam. So etwas war in New York undenkbar. Ja, selbst nachts kam diese Stadt nicht zur Ruhe.

Er stellte sich aber vor, dass in den kleineren Häuserblocks in Queens das Leben nicht ganz so anonym ablief und man sich in der Nachbarschaft grüßte.

Darüber hinaus hatte Queens eine tolle, sehr frequentierte Bahnverbindung nach Manhattan Central und es war kein Problem für ihn, innerhalb von 30 Minuten seine

Arbeitsstelle zu erreichen, welche in der Upper East Side von Manhattan lag. Sein

Bereich wurde begrenzt von der Second Avenue im Osten und der Fifth Avenue im Westen bzw. der 70. Strasse im Süden und der 100. Strasse im Norden. Die Strassenkehrer arbeiteten sich schlangenlinienfömig durch die Blocks vor. Arbeitsbeginn war morgens um 6:30 Uhr und Arbeitsende gegen 16:00 Uhr. Er arbeitete 5 Tage die Woche, leider aber auch jedes dritte Wochenende am Samstag und am Sonntag. Das war aber auch das einzig Negative, was er in den ersten Wochen ausmachen konnte. Alles andere passte: seine Kollegen, die Stadt, die Menschen, die ihn zumeist freundlich behandelten.

Horacio bezog sein neues Heim Anfang September.

Hilfe beim Einrichten bekam er von einem alten Schulfreund, der nun ebenfalls in New York und dort in der Bronx wohnte.

Die Wohnung war klein und schien seit Jahren nicht mehr renoviert worden zu sein.

Horatio fehlte das Geld, ein paar größere Renovierungsmaßnahmen vorzunehmen.

Deshalb beschränkte er sich zunächst darauf, die Wohnung zu streichen.

Bei der Farbwahl entschied er sich für einen eher unauffälligen Gelbton.

Es dauerte ein komplettes Wochenende, die Wohnung zu streichen.

Dass es so lange dauerte, lag daran, dass die Wände viele Winkel und Kanten hatten, für die man jeweils einen kleinen Pinsel nehmen musste und nicht die Rolle, mit der er die flachen Wände strich.

Er hatte Glück, dass er die Einbauküche von seinen Vormietern übernehmen konnte. Der Lack der grünlichen Schränke hatte zwar auch schon gelitten, aber mit ein wenig Farbe versuchte er auch hier, die Küchenzeile ein wenig "aufzumotzen".

Ja, nach getaner Arbeit kam er zu dem Ergebnis: Was ein wenig Farbe doch für Wunder wirken kann!

Sein Arbeitsbeginn bei der Stadtreinigung fiel in den frühen Herbst oder in New York auch Indian Summer genannt. Im Gegensatz zu seiner Heimat El Salvador nahm man hier die Jahreszeiten richtig wahr. In seiner Heimat gab es keine so großen Unterschiede zwischen den einzelnen Jahreszeiten. Dagegen hatte er von Vielen gehört, dass es in New York ziemliche Wetterextreme geben konnte. Winter mit viel Schnee und Eis und brütend heiße Sommer waren keine Seltenheit.

Den Indian Summer fand Horacio umwerfend. Jedes Wochenende versuchteer, sich in die Natur zu begeben. Manchmal reichte es nur bis in den Central Park, aber er machte auch schöne Ausflüge in die bewaldeten Naherholungsgebiete nördlich von New York. Sein Favorit war Bear Mountain, mit vielen kleinen Seen inmitten eines großen Waldgebiets gelegen. Er liebte es, durch das hohe Laub zu spazieren, welches in den unterschiedlichsten Gelb-, Rot- und Braun-Tönen daherkam.

Da Horacio ein gläubiger Katholik war, besuchte er auch sonntags die Messe der örtlichen katholischen Gemeinde. Auch wenn er zunächst nicht viel von dem verstand, was der Priester sagte, so gefiel ihm von Anfang an die Stimmung bei diesen von Gospelgesängen begleiteten Messen. Die Leute in der Kirche kamen Horacio so froh und voller Zuversicht vor.

Was seine Arbeit und den Arbeitsbereich anbelangte, so war Horacio überrascht, wie sauber sein Bezirk war. In seiner Heimat El Salvador lag auf den Gehwegen und Strassen deutlich mehr Müll rum als hier.

Als Arbeitsgerät nutzte er einen Laubbläser. Auch das war ein Unterschied zu El Salvador, wo es keine elektrischen oder benzinbetriebenen Hilfsmittel gab. Das Komische in New York war nur, dass der Laubbläser seinem Namen zumindest in seinem Arbeitsbereich nicht gerecht wurde, denn außer im Central Park gab es in Manhattan nur wenig Bäume und dementsprechend auch wenig Laub. Trotzdem war der Laubbläser eine große Hilfe, weil die Arbeit dadurch deutlich schneller und bequemer vonstattenging.

Englisch lernte er zweimal wöchentlich auf der Abendschule. Auch wenn seine Arbeitskolonne multikulturell besetzt war, neben ihm gab es da noch Roberto, einen Mexikaner, Ricardo, ein Brasilianer und Rick, der aus Nigeria stammte, so war die gemeinsame Sprache natürlich englisch.