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"Warum bist du nur ein solcher Feigling?", fragt Gerlinde ihren Verlobten. "Warum sagst du mir nicht, dass du die Haslacher-Roswitha attraktiver findest als mich?"
"Ach, das ist doch Schmarrn", erwidert Benno Sattler und lacht unsicher. "Ich bin halt mal mit einem Stadtmadel tanzen gegangen, das ist alles."
"Und sonst war nix?" Gerlinde schaut den Burschen forschend an.
"Ich schwör’s dir ..."
"Tu’s net, Benno", fällt ihm das Madel da ins Wort. "Hab wenigstens den Mut, zu deinem Abenteuer zu stehen. Vielleicht ist’s ja auch mehr als das. Aber das ist allein deine Sach." Gerlinde zieht ihren Verlobungsring vom Finger. "Bittschön, Benno. Vielleicht hast du ja noch Verwendung dafür. Ich brauch ihn jedenfalls net mehr." Mit diesen Worten dreht sie sich um und lässt den Benno einfach stehen ...
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Seitenzahl: 105
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Es war nicht nur ein Seitensprung
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Bastei Verlag/von Sarosdy
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-4742-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Es war nicht nur ein Seitensprung
Gerlindes Rivalin war ein Madel aus der Stadt
Von Lothar Eschbach
„Warum bist du nur ein solcher Feigling?“, fragt Gerlinde ihren Verlobten. „Warum sagst du mir nicht, dass du die Haslacher-Roswitha attraktiver findest als mich?“
„Ach, das ist doch Schmarrn“, erwidert Benno Sattler und lacht unsicher. „Ich bin halt mal mit einem Stadtmadel tanzen gegangen, das ist alles.“
„Und sonst war nix?“ Gerlinde schaut den Burschen forschend an.
„Ich schwör’s dir …“
„Tu’s net, Benno“, fällt ihm das Madel da ins Wort. „Hab wenigstens den Mut, zu deinem Abenteuer zu stehen. Vielleicht ist’s ja auch mehr als das. Aber das ist allein deine Sach.“ Gerlinde zieht ihren Verlobungsring vom Finger. „Bittschön, Benno. Vielleicht hast du ja noch Verwendung dafür. Ich brauch ihn jedenfalls net mehr.“ Mit diesen Worten dreht sie sich um und lässt den Benno einfach stehen …
Das Hochamt hatte heute besonders lange gedauert. An den hohen Festtagen der Kirche, es war Pfingsten, fand Hochwürden Kallmünzer nie ein Ende. Man merkte deutlich, wie die Griesbacher aufatmeten, als sie nach dem Segen, ein bisserl drängelnd und schiebend, das Gotteshaus verließen.
Außerdem gab es auf dem Kirchplatz unter den drei Linden viel zu bereden und zu beklatschen. Hauptthema waren die Bergmeister-Gerlinde und ihr Verlobter Benno Sattler.
„Da kriselt’s“, meinte die Strohberg-Vroni und warf einen vielsagenden Blick auf die Gerlinde, die mit ihrer Mutter aus der Kirche trat.
„Ein bisserl toll treibt er’s schon, der Benno“, erwiderte ihre Freundin, die als Posthalterin besonders gut über die Vorkommnisse in der Gemeinde informiert war.
Die Josefa Lang war eine „Einschichtige“, die den Anschluss an die Mannsbilder verpasst hatte und sich fast täglich dafür rächte, indem sie kein gutes Haar an der Männerwelt ließ.
„Für mich gibt’s da gar keinen Zweifel“, meinte sie nun, wobei sie sich nach allen Seiten umsah. „Der Benno hat was mit der aus der Stadt, dem ausgeschamten Weibsbild. Hast du schon gesehen, wie die daherkommt? Die Kleider können net ausgeschnitten genug sein. Und angemalt ist sie auch noch! Ich möcht bloß wissen, warum die ausgerechnet bei uns in Griesbach ihren Urlaub verbringt.“
„Wegen ihrer Mutter“, antwortete Vroni. „Das ist eine kranke Frau. Sie kann einem schon leidtun, wenn man sie am Arm ihrer Tochter so langsam daherkommen sieht.“
„Und abends hängt sich ihre Tochter an Bennos Hals. Ich versteh net, dass die Gerlinde sich das gefallen lässt. Schließlich ist sie doch mit dem Burschen verlobt.“
„Sei still, Josefa, ich möcht net, dass wir in die Geschicht mit reingezogen werden.“
Vroni grüßte freundlich, als Gerlinde mit ihrer Mutter an ihnen vorbeiging. Und die Posthalterin grüßte auch. Schließlich waren die Bergmeisters in der Gemeinde sehr geachtet, seit Griesbach zu einem nicht unbedeutenden Kurort geworden war.
Ihnen gehörte die größte und schönste Hotel-Pension im Ort, die „Alpenrose“, und der Bergmeister-Erwin, Gerlindes Vater, war außerdem noch Vorstand des Verkehrsvereins und Gemeinderat.
Gerlinde warf einen kurzen Blick auf die ortsbekannten „Ratschweiber“.
„Jetzt haben sie wieder über mich und den Benno getratscht“, sagte sie leise zu ihrer Mutter.
„Guck nicht hin“, erwiderte ihre Mutter, machte ihrerseits aber ein freundliches Gesicht, so, als ob Vroni und Josefa zu ihren festen Freundinnen gehörten.
Gerlinde löste sich vom Arm ihrer Mutter. „Ich komme nach. Ich möcht noch etwas in Ordnung bringen.“ Und ehe ihre Mutter einen Einwand erheben konnte, lief sie auf die andere Straßenseite.
Sie hatte gerade den Benno gesehen, der sich im Wirtshaus „Zum Lamm“ mit seinen Spezis zum Frühschoppen treffen wollte.
Er war ein gut aussehender junger Mann, schlank, rank und hochgewachsen, wie man so sagt. Und vom Aussehen her waren die zwei, die Gerlinde und der Benno, ein ideales Paar. Gerlinde war zweifellos das hübscheste Mädchen im Dorf. Sie hatte eine gute Figur, wunderschöne blonde Haare und strahlend blaue Augen.
„Grüß dich, Benno“, sagte sie freundlich. „Hast du einen Augenblick Zeit? Oder hast du andere Verpflichtungen?“
Benno, der eigentlich überhaupt kein ängstlicher Typ war, schrak sichtlich zusammen. Sein Lächeln wirkte verkrampft und aufgesetzt, sein Tonfall unecht.
„Für dich hab ich doch immer Zeit“, erwiderte er, konnte aber nicht verhindern, dass ihm die Ausrede nur stockend über die Lippen kam.
„Gehen wir ein Stückerl den Grundbach entlang“, schlug Gerlinde vor.
„Aber viel Zeit hab ich net. Meine Spezis warten mit dem Schafkopf auf mich.“
„Von mir aus wirst von jetzt an viel Zeit zum Schafkopfen haben“, erwiderte Gerlinde kühl.
„Wie meinst du denn das?“
„Das sag ich dir jetzt. Ich möcht bloß ein bisserl von der Straße weg.“
Benno biss sich auf die Lippen. Das schlechte Gewissen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Aber er wagte keinen Einwand, weil er wusste, dass Gerlinde ihre Wünsche auch durchzusetzen verstand.
Als sie den Grundbach erreichten, blieb das Madel stehen.
„Warum bist du ein solcher Feigling?“, fragte es seinen Verlobten. „Warum sagst du mir nicht, dass du die Haslacher-Roswitha attraktiver findest als mich?“
„Das ist ein Schmarren“, erwiderte Benno und lachte gekünstelt. „Ich bin halt mal mit ihr beim Tanzen gewesen.“
„Und sonst war nix?“, fragte Gerlinde ruhig.
„Wie kommst du denn jetzt darauf?“, fragte er zurück und schien seine Selbstsicherheit zurückzugewinnen. „Natürlich war nix. Sie ist halt eine gute Tänzerin. Was hat sie denn von dem Urlaub? Den ganzen Tag muss sie sich um ihre Mutter kümmern und …“
„… und in der Nacht auch?“, unterbrach Gerlinde ihn. „Ich hab gar net gewusst, dass du so ein hilfsbereiter Mensch bist, Benno? Dann stimmt’s also gar net, dass du neulich im Hotel Steigenberger in Reichenhall mit ihr übernachtet hast?“
Benno wurde blass. Seine Augen begannen unruhig zu flackern.
„Das ist eine Lüge. Wer so etwas behauptet, der ist ein verdammter Lump!“
Gerlinde griff ruhig in ihre Handtasche und brachte einen Zettel zum Vorschein.
Sie las vor: „Doppelzimmer mit Bad und Frühstück, zwei Flaschen Champagner aufs Zimmer. Und das alles für einen gewissen Herrn Benno Sattler mit seiner Begleiterin.“
„Woher hast du das?“
„Benno, das spielt doch jetzt wirklich keine Rolle. Ich weiß es halt. Und ich weiß auch, dass die bewusste Begleiterin das Fräulein Roswitha Haslacher gewesen ist. Willst du mir jetzt noch weismachen, dass ihr Sechsundsechzig miteinander gespielt habt?“
„Ich schwör dir …“
„Tu’s net, Benno“, fiel Gerlinde ihm ruhig ins Wort. „Heute ist Pfingsten, und du kommst grad aus der Kirche. Hab wenigstens den Mut, zu deinem Abenteuer zu stehen. Vielleicht ist es auch mehr als nur ein Abenteuer. Aber das ist ganz allein deine Sach.“
Sie steckte den Zettel in ihre Handtasche zurück und holte dafür ihren Verlobungsring hervor.
„Ich bin für klare Verhältnisse. Bittschön, Benno, vielleicht hast du noch Verwendung dafür. Ich brauch ihn net mehr.“
„Aber das kannst du doch net machen, Gerlinde. Wir sind verlobt, wir wollten im Herbst heiraten!“ Der Bursch war völlig durcheinander.
„Vielleicht klappt’s ja bei dir noch im Herbst. Aber net mit mir, Benno. Ich bin für klare Verhältnisse“, wiederholte sie, „und wenn du fremdgehen magst, dann musst du das tun. Aber die Konsequenzen musst du halt auch tragen.“
„Heißt das, dass du die Verlobung auflösen möchtest?“
Gerlinde nickte. „Ich hab sie bereits aufgelöst. Du hast den Ring zurück und ich meine Freiheit.“
„Aber das hat’s bei uns im Dorf noch nie gegeben, dass ein Madel eine Verlobung aufgelöst hat.“
„Kann sein, dann bin ich eben die Erste. Eine muss ja mal den Anfang machen.“
„Aber das geht doch net! Was werden die Leut sagen? Und meine und deine Eltern!“ Benno war entsetzt und hielt alles nur für einen schlechten Scherz. Deshalb lachte er auch. „Geh zu, Gerlinde, du hast mir einen richtigen Schrecken eingejagt.“
„Du mir auch, als ich erfahren hab, dass du mit der Roswitha in Reichenhall übernachtet hast. Oder willst immer noch schwören, dass in dieser fraglichen Nacht nix gewesen ist zwischen dir und diesem Madel?“
„Ich … ich weiß selbst net, wie mir das passieren konnte. Die Roswitha hat mir völlig den Kopf verdreht.“
„So was gibt’s“, meinte Gerlinde kühl. „Aber dann muss man als Mannsbild auch dazu stehen. Und mir musst du gestatten, dass ich in dieser Beziehung eben ein bisserl altmodisch bin. Ich mag’s net, wenn sich mein Verlobter mit anderen vergnügt und mir dann wieder ein Busserl geben will. Das schmeckt mir nämlich dann nimmer. Und deshalb ist es für uns beide besser, wenn wir uns trennen.“
„Das gibt einen Aufstand in meiner Familie“, erwiderte Benno seufzend.
„Ist das deine einzige Sorge? Ein bisserl wenig, Benno. Da kann deine Liebe net groß gewesen sein. Gehalten hätt sie eh net, wenn du schon vor der Ehe woanders rumschlecken musst.“ Sie hielt ihm ihre Hand entgegen. „Aber deswegen keine Feindschaft. Ich wünsch dir viel Glück mit deiner Roswitha.“
„Aber …“
Doch Gerlinde hatte sich umgedreht und ging ins Dorf zurück. Er rannte ein paar Schritte hinter ihr her, blieb dann aber stehen und gab es auf.
„Verdammt, oh, verdammt!“, fluchte Benno vor sich hin. „Und jetzt auch noch zum Schafkopfen!“
Es war, als ob die Gerlinde seine Gedanken erraten hätte. Sie drehte sich noch einmal um.
„Ich wünsch dir einen guten Herz-Solo, Benno. Auf die Herzen verstehst du dich ja, da wird’s mit den Karten auch klappen.“
Er starrte ihr stumm hinterher. Mein Gott, die Gerlinde war schon eine! Da hatte er wohl eine große Dummheit gemacht. Aber konnte er ahnen, dass das kleine „Seitensprüngerl“ eine solche Wirkung haben würde?
***
Die Wirkung war noch viel größer. Es dauerte keinen Tag, bis die Neuigkeit die Runde durchs Dorf gemacht hatte. Gerlinde sorgte selbst dafür, dass die richtigen Leute davon erfuhren.
Natürlich gab es eine Auseinandersetzung mit ihren Eltern. Aber die hielt sich in Grenzen.
Bei Benno daheim war es schon bedeutend schlimmer. Der Sattler-Ludwig tobte und schrie. Seine Frau jammerte über die Schande, die Benno wegen der „Städtischen“ über die Familie gebracht hatte. Nur Bennos älterer Bruder Robert hielt sich mit seinem Urteil zurück.
„War’s wenigstens schön?“, fragte er, als die beiden nach dem Hauptkrach allein im Stall waren. Und dann setzte er noch etwas hinzu, das wiederum Bennos Selbstwertgefühl steigerte: „Gefallen tät sie mir schon auch, die Roswitha. Bloß bei uns auf dem Hof könnt ich sie mir net vorstellen.“
„Ich hab ja auch net gesagt, dass ich sie heiraten möcht“, gab Benno zurück. „Ich weiß selbst net, wie alles gekommen ist.“
„Aber verliebt bist du schon?“, wollte sein Bruder wissen.
Benno zuckte mit den Schultern. „Darüber hab ich noch net nachgedacht.“
„Brauchst auch net.“ Bertl grinste. „Beim Verliebtsein denkt man net. Das ist eine Sache des Gefühls.“
Benno sah seinen Bruder erstaunt an. Robert war ein ganz Ruhiger, der seiner Arbeit auf dem Hof nachging, aber sonst eher ein bisserl eigenbrötlerisch war.
„Was weißt denn du vom Verlieben?“, fragte Benno erstaunt. „Hast etwa auch eine, von der du uns noch nix erzählt hast?“
„Warum net? Man braucht ja net alles auszuposaunen. Nur zur Gerlinde muss ich dir sagen, dass du da net fair gewesen bist. Die Gerlinde ist ein Madel, das man net so blamiert, wie du das getan hast.“
„Mein Gott, das sagt sich so leicht. Aber wenn dir die Gerlinde so leidtut, kannst du sie ja heiraten.“
Robert war überrascht. „Wär dir das egal?“
„Mich juckt’s net“, erwiderte Benno tonlos. „Ich bleib ja eh net auf dem Hof wohnen.“
Das war überhaupt so eine Geschichte mit dem Benno. Dass der Robert mal den Hof übernehmen sollte, hatte schon frühzeitig festgestanden. Benno hatte eine kaufmännische Lehre hinter sich und war jetzt Betriebsleiter bei einer landwirtschaftlichen Genossenschaft.
Er war recht tüchtig in seinem Beruf, auch wenn er es mit der Arbeitszeit nicht immer so genau nahm. Aber die Bilanzen stimmten, und das war für die Bauern des Landkreises die Hauptsache.
An diesem Abend machte sich Benno auf den Weg, um sich mit der Roswitha zu treffen.
Das Madel wartete schon auf ihn. Es saß auf der Bank und winkte ihm zu, als es ihn den Weg heraufkommen sah.
Benno atmete auf. Bestimmt hatte Roswitha erfahren, dass die Gerlinde die Verlobung mit ihm gelöst hatte. Und wer weiß, vielleicht war ihr das gar nicht recht?
Sechs Wochen lebte die Roswitha jetzt schon mit ihrer Mutter im „Lamm“. Und eigentlich wusste er wenig von ihr, das musste er sich schon eingestehen.
Roswitha schien sehr unabhängig zu sein, zumindest finanziell. Noch nie hatte sie davon erzählt, dass ihr Urlaub zu Ende gehen würde.