Bergkristall - Folge 296 - Lothar Eschbach - E-Book

Bergkristall - Folge 296 E-Book

Lothar Eschbach

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Beschreibung

Als der junge Tierarzt Dr. Martin Engelmann das Erbe seines Onkels antritt, warten so einige Überraschungen auf ihn. Denn es gehört längst nicht nur eine gut gehende Praxis im beschaulichen Hirschberg dazu, nein, Martin ist jetzt ein gemachter Mann, der eigentlich ausgesorgt hätte. Sogar ein ganzer Wald fällt ihm zu - mit entsprechendem Jagdrecht. Doch genau darauf haben es drei reiche Hirschberger Bauern abgesehen, und ihnen ist jedes Mittel recht, um diese Jagd zu bekommen.
So wird Martin plötzlich gleich von mehreren heiratsfähigen hübschen Madeln umworben, natürlich allesamt Töchter der Jagdaspiranten. Wie soll er da noch eine vernünftige Entscheidung treffen? Doch sein Herz weiß ganz genau, wo es nach Hilfe suchen muss ...

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EPUB

Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Töchterhandel

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Bastei Verlag/Wolf

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5491-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Töchterhandel

Warum drei Bauern zu Kupplern wurden

Von Lothar Eschbach

Als der junge Tierarzt Dr. Martin Engelmann das Erbe seines Onkels antritt, warten so einige Überraschungen auf ihn. Denn es gehört längst nicht nur eine gut gehende Praxis im beschaulichen Hirschberg dazu, nein, Martin ist jetzt ein gemachter Mann, der eigentlich ausgesorgt hätte. Sogar ein ganzer Wald fällt ihm zu – mit entsprechendem Jagdrecht. Doch genau darauf haben es drei reiche Hirschberger Bauern abgesehen, und ihnen ist jedes Mittel recht, um diese Jagd zu bekommen.

So wird Martin plötzlich gleich von mehreren heiratsfähigen hübschen Madeln umworben, natürlich allesamt Töchter der Jagdaspiranten. Wie soll er da noch eine vernünftige Entscheidung treffen? Doch sein Herz weiß ganz genau, wo es nach Hilfe suchen muss …

Er fuhr langsam die Dorfstraße entlang, denn sie befand sich nicht gerade im allerbesten Zustand. Eigentlich war es eine richtige Emmentalerstraße – ein Loch reihte sich an das andere. Er konnte sich gut vorstellen, wie es erst bei einem richtigen Landregen aussehen würde.

Das Dorf machte keinen schlechten Eindruck. Hohe Bäume säumten die Straße, und die Höfe der Bauern sahen nach Geld und großem Besitz aus. Aber niemand kam ihm entgegen. Kein Auto, kein Pferdefuhrwerk überholte ihn, und die Bewohner der Häuser schienen sich abgesprochen zu haben, den neuen Tierarzt bei seiner Ankunft in Hirschberg gar nicht zur Kenntnis zu nehmen. Denn sie wussten natürlich, dass er heute in seinem neuen Wirkungskreis Einzug halten wollte.

Aber noch dachte sich Martin nichts bei der fast unheimlichen Stille. Vielleicht waren sie draußen auf den Feldern oder im Wald. Er hatte nicht erwartet, dass sie Fähnchen schwingend Spalier bilden würden, um den Herrn Dr. Martin Engelmann als Nachfolger des verstorbenen Tierarztes willkommen zu heißen.

Wenn er gewusst hätte, wo sich das Haus des alten Doktors befand, würde er sich auch keinerlei Gedanken gemacht haben. Leider brauchte er jemanden, der ihm den Weg wies. Aber dieser Jemand ließ sich nirgends blicken.

Der Platz vor dem Gasthaus „Zum Einhorn“ war so leer wie das übrige Dorf.

Martin parkte den Wagen vor dem Eingang, öffnete die quietschende Flurtür und stand in einer geräumigen Diele, in der es sauer nach abgestandenem Bier und nach Stall roch.

„Hallo …!“, rief er, „… ist da jemand?“

Eine Katze huschte an ihm vorbei und verschwand fauchend auf der Treppe, die zum Oberstock führte. Irgendwo klappte eine Tür, dann war es wieder still im Haus.

„Hallo …“, rief er nochmals. „Ich würde gern etwas essen und trinken. Hallo …“

Es rührte sich nichts. So unheimlich still wie das gesamte Dorf, so still war auch das Wirtshaus. Martin drückte die Klinke nieder, deren Tür in die Gaststube führte. Jedenfalls stand es so auf dem verwaschenen Schild, das kaum noch zu erkennen war.

Der Geruch in der Wirtsstube war ähnlich wie im Flur. Nur der penetrante Stallgeruch fehlte. An seine Stelle legte sich ein undefinierbares Tabakaroma, das mit den guten Orientsorten wenig gemein hatte. Es lag mehr in der Richtung Eigenanbau.

Obwohl es draußen noch taghell war, konnte Martin zuerst kaum etwas erkennen. Vielleicht lag es an der dunklen Einrichtung und den mehr braunen als weißen Wänden, ganz zu schweigen von den Fenstern, deren Vorhänge wie ölgetränkte Lappen dem Sonnenlicht den Eintritt in die Wirtsstube erfolgreich verwehrten.

Martin blickte sich um. In der linken Ecke des Raumes befand sich eine altersschwache Theke. Ihr gegenüber schob sich ein mächtiger Kachelofen in die Stube, der nach einer Seite von einem großen Rundtisch begrenzt wurde.

Ein Schild hing über ihm, und Martin entzifferte mühsam das Wort „Stammtisch“.

Er wollte sich gerade umdrehen, um die andere Seite der Wirtsstube in Augenschein zu nehmen, als sich hinter der Theke etwas bewegte. Es war genauso grau und braun wie seine Umgebung. Martin erschrak ein bisschen, als sich das Etwas zu einem Menschen mauserte. Grau, faltig, uralt und klapperdürr.

„Was gibt’s denn?“, fragte das Wesen mit einer knarrenden, gleichzeitig aber auch sehr hohen, fistelnden Greisenstimme. Es konnte ein Mann, aber auch eine Frau sein.

„Ich wollte fragen, ob ich ein Bier und ein …“

„Bier ist net angesteckt, Küche ist zu“, antwortete das dem Geschlecht nach noch immer undefinierbare Wesen, nickte dazu ein paar Mal mit dem Kopf, um der Aussage etwas Endgültiges zu geben, und zog sich dann wieder in sich selbst zurück.

Martin versuchte es mit doppelter Freundlichkeit. Seine Stimme klang so honigsüß, dass ein Zuckerkranker mit Sicherheit davon ins Koma gefallen wäre.

„Mein Name ist Engelmann. Ich bin der Nachfolger vom Doktor Breitsamer …“

Es gab keine Reaktion.

Martin versuchte es nochmals. „Würden Sie mir freundlicherweise erklären, wie ich zu dem Haus des verstorbenen Tierarztes komme?“

„Ich bin net freundlich“, knurrte es aus dem Kleiderbündel heraus, und Martin glaubte diesmal, eine Männerstimme zu erkennen. „Wir brauchen hier keine Fremden. Es ist besser, wenn Sie wieder gehen.“

„Aber Herr …“

„Ein Herr bin ich auch keiner“, tauchte der Alte hinter der Theke auf. „Ich bin das alte Einhorn. Einer, der schon längst tot sein müsste. Aber der Gevatter hat mich vergessen“, kicherte der Altwirt. „Und jetzt mag ich nimmer, wenn er mich holen kommt. Jetzt gefällt’s mir grad. Auch wenn’s meiner Schwiegertochter net in den Kram passt …“

Der Alte kicherte wieder. Ein bisschen spöttisch, ein bisschen giftig, aber durchaus wie einer, der seine fünf Sinne beieinanderhat.

Martin schöpfte Hoffnung. Wenn es ihm gelang, den alten Mann bei Laune zu halten, ihn vielleicht neugierig zu machen, denn die meisten alten Leute waren neugierig, dann konnte er vielleicht heute noch das Haus des verstorbenen Tierarztes, der ein entfernter Verwandter von ihm gewesen war, erreichen.

„Ja – dann will ich nicht länger stören“, sagte er, machte eine Verbeugung und wandte sich zum Gehen.

„Jetzt sind Sie doch net gleich so ekelhaft“, kreischte der Alte hinter ihm her. „Einen Schnaps könnt ich Ihnen schon einschenken“, versuchte er, den Doktor zu locken. „Und ein Flascherl Bier lässt sich vielleicht auch noch finden.“

Martin ging zurück an die Theke, steckte sich eine Zigarette an und übersah dabei nicht das begehrliche Funkeln in den Augen des alten Mannes.

„Rauchen Sie auch?“, fragte er höflich.

„Ja …“

„Zigarre oder Zigarette?“

„Ich rauch alles“, entgegnete der Altwirt hastig, schälte sich aus der Decke, die er um seinen mageren Körper gewickelt hatte und trippelte zur Theke. Der alte Mann schien zu frieren, obwohl es ein warmer Spätsommertag war.

Martin hielt ihm das Zigarettenpäckchen hin.

Er griff danach, gierig, und er nahm sich nicht nur eine, sondern gleich drei Zigaretten, von denen er zwei in irgendeiner seiner vielen Taschen verstaute.

„Sie gibt mir keine“, erklärte er hastig. „Und wenn ich doch welche habe, nimmt sie mir die Zigaretten weg. Weil es ungesund ist.“ Er kicherte. „Ich werde im Dezember siebenundachtzig, was kann da schon ungesund sein. Und nichts für ungut, Herr Doktor …“ Er legte den Kopf schief und blinzelte ihn wie ein Verschwörer an. „Sie sind doch der Doktor, gell?“

„Ja, der bin ich …“

Martin schien das Vertrauen des Alten gefunden zu haben. Er wurde immer zutraulicher, goss Schnaps ein und stellte auch eine Flasche Bier auf die Theke.

Martin gab ihm Feuer.

Der Altwirt sog den Rauch tief in die Lungen, hüstelte ein wenig, zog nochmals und hustete wieder.

„Ein gutes Kraut“, wisperte er anerkennend. „So was gibt’s net bei uns in Hirschberg. Wir haben bloß drei Sorten in der Schublade. Aber sie hat den Schlüssel.“

„Sie meinen Ihre Schwiegertochter“, vergewisserte sich Martin.

„Ja, die Rosa …“ Er fing wieder an zu kichern. „Mein Sohn sagt Roserl zu ihr. Aber das ist ein Blödsinn“, setzte er leise hinzu. „Ein Roserl ist sie vielleicht gewesen, wie sie vierzehn war. Aber der Bertl hat ja einen Narren an ihr gefressen, an der Giftspritzen, der greißlichen …“

„Und wo sind heute die Wirtsleute?“, versuchte sich Martin, mit der dörflichen Atmosphäre vertraut zu machen.

„In der Stadt sind sie.“ Der Alte beugte sich über die Theke, und der Geruch, der von ihm ausging, nahm Martin fast den Atem.

„Weil sie Sie boykottieren wollen, Herr Doktor, denn jeder in Hirschberg hat gewusst, dass Sie heute ankommen werden. Deswegen haben sie ja in die Stadt fahren müssen.“

„Alle …?“

„Net alle. Aber die, die net mitgefahren sind, an denen werden Sie auch keine Freude haben. Dös san die noch Schlimmeren. Dös merken Sie schon noch, Herr Doktor, dös merken Sie, da könnt ich einen heiligen Eid drauf nehmen.“

„Aber Sie wollen mir nicht sagen …“

„Nein, will ich net“, erwiderte er und grinste verschlagen. „Auch wenn Sie mir so gute Zigaretten gegeben haben. Dafür haben Sie von mir den Schnaps und das Bier.“ Er rieb sich die Hände. „Geschäft ist Geschäft, und in Hirschberg gibt es nix umsonst, dös werden Sie auch noch merken, Herr Doktor.“

„Aber Sie sagen mir doch, wie ich zum Haus des verstorbenen Doktors komme?“

Der Alte blickte Martin ganz genau an. Seine Augen schienen noch scharf zu sein und mehr wahrzunehmen, als man gemeinhin annahm.

„Hm …“, machte er. „Ich kann mich ja irren, aber ich glaub’s net. Sie sehen ihm nämlich ein bisserl ähnlich, dem Alois. Gell, Sie sind ein Verwandter?“

„Weitschichtig.“

Der alte Mann rieb sich die Hände. „Hab ich es mir doch gedacht. Das wird schön, das gibt eine Hetz. Gell, Sie haben auch geerbt vom Alois?“

„Ja.“

„Alles?“

Martin nickte. „Es sind ja sonst keine Erben außer mir da. Meine Mutter ist eine Cousine vom Onkel Alois gewesen. Aber ich habe ihn kaum gekannt.“

Der alte Mann kam hinter der Theke hervor. Er schien den jungen Tierarzt auf einmal richtig ins Herz geschlossen zu haben, obwohl sich Martin den Grund nicht erklären konnte.

„August Wurzerer ist mein Name“, stellte er sich plötzlich vor und schüttelte Martins Hand so kräftig, als ob er ihm den Arm ausreißen wollte. „Die meisten nennen mich das alte Einhorn, und wer mich mag, der sagt Gustl zu mir.“ Er war mindestens einen ganzen Kopf kleiner als Martin, deshalb blickte er hoch zu ihm, als er seine nächste Frage stellte: „Werden Sie Gustl zu mir sagen, Herr Doktor?“

„Gern“, antwortete der junge Tierarzt. „Ich heiße Martin.“

„Dann kommen Sie jetzt – ich führ Sie hin zu dem Haus, das jetzt Ihr Haus sein wird. Und seien Sie recht nett zu Berta“, fügte er noch hinzu. „Die Berta verdient es, dass man nett ist zu ihr.“

Martin wusste, wer gemeint war. Berta Hoheisel war die Haushälterin des verstorbenen Tierarztes, die er sozusagen mit dem Haus und der Praxis zusätzlich geerbt hatte.

Aber noch ehe sie draußen in sein Auto einstiegen, das gleich darauf einen ganz anderen Geruch bekam, nicht mehr nach Benzin und Zigarettenrauch, schenkte Martin Gustl noch ein ganzes Päckchen Zigaretten, das der Wurzerer mit unglaublicher Fingerfertigkeit verschwinden ließ.

Dann fuhren sie los, und Martins Begleiter sagte, wobei in seiner Stimme ein gewisser Triumph lag: „Jetzt stehen sie hinter den Gardinen und gaffen. Denn alle sind ja net mitgefahren in die Stadt. Und morgen werden sie im Dorf erzählen, dass sich das alte Einhorn mit dem jungen Doktor verbündet hat. Das haben wir doch, Herr Doktor?“

„Ja, das haben wir … Gustl …“, bestätigte Martin ruhig.

Denn er glaubte dem alten Wurzerer, dass er einen Freund bald nötig haben würde.

***

Es war ein lang gezogenes, einstöckiges Haus mit einem verhältnismäßig steilen Giebeldach. Knallrot gestrichene Fensterläden harmonierten mit den dunklen Holzrahmen und hoben sich wohltuend von dem grellen Weiß des Mauerwerks ab.

Im Vorgarten standen mehrere Obstbäume und viele Blumen. In einer Rosenlaube gruppierten sich um einen festen Holztisch eine Bank und vier Sessel. Die Haustür bestand aus festem, solidem Eichenholz und hatte im oberen Drittel eine Klappe, die sich von innen öffnen ließ.

Martin zog an dem Messinggriff, der mit einem Drahtzug verbunden war und seinerseits eine Bronzeglocke im Haus in Bewegung setzte.

Es war ein lauter, wohltönender Klang, dem gleich darauf schlurfende Schritte folgten. Die Tür öffnete sich, ohne dass jemand vorher durch die Oberlichtklappe gesehen hatte. Im Türrahmen erschien die mollige, mittelgroße Gestalt einer Frau, die ungefähr sechzig Jahre alt sein mochte. Sie hatte ein rundes, leicht gerötetes Vollmondgesicht, das von zwei großen, tiefbraunen Augen beherrscht wurde.

Sie musterte den Ankömmling eine Weile, dann lächelte die Frau, streckte Martin ihre Hand entgegen und sagte: „Willkommen daheim, Herr Doktor Engelmann. Ich bin die Berta Hoheisel und seit meinem vierzehnten Lebensjahr hier zu Hause. Ich wäre froh, wenn es so bleiben würde …“

Martin gefiel die Berta auf Anhieb. Er nahm ihre Hand in die seine und drückte sie kräftig.

„Ich wäre froh“, entgegnete er, „wenn Sie mich akzeptieren würden und die Fürsorge, die Sie meinem Onkel all die Jahre angedeihen ließen, auf mich übertrügen.“

„Was denn gar …“, erwiderte sie verlegen. „Aber jetzt kommen Sie erst mal, Herr Doktor. Der Kaffee wartet schon seit einer Stunde auf Sie. Wo haben Sie denn bloß so lange gesteckt?“

„Beim Gustl …“ Martin lachte. Den alten Mann hatte er zuvor noch zurück zum Wirtshaus gebracht, und den Weg zurück jetzt ohne Probleme allein gefunden.

„Beim Gustl, dem alten Einhorn“, wiederholte Berta schmunzelnd. „Also, wenn der Sie akzeptiert hat, dann werden Sie auch mit den Leuten aus dem Dorf zurechtkommen.“

Martin hängte seinen Hut an den Garderobenhaken im Flur, bewunderte die vielen Hirschgeweihe und die Jagdtrophäen, die überall an den Wänden hingen, und folgte Berta in die gute Stube.

„Aber da hatte der Gustl so seine Bedenken“, erzählte Martin. „Er hat mich schon darauf vorbereitet, dass man mich nicht gerade mit offenen Armen empfangen wird.“

„Soso, hat er das …“, meinte sie nachdenklich, rückte den großen Ohrensessel zurecht, in dem bisher immer der alte Doktor gesessen hatte, nahm die Kaffeekanne und schenkte ein.

„Mhm …“, machte Martin, als er den ersten Schluck genommen hatte. „Das ist aber ein besonders guter Kaffee“, lobte er die Köchin. „So einen habe ich schon lange nicht mehr getrunken.“

Berta wurde rot vor Freude. „Den Streuselkuchen müssen Sie probieren“, sagte sie. „Richtigen Streuselkuchen zu backen, ist nämlich eine große Kunst. Das kann net jeder, da muss man eine echte Lieb dazu haben.“

„Die haben Sie, Berta“, stellte Martin kauend fest.

Er häufte sich den Teller ordentlich voll, als ob er schon tagelang nichts mehr gegessen hätte. Neben seiner Tasse stand ein porzellanener Aschenbecher, als ob Berta gewusst hätte, wie gern Martin zum Kaffee eine Zigarette rauchte.

Sie verschränkte die Anne vor der Brust und sah mit größtem Wohlwollen zu, wie ihr neuer, junger Doktor ihre Fürsorge genoss.

Anschließend zeigte ihm Berta das Haus.

„Es ist ja net groß“, erklärte sie. „Aber Ihrem Herrn Onkel und mir hat es immer gelangt. Und den Dachboden könnte man natürlich noch ausbauen, wenn … wenn mal eine junge Frau ins Haus kommt“, setzte sie leicht verlegen hinzu.

Martin lachte laut und herzlich. „Ich bin ein eingefleischter Junggeselle wie Onkel Alois. Das wird sich so schnell nicht ändern, Berta. Wo soll ich denn überhaupt jemanden in dieser Abgeschiedenheit kennenlernen?“

Berta Hoheisel sah Martin nachdenklich an, musterte ihn vom Kopf bis zu den Füßen und seufzte dann: „Ich fürchte, ich fürchte …“

„Was fürchten Sie?“, unterbrach er sie lebhaft.

„Dass Sie das mit dem Junggesellenleben net lange durchhalten werden. Im Dorf und in der weiteren Umgebung gibt es eine Menge hübscher, junger Madeln, die nur darauf warten, von einem Doktor zum Traualtar geführt zu werden. Und geldige sind auch darunter …“, setzte sie bedeutsam mit dem Kopf nickend hinzu.

„Geldige?“

„Na, wo es hier stimmt …“ Sie machte die berühmte Bewegung zwischen Daumen und Zeigefinger.

„Geld interessiert mich überhaupt nicht“, erklärte Martin ruhig. „Wenn ich mal heiraten sollte, was ich aber nicht glaube, dann braucht meine zukünftige Frau bestimmt kein Geld zu haben.“

„Na, na“, wehrte Berta ab, die das Leben schon ein bisschen besser kannte, als der kaum dreißigjährige Martin. „Über die Brücke würde ich net unbedingt gehen wollen, wenn Sie wissen, was ich meine …“

Martin lachte. „Sie meinen wohl, die Brücke könnte einbrechen, wenn ich sie mit meinem Versprechen, am liebsten nicht zu heiraten, verbinden wollte?“

„Könnte …?“, wiederholte Berta Hoheisel. „Ich bin eigentlich ziemlich sicher, dass es auf jeden Fall passieren würde. Sie sind ein gut aussehender Mann, Herr Doktor, wenn ich mir die Einschätzung erlauben darf.“

„Wir werden ja sehen“, beendete Martin das Thema, das ihm offensichtlich überhaupt nicht zu behagen schien. „Jedenfalls ist weit und breit keine Braut in Aussicht. Und in der nächsten Zeit muss ich schauen, dass erst mal Geld in die Praxis hereinkommt. Um nämlich ehrlich zu sein, ich bin fast pleite.“