Beautiful Agony Bundle (Ebook Sammelband) - Akira Arenth - E-Book

Beautiful Agony Bundle (Ebook Sammelband) E-Book

Akira Arenth

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Beschreibung

Beautiful Agony (Bundle - die komplette, abgeschlossene Serie!) Dieses Ebook-Bundle enthält: Band 1 – Black Wedding (Print 250 Seiten) Band 2 – Apocalypse (Print 250 Seiten) Band 3 – World Ending (Print 250 Seiten) Band 4 – Among the Stars (Print 250 Seiten) Band 5 – Day One (Print 300 Seiten) = 1300 Seiten! Plot: Arian ist von seinem eintönigen Leben mehr als frustriert. Er arbeitet als Nachtwächter im Zoo, geht an den Wochenenden auf einschlägige Gay-Partys und verdient sich vor der Webcam was nebenbei, doch eigentlich will er nur eines: endlich seinen Mr.Right finden! An Angeboten mangelt es ihm nicht, doch er selbst ist äußerst masochistisch veranlagt und sein zukünftiger Partner sollte das passende Pendant dazu bilden, was sich als schwierig erweist. Beim Besuch eines noblen BDSM-Clubs wird ihm ein Angebot offeriert, das er nicht ausschlagen kann. Er bekommt die Chance, als einer von fünf Sklaven an einer „Black Wedding“ teilzunehmen, um doch noch den Dom seines Lebens zu finden. Der Haken ist: Er darf dabei nichts sehen und hat auch keinen Einfluss darauf, welcher der fünf Master ihn auswählt. Die Veranstaltung erweist sich aber trotz seiner anfänglichen Bedenken als vielversprechend und Raik, der Mann, der Arian auswählt, scheint fast schon perfekt zu sein. Leider kommt den beiden eine Apokalypse dazwischen, die ihr anfängliches Spiel auf ein ganz anderes Level hebt.

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Beautiful Agony - Band 1
Kapitel 1 - Elender Alltag
Kapitel 2 - Schwarze Nacht
Kapitel 3 - Chaos
Kapitel 4 - Ungleiche Brüder
Beautiful Agony - Band 2
Kapitel 1 - Heile Welt
Kapitel 2 - Ignoranz
Kapitel 3 - Training
Kapitel 4 - Tag X
Kapitel 5 - Am Ende des Weges
Beautiful Agony - Band 3
Kapitel 1 - Mut
Kapitel 2 - Befehlsgewalt
Kapitel 3 - Roter Schleier
Kapitel 4 - Die letzten Intentionen
Kapitel 5 - World Ending
Beautiful Agony - Band 4
Kapitel 1 - Erwachen
Kapitel 2 - Isolation
Kapitel 3 - Die Anderen
Kapitel 4 - Schein und Sein
Kapitel 5 - Der Ursprung
Beautiful Agony - Band 5
Kapitel 1 - Die wichtigste Frage
Kapitel 2 - Rangordnung
Kapitel 3 - Entscheidung
Kapitel 4 - Feind
Kapitel 5 - Desaster
Kapitel 6 - Die Zukunft der Menschheit
Nachwort
Danksagungen
Impressum
Fußnoten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beautiful Agony - Band 1

Black Wedding

Vorwort

 

Wie definiert sich Liebe?

Ist es eine gewollte Fürsorge, gepaart mit Respekt und Akzeptanz des Partners, den man für immer an seiner Seite haben möchte? Ein kleines Stück Lust, ein wenig Hingabe und Zuneigung? Ist eine Hochzeit denn nur eine formelle Zeremonie, die bis auf steuerliche Änderungen kaum etwas anderes mit sich bringt? Oder verbirgt sich dahinter mehr?

Diese Fragen habe ich mir in den letzten Wochen sehr oft gestellt.

Am 27.04.2018 haben mein Partner und ich, einmal auf traditionellem und einmal auf einem nicht ganz so herkömmlichen Weg, geheiratet. In der Zeit davor war ich sehr unsicher, und wie das so bei Schreiberlingen ist, malte ich mir die abstrusesten Gedankengänge aus, wie es wohl werden könnte, dem Mann meines Lebens das Ja-Wort zu geben.

Aus diesen Überlegungen heraus entstand ›Black Wedding‹, eine Hommage an die Liebe auf Umwegen, welche aufzeigen soll, dass es auch ganz anders gehen kann und trotzdem wunderschön ist.

 

Eines weiß ich inzwischen ganz sicher:

Liebe ist ein Gefühl. Sie ist nicht greifbar und doch überall: in jedem Lächeln, in jedem Streit, in jeder Umarmung und in jedem Kuss.

Sie zeigt sich über kleine Aufmerksamkeiten im Alltag, die über eine Karte zum Valentinstag hinausgehen. Sie steckt in einer Rose auf dem Nachttisch, dem eigenständigen Mitbringen des ausgegangenen Lieblingsduschgels seines Lebensgefährten, in einer Nachricht, die während der Mittagspause versendet wird oder in einem Seil, das dem Partner, zur Luststeigerung, um den Körper gebunden wird.

Liebe hat so viele Facetten. Liebe ist das, was uns glücklich macht, was uns näher zusammenbringt, was uns erfüllt – und dabei ist es vollkommen egal, ob es sich um Rosenoder Peitschenhiebe handelt.

 

Kapitel 1 - Elender Alltag

 

Das Einzige, was die Wege des Parks erhellt, ist das flimmernde Licht meiner Taschenlampe, deren Batterien sich dem Ende zuneigen.

Ich schwenke ihren schwachen Lichtstrahl durch die Bäume und erwarte irgendwie seltsam abgeklärt, aber gleichzeitig völlig irrational, dass der Slenderman[Fußnote 1] hinter einem der Stämme hervorlugt und dann in einem Affenzahn auf mich zuschwebt.

Ich sollte weniger vor dem PC hocken ...

»Hey Arian!«, ruft mein Kollege Levi, der eigentlich Lennard Vitali heißt, plötzlich und ich zucke unwillkürlich zusammen. »Warte mal! Paul sagte, du sollst mit mir die Büffelroute laufen, da sind wohl immer noch einige Bohlen locker.«

Gerade letzte Woche war eines der Huftiere ausgebrochen und hatte einen Nachtwächter im Dunkeln aufs Horn genommen. Seitdem herrscht Alarmstufe rot und alle kriegen vor Angst Pipi in den Augen, wenn sie allein laufen sollen. Dabei will ich doch einfach nur meine Ruhe haben.

»Ronja ist auch noch frei«, erwidere ich hoffnungsvoll, als er grinsend neben mir steht.

»Nö nö. Wenn einer der Stiere ausbricht, will ich einen starken Mann an meiner Seite haben«, lacht er und ich höre die Ironie förmlich aus jedem Wort tropfen, denn ich bin wohl genau das Gegenteil eines starken Mannes.

»Sehr witzig! Also, viel Spaß bei den Maxi - Stinkern, ich geh jetzt meine Strecke weiter.«

»Ach Ariaaaan!«, knätscht er mir plötzlich mit seiner dauerfröhlichen Kindergartentonlage hinterher und zieht mich am Oberarm zurück. »Nun sei doch nicht so! Was muss ich denn noch alles tun, dass du endlich mit mir gehst?«

Ob das gerade absichtlich zweideutig war? Seine braunen Rehaugen klimpern mich jedenfalls so energisch an, als wolle er mich damit wegwehen. Schweigend drehe ich mich zur Seite und schüttle den Kopf.

»Komm schon! Bei der Übergabe bist du wieder wie der letzte Trauerkloß rumgeschlurft. Ich heitere dich auf und leiste dir dann auch bei deiner Runde Gesellschaft.«

»Will ich das?« Eine meiner Augenbrauen zieht sich nach oben, doch mein Mund bleibt ungerührt. Leider sind er und sein komischer, knödeliger Flockenbart so gar nicht mein Typ, auch wenn er ein sympathisches Kerlchen ist.

»Ja willst du!«, dabei stampft er auf den Boden wie ein Fünfjähriger, der ein Darth Vader Plasteschwert fordert. »Du weißt genau, wie witzig ich bin!«

Mürrisch ziehe ich meinen Arm aus seinen warmen Fingern. »Vielleicht möchte ich ja gar nicht aufgeheitert wer-«

»Wie nennt man ein trauriges Kondom?«, platzt er mir dazwischen.

Seufzend lege ich den Kopf in den Nacken.

»Keine Ahnung.«

»Ein Weingummi!«, sprotzt er prustend hervor und haut sich lachend auf den Oberschenkel, indessen ich ihn ungerührt ansehe. Über seine eigenen Witze lacht er immer am lautesten.

»Ultrakomisch, aber jetzt lass mich bitte meine Runde laufen.«

Etwas enttäuscht strafft er sich und boxt mich an, bevor er die sauber gestuften schwarzen Locken zurückstreicht, die ihm ins Gesicht gefallen sind. »Wie kann man nur so wenig Humor haben?«

Levi ballert mich täglich mit Witzen zu, aber ich muss zugeben, dass ich bei einigen davon schon lachen musste. Irgendwie süß, wie er ständig meine Nähe sucht. Ich kann noch nicht mal zu hundert Prozent sagen, dass er auf Kerle steht, aber es scheint fast, als würde er auf etwas hinauswollen. Nein, wahrscheinlich möchte er einfach nur einen Arbeitskumpel. Wir sind im selben Alter und er hat mich damals eingearbeitet, als ich im Tierpark anfing, daher fühlt er sich mir vermutlich irgendwie verbunden.

Aufmunternd klopfe ich dem schlanken, großen Kerl auf die Schulter. »Nimm`s mir nicht übel, ich lache generell selten über Witze. Ronja kugelt sich garantiert.« Dabei will ich mich umdrehen und gehen, doch er hält mich noch einmal zurück.

»Wenn du beim nächsten nicht lachst, geb ich auf und nerv dich die ganze Woche nicht mehr, okay?«

Ich schnaufe und verschränke die Arme, muss ob seiner beinahe albernen Penetranz jedoch grinsen. »Na schön, leg los.«

»Was kriegt der Kannibale, wenn er zu spät zum Essen kommt?«

»Na?«

»Die kalte Schulter!«

Ein Glucksen entfleucht mir, noch bevor ich die Hände vor den Mund halten kann, weil mir plötzlich eine Assoziation in den Kopf strullert. Warum muss ich gerade jetzt an einen gewissen, grünen Teufel denken?

Seufzend gebe ich mich geschlagen. Nun muss ich mir seine blöden Witze tatsächlich noch die ganze Nacht anhören.

*

Durch bronzefarbene Vorhänge gefiltert, erhellt gedämpftes Licht den Raum und taucht ihn in eine warme Stimmung.

Als ich den Laptop hochfahre und mich damit auf den schwarzen Lederzweisitzer sinken lasse, beobachte ich die Vögel auf meinem Fenstersims, die an meinen bereitgelegten Kokosöl-Körnerbällen picken.

Müde gähne ich und strecke mich ausgiebig auf meiner Couch, die gleichzeitig mein Bett ist. Die Uhr zeigt bereits halb drei am Nachmittag, doch ich bin gerade erst aufgewacht. Bis sechs Uhr früh habe ich gearbeitet und muss abends um neun schon wieder zur nächsten Schicht.

Während ich die einfache Drei-PunkteAnimation des Ladebildschirms verfolge, nehme ich noch einen Schluck kaltes Wasser aus meinem Glas und stelle es dann beiseite, wobei die kondensierten Tropfen an der Außenwand auf meinen Couchtisch gleiten. Routiniert bewege ich meinen Cursor auf meinen Internetbrowser und aktiviere diesen mit einem Doppelklick. Danach öffne ich meine Favoritenliste und navigiere auf die von mir meistbesuchteste Seite, mit der ich mir seit Jahren ein wenig Taschengeld nebenbei verdiene. Ein neuer Tab öffnet sich, doch bevor ich mich einloggen kann, muss ich erst mal geschätzte zwölf Werbe-Popups wegklicken, was ich inzwischen schneller kann, als jeder Ninja seine Handkante auf ein Brett zimmert! Dann folgt der Zugang auf mein Profil.

HotAsian, Loversplayer16 und AssKiss sind natürlich schon online und präsentieren sich aufdringlich mit neuen Fotos. Manchmal hab ich das Gefühl, die sitzen vierundzwanzig Stunden vor ihren schnittigen Tablets und ihr einziges Hobby besteht darin, Bilder von sich und ihren überteuerten Smartphones in allen Spiegeln der Stadt zu machen. Meistens ziehen sie dabei ihr Shirt hoch und zeigen ihre trainierten Waschbrettbäuche, auf die ich natürlich absolut nicht eifersüchtig bin ... na ja, ein klitzekleines bisschen vielleicht.

Ich habe selbstredend einen nicht weniger pornösen, fantasieanregenden Namen gewählt, der die zahlungsfreudigen User auf mein Profil locken soll: Slave667.

Jaaaa ich gebe zu, da gibt es sicher bessere, aber das reine Slave und Slave666 waren schon vergeben und ich bin nicht sonderlich kreativ in der Namenswahl. Zwei Beispiele: Die schwarze Katze der Nachbarin, die mich immer vom Balkon aus heimtückisch zu hypnotisieren versucht, damit ich runterspringe, nenne ich Hypno-Blacky. Den zotteligen, langbeinigen Köter, der uns jeden Morgen vor die Haustür knökt, während sein desinteressiertes Herrchen auf dem Bildschirm seines Smartphones herumwischt, nenne ich Wischmobs-Kackstelze.

So viel dazu.

Jedenfalls habe ich deshalb einen der sechs Vorschläge angenommen, welche mir der all wissende Algorithmus des Systems nahelegte. Jetzt, nachdem ich gesehen habe, wie die anderen heißen, schäme ich mich dafür in Grund und Boden, kann ihn aber nicht mehr ändern und muss mit dem Pseudonym leben, denn ich hab den Jahresbeitrag schon bezahlt.

Der Schlimmste von all meinen Konkurrenten ist ein Typ namens CumSuckerWhite, oder auch SchlürferBoyAlbino, wie ich ihn gern nenne. Ein durchtrainierter, modisch gekleideter Hackfressenblondie, mit blauen Kulleraugen, der auf jedem Bild denselben Blase-Blick aufsetzt. Auch er hat heute natürlich ein neues Foto eingestellt, auf dem er und sein Duckface de luxe Nudeln zutscheln.

Ja, ich gebe es zu: Ich mag keine Blondinen! Erst recht keine mit blauen Augen, die darauf herumreiten, wie unglaublich deutsch sie doch sind! Ich hingegen – surprise surprise – bin kein Vorzeige-Arier, sondern einer von den Millionen matschbraunen Südländern, wie es sie hier inzwischen an jeder Ecke gibt, und genau auf solche Männer stehe ich auch!

Nebenbei macht klein Cinderella für Arme exakt das, was man aggressives Betteln um Aufmerksamkeit nennt und das kann ich partout nicht ausstehen! Er drückt sich in jeden Chat, in jede Diskussion, in jede Gruppe und kommentiert unter jedes neue, heiße Bild, das gerade viele Besucher hat. Dort schreibt er ein paar schleimige Smiley-Sätze, platziert Likes bei potentiellen neuen Opfern und wirft mit unzüchtigen Ideen um sich. Danach lässt er wie beiläufig einen Link zu seiner Seite einfließen und verpisst sich wieder.

Wenn man sich dann aber darüber aufregt, dass der Typ eigentlich immer nur scheinheilig kommentiert, um für sich selbst Werbung zu machen und schlimmstenfalls noch dessen Kommentare unter dem eigenen Bild löscht, gilt man als unkollegial, arrogant und neidisch. Das treibt die zahlenden User nur noch schneller auf den Link des Rivalen, denn niemand kann Zicken leiden - erst recht keine Homo-Zicken!

Also knirschen sie alle mit den Zähnen, ballen die Fäuste in ihren Taschen und machen gute Miene zum bösen Spiel.

Blondies penetrante, nervige Masche zieht. Er ist regelmäßig mit den meisten Klicks, den längsten Cam-Sessions und den häufigsten Privatchats in den Top Ten und das bedeutet, er verdient ordentlich Kohle. Das Ganze ist ein Teufelskreis. Wer in den Top Ten ist, wird in der Schnellauswahl unter ›empfohlen‹ am linken Seitenrand angezeigt, bekommt also automatisch mehr Klicks, weil er für jeden neuen User gut sichtbar ist und hat damit mehr Besucher auf seiner Cam. Mittlerweile ist diese Methode der dreisten Eigenwerbung sogar als WhityStyle bekannt und einige Jungs machen es ihm nach, weshalb die Hälfte der Kommentare unter guten Fotos inzwischen Links zu anderen Profilen sind. Yeah!

Tja ... das ist sie, die kleine Welt der männlichen Cybercam-Bitches, mit der ich mich fast jeden freien Nachmittag befasse. Nein, ich habe weder Freunde, noch Hobbys, sollte diese Frage immer noch offen sein.

So. Ein letzter Check meiner Klamotten: schwarze Boxershorts, weißes Netzhemd, Halsband. Passt. Dann schaue ich nochmal kurz in den Spiegel, den ich extra für diesen Zweck gegenüber an der Wand aufgehängt habe, und starte schließlich meine Webcam, während ich mir ein letztes Mal durch die Haare fahre (das kommt immer gut für den Anfang, denn es wirkt eher nach ›Hups, da hab ich doch glatt aus Versehen die Cam angeschaltet‹).

Meine Gedanken fokussieren sich, als ich sofort ein Fenster mit einer Privatchatanfrage angezeigt bekomme. Eine Minute mit einem User im Privatchat, bringt mir dasselbe, was ich sonst mit fünfzehn Usern im Gruppenchat ausgezahlt kriege. Doch das Finanzielle ist es gar nicht, was mein Blut gerade in Wallung bringt.

Master E.Scorn – ein Name, der mein Herz schneller schlagen lässt, schlichtweg weil der Begriff Master dabei ist.

›Hoffentlich mal ein geiler, dominanter Mann, der weiß, was er will!‹

Das, was man auf seinem Profilbild von seinem gestählten, leicht behaarten Oberkörper sehen kann, ist auf jeden Fall einfach nur ambrosisch.

›Hi Chèrie‹, tippt er den ersten Chateintrag und garniert ihn mit einem frech zwinkernden Smiley. ›Hast du Zeit?‹

Sofort stelle ich den Laptop auf dem Tisch ab und begebe mich von der Couch herunter auf meine Knie, so wie ich es auch tun würde, wenn er vor mir stünde. Außerdem hilft es mir, mich in die richtige Stimmung zu versetzen.

›Guten Tag, Herr‹, antworte ich leicht geschwollen, aber ich weiß, dass die meisten Master auf derartige Umgangsformen großen Wert legen. ›Ja, ich muss erst Abends zur Arbeit, also habe ich noch sehr viel Zeit!‹

›Das sollte reichen. Schön, dass du bereits kniest. Braver Junge.‹

Bingo.

›Natürlich, mein Herr.‹

›Mach deinen Ton an, ich will dich hören!‹

Jetzt beginnt für ihn eine sekündliche Abrechnung im teuersten Modus, welche ihm äußerst auffällig und ungeil oben rechts am Bildschirmrand angezeigt wird. Chat, mit Ton und aktivierter Kamera auf meiner Seite, gegen ein simples Textfeld auf seiner, um absolute Diskretion zu gewährleisten. So kann er mir Befehle geben und alles kontrollieren, was ich tue.

›Du siehst noch ein wenig verschlafen aus?‹

»Tut mir leid. Bin gerade erst aufgestanden«, antworte ich nun sprechend, denn ich weiß ja, dass er mich über das Mikrofon hören kann. »Verzeiht mir bitte, wenn mein Äußeres Euch enttäuscht.« Dabei versuche ich den intensivsten Dackelblick aufzusetzen, den ich habe und schaue nach oben in die Kamera.

›Nur geringfügig. Aber kein Problem, das haben wir gleich.‹ Ein kleines Teufel-Emoji folgt dem Satz. ›Ich sorge dafür, dass du wach wirst und ein bisschen Farbe im Gesicht kriegst.‹

Ich versuche zu lächeln und will etwas antworten, doch da kommt schon sein erster Befehl.

›Zieh dich nackt aus und gib dir selbst ein paar Backpfeifen! Für den Anfang sollten zwanzig auf jeder Seite reichen und wehe das werden so halbherzige Streicheleinheiten. Ich will es laut knallen hören!‹

›Okay ... ohne Einleitung oder Vorspiel von null auf hundert zu Schmerzen. Scheint ein reiner Sadist zu sein.‹

Ich bin gerade erst aufgestanden, hab noch nicht mal mein Brötchen verdaut und schon muss ich leiden. Eigentlich war ich grad mehr auf eine gemütliche Runde Wichsen eingestellt, mit Nippel zwirbeln und dazu höchstens noch ein paar Dildospielchen, aber was soll´s. Kunde ist König. Also seufze ich schwer und tue, was er sagt.

Ich hole aus und klatsche mir selbst meine Hand ins Gesicht, immer abwechselnd links und rechts.

Nach dreizehn Schlägen glühen meine Wangen bereits und ich kann mir unterdrückte Ausrufe des Schmerzes nicht mehr verkneifen. Meine Hand puckert, doch ich weiß genau, dass es nur schlimmer wird, wenn ich es zu zaghaft mache.

Endlich, als ich die insgesamt vierzig Ohrfeigen hinter mich gebracht habe, schnaufe ich unruhig und reibe meinen schmerzenden Kiefer, bevor ich mein Gesicht näher an die Kamera bewege, damit er die roten Verfärbungen sehen kann.

»Ich hoffe, ich habe Ihre Aufgabe zufriedenstellend erledigt«, wispere ich dazu leise.

›Noch lange nicht!‹, bekomme ich als patzige Antwort und kann gar nicht fassen, was danach folgt. ›Das war erbärmlich und noch dazu viel zu lasch. Wiederhole es und diesmal deutlich stärker! Die doppelte Anzahl!‹

Ich sehe genervt in die Kamera und schüttle schließlich den Kopf. »Sorry, aber so hab ich da keinen Bock drauf.« Im selben Moment schließe ich einfach meinen Laptop, um mir nicht sein unter Garantie folgendes Gemeckere anhören beziehungsweise lesen zu müssen. Danach lasse ich mich frustriert in die Kissen zurücksinken und reibe meine schmerzenden Wangen, die ich im Spiegel betrachte.

›Laufen denn nur noch Idioten durch die Gegend? Null Ahnung von Stimmungsaufbau, dieser Penner!‹ Meine anfänglich gute Laune ist mal wieder am Tiefpunkt.

Ich habe nichts gegen Schmerzen, absolut nicht, aber wenn ich sie schon erdulde oder aushalte, will ich das aus einem guten Grund tun oder zumindest ein Ziel haben. Hätte er mir etwas angeboten, selbst wenn es nur ein weiteres Foto seines Oberkörpers gewesen wäre, hätte ich wenigstens einen Anreiz gehabt! Aber so ...? Leiden für nichts? Da hat er mal grundlegend die Motivation eines Subs falsch verstanden.

Ja natürlich, er bezahlt mich mit seinen paar Cents pro Minute und so gesehen bin ich auch nur eine Art Dienstleister, das weiß ich. Aber andererseits bin ich nicht darauf angewiesen, denn ich hab ja noch meinen normalen Job und kann mir daher aussuchen, ob ich eine Cam-Session weiterführe, die mich vollkommen abtörnt. Online habe ich immer die freie Wahl, jederzeit abzubrechen, ohne Konsequenzen, doch im wahren Leben sieht das ganz anders aus.

Ich beschließe, mehr aus Langeweile denn aus Interesse, den PC wieder aufzuklappen und klicke sofort mein Nachrichtenfenster zu, in dem sich bereits sieben Benachrichtigungen des verprellten Pseudo-Masters befinden. Alle haben sehr einprägsame Einzeiler und unendlich viele Ausrufezeichen im Betreff, die ich geflissentlich ignoriere. Keine fünf Minuten später prangt eine fette, negative Bewertung auf meinem Profil, in welcher sich der Typ darüber auslässt, ich würde `gut zahlende User` einfach so `grundloskurz vor dem Orgasmus mit einem patzigen Kommentar abwürgen` und danach offline gehen.

Also wenn der Penner nach den paar Ohrfeigen schon so kurz vorm Abspritzen war, muss er im Bett eine wirklich herbe Enttäuschung sein.

Ich verkneife es mir, seinen Mist zu kommentieren, denn ich weiß, dass er einer von der Sorte ist, die sich in einer Diskussion darunter richtig schön heiß schreiben können und je öfter ich antworte, desto mehr Aufmerksamkeit bekommt der Beitrag. Also lasse ich es und da mir jetzt auch die Lust auf alles andere vergangen ist, logge ich mich wieder aus.

Warum bin ich überhaupt noch in diesem blöden Klopssaftportal?

Jeden verdammten Nachmittag verbringe ich Stunden damit, online irgendwelche Typen zu bespaßen und im Endeffekt verdiene ich mit dem Mist vielleicht zweihundert Euro extra. Die Kosten für den Anbieter und die Provisionen sind dermaßen hoch, dass für mich nur ein Bruchteil vom gezahlten Preis übrig bleibt und trotzdem setze ich mich jeden scheiß Nachmittag wieder davor, sobald ich aufgestanden bin.

Ich könnte so viele andere, sinnvolle, schöne Dinge tun! Lesen, Yoga, eine neue Fremdsprache lernen oder sonst was! Aber nein, ich verschwende meine Zeit weiter in dieser dämlichen, oberflächlichen Bockwurst Community! Wieso mache ich das nur?

Leider kenne ich die Antwort auf diese Frage nur zu genau.

Irgendwo, ganz tief in meinem Inneren, habe ich immer die irrationale Hoffnung, dass ich in einem dieser unzähligen, anonymen Chats den Mann meines Lebens kennenlerne, auch wenn das völlig verrückt klingt. Einen heißen, dominanten Kerl, der auf mein Profil kommt und sich Hals über Kopf in mich verliebt. Danach schickt er mir ein Foto und mir geht es nicht anders. Wir schreiben, bis er mir schließlich seine Adresse gibt und wir uns noch am selben Abend persönlich zu einem Spiel treffen, bei dem wir nichts Geringeres als den besten Sex unseres Lebens haben ... Nicht dass ich mir dieses Szenario schon tausende Male zum Einschlafen ausgemalt hätte. Inzwischen weiß ich jedoch, dass ich auf dem Portal genauso wenig meinen zukünftigen Gatten finden werde, wie ein Junkie sein Chrystal Meth in einem Kloster.

Gerade als ich seufzend zum hundertsten Mal meinen Account löschen will, ploppt ein erneutes Werbefenster auf und zieht mich mit seinem Angebot in den Bann.

*

›Beautiful Agony‹, lese ich still in Gedanken versunken und sehe dabei das elegante, silberne Schild an, welches dezent neben der Klingel angebracht ist.

›Mal ausnahmsweise keine Leuchtreklame?‹

Klar, warum auch? Jeder, der diesen Club besucht, weiß vermutlich, worauf er sich einlässt und außerdem muss man sich vorher auf der Gästeliste ihrer Website anmelden. Wahrscheinlich gibt es auch deshalb keine Schlange vor der Tür.

Die blickdichten Brokatvorhänge lassen nicht erahnen, was sich hinter den großen Glasscheiben verbirgt und da ich heute zum ersten Mal hier bin, zittert meine Hand doch ein wenig, als ich schließlich den Knopf drücke. Ein Surren lässt mich zusammen zucken und erst jetzt sehe ich die kleine Kamera oben in der Ecke, die sich zum Face-Check in meine Richtung dreht, doch dann dauert es nicht lange, bis sich die Tür öffnet. Wummernder, gedämpfter Bass ertönt und die warme Luft des schwarz gestrichenen Flurs strömt mir entgegen.

»Guten Abend«, sagt ein bulliger, großer Security und schiebt dabei den Vorhang beiseite. »Komm rein.«

Langsam überwinde ich meine Starre und gehe unter seinem Arm hindurch. ›Okay, erste Hürde überstanden!‹, beruhige ich mein unruhig klopfendes Herz und versuche freundlich zu lächeln, während ich ein leises »Danke« erwidere.

»Zum ersten Mal hier?«, fragt er gleich und schließt die Tür hinter mir.

»Ja ... ist das so offensichtlich?«

Der kurzgeschorene Riese grinst schief und beginnt mich abzutasten, etwas intensiver als in anderen Clubs üblich, während er nickt. »Draußen sind gute siebzehn Grad, doch du zitterst am ganzen Körper – also ... ja.«

»Ihre angenehme Stimme ist schon mal sehr beruhigend.« Ehrlich gesagt traue ich mich nicht, ihn ebenfalls einfach so zu duzen, auch wenn er nicht viel älter sein dürfte, als ich es bin. Trotzdem scheint er sich über meine distanzierte Anrede ein wenig zu wundern und stoppt sein Gefummel.

»Danke. Durch den Gang links ist die Rezeption, hier vorne rechts sind die Umkleidekabinen und dahinter die WCs.« Das klingt schon wieder sachlicher, doch dann hebt er mein Kinn und lächelt verschmitzt. »Wenn ich dir helfen soll, sag Bescheid.«

So fängt der Abend auf jeden Fall gut an. Leider habe ich eine Schwäche für Security-Leute, aber eigentlich möchte ich unbedingt an dieser Party teilnehmen, weshalb ich mich erstmal nur mit einem »Ich komm gern drauf zurück« freundlich bedanke und zur Anmeldung gehe.

Ein älterer Herr um die Fünfzig steht hinter dem Tresen und ich sehe den Monitor in der Ecke, welcher über die Kamera den Blick auf den Eingang projiziert.

»N`Abend! Reservierungsnummer?«, fragt er gleich und behält den bebrillten Blick in seinem dicken Gästebuch.

»Null Eins Sieben Vier Zwei.« Die kann ich seit zwei Wochen auswendig.

»Vier Null ... Vier Eins ... Vier Zwei. Ah hier! Arian Garcia-Vogt?«

Dass er meinen Namen gleich so herausposaunt, finde ich ziemlich indiskret, aber gut, macht man in Hotels ja auch nicht anders.

»Jepp, der bin ich«, antworte ich daher nur und öffne schon mal meine Sommerjacke. Er notiert etwas, dann sieht er mich sogar an, weshalb ich meine Unsicherheit mit einem Lächeln zu überspielen versuche.

»Sind Sie allein?«, hakt er nach, als hätte ich mich verlaufen, doch als ich nicke, runzelt er nur die Stirn und macht sich eine weitere Notiz. »Gut, dann sind das achtzig Euro und eine Unterschrift zum Einverständnis in die Tagesmitgliedschaft brauche ich auch noch.«

Auch wenn ich den horrenden Eintrittspreis bereits aus dem Netz kenne, schlucke ich schwer und ziehe mein Portemonnaie aus der Gesäßtasche meiner Jeans. Dann zähle ich die Scheine heraus und lege sie ihm vor die Nase. Der Basispreis liegt bei fünfzig Flocken und an Themenabenden, so wie heute, schlagen sie nochmal gute dreißig Euro drauf. Allerdings ist eine Dusche inklusive[Fußnote 2].

Normalerweise gehe ich in deutlich günstigere Etablissements, vorrangig in Bars, bei denen man gar keinen Eintritt zahlen muss, aber dementsprechend ist auch meist das Klientel.

Während er mein hart verdientes Geld in seine Kasse sortiert, gehe ich die drei Seiten durch, die er mir vorgelegt hat und kann gar nicht glauben, was die hier für ein Gewese machen. Es handelt sich um einen Vertrag, beschränkt auf die heutige Nacht, der größtenteils eine Absicherung im Schadensfall darstellt und einen die Hausordnung akzeptieren lässt. So streng wie das alles hier geregelt wird, ist der Inhaber sicher ein Dom, denn meines Wissens nach macht das kein anderer Club so.

›Schön, was soll´s. Ich bin nicht eine Stunde mit der Bahn gefahren, nur um wegen ein bisschen Bürokratie wieder abzudampfen.‹

Unter den Augen des wachsamen Pförtners setze ich meinen Willie auf die Mitgliedschaft und reiche sie ihm zurück. Er schaut auf die Uhr und ergänzt die Zeit oben rechts, was ich äußerst merkwürdig finde.

»Wollen Sie eine Kopie?«, fragt er beiläufig und ich weiß nicht mal, ob er das ernst meint.

»Eine Kopie?« Soll ich mir die ans Knie nageln?

»Ja. Manche hängen sich die zu Hause hin.«

»Danke, nein.« Kann er sich den Arsch mit abwischen. Ich muss mir nicht auch noch jeden Tag in meinen eigenen vier Wänden ansehen, wie ich als angeblich Perverser überall abgezockt werde. Mal abgesehen davon, dass ich jetzt gar nicht wüsste, wo ich die hintun soll, denn meine Jacke hat keine Taschen und in meine Potte stopfe ich die drei Seiten sicher nicht. Da platzt mir ja noch der Arsch, wenn ich sie zurück in die Gesäßtasche presse.

»Benötigen Sie einen Spind?«, fragt mich Alfred 2.0 und ich überlege erneut, ob er das ernst meint.

›Nein, wenn ich Sex haben will, trage ich meine Klamotten und meine Schuhe lieber die ganze Zeit mit mir herum.‹ Meine Gedanken würde ich ihm gerne als Antwort vorsetzen, doch ich habe eine halbwegs gute Erziehung genossen, also nicke ich lediglich.

»Dann sind das nochmal zehn Euro für den Spind und fünfzig Euro Pfand.«

›Haben die noch alle Tassen im Schrank?‹

»Kostet die Toilettenbenutzung dann auch noch jedes Mal extra?«, platze ich auf einmal heraus, und werde mit einem ungehaltenen Oberlippenzucken bedacht.

»Nein. Pissen ist inklusive.«

Na wenigstens etwas. Grummelnd öffne ich ein weiteres Mal meinen Geldbeutel und entnehme ihm die restlichen Scheine, die gerade so die erforderte Summe ergeben. Hoffentlich lädt mich irgendwer auf einen Drink ein, denn mehr als ein Bier kann ich mir jetzt nicht mehr leisten.

Der Rezeptionist reicht mir einen Schlüssel, an dem ein kleiner schwarzer Plastikdödel mit einer Nummer drauf hängt, dann widmet er sich wieder seiner Liste und zeigt mir die formschöne Platte auf seinem Oberkopf.

»Wenn Sie fertig sind, dann die Treppe runter.«

»Danke.«

So viel zum Thema guter Start. Ich bin blank und wenn es mies läuft, kann ich mich nicht mal mehr betrinken. Wobei die Getränke hier sicherlich ebenfalls mörderische Preise haben, also vielleicht auch gut so.

Seufzend laufe ich zurück und beschließe, einfach das Beste draus zu machen, während ich die schweren Vorhänge der Umkleide zuziehe. Die Spinde sind kastenförmig und relativ klein, eher wie Bankschließfächer, und bedecken die komplette linke Wand. Ein beleuchteter Spiegel befindet sich in der Mitte, rechts ist eine ungepolsterte Sitzgelegenheit.

In null Komma nichts habe ich mich entkleidet und da ich mein schmales Halsband sowie die Boxershorts aus schwarzem Kunstleder bereits drunter trage, brauche ich auch nur noch schnell mein Gesamtbild zu checken.

Meine langen, dunklen Haare sind aus praktischen Gründen zu einem hohen Zopf gebunden, außerdem hab ich sie an der Stirn mit Haarspray fixiert, damit mir nicht ständig Strähnen herausrutschen. Die hauchzarte Kajalumrandung meiner grauen Augen sitzt und meine Piercings sind auch alle noch da.

›Also schön, dann los!‹

Ich schließe meine Sachen in den Spind ein, nehme mein letztes Hartgeld sowie den Schlüssel und gehe zurück auf den Flur. Gerade scheint wieder jemand geklingelt zu haben, denn der Security-Mann ist an der Tür. Schade, einen positiven Startkommentar hätte ich jetzt wirklich gebrauchen können, aber bevor die anderen reinkommen, schlüpfe ich lieber schnell auf die lange Wendeltreppe nach unten, den wummernden Beats entgegen.

Hitze empfängt mich. Master&Servant heißt die Party, die heute angesagt ist und als ich die weitläufige Lounge betrete, sehe ich bereits um die dreißig spielende Paare, die eben dieser Thematik folgen. Die Veranstaltung ist schon in vollem Gange, keiner beachtet mich und das geschlossene Kellergewölbe scheint die Luft der erhitzten Leiber einzuschließen, denn es riecht stark nach Schweiß.

Ich versuche mich als Erstes zu orientieren: links die Bar, in der Mitte eine Bühne mit mehreren Bondage-Haken an der Decke und rundherum viele Sitzecken, mit großen, lackbezogenen Polstern. Ein Andreaskreuz an der rechten Wand, flankiert von zwei Strafböcken und dahinter scheinen noch andere Räume zu sein, denn ich höre es lauthals von dort stöhnen.

›Okay ... wohin?‹ Statt irgendetwas zu tun, stehe ich nur verunsichert da und fummle am Plastikpimmel meines Spindschlüssels herum, denn ich weiß nicht, wo ich hingehen soll. Die Sofas sind alle besetzt, die Gerätschaften ebenfalls und zwischendrin stehen kleine Grüppchen von Paaren, die sich unterhalten. ›Na schön. Hol dir ein Bier, dann bist du die Münzen los und kannst dich erst mal in Ruhe umsehen.‹

Gedacht, getan. Ich stelle mich an die Seite der Bar und wenige Sekunden später ist der schwarz gekleidete Keeper bei mir, der mich unter seinem blauen Undercut freundlich anlächelt.

»Hey Süßer. Was darf´s sein?«

Ich lege einfach mein Geld auf die Theke und schiebe es ihm rüber. »Ich hab noch genau ... ähm ... sieben Euro vierzig. Der Eintritt war mit den Spindkosten etwas teurer, als ich dachte. Habt ihr irgendwas in der Preisklasse?«

Der junge Mann lacht und nickt. »Keine Angst, du bist nicht der Erste, der davon überrumpelt wurde. Ja, also wenn du Bier magst, kann ich dir ein kleines Dunkles für fünf achtzig anbieten, oder einen Wodka-Cola Mix für sechs neunzig. Wenn´s nicht alkoholisch sein soll, Wasser, O-Saft oder Cola für vier fünfzig.«

Na ja, besser als nichts. »Gib mir den Wodka-Cola Mix und behalt den Rest.«

»Kommt sofort.« Er zischt ab und legt los, doch ich komme gar nicht dazu, mich weiter umzusehen, denn schon ist er wieder da. »Bitteschön und viel Spaß.«

»Danke.« Hinter mir drängeln bereits zwei jüngere Typen, die ziemlich durchgenudelt aussehen und reichlich verschwitzt sind, also mache ich ihnen Platz und beginne, mit meinem kleinen Glas in der Hand, umherzulaufen.

Eine Weile sehe ich mir die Show eines attraktiven, muskulösen Bondagemasters auf der Bühne an, der sich von seinem gefesselten Sub erst einen blasen lässt und ihn dann auch noch vor allen Anwesenden mit seinem Schwanz beglückt, nachdem er ihn in einer perfekten, seitlichen Hängebondage verschnürt hat. Der Anblick, gepaart mit dem lustvollen Stöhnen der beiden, lässt mir das Blut heiß in den Kopf steigen und meine Shorts sehr eindeutig nach vorne spannen. Dabei muss ich aufpassen, nicht schon mein ganzes Getränk auszusüffeln.

»Hey Hübscher«, quatscht mich plötzlich einer von der Seite an und ich löse schwerlich meinen Blick. Es ist ein zarter Junge, eingebunden in einem pinken Harnisch, jedoch baumelt sein Gehänge frei umher.

»Ja?«

»Mein Herr lädt dich ein bei uns mitzumachen, wenn du willst. Er könnte eine rechte Hand gebrauchen.« Sein kokettes Lächeln verrät mir sofort, dass es dabei eigentlich nur um seinen Spaß geht.

»Danke, aber ich suche jemanden für mich allein«, erwidere ich ehrlich.

»Da wirst du es hier aber schwer haben. Na ja, trotzdem viel Erfolg.« Schon ist er wieder abgedackelt.

Als ich sehe, wer sein Spielpartner ist, könnte ich mir dezent in den Hintern beißen, doch bevor ich die beiden zu lange anstarre, lenke ich mich lieber ab. Bei Paaren komme ich mir immer vor, wie das fünfte Rad am Wagen, denn im Endeffekt gehen die danach knutschend nach Hause und ich bin wieder allein und das ist ein mieses Gefühl. Hatte ich bereits öfter und jedes Mal endete es damit, dass ich die ganze Nacht heulte. Nein, so was brauchte ich nicht mehr.

Schnaufend sehe ich mir noch die Darbietung auf der Bühne zu Ende an und erkenne sogar, dass es die beiden ohne Kondom treiben, doch dann sind sie fertig und ich entschließe mich weiterzulaufen.

Überall wird gespielt, geredet und ich schleiche dazwischen herum, wie ein kleiner Stadtfuchs. Jedes Mal, wenn ich Leuten zu nahe komme, verstummen sie und ich erhalte ein paar seltsame Blicke aus den Augenwinkeln, die mir großes Unbehagen bereiten. Noch zwei weitere Paare sprechen mich an, ob ich ihrem Spiel beiwohnen möchte. Wiederholend lehne ich es ab, bleibe bei meinen guten Vorsätzen, aber ich fühle mich zunehmend wie einer dieser einzelnen Spanner, die immer wichsend in den Darkrooms herumlaufen. Apropos, wo sind die eigentlich? Bisher hab ich keinen Einzigen dieser Sorte gesehen.

›Wahrscheinlich ist ihnen der Eintritt zu teuer. Die meisten von denen gehen ja nur in die Bars und Clubs, wo man kostenlos reinkommt.‹

Da fällt mir plötzlich etwas auf. Prüfend laufe ich nochmal eine halbe Runde und sehe mir die Männer intensiver an, was meine Theorie schließlich bestätigt. Das sind alles Paare! Hier ist kein einziger einzelnerManndabei!

›Das kann doch nicht wahr sein ...‹

Viel Gewese um nichts und für diese Erkenntnis habe ich jetzt auch noch neunzig Öcken gelöhnt!

Frustriert schlurfe ich zurück an die Bar und komme mir gerade ultrablöd vor, überhaupt hergekommen zu sein. Wie konnte ich auch auf die Werbung eines dämlichen Pop-ups hereinfallen? Mann! Wäre ich bloß zu Hause geblieben und hätte mir einfach einen runtergeholt, verdammt!

»Hey Süßer, alles okay?«, fragt mich der Barkeeper sofort, als er mein deprimiertes Gesicht sieht, und kommt zu mir rüber.

»Nein, nichts ist okay. Hier sind nur Pärchen und ich kann mit denen nichts anfangen.«

»Du bist Single?«, fragt er, als sei es eine ansteckende Krankheit.

»Ja, bin ich! Ich wollte hier eigentlich jemanden kennenlernen, aber jetzt hab ich nur sinnlos mein ganzes Geld rausgeschmissen.« Hätte ich mir mal gleich die Nummer des Security-Typs geschnappt und wär wieder gegangen!

»Hm ... ja, wir haben meistens nur Paare hier, das stimmt. Aber du kannst einmalig dein Eintrittsgeld innerhalb der ersten Stunde nach deiner Ankunft zurückverlangen, wenn du merkst, dass die Party nichts für dich ist.«

Und das sagt er mir einfach mal so nebenbei? Deswegen also die notierte Uhrzeit auf dem Schriebs beim Portier!

Ich glotze ihn erst perplex an und schiele dann beiläufig auf die Uhr hinterm Tresen: Nur sechs Minuten blieben mir noch!

Schnell trinke ich den Rest meines Wodka Mixes auf ex und will mich verdünnisieren, als mich plötzlich ein glatzköpfiger, untersetzter Mann anspricht, der das Gespräch anscheinend mit angehört hat.

»Hey Kleiner, bist du passiv?«

Na toll! Ausgerechnet jetzt werde ich doch noch von einem einzelnen Dom angequatscht. Aber leider fällt der so gar nicht in mein Beuteschema, weshalb ich nur noch »Tut mir leid, ich muss los« antworte.

»Nun warte doch mal kurz«, lacht er und schüttelt den Kopf. »Ich verspreche dir, du bekommst dein Eintrittsgeld auch zurück, wenn du erst in einer halben Stunde gehst.«

Verwirrt sehe ich ihn an und beobachte, wie er dem Barkeeper einen Wink mit dem Finger gibt. »Bring uns zwei Caipis, Mike.«

»Kommt sofort Boss.«

Nur langsam realisiere ich, dass niemand Geringeres als der Inhaber dieses Clubs vor mir sitzt. Der Mann trägt eine Lederhose und ein Kunstlederoberteil, das sich um seinen hervorstehenden Bauch spannt, um darunter eingequetscht in seinem Gürtel zu enden. Aber sonst sieht man nur an seiner teuren Uhr sowie der modischen Halskette, dass er ziemlich gut betucht sein muss.

»Mein Name ist Björn, wie heißt du?«

»Arian«, antworte ich leise und setze mich wieder auf den Barhocker.

»Schön, Arian. Also pass auf, kommen wir gleich zur Sache. Ich hab beobachtet, wie du hier rumgetigert bist und mit dem, was du eben erzählt hast, gehe ich davon aus, dass du schon länger auf der Suche nach einem Partner bist, kann das sein?«

Irgendwie komme ich mir gerade vor, wie bei einem Verhör. Trotzdem nicke ich nach kurzem Zögern und antworte mit »Ja.«

»Super. Also ich sag´s dir, wie es ist: Du gefällst mir. Deine Art, wie du läufst, wie du sprichst, wie vorsichtig du um die ganzen Menschen herumscharwenzelt bist, ohne auch nur einen davon zu berühren, und dein Aussehen ist ja ebenfalls was ganz Besonderes. Bist du auch untenrum gepierct?«

Schlagartig laufe ich rot an und schaue zu Boden, was den Mann vor mir erneut zum Lachen bringt, während der Barkeeper die Gläser abstellt. »Ooochh, ist ja süß. Er schämt sich noch?«

»Ganz offensichtlich«, stimmt Björn ihm zu und zieht mein Gesicht am Kinn wieder hoch. »Also, bist du, oder bist du nicht?«

Mein Kopf glüht. Mir bleiben bei solchen intimen Fragen immer derart die Worte im Halse stecken, dass ich es für schlauer halte, einfach seine Hand zu nehmen und diese zwischen meine Beine zu führen.

»Okay ... du bist«, grinst er und scheint über meine Reaktion erfreut zu sein, während er seine Hand zurückzieht. »Ich mache dir hiermit ein einmaliges Angebot Kleiner. Ich glaube, du wärst eine schöne Bereicherung für unsere Black Wedding[Fußnote 3], die ich alle halbe Jahre mit einigen Freunden organisiere.« Er reicht mir das zweite Glas und ich sauge sofort dessen eiskalten, hochprozentigen Inhalt in mich hinein, um mich abzukühlen. Dann endlich finde ich meine Stimme wieder.

»Okay ... und worum geht es bei dem Event? Soll ich kellnern?«

»Nein«, sagt er verhalten lachend und nimmt ebenfalls einen Schluck. »Das ist eine exklusive, rein private SM-Veranstaltung unter Ausschluss der Öffentlichkeit und du wärst eine der Hauptattraktionen.«

Prustend spritzt mir mit einem Mal der Cachaca aus der Nase, welchen ich gerade so mit der Hand abfangen kann, bevor er Björns Hemd besprenkelt.

»I-i-ich???«

Grinsend legt er den Kopf schief und lacht dann erneut. »Ja du! Ist das so unvorstellbar?«

»Äh ... ich ... also ... nein.«

Nickend stellt er das Glas beiseite. »Schön. Also, faktisch treffen bei der Black Wedding fünf dominante Master auf fünf submissive Männer und lernen sich in einem teilweise vorgegebenen Ablauf die ganze Nacht hindurch kennen, bis zum nächsten Morgen. Die Bedingungen für die Subs sind recht einfach: absolute Hingabe, Sauberkeit und ... Single solltest du sein, denn Sinn des Ganzen ist es, dass sich aus dem Zusammentreffen die ein oder andere dauerhafte Spielbeziehung entwickeln kann und das ist, so wie ich mitbekommen habe, auch genau das, was du suchst, oder?«

»Äh ... ja!«, antworte ich nur perplex und weiß gar nicht, was ich sagen soll. Das klingt alles viel zu schön, um wahr zu sein. »Aber da muss es doch einen Haken geben? Sind die Doms alle alt und hässlich?«

»Ganz im Gegenteil.« Sein fast schon diabolisches Grinsen lässt nichts Gutes erahnen, aber trotzdem steigt meine Neugier. »Ich kann dir versichern, dass die Herren, die dieses Halbjahr mitmachen, alle unter Vierzig sind und jeder auf seine Art durchaus attraktiv. Worauf ich persönlich jedoch viel mehr Wert lege, ist ihre Erfahrung im SM-Bereich. Du musst wissen, ich lasse keine Stümper auf meinen privaten Abenden tanzen. Weder aktiv, noch passiv. Solltest du also eine dieser Jammerschwuchteln sein, die eigentlich nur Blümchensex mit Anpieseln und Poklaps haben wollen, dann ist das die falsche Veranstaltung für dich, das sag ich dir gleich.«

Obwohl ich den Mann gänzlich unattraktiv finde, bemerke ich gerade, wie ich hart werde.

»Ich mache das nicht erst seit gestern und wenn ich den richtigen ... Ansporn habe, halte ich auch so einiges aus«, höre ich mich plötzlich sagen, ohne es wirklich zu kontrollieren.

»Gut, gut ... also, dann bist du dabei?«

»Klar, warum nicht?«

*

Laut quietschend hält die U-Bahn auf den Gleisen und erreicht den Endbahnhof.

»Hönow. Dieser Zug endet hier. Bitte alle aussteigen«, surrt die altbekannte, monotone Ansage und wiederholt das Ganze auch nochmal in Englisch. Während ich den Knopf drücke, der die Türen mit einem Zischen öffnen lässt, verschwindet der letzte Sonnenstrahl hinter grauen Wolken und ich höre bedrohliches Grollen vom Himmel. Seufzend ziehe ich den Kragen meines Mantels enger an meinen Hals und laufe mit den wenigen anderen Menschen über die Betonplatten des offenen Bahnsteigs. Der Zeitungskiosk schließt gerade seine Rollläden und im Vorbeigehen lese ich noch die exorbitant große Schlagzeile eines bekannten Klatschblattes: ›NATO übt Kampfmanöver an der syrischen Grenze - Provokation der USA?‹

Wie immer! Irgendwas mit den Amis, irgendwas mit Irak, Afghanistan, Syrien oder sonst einem Land am Arsch der Welt, bei dem mein inneres Auge Turbanträger auf Kamelen in der Wüste projiziert. Solche Nachrichten kenne ich seit meiner Kindheit und inzwischen hab ich mich so sehr daran gewöhnt, dass ich ihnen grundsätzlich keine Beachtung mehr schenke.

Als ich die Überdachung verlasse, spüre ich bereits die ersten Tropfen im Gesicht.

›Regen ... war ja klar.‹

Drei Wochen lang eitel Sonnenschein und schönes Wetter, doch wenn ich vorhabe abends auszugehen, muss es pissen!

Schnellen Schrittes laufe ich an die Seite des Gebäudes und wühle bereits in meiner Tasche, um die Schlüssel für mein Fahrradschloss herauszufummeln.

»Hey Bibo«, begrüße ich meinen klapprigen alten Drahtesel wie immer und befreie ihn von der einfachen Schlinge aus Stahl. Wahrscheinlich würde ihn auch keiner klauen, wenn ich ihn überhaupt nicht anschließe, aber in einer Stadt wie Berlin (und dazu zählen in meinen Augen auch so Randbezirke, die einen Meter hinter der Grenze liegen) weiß man ja nie. Einmal hatte ich einen Gel-Sattel, doch den haben sie mir einfach abgeschraubt, sodass nur noch die blanke senkrechte Stange übrig blieb. Dazu schrieben sie einen galanten Zettel, mit der Aufschrift: Jetzt gefällt dir die Fahrt sicher besser, du Schwuchtel!

Hach ja, so sind sie, die herzlichen Dumpfbacken-Großstädter. Außen hart, innen vermodert. Ob es tatsächlich jemand war, der wusste, dass ich schwul bin, oder einfach nur ein allgemeiner Scherzkeks, der jedem Herrenradbesitzer, den er bestiehlt, solche Liebesbriefe schreibt, vermag ich nicht zu beurteilen. Allerdings würde es mich auch nicht wundern, wenn er mich zuvor gesehen und Lunte gerochen hatte.

Nein, normalerweise bin ich eigentlich keiner von der Sorte Homo, denen man ihre Sexualität auf hundert Meter Entfernung ansieht. Gerade in den heutigen Zeiten, wo Nasenhaartrimmer und Einhorn-Pudelmützen neben Bartglitzer und grünen Röhrenjeans auch bei Heten der Renner sind und die optischen Grenzen immer mehr verschwimmen. Aber ich bewege mich angeblich umsichtiger und wirke durch meine langen Haare und meine schlanke Statur im Allgemeinen femininer als ein heterosexueller Durchschnittsmann.

Mir ist es sogar schon einige Male passiert, dass mir Männer hinterhergepfiffen haben. Doch als ich mich umdrehte, konnte ich verwirrte Abscheu in ihren Augen sehen. Danach folgte meist ein künstliches Lachen und bestenfalls nur noch eine Beschimpfung in meine Richtung. Aber Beleidigungen begleiten mich fast jeden Tag. So ist es eben und ich habe mich daran gewöhnt.

Selbst in der Schwulenszene geht es mir oft nicht anders. Alles, was dort zählt, ist der perfekte, muskeldurchzogene Körper, ein riesiger Schwanz und bestenfalls noch ein Job, von dem man sich ein fettes Auto und eine protzige Wohnung leisten kann. Da unterscheiden wir uns kaum von den normalen Männern. Im Gegenteil, ich würde sogar behaupten, wir sind noch ein wenig oberflächlicher.

Das Problem ist nun: Ich habe nichts davon.

Ich bin nicht stark, nicht reich, nicht übermäßig gut bestückt, und auch der Rest meines Körpers ist punktuell suboptimal. Das bedeutet, genauer gesagt, dass ich den meisten zu dünn bin. Als Quelle-Katalog Model würden sie mich auch nicht nehmen, alleine schon deshalb, weil ich lange Haare habe. Noch dazu strahle ich ungefähr so viel Selbstsicherheit aus, wie eine Qualle auf heißem Asphalt.

Schlussendlich führten meine optischen und finanziellen Schwächen unweigerlich dazu, dass ich mit fast 32 Jahren noch immer Single bin und mein Dasein in einer kümmerlichen Einraumbude friste.

Na ja ... vielleicht ist auch mein Lebenslauf ein wenig Schuld daran.

Mein Vater arbeitete als Taxifahrer in Madrid. Als meine Mutter bei ihrem ersten Auslandssemester zufällig in seinen Wagen stieg, verliebte sie sich postwendend in den charismatischen Macho und er sich angeblich auch in sie. Nicht mal drei Monate später fragte er sie, ob sie ihn heiraten wolle und sie sagte ja. Danach dauerte es nur noch wenige Wochen, bis er sie so weit gebracht hatte, die Hochzeit in einer kleinen Kirche seines Heimatdorfes, im Kreise seiner Familie zu vollziehen und ihr Studium abzubrechen. Sie stimmte aus blinder Liebe zu, doch sie wagte es nicht, ihren eigenen Eltern von den neuesten Ereignissen zu erzählen. Sie kamen beide nach Deutschland, nach Berlin, um genau zu sein, denn auch das war eine seiner Bedingungen gewesen. Als sie schwanger wurde, beichtete sie die Umstände schlussendlich doch ihrer Familie, doch diese war absolut gegen die Verbindung. Sie setzten ihr sogar ein Ultimatum, dass sie sich entweder von ihm scheiden, mich abtreiben und ihr Studium wieder aufnehmen müsse, oder sie als Eltern den Kontakt abbrechen würden. Auch hier entschied sie sich erneut für die Liebe und - für mich.

Beide lebten fortan von Sozialhilfe, denn aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse und seinem Stolz, sich von einer Frau keine Nachhilfe geben zu lassen, fand er keine Arbeit. Das graue Wetter deprimierte ihn, weshalb er ein neues Hobby entdeckte: Bier. Es brauchte nicht lange, da trank er schon ab 10 Uhr morgens und schaffte einen ganzen Kasten am Tag. Mein Geschrei nervte ihn beim Fußball gucken und saufen und so schlug er erst meine angeblich unfähige Mutter, die mich nicht beruhigen konnte, und später mich, um mir Manieren beizubringen.

Irgendwann, ich war gerade fünf Jahre alt geworden, erlöste er die Welt von seiner Existenz, als er bei einem tragischen Autounfall ums Leben kam. Leider saß meine Mutter auf dem Beifahrersitz dabei neben ihm. Als er vollkommen besoffen auf die Gegenfahrbahn abdriftete und der Wagen mit einem LKW kollidierte, wurde ich daher an einem einzigen Abend zur Vollwaise.

Das Jugendamt handelte relativ schnell und verwahrte mich erst mal für einige Tage in einer Bereitschaftspflegefamilie, an die ich mich kaum erinnere. Es wurde nach einem Vormund für mich gesucht, doch meine spanischen Verwandten konnten mich nicht aufnehmen, denn die hatten selbst genug Mäuler zu stopfen. Meine deutschen Großeltern lehnten es ebenfalls ab, mich aufzuziehen, und gaben mich schließlich zur Adoption frei. Dieser Prozess dauerte jedoch mehrere Jahre und während die Mühlen der Bürokratie vor sich hin mahlten, lebte ich in einer siebenköpfigen Pflegefamilie, die ihre Bezeichnung als zeitweilige Unterkunft nicht im Ansatz verdient hatte. Es sei denn, man bezeichnet es als menschenwürdige Hygiene, dass ein Vorschulkind auf einer Matratze voller Katzenpisse schlafen muss. Mal völlig davon abgesehen, dass es nur kaltes Wasser und ein Handtuch für alle als Toilettenpapierersatz gab. Da war es fast schon eine Befreiung, als ich in ein städtisches Waisenhaus kam, nachdem das amtliche Prozedere abgeschlossen war, doch niemand adoptierte mich mehr.

So dümpelte mein bedeutungsloses Leben als winziges Zahnrädchen einer herzlosen Maschinerie dahin. Ich versuchte, wenig aufzufallen und keinen Ärger zu bekommen, zog mich zurück und machte meinen Abschluss mit mittlerer Hochschulreife. Danach kam ich über einen zeitweiligen Lover an die Stelle eines Nachtwächters im Zoo und arbeite dort bis heute.

Tja. Das ist schon meine ganze Lebensgeschichte. Ziemlich unspannend, oder?

Na ja, böse Zungen behaupteten bereits, meine masochistische und devote Neigung sei aus dem Verhalten und den Schlägen meines Vaters entstanden, aber ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass er der alleinige Auslöser dafür war. Vielleicht ein begleitender Punkt, ein weiteres Tröpfchen im Fass ... oder drei ... oder zweihundert, aber schon in der Kita, als wir Cowboy und Indianer spielten, wollte ich immer derjenige sein, der an den Baum gefesselt wird, also steckte es doch irgendwie bereits vorher in mir.

Ich weiß, es gibt tausende Menschen, denen es viel schlimmer geht, die Krieg erdulden müssen, Hunger leiden, krank sind ... bla bla bla. Aber man findet immer jemanden, der noch beschissener dran ist als man selbst. Meine heutigen Probleme sind Erste-Welt- Probleme, das weiß ich, aber sie zermürben mich genauso, als müsste ich jeden Tag dursten.

Ich greife unter meine Jacke und keuche kurz auf, als ich die Seile zurechtrücke, die ich mir angelegt habe. Dann schwinge ich mich aufs Rad. Ja, mein kleines Geheimnis erschwert mir die Suche nach einem geeigneten Partner außerordentlich.

Während ich durch die kalte Abendluft nach Hause fahre und versuche, den unangenehmen Sprühregen zu ignorieren, fantasiere ich bereits wieder über den Mann meiner Träume, welchem ich ja vielleicht heute Abend endlich begegne? Groß sollte er sein, älter als ich, schwarze Haare, markantes Gesicht, animalische Augen ... und einige Muskeln wären auch nicht verkehrt.

Hey, habe ich je behauptet, ich würde mich von den anderen, oberflächlichen Wichsern unterscheiden? Nein! Das tue ich sicher nicht, zumindest nicht im sexuellen Sinn. Vielleicht bin ich da sogar noch ein Stückchen schlimmer.

Es ist auch nicht so, dass ich mein Leben lang Single war und von Tuten und Blasen keine Ahnung hätte. Im Gegenteil, gerade in Letzterem würde ich mich als ziemlich erfahren bezeichnen! Ich habe sehr früh gemerkt, dass meine Neigungen ein wenig anders geartet sind, und sexuell gesehen bin ich ganz sicher auch nie ein Kind von Traurigkeit gewesen. Genau genommen hatte ich zweihundertfünfundsechzig Sexpartner in den letzten siebzehn Jahren ... nicht dass ich zählen würde.

Vier feste Freunde gab es auch schon, aber der Richtige war eben irgendwie nie dabei. Wenn sie die Dominanz besaßen, die ich brauche, fehlte zumeist die körperliche ... nennen wir es mal: Präsenz. Ja, sorry, aber vor einem stark beleibten, schlecht rasierten Mittfünfziger samt Bierbauch und Hornbrille vergeht mir einfach alles. Da kann er noch so bestimmend lamentieren und beherrschen wollen. Wenn ich ihn nicht geil finde, habe ich keinen Anreiz, für ihn zu leiden und der Ofen ist aus. Sich selbst wertzuschätzen ist in meinen Augen eine der Grundlagen eines dominanten Charakters - was nicht heißt, dass er perfekt aussehen muss.

Ein Mann muss mit sich im Reinen sein, um sich souverän und authentisch über einen anderen zu erheben, und sollte dabei auch ein gewisses Mindestmaß an Sexappeal ausstrahlen. So ist zumindest meine bescheidene Meinung. Außerdem neige ich sonst zu Renitenz und zu patzigen Antworten, und das ist für keine der beiden Spielseiten gut.

Ich hatte allerdings auch schon die konträre Version und die war auch nicht besser. Ein wohldefinierter Adonis, dessen Optik allein mich zu allem hätte verleiten können, beschränkte seinen Sadismus auf stumpfe, cholerische Ausbrüche, die meistens mit einem Schlag in mein Gesicht endeten, weil ich zum Beispiel den Geschirrspüler nicht richtig eingeräumt hatte.

Dass dieses Verhalten nicht im Entferntesten etwas mit SM oder echter Dominanz zu tun hat, verstand er nicht.

Tja, und dann gab es noch die Teddys. Optisch geile Bären, stark, behaart und männlich, aber vom Geiste her Kuschelbäckchen, die dauernd nur Blümchensex wollten. Selbst wenn es welche gab, die es mir zuliebe versuchten, aber einfach nicht den passenden Charakter oder das Verständnis für die Rolle besaßen, endete es jedes Mal in einem Desaster.

Alle fünf Minuten kam ein: Ist das okay so?, War das zu fest? oder mein Favorit: Wenn es zu unbequem wird, dann sag Bescheid, ja?

Sowas will kein Sub hören, verdammte Scheiße!

Bei jeder Fesselung und jedem Peitschenschlag dachte ich mir nur ›Oh man, was für ein Stümper!‹. Schlussendlich frustrierten mich die andauernden Fragen nur noch und niemand will einen gefrusteten, genervten Bottom haben, der drauf und dran ist, seinem Top den Longdon-Dildo aus der Hand zu reißen und ihn damit zu verprügeln, während er brüllt: »Ist das zu fest? Ist das zu fest? Ich geb dir gleich fest du Weichwurst!!!« Meistens begriffen die Softies überhaupt nicht, warum sie mir denn wehtun sollten, was allumfassend bedeutet, dass sie den Sinn von BDSM nicht verstanden. (Genauso wie gewisse Mauerblümchen aus halbwegs bekannten Pseudo SM-Filmen, nach deren Auffassung ein Sadist nur ein psychisch Gestörter sein kann, den natürlich nur sie, in ihrer grenzenlos dämlichen Naivchen-Art retten können. Ürgs!)

Kurzum: Mr. Right war bisher nicht in Sicht und da ich es satthabe, auf ihn zu warten, nehme ich mein Schicksal selbst in die Hand. Mit mäßigem Erfolg.

Endlich erreiche ich meine Wohnung, schließe die schwere Eisentür auf und bringe mein Fahrrad in den überfüllten Gemeinschaftskeller des Hochhauses, der zwei Wochen nach dem Anstreichen noch immer nach Wandfarbe stinkt. Dann stapfe ich die Treppen wieder hinauf und nehme den Aufzug in den neunten Stock, in welchem sich meine Wohnung befindet.

Ich schließe mit zittrigen Händen die Tür auf, friere und bin nass bis auf die Knochen. Die Bondageseile reiben jetzt unangenehm feucht auf meiner Haut, bei jeder Bewegung. Selbst das Anheben meines Arms, um den Schlüssel in die dafür bereitstehende Schale zu legen, tut weh. ›Hoffentlich haben sie keine Spuren hinterlassen‹, ist jedoch meine größte Sorge. Heute Abend muss ich rein sein, ohne Makel und ohne ... Gebrauchsspuren. Die Fältchen an meinen Augen sind schon schlimm genug. Trotzdem konnte ich auf meine Selbstsuspension am Morgen einfach nicht verzichten.

Schnell lasse ich meine klammen Klamotten fallen und häute mich über den ganzen Boden, wie eine Eidechse. Dann werfe ich einen Blick auf die Wanduhr, zucke zusammen und schlüpfe hurtig unter die Dusche, gleich nachdem ich mich der Seile entledigt und das Radio angeschaltet habe.

»Aaahh ... tut das gut«, stöhne ich auf, sobald mich die heißen Tropfen zum Sound von Falcos Rock me Amadeus aufwärmen. Zuerst schwinge ich ein bisschen mit, doch dann wird das Lied von den Nachrichten abgewürgt.

»Um die Nachschubrouten des IS abzuschneiden, versucht die NATO erneut, ihre Militärpräsenz in Syrien auszubauen. Präsident Tru-« Ich kann das Gesabbel nicht mehr hören und schalte es direkt wieder aus, indem ich mich aus der Dusche hangle und aufs Radio kloppe.

›Man, immer derselbe Mist! Dabei muss ich mich doch jetzt auf mich konzentrieren und wollte einfach nur gute Laune kriegen!‹

Ein wenig besorgt schaue ich an mir herunter und entdecke tatsächlich rötliche, lange Abdrücke, vor allem um meine Oberschenkel und meine Brust.

›Wieder zu fest. Mann! Wenigstens heute hätte ich doch einfach mal drauf verzichten können!‹

Manchmal ist es echt schlimm mit mir. Ich bin vor allem ein Sklave meiner eigenen Begierde, Erfüllungsgehilfe meines dauergeilen Lochs und willenloser Handlanger meiner Latte.

Ohne einen adäquaten Master bin ich vollkommen vogelfrei, was absolut nicht gut für meinen Körper ist, wie ich immer wieder feststellen muss. Meine Freizeit verbringe ich vor dem Laptop und mein ganzes Geld gebe ich, neben den Lebenshaltungskosten, für Sexspielzeug oder Pornoaccounts aus, die mir ansatzweise so etwas wie Befriedigung beschaffen sollen. Ich mache einfach, was ich will, mute mir derweil alles zu und experimentiere allein vor mich hin, bis weit über meine Belastbarkeit hinaus. Dass ich dabei alle Sicherheiten und Grenzen überschreite, interessiert mich in den Momenten meiner Geilheit wenig, was durchaus das ein oder andere Mal schon sehr gefährlich geworden ist.

Die Krönung des Ganzen war vor zwei Monaten und hätte mich beinahe das Leben gekostet. Eine simple Hängebondage aus einem Online-Videotutorial hab ich nachgemacht, hing auf halb acht in meinem Zimmer am Deckenbalken, fühlte mich frei wie ein eingeschnürter Vogel und fing gerade zu wichsen an. Da flutschte bei der ersten schrägen Belastung so ein verflixtes, ungesichertes Seil über meine Schulter an meinen Hals und zog sich dort blitzartig zu. Hätte ich nicht zufällig meine große Küchenschere in greifbarer Nähe auf der Anrichte liegen gehabt, würde ich jetzt wohl immer noch dort baumeln und inzwischen ordentlich stinken.

Dieser Beinahetod-Zwischenfall hat mir auf ziemlich gruselige Art und Weise die Augen geöffnet.

Ich darf das einfach nicht mehr allein machen! Mein Körper will mehr von alldem, doch es ist zu gefährlich, weiter in meinem Kämmerlein zu sitzen und mit mir selbst zu experimentieren.

Warum ist es nur so schwer? Alles, was ich will, ist ein Mann, den ich lieben und für den ich leiden darf. Ein Partner, der mich fordert, mir Grenzen aufzeigt und der die Verantwortung für mich übernimmt, wenn wir ins Spiel wechseln. Ein Kerl, dem ich mich hingeben und anvertrauen kann und der mich am Ende des Tages mit einigen Stößen seines Schwanzes belohnt.

›Warum ist es so schwer, jemanden aus der Szene zu finden? Ist es egoistisch von mir, so etwas zu wollen, derartige Erwartungen zu stellen oder von einem Partner zu verlangen? Oder bin ich es vielleicht einfach nicht wert, einen solchen Mann zu bekommen?‹

Während mir das heiße Wasser ins Gesicht prasselt, spüre ich, wie sich meine Brust zusammenzieht und meine Augen zu brennen anfangen.

›Ich will nicht mehr alleine sein.‹

Alles in mir schreit nach Liebe, mein Herz verzehrt sich nach Zuneigung, meine Seele sehnt den Moment herbei, in dem die Lippen des Menschen, der mich von Herzen liebt, die meinen treffen. Was ich will, geht weit über stupiden SM hinaus.

Meine Hand dreht wie automatisch das Wasser ab und ich wische über die beschlagene Scheibe, in der ich mich nun wieder spiegle.

Mein halbes Leben ist schon vorbei. Habe ich die Chance womöglich einfach verpasst und es nicht gemerkt?

›Du hast noch Zeit! Gib nicht auf ...‹, flüstert mir eine leise Stimme zu und schenkt mir ein kleines bisschen Hoffnung. ›Vielleicht ist er heute Nacht dabei und dann lachst du in ein paar Wochen über deine Ängste.‹

Sie hat Recht. Ich darf nicht aufgeben, denn wenn ich aufgebe, habe ich endgültig verloren.

Wie hatte Björn es betitelt? Ich darf es als Ehre betrachten, heute Abend auf die Black Wedding eingeladen zu sein. An so etwas Exklusivem habe ich noch nie teilgenommen.

›Es ist ein Anfang, und selbst wenn ich dort nicht den Mann meines Lebens finde, so ist es sicher eine Erfahrung, die mich bereichert.‹

Nachdem ich aus der Dusche gestiegen bin und mich abgetrocknet habe, stapfe ich nackt in die Küche und werfe erneut einen Blick auf die Wanduhr, die mich nur noch fahriger werden lässt. Schnell mache ich mir zwei belegte Toasts, die ich auf dem Klo sitzend esse, während ich mir einen Einlauf verpasse. Ja, ja. Keine besonders appetitliche Kombination, ich weiß. Aber das Fenster ist offen, mich sieht keiner und ich hab keine Zeit mehr, um beides gesittet nacheinander zu erledigen.

Danach schmeiße ich schnell meinen Hygienebeutel in den Rucksack, ein paar Wechselsachen dazu, und dann nur noch Haare föhnen, Kajal auflegen, eincremen, anziehen und los.

Kapitel 2 - Schwarze Nacht

 

Zum Glück hat es nicht mehr geregnet und ich bin trocken auf Bibo zur U-Bahn gekommen. Der Club ist in Berlin Friedrichshain, also brauche ich zumindest nicht umsteigen und die Location kenne ich ja nun schon, auch wenn ich seit meinem letzten Besuch vor drei Wochen, nicht nochmal da war.

Mein Abteil ist relativ leer, niemand sitzt in meinem direkten Umkreis, also wage ich es, meinen Steckbrief aus der Tasche zu ziehen und ihn zum hundertsten Mal zu überfliegen.

Björn machte nach unserem Gespräch ein Foto von mir, mit seinem Handy. Dies schickte er per Messenger an alle Doms, die für die Black Wedding eingetragen waren und fragte nach, ob ein Wechsel für sie in Ordnung wäre. Da erfuhr ich erst, dass ich einen anderen jungen Mann ersetzen sollte, der beim letzten Mal erfolglos dabei war.

»Wir bevorzugen Frischfleisch«, sagte er lachend und ich weiß bis heute nicht, ob ich mich über diese Bezeichnung freuen soll. Die anderen Männer akzeptierten mich aber ziemlich schnell und schon am nächsten Tag hatte ich die genauen Daten der Veranstaltung in meinem E-Mailfach. Außerdem schickte mir Björn diesen Steckbrief, den ich ausdrucken, handschriftlich ausfüllen, wieder einscannen und zurückschicken sollte. Noch dazu muss ich ihn aber auch im Original mitbringen. Darauf wurden sämtliche Informationen abgefragt, die für den Abend wichtig sein könnten: Ob ich Epileptiker bin oder anderweitig relevante Krankheiten habe. Wie meine Vorlieben sind und was ich zu meinen harten Tabus zähle. Außerdem sollten Dinge, wie besonders erogene Zonen, benannt werden, ob ich kitzelig bin oder Nahrungsmittelunverträglichkeiten habe. Ein bisschen kam ich mir beim Ausfüllen vor, als müsste ich in eine psychiatrische Anstalt.

»Worauf habe ich mich da nur eingelassen?«, frage ich mich selbst und reibe mir unsicher über die Schläfen, während ich den Zettel zurück in meinen Rucksack stecke.

›Es wird schon nichts passieren. Für den absoluten Notfall hast du dein Codewort und dann gehst du einfach wieder nach Hause.‹

*

Dieses Mal bin ich auf dem Weg ins Beautiful Agony noch viel aufgeregter, als ich es bei meinem ersten Besuch war. Verrückt, oder? Aber schlechter als damals kann es ja kaum werden.

Während ich auf die Klingel drücke, freue ich mich darauf, Marko, den netten Security, wiederzusehen. Als ich letztens rausging, haben wir uns noch sehr gut unterhalten, wenn auch nur kurz, denn dann motzte ihn der Portier an, dass er nicht fürs Quatschen bezahlt werde (und das, obwohl gar nichts zu tun war). Wahrscheinlich war der Alte einfach angepisst, weil er mir auf Björns Befehl mein Geld zurückgeben musste, ungeachtet der Tatsache, dass ich bereits eine Stunde über dem erlaubten Zeitraum war.