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Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu machen ...
Genau diese Erfahrung müssen Peter Greiner und Eva Haselbauer eines schicksalhaften Tages machen. Die beiden Nachbarskinder verbindet schon lange eine stille, beständige Liebe, von der niemand im Dorf etwas ahnt. Eva und Peter wollten ihre Liebe noch geheim halten, vor allem, weil ihre Eltern ganz andere Zukunftspläne mit ihnen haben.
Aber dann bricht ein Unwetter über ihr Heimatdorf Hainhofen herein, und es beginnt tagelang zu regnen. Die Wassermassen, die den abgelegenen Ort auf einmal überschwemmen, fördern in jeder Beziehung so allerhand Erstaunliches zutage ...
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Seitenzahl: 101
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Heimliche Küsse in Hainhofen
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9160-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Heimliche Küsse in Hainhofen
Erst ein schicksalhaftes Ereignis brachte alles ans Licht
Von Lothar Eschbach
Leben ist das, was passiert, während du dabei bist, andere Pläne zu machen …
Genau diese Erfahrung müssen Peter Greiner und Eva Haselbauer eines schicksalhaften Tages machen. Die beiden Nachbarskinder verbindet schon lange eine stille, beständige Liebe, von der niemand im Dorf etwas ahnt. Eva und Peter wollten ihre Liebe noch geheim halten, vor allem, weil ihre Eltern ganz andere Zukunftspläne mit ihnen haben.
Aber dann bricht ein Unwetter über ihr Heimatdorf Hainhofen herein, und es beginnt tagelang zu regnen. Die Wassermassen, die den abgelegenen Ort auf einmal überschwemmen, fördern in jeder Beziehung so allerhand Erstaunliches zutage …
In Hainhofen, dem kleinen, beschaulichen Ort im Berchtesgadener Land, herrschte eitel Wonne und Sonnenschein. Die Bauern hatten eine so reiche Ernte eingebracht, wie sie höchstens alle zwanzig Jahre einmal vorkommt. Ausnahmslos alle waren zufrieden, was sie natürlich nur hinter vorgehaltener Hand zugaben.
Ansonsten klagten sie wie üblich, besonders dann, wenn es Leute waren, die in irgendeiner Form mit der Obrigkeit in Verbindung gebracht wurden.
Da ging sofort wieder das große Jammern los. Der Weizen hatte durch Hagelschauer gelitten, die es überhaupt nicht gegeben hatte, die Ähren wiesen zu wenig Körner auf. Alles wurde negativ bewertet, auch wenn die Ernte noch so positiv ausgefallen war.
Man wollte schließlich nicht das Finanzamt auf dumme Gedanken bringen.
Aber ein paar alte Leute gab es in Hainhofen, die das gute Abschneiden bei der Ernte immer noch infrage stellten.
„Wartet nur ab“, unkte zum Beispiel der alte Loderer und wackelte bedenklich mit dem Kopf. „Es kommt schon noch dick auf uns nieder. Lest ihr denn keine Wetterberichte?“
Und die Geißharter-Gertel fügte mit unheilvoller Miene hinzu: „Seit zwei, drei Tagen melden sie im Fernsehen, dass von Westen über den Atlantik ein Unwetter heranzieht, von dessen Ausmaßen wir uns noch gar keine Vorstellung machen können. Hagel, Regen und Stürme, die alles Schöne zunichtemachen werden.“
Ein paar Bauern horchten auf und setzten sich am Abend vor den Fernseher, um den Wetterbericht anzusehen.
Da wurde tatsächlich von einem Unwetter geredet, das auch über Deutschland niedergehen sollte. Aber nichts Bestimmtes wurde gesagt, und die scheinbar schlechten Voraussagen gerieten wieder in Vergessenheit.
„Unser Haus liegt ein bisserl höher als die anderen“, tröstete sich der Raupacher-Ludwig. „Wir sind geschützt. Schon durch die hohen Bäume, die unser Grundstück umgeben. “
Pfarrer Florian redete ähnlich daher, obwohl seine Haushälterin, die Lena, gehörige Bedenken hatte.
„Das Pfarrhaus ist überhaupt net gefährdet“, erklärte er wegwerfend. „Und die Kirche steht auch ein bisserl höher über dem übrigen Dorfniveau. Bei uns kann gar nix passieren.“
Es sah überhaupt nicht danach aus, dass das Unwetter dem Dorf Hainhofen Schaden bringen konnte. Ein paar Übervorsichtige, die sich auch das übliche Gefrotzel anhören mussten, verrammelten Ställe und Scheunen, als ob sie Kriegshorden erwarteten. Auf einigen Höfen wurden auch Vorräte gehamstert, damit man ja nicht verhungerte, wenn das Unglück über das Dorf hereinbrach.
Die Häuser auf der rechten Straßenseite, die tatsächlich etwas tiefer lagen als die Anwesen auf der anderen Seite der Kirche, wurden teilweise befestigt. Als aber die anderen Bauern nur über solche Vorsichtsmaßnahmen lachten, nahm man wieder davon Abstand.
Wenn man sich den Himmel über dem ganzen Chiemgau betrachtete, konnte man nichts Böses ahnen.
„Alles Schmarren“, meinte der Unterberger-Kurt und ließ, wie zum Trotz gegen all die Voraussagen, Sperrplatten anfahren, die er für den Innenausbau seines Hauses verwenden wollte. Die Platten lagerte er im Freien, nur durch ein Dach geschützt.
Beim Haselbauern stand das Anwesen zwar auf der geschützteren Kirchenseite, aber der Bauer befestigte seinen Hof so, als ob er eine Invasion erwartete. Er versuchte seinen Nachbarn, den Greiner-Bauern, zu ebensolchen Maßnahmen zu überreden. Die zwei Familien mochten sich nicht so besonders, und der Greiner wehrte den gutgemeinten Rat seines Nachbarn auch entsprechend großkotzig ab.
„Bei uns ist noch nie was passiert. Warum ausgerechnet heuer, wo wir die Scheunen so voll haben wie selten zuvor?“
Am Mittwoch zeigten sich die ersten Schleierwolken, und der Wind blies auch kräftig aus westlicher Richtung. Wieder erhoben sich warnende Stimmen, aber sie bewirkten nichts bei den sturen Bauern.
Am Donnerstag, an dem die Mannsbilder zum Firnthaler in die Gastwirtschaft „Zum goldenen Ochsen“ gingen, waren sie noch so übermütig wie kleine Buben. Und am Freitag in der Früh, als es in der Nacht zu regnen angefangen hatte, wollten sie immer noch net wahrhaben, dass ein Unwetter über das Dorf kommen konnte.
Am Freitag in den Nachmittagsstunden fing es stärker an zu regnen. Stetig regnete es und verhältnismäßig gleichförmig, sodass die nicht so vorsichtigen Bauern wieder Oberhand bekamen.
Aber dann kamen ein paar Gewitter auf. Es goss wie aus Kübeln, und mancher Bauer, der keinerlei Vorsorge getroffen hatte, musste sich von seinen Angehörigen allerhand anhören.
Am nächsten Morgen, so um halb acht, schrillten die Sirenen, die sonst nur bei Feueralarm in Tätigkeit traten. Aber an diesem Samstag ahnte jeder, dass im Dorf etwas passiert sein musste.
Die freiwillige Feuerwehr rückte ins Unterdorf aus und fing mit dem Auspumpen mehrerer Keller an. Dann kamen die Feuerwehren der Umgebung hinzu. Die aus Siegsdorf und Unterhainhofen, wo das Unwetter kaum Schaden angerichtet hatte.
Im Laufe des Nachmittags kamen noch andere Wehren hinzu, weil die bereits eingesetzten Wehren der Wasserflut nicht mehr Herr wurden.
Das Wasser der über die Ufer getretenen Ache, des Flüsschens, das durch den Ort floss, lief bereits die Dorfstraße herunter, ließ aber, wie vom Raupacher vorausgesagt, die Häuser auf der anderen Seite der Kirche völlig unangetastet, während die Menschen auf der linken Seite mit der Arbeit nicht mehr nachkamen.
„Jetzt läuft das Wasser schon über den Friedhof!“, schimpfte die Lena. „Wie lange willst du dir das denn noch ansehen?“
„In die Kirche ist noch kein Tröpferl gelaufen. Wirst sehen, Lena, genauso schnell wie’s angefangen hat, wird’s auch aufhören.“
Die Lena kam in Rage. „Und wenn net? Was machst dann, du guter Hirte deiner Gemeinde?“
„Ich kann’s auch net mit meinen Händen aufhalten. Der liebe Gott hat’s geschickt. Er wird es auch wieder aufhören lassen. Warum soll es ausgerechnet uns Hainhofener treffen?“
„Vielleicht sind wir sündiger als die anderen Gemeinden. Das solltest du als Beichtvater doch am besten wissen!“
Im Pfarrhaus wurde es plötzlich taghell. Ganz in der Nähe musste ein Blitz eingeschlagen haben. Ein furchtbarer Donnerschlag kam im nächsten Augenblick hinterher.
Nun wurde es dem Pfarrer Florian doch ein bisserl mulmig. Er öffnete ein Fenster, um einen besseren Blick nach draußen werfen zu können.
Der Sturm schlug ihm den Fensterflügel fast aus der Hand. Nur mit Hilfe der Lena gelang es ihm, das Fenster wieder zu schließen, wobei ein Schwall Wasser hereinkam.
„Na, du Neunmalkluger“, schimpfte die Lena. „Ist das immer nur noch ein bisserl Regen?“ Sie ließ den Pfarrer stehen und rannte in den ersten Stock, um die Fensterläden vorzulegen.
„Wie mag’s beim Poldl aussehen?“, fragte sie, als sie wieder nach unten kam.
„Dem passiert nix. Sein Häusl liegt ja auf einer kleinen Erhebung.“
Da hatte der Hochwürden mal ausnahmsweise recht. Aber sein bester Freund Poldl wachte früh auf, als der Regen gar so sehr gegen seine Fensterläden polterte.
Er sah auf die Uhr. Es war gerade sechs, und draußen war tiefdunkle Nacht.
Poldl Moosinger schwang die Beine aus dem Bett und murmelte: „Ich muss mich um die Berta kümmern. Die kann bestimmt net mehr aus ihrem Häusl. Der ganze Garten wird unter Wasser stehen.“
In zehn Minuten war er fertig. Er zog sich seine wasserdichten Gummistiefel an, darüber einen Regenmantel und einen ebenso wasserdichten Hut.
Der Sturm riss ihn fast um, als er vor die Haustür trat. Er warf einen Blick rüber zum Haus des Dorfarztes Riedmann. Aber bei dem schien alles in Ordnung zu sein.
Poldl watete fast knietief durchs Wasser auf der Dorfstraße und musste sich immer wieder auf den mitgenommenen Knotenstock stützen, sonst hätten ihn die Fluten umgerissen.
Es war, wie er es sich gedacht hatte: Das Gartl von der Berta bestand aus einer einzigen Wasserfläche. Ungefähr zehn Zentimeter über der Türschwelle des Hauses machte es Halt.
Der Mann donnerte gegen die Haustür, aber nichts rührte sich.
Er ging zur Rückseite. Dort konnte er durch die Hintertür, die ein Stückerl höher lag als die vordere, ins Haus eindringen.
Die Witwe Berta Klinkhammer saß schlotternd beim Licht einer brennenden Kerze in der Küche und wartete wohl auf ein Wunder, das in Form vom Poldl hereinkam.
Erstaunlich schnell sprang sie auf und fiel ihm um den Hals.
„Du hast mich nicht vergessen. Du bist der Zuverlässigste in der Gemeinde. Aber wie komme ich jetzt aus dem Haus? Das ganze Gartl ist überschwemmt !“
„Hast du Gummistiefel?“, fragte der Poldl die Jammernde und versuchte sich aus ihrem Klammergriff freizumachen. Für die Berta war das Erscheinen vom Poldl das Beste, was ihr passieren konnte. Denn der Poldl gefiel ihr schon lange gut. Sie nahm sich vor, ihn nicht so schnell freizugeben.
In das Haus der Witwe Klinkhammer war noch kaum Wasser eingedrungen. Nur im Flur, in den das Wasser durch die Haustür eindringen konnte, stand es vielleicht fünf Zentimeter hoch.
„Gummistiefel?“, fragte die Berta. „Hab ich schon. Aber die sind viel zu kurz. Da läuft mir das Wasser oben rein.“
„Ich komm’ gleich wieder“, beruhigte Poldl die Aufgeregte. „Ich versuche, einen Kahn aufzutreiben. Und ein paar Sandsäcke, mit denen wir dein Haus dichtmachen können.“
„Drüben, in der guten Stube, ist noch alles trocken. Ich habe die leichteren Möbel auf Holzklötze gestellt.“
„Sehr gut, Berta“, lobte er. „In zehn Minuten bin ich zurück.“
Poldl verließ das Haus und watete durchs Wasser zurück bis zum Doktor Riedmann. Der hatte einen Kahn in der Garage stehen, womit er die Klinkhammerin aus ihrem Haus holen wollte.
Er klingelte, und der Johannes Riedmann öffnete ihm selbst.
„Brauchst du was, Poldl?“, fragte er gleich, weil er ahnte, dass der Poldl bestimmt jetzt keinen Besuch bei ihm machen wollte.
„Deinen Kahn aus der Garage, Johannes. Ich muss die Berta aus ihrem Häusl rausholen. Der ganze Garten steht schon unter Wasser. Und Sandsäcke brauche ich auch noch.“
Johannes begleitete ihn in die Garage.
„Die Sandsäcke kannst du gleich bei mir mitnehmen. Ich habe mich gehörig eingedeckt, aber bisher noch keinen gebraucht.“
Sie hoben den Kahn von dem Gestell, das an der Stirnseite angebracht war, luden das nicht sehr vertrauenerweckend aussehende Boot mit Sandsäcken voll und schoben es ins Freie, wo es gleich zu schwimmen anfing, als es das Wasser erreichte.
„Wird’s gehen, Poldl? Oder soll ich mitkommen? Schaffst du es, die Berta gegen die Strömung hochzuziehen?“
„Leicht, Johannes. Bleib du nur hier. Es kann jeden Augenblick was passieren, wo du gebraucht wirst.“
Johannes nickte. Der Arzt war froh, dass er nicht in die Nässe hinaus musste, und warf einen Blick zum Himmel. Im Westen stand eine dunkle Wand, die sich wahrscheinlich auch noch über Hainhofen ausregnen würde.
Der Kahn war erstaunlicherweise wasserdicht. Es war leicht für den Poldl, ihn mit der Strömung hinter sich herzuziehen.
Bei der Berta musste er wieder einen Gefühlsschwall über sich ergehen lassen, als er den Kahn an der Hintertür anband und die Sandsäcke auslud.
Er schleppte sie in den Flur und dichtete die Haustür ab, durch deren Ritzen das Wasser einsickerte. Danach dichtete er auch noch die Fenster von innen ab.
Die Berta hatte ein Köfferchen und einen Rucksack gepackt, die der Poldl als erstes in den Kahn brachte.
Dann hob er die nicht gerade leichte Berta in den Kahn, die sofort ihren Regenschirm aufspannte, den sie nicht vergessen hatte.
Poldl verschloss die Hintertür und zog den Kahn auf die Straße hinaus.
Es sah merkwürdig aus, wie er den Kahn hinter sich herzog und die Berta auf dem schmalen Bankerl darin mit dem Regenschirm thronte.
Es dauerte gut eine Viertelstunde, bis der Poldl vor dem Doktorhaus den ersten trockenen Boden erreichte.
Er band den Kahn an einem Haken fest und half der Berta beim Aussteigen.
Er lud ihr den Rucksack auf und nahm ihren Koffer.