Was wir werden - Band 1 - Brothers - Akira Arenth - E-Book

Was wir werden - Band 1 - Brothers E-Book

Akira Arenth

0,0
3,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Was wir werden - Band 1 - Brothers. Genre: Gay Romance / Hot Bromance / coming out Print 230 Seiten. Berlin in den 90ern, ein heruntergekommener Plattenbau irgendwo in Neukölln. Die kleine, staubige Wohnung stinkt nach Rauch. Wein- und Bierflaschen liegen in den Ecken und der Müll türmt sich auf den Ablagen. Der Fernseher läuft beinahe rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Inmitten dieser Trostlosigkeit leben der sechzehnjährige Joshua und sein drei Jahre jüngerer Halbbruder Rohan zusammen mit ihrer Mutter, die bereits als Teenager schwanger wurde. Partys und ihre häufig wechselnden Partner sind ihr wichtiger als ihre Söhne und immer mehr verfällt sie ihrer Sucht nach Alkohol. Joshua möchte diesem kulturlosen Elend entfliehen und tut alles dafür, um in der Schule der Beste zu sein. Rohan hingegen übernimmt immer mehr die Angewohnheiten seiner Mutter, was Joshua mit aller Macht verhindern möchte. Er versucht, seinem über alles geliebten, rebellischen Bruder einige Regeln und Werte beizubringen, doch der kleine Chaot macht es ihm nicht leicht. Als dann auch noch herauskommt, dass Rohan auf Jungs steht, gerät sein Leben völlig aus den Fugen aus den Fugen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Klappentext
Impressum
Kapitel 1 - Reine Übungssache
Kapitel 2 - Spießrutenlauf
Kapitel 3 - Die erste Liebe
Kapitel 4 - Schutzpatron
Kapitel 5 - Neue Möglichkeiten
Infos, signierte Prints und kostenlose Ebooks

Klappentext

Genre: Gay Romance / coming of age / coming out.

 

Berlin in den 90ern, ein heruntergekommener Plattenbau irgendwo in Neukölln. Die kleine, staubige Wohnung stinkt nach Rauch. Wein- und Bierflaschen liegen in den Ecken und der Müll türmt sich auf den Ablagen. Der Fernseher läuft beinahe rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Inmitten dieser Trostlosigkeit leben der sechzehnjährige Joshua und sein drei Jahre jüngerer Halbbruder Rohan zusammen mit ihrer Mutter Karin, die bereits als Teenager schwanger wurde. Partys und ihre häufig wechselnden Partner sind ihr wichtiger als ihre Söhne und immer mehr verfällt sie ihrer Sucht nach Alkohol. Joshua möchte diesem kulturlosen Elend entfliehen und tut alles dafür, um in der Schule der Beste zu sein. Rohan hingegen übernimmt immer mehr die Angewohnheiten seiner Mutter, was sein Bruder mit aller Macht verhindern möchte. Er versucht, dem über alles geliebten, rebellischen Bruder einige Regeln und Werte beizubringen, doch der kleine Chaot macht es ihm alles andere als leicht. Als dann auch noch herauskommt, dass Rohan auf Jungs steht, gerät alles aus den Fugen.

Impressum

 

Was wir werden – Band 1 – Brothers

Coming of Age / Gay Romance / Contemporary

ISBN: 9798566446592

 

Autor: © Akira Arenth

Autorenhomepage: www.akira-arenth.com

E-Mail: [email protected]

Deutschland-Vertrieb für Akira Arenth:

S. Walther, Giebelweg 9, 15366 Hoppegarten

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Autors! Die Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt! Außerdem haben die Figuren dieses Buches ungeschützten Sex, denn sie sind fiktiv und brauchen sich keinen Kopf um Krankheiten oder Verhütung machen. Im echten Leben ist das etwas anderes, also immer brav schützen!

 

Coverartwork, Layout und Umschlaggestaltung:

Kira Yakuza (www.the-art-of-kira.de)

E-Mail: [email protected]

 

Lektorat: Steffi Thorstadt

Beta Leser: Kathrin S., Hedwig S., John T.

Ebooks von Akira Arenth dürfen weder vollständig noch auszugsweise weitergeleitet, verliehen oder im Internet hochgeladen werden. Um den Lesekomfort nicht zu beeinträchtigen und die Benutzung des Ebooks so einfach wie möglich zu machen, verzichten wir auf DRM. Allerdings lassen wir alle unsere Titel über die CounterFights Anti-Piracy Organisation schützen, sodass, sollte ein Buch doch widerrechtlich weitergegeben werden oder in einer Tauschbörse auftauchen, automatisch Abmahnungen und rechtliche Konsequenzen folgen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akira Arenth

Kapitel 1 - Reine Übungssache

 

An einem grauen, verregneten Märznachmittag, waberten dichte Wolken am Himmel über Berlin und ließen das triste Wohnviertel noch farbloser erscheinen, als es ohnehin schon war.

In der kleinen Vierzimmerwohnung des alten Plattenbaus sah es nicht besser aus. Zigarettenqualm hing in der Luft. Die hauptsächlich ockerfarbene Einrichtung aus dem Sozialkaufhaus war unvergleichlich kontrastarm und die vergilbten, speckigen Blümchentapeten wölbten sich über dem Putz, denn der war das Einzige, was in diesen Räumen erblühte. Nein, nicht ganz das Einzige! Ein kleiner, hartnäckig am Leben hängender Kaktus stand auf dem Fensterbrett der Einbauküche und ließ just in dieser Sekunde eine winzige Blüte auf seinem stacheligen Kopf aufploppen, nur leider interessierte sich niemand für ihn. Als einsamer, immergrüner Krieger und letzter Überlebender einer Legion von Baumarktsupersonderschnäppchen war er das jedoch gewohnt und sonnte sich einfach nur in seiner floralen Wonne.

Aus dem Zimmer von Rohan, dem jüngsten Spross der Familie, dröhnte hingegen düstere Begleitmusik zu grunzenden Stimmen, die alles andere als wonnig zu sein schienen. Zu hören war die neueste Sampler-CD aus dem Orkus, einem Musikmagazin, das monatlich erschien und inzwischen eine Art Pflichtlektüre für ihn war. Die Bässe wummerten so laut, dass sogar das grelle Schrillen der Türklingel darin unterging. Rohan hatte sich mal wieder den ganzen Sonntag in seinem Zimmer verschanzt, was in letzter Zeit ziemlich häufig vorkam. Mit dreizehn begeisterte er sich immer mehr für die Gothic- und Punkrock-Szene und steckte bereits mitten in der Pubertät. Zur Zeit war er in einer ganz besonders bockigen Phase, zog sich eigentlich nur noch in sein verdunkeltes Zimmer zurück und ließ die Welt teilnahmslos an sich vorbeiziehen.

Joshua, sein drei Jahre älterer, ungewöhnlich erwachsen wirkender Halbbruder, der gegensätzlicher kaum sein konnte, saß in zerschlissenen Bluejeans, einem Bandshirt und seiner obligatorischen Weste, die vollkommen mit Buttons überladen war, im Wohnzimmer lernend auf der Couch. So wie immer. Griechische Geschichte, hochinteressant, dennoch schaffte er es kaum, sich all die abstrusen Namen zu merken, weshalb er sich gerade die fransig geschnittenen, aschblonden Haare raufte, welche von blauen Strähnen durchzogen wurden. Sein Style war etwas lumpig, aber sauber. Stil im Stillosen, so nannte er es.

Ihre gemeinsame Mutter, Karin Winter, selbst gerade mal dreißig, stand in der Küche, telefonierte lauthals, fuchtelte dabei mit ihrer Kippe herum und schmiss zwischendurch alles in den Kochtopf, was so im Kühlschrank übrig geblieben war. Ihre dünnen, extrem blondierten, gekreppten Haare flogen bei jeder ihrer Bewegungen wie Spinnenweben umher und auch die modischen, bunten Schnullerketten um ihren Hals schwangen dabei mit. Aufgrund ihrer schlaksigen Figur, den stets bauchfreien, neonfarbenen Spaghettiträgertops und den angesagten Sackhosen hätte man sie im Vorbeigehen beinahe für eine Sechzehnjährige halten können, doch ihre beiden Schwangerschaften und die langjährige Kettenraucherei hatten ihren Körper sichtbar gezeichnet. Ihr knalliges Make-up, mit dem hellblauen Lidschatten und den braun umrandeten Lippen, ließ sie zusätzlich älter wirken, nur ihre hübsche Stupsnase und die großen, grünen Augen waren nach wie vor ein Hingucker.

Als es zum dritten Mal schellte, saugte sie die letzten Abgase des Glimmstängels tief in ihre Lunge und drückte die Kippe dann im Aschenbecher aus, der gleich neben der Butter stand. Schon während sie ausatmete, brüllte sie nach ihrem ältesten Sohn, um die Musik des jüngeren zu übertönen.

»Josh! Bist du taub? Da ist jemand an der Tür! Mach endlich auf und guck nach, wer da ist!«

Joshua warf knurrend sein Geschichtsbuch auf den Tisch, verfluchte sein Leben, so wie jeden Tag, erhob sich jedoch und ging schließlich zur Wohnungstür, an der inzwischen jemand auch noch energisch klopfte.

›Vielleicht ist es ja wieder der Gerichtsvollzieher‹, dachte er sich und schöpfte Hoffnung. ›Wenn der jetzt endlich einen Haftbefehl dabei hat und sie mitnimmt, bringe ich ihn tanzend in die Küche!‹

Als er die Tür öffnete, musste er jedoch enttäuscht feststellen, dass dahinter kein feist grinsender Polizist mit Handschellen wedelte und auch kein verlängerter Arm des Gerichts stand, sondern nur ein großer, drahtiger Punk. Dieser schien etwas älter zu sein als er selbst, allerdings ließ sein Äußeres nicht darauf schließen, dass er reifer oder erwachsener war. Den Kerl zierten blau-orange gefärbte Haare, die ihm in unordentlichen Stacheln vom Kopf abstanden, dazu schmückte eine Menge alter Festivaleintrittsbänder seine Arme. Er stank nach Ratte und Gras, seine Kleidung war zerrissen und mit Flicken und Nieten übersät. Trotz alledem hatte er ein sehr charismatisches Lächeln, als er salopp »Hi!« sagte.

In diesem Augenblick erkannte Josh den Kerl. Er gehörte zu der Gruppe von jugendlichen Obdachlosen am U-Bahnhof, in der Nähe seiner Schule, die immer lautstark durch die Gegend grölten, überall ihren Müll liegen ließen und jeden anbettelten, der an ihnen vorbeilief. Und obwohl selbst ein Punk, mochte Josh dieses Gesocks nicht und ahnte natürlich, dass der Typ nicht wegen ihm die Treppen hochgeschlurft war.

Am liebsten hätte er ihm mit Schwung das Eingangsbrett vor der Nase zugeknallt. Stattdessen riss er sich zusammen und fragte gereizt: »Was willst du? Bei uns gibts nichts zu schnorren!«

»Sehr witzig«, antwortete sein Gegenüber lässig, wenn auch mit ungewöhnlich kratziger Stimme, und zog die Nase hoch. »Ich will zu Roi. Der wohnt doch hier oder nicht?«

»Ja«, grollte Josh und mochte sich am liebsten in den Hintern beißen, dass er überhaupt aufgestanden war, doch nun fühlte er sich in der Pflicht, seinem Bruder Bescheid zu geben. »Warte hier!«, befahl er deshalb kurz angebunden und knallte die Tür wieder zu.

»War es der Paketmann?«, hakte Karin aus der Küche rufend nach und lugte dann neugierig um die Ecke. »Ich warte immer noch auf meine neuen Ohrringe!«

Josh sah seine Mutter nur genervt an und hob die Hände. »Siehst du hier irgendwo ein Päckchen?«

Sie rümpfte die Nase. »Kein Grund, gleich so pampig zu werden, junger Mann!«

»Verzeihung«, maulte er zähneknirschend. Normalerweise war er nicht so unhöflich zu ihr, aber sie hatte bereits drei Schubfächer voll mit Schmuck, und ihre beinahe wöchentlichen Bestellungen über den Teleshoppingkanal waren der Hauptgrund für die ständigen Besuche der Gerichtsvollzieher. »Es ist nur wieder irgend so ein ... Bekannter von Roi«, klärte er sie schließlich auf und Karin schielte interessiert zur Eingangstür.

»Oh, ist er süß? Hol ihn doch rein!«

»Nein!«, schnaubte er und ging kopfschüttelnd an ihr vorbei zum Zimmer seines kleinen Bruders. Anklopfen konnte er sich sparen, denn der Krach übertönte es so oder so. Also riss er einfach die Tür auf, hielt die Luft an und stapfte in den nach Opiumräucherstäbchen stinkenden Raum. Ein einziger, spärlicher Lichtstrahl bahnte sich seinen Weg durch ein Loch in der Decke, die, provisorisch eingeklemmt, vor dem Fenster hing, doch Josh kannte den Weg zu Rohans Musikanlage und drückte schwungvoll auf den Aus-Knopf.

»Ey! Mach das wieder an!«, kam prompt der Protest seines Bruders, begleitet von einem entrüsteten Faustschlag auf den spröden PVC-Belag, der dadurch brüchig knackte.

Josh sah ihn erst gar nicht, denn mit seinem schwarzen Kilt und dem ebenso schwarzen Netzhemd verschmolz Rohan förmlich mit der finsteren Umgebung, zumal auch seine Hautfarbe durch die Gene seines Vaters etwas dunkler war. Doch dann entdeckte Joshua ihn vor dem Bett auf dem Boden sitzend, inmitten von Bergen aus Papier, Comics, Büchern, Schreibheften und Stiften. Seine Gitarre lag neben ihm, auf dem Schoß ein Notizheft und in der Hand hielt er einen Füller. Die schwarzen Haare hingen ihm in schweren Wellen bis zur Mitte des Bauches und seine mit Kajal umrandeten Augen, durch eine Iris-Heterochromie links grün und rechts braun, funkelten Joshua feindlich an.

Dieser wollte gerade zu einer Rede ansetzen, atmete tief ein und bereute es sogleich, denn der konzentrierte Duftrauch, der fast noch beißender war als der Zigarettenqualm ihrer Mutter, ließ ihn sofort husten. Erst als ihm sein Bruder wortlos und mit der Zunge schnalzend eine Flasche Wasser reichte, beruhigte sich sein Hals und er konnte wieder halbwegs sprechen.

»Wie kannst du in dieser Dunkelheit schreiben? Du machst dir noch völlig die Augen kaputt!« Doch sein fürsorgliches Schimpfen quittierte Rohan mit einem Prusten.

»Pah! Ich sehe so scharf wie ein Adler!«, konterte er direkt und hob die Stupsnase. »Was willst du? Du bist doch sicher nicht gekommen, um mir zu sagen, dass ich ’ne Lampe anmachen soll!«

»Nein.« Josh schüttelte den Kopf und hustete erneut, ehe er sich sein T-Shirt über die Nase zog. »Da steht so ein ... stinkender Penner vor der Tür ... der zu dir will. Schick ihn weg, wir essen gleich!«

Rohans Augen weiteten sich, dann sprang er beinahe panisch auf und rannte barfuß über den Flur zur Wohnungstür. Hastig riss er diese auf und mit einem jubelnden »Mischa!?« begrüßte er den Punk mit einem stürmischen Kuss auf den Mund.

»Hi Princess«, erwiderte der Besucher mit anzüglich rauchiger Stimme, lachte und umschlang seinen deutlich kleineren Freund mit beiden Armen.

Josh beobachtete die Szene vom Flur aus und kochte innerlich, als er sah, wie sich sein Bruder von dem jungen Mann die Zunge in den Hals stecken ließ. Ja, Rohan hatte gerade eine homosexuelle Phase, probierte sich aus und schien seine weibliche Seite entdecken zu wollen, aber das ging für Josh bereits viel zu weit. Nicht, dass er eifersüchtig gewesen wäre oder selber mit diesem langen Stinker herumknutschen wollte! Nein! Doch davon mal abgesehen, es wurmte ihn immens, dass ihm der kleine Satansbraten in so gut wie allen Dingen einen Schritt voraus war, und ihm platzte der Kragen, wenn er es so unter die Nase gerieben bekam. Josh hatte nämlich noch nie einen Zungenkuss erlebt, was ganz sicher nicht daran lag, dass er zu hässlich oder unförmig gewesen wäre. Im Gegenteil. Mit seiner freundlichen Art und den unwiderstehlich stahlblauen Augen war er sogar durchaus begehrt bei den Mädchen, aber bisher hatte er sich einfach noch nicht getraut, eine zu küssen. Für Rohan hingegen schienen die Wörtchen Scham und Zurückhaltung überhaupt keine Bedeutung zu haben.

Als sich sein Bruder bereits die Stiefel anzog und seinen Mantel holen ging, um mit dem Eindringling zu verduften, stapfte Josh wütend in die Küche und herrschte seine Mutter an. Die rührte schon wieder in ihrem Topf herum und quasselte dabei weiter mit ihrer Freundin.

»Mum!! Könntest du Roi bitte verbieten, dass er mit solchen Typen rumhängt?«

Nachdem sie erneut einen flüchtigen Blick in den Flur geworfen hatte, zuckte sie jedoch nur mit den Schultern. »Deine Freunde sehen doch auch nicht besser aus und du übrigens auch nicht. Also -«

»Aber der Kerl ist fast doppelt so alt wie er!« Josh stampfte mit dem Fuß auf. »Außerdem besteht ja wohl ein riesengroßer Unterschied zwischen diesem Asi und mir!«

Seine Mutter stöhnte und legte den Hörer an ihre Brust. »Josh, ich will hier in Ruhe telefonieren! Jetzt hör auf, mich zu nerven!«, wehrte sie ab, entschuldigte sich bei ihrer Freundin am anderen Ende und drehte sich weg. So reagierte sie immer, wenn sie keine Lust hatte, für irgendetwas die Verantwortung zu übernehmen. Außerdem würde ihr Lover bald vorbeikommen, deshalb war ihr der Gedanke sogar ganz recht, dass der kleine Störenfried außer Haus ging.

Josh gab jedoch nicht auf, zog sie an der Schulter wieder zu sich und protestierte erneut: »Roi schreibt morgen einen Physiktest, für den er noch nicht eine Sekunde gelernt hat, und nur so nebenbei: Es ist bereits halb acht! Er sollte jetzt nicht mehr rausgehen!«

Karin ignorierte völlig, dass ihr älterer Sohn besser über die schulischen Pflichten ihres Jüngsten Bescheid wusste als sie selbst, und winkte nur mit einem »Meine Güte, sag ihm doch, was du willst« ab. Darauf lief es eigentlich immer hinaus.

Josh kehrte in den Flur zurück, gerade noch rechtzeitig, ehe die beiden wortlos verschwinden konnten, und hielt seinen Bruder auf. »Halt! Hast du nicht was vergessen?«

»Was denn?«, motzte dieser aufsässig und legte den Kopf in den Nacken.

»Deine Schulsachen!? Falls du dich erinnerst, du schreibst morgen einen sehr wichtigen Physiktest und musst dafür noch lernen!«

»Er kann auch mit mir lernen«, mischte sich Mischa mit einem selbstgefälligen Grinsen ein und Joshuas Anspannung stieg. Wie gern hätte er dem Typ einfach eine reingehauen und ihn angebrüllt, er solle sich von seinem Bruder fernhalten, aber wenn ihre Mutter schon kein Vorbild war, wollte er wenigstens eines sein.

»Mann! Dann hol ich den Mist eben und nehm’ ihn mit«, erwiderte Rohan fuchtig, löste aber bereitwillig seine Hand aus der von Mischa, um noch einmal in sein Zimmer zu gehen. Josh nutzte den Augenblick der Zweisamkeit mit dem ungebetenen Gast, doch in Anbetracht seiner körperlichen Unterlegenheit blieb er notgedrungen freundlich und versuchte, halbwegs vernünftig auf den großen Kerl einzureden.

»Es tut mir echt leid, aber ich kann Roi nicht mit dir gehen lassen«, zischte er ihm leise zu. »Ich glaube, bei dir ist er dann doch zu sehr abgelenkt, und außerdem ist dir sicher bewusst, dass er minderjährig ist, oder? Falls du es nicht weißt: Schon ein Zungenkuss, so wie der eben, gilt in dem Fall als sexueller Missbrauch und ist damit strafbar. Gehst du jetzt also freiwillig und tauchst hier nie wieder auf oder soll dich unsere Mutter gleich anzeigen?«

Der Punk starrte ihn erst etwas perplex, dann ziemlich böse an, zog die Nase hoch und schlotzte auf den Teppich, direkt vor Joshs Füße. Danach drehte er sich jedoch wortlos um und verschwand im Treppenhaus.

»Wie unkultiviert ...«, kommentierte Josh, schloss die Tür und ging dann ins Zimmer des Halbstarken, der nichts vom Rauswurf seines vermeintlichen Liebhabers mitbekommen hatte und gerade den fertig gepackten Rucksack aufsetzte.

»Den kannst du gleich wieder ausräumen.«

»Wieso?«, fragte Rohan entgeistert.

»Dieser Spacko hat einen Anruf von ... seiner Freundin bekommen und ist ohne dich los.«

»Was?« Völlig entsetzt starrte Rohan ihn an. Josh hasste es, zu lügen, aber er wollte noch mit ihm lernen und das konnte er vergessen, wenn er ihm beichtete, dass er gerade seinen Schwarm bedroht und für immer der Wohnung verwiesen hatte.

Plötzlich schimmerten Rohans Augen feucht und keine Sekunde später begann er zu schluchzen: »Aber ... aber wir ... er wollte doch ... Maaaahaann ...« Er schmiss sich aufs Bett und heulte los. Josh konnte sich schon denken, was die beiden vorhatten, und erschauderte kurz, freute sich dann aber innerlich nur umso mehr über seinen kleinen Sieg.

»Hey, Zombie ... nicht weinen«, tröstete er verständnisvoll und nahm den Rabauken in den Arm, denn irgendwie tat er ihm doch leid. Rohan klammerte sich sofort an seinen Bruder und Josh strich beruhigend über dessen Rücken, bevor er sich mit ihm zusammen rücklings auf die Matratze sinken ließ. Josh hob Rohans Kopf sanft von seiner Schulter und sah ihm in seine schwarz verschmierten Augen.

»Was wolltet ihr denn so Wichtiges machen?« Die Frage war rein rhetorisch, denn er konnte sich die Antwort bereits denken. Rohan errötete sofort und versteckte sein Gesicht wieder an Joshs Hals, was die Sache nur noch eindeutiger machte.

»Nichts«, piepste er kläglich.

Josh kicherte. »Und wegen nichts weinst du?« Er pikste ihm in die Seite. »Ich weiß sehr gut, dass du kein Unschuldsengel bist, also komm schon, mir kannst du es doch verraten. Ich erzähle es auch niemandem weiter, versprochen!«

Rohan zögerte einen Moment, schniefte, doch dann drückte er sich ein Stück hoch und flüsterte ganz leise in Joshs Ohr: »Er wollte mir zeigen, was Rimming ist.«

Josh stockte, denn er musste selbst erst überlegen, wo er den Begriff schon mal gehört hatte und was dieser bedeutete. Doch schließlich erinnerte er sich daran, dass es letztens in einem der Schmuddelheftchen, die sein bester Freund Oliver immer von seinem Vater ausborgte, genau darum ging.

›Aber ... da ging ’s doch um Arschlecken!!!‹

Augenblicklich erstarrte er, während ihn ein angeekelter Schauer durchzog.

›Wusste ich es doch! Dieser pädophile Dreckspunk! Das ist sogar noch viel schlimmer als das, was ich mir vorgestellt hatte!‹

Er versuchte, sich schnellstmöglich wieder zu fassen, atmete trotz des anhaltenden Opiumgestanks im Zimmer tief durch und stützte sich seitlich auf. Dann strich er behutsam über Rohans Wange und redete ruhig und so einfühlsam wie machbar auf ihn ein: »Roi, sei froh, dass der Typ weg ist. Von so einem holst du dir nur alle möglichen Krankheiten! Rimming ist etwas extrem Intimes! So was solltest du nur mit jemandem tun, dem du absolut vertraust, den du liebst und bei dem du auch genau weißt, dass derjenige sich regelmäßig wäscht.«

Rohan war erstaunt, dass Josh nicht sofort auf die Barrikaden gegangen war, wie sonst bei diesem Thema.

»Ich weiß ja nicht mal, was genau das bedeutet. Aber er wollte es bei mir machen, nicht ich bei ihm! Er meinte nur, es würde sich super anfühlen!«

Zähneknirschend versuchte Josh sämtliche Beleidigungen hinunterzuschlucken, die ihm in diesem Moment für die Zecke einfielen. »Mag sein«, presste er schließlich mühsam beherrscht hervor, obwohl er ja selbst keine Ahnung davon hatte, »aber nicht mit dem!«

Rohan verdrehte die Augen. »Und wer wäre deiner Meinung nach dann besser geeignet? So viel Auswahl hab ich nämlich nicht!«

Josh wusste, dass er dem frühreifen Früchtchen derartige Gedanken nicht gänzlich ausreden konnte, also wollte er wenigstens versuchen, sie in die richtigen Bahnen zu lenken. »Wie wäre es denn für den Anfang mal mit ganz normalem Petting?«, begann er vorsichtig. »Taste dich doch erst mal an die Sache heran. Mit jemandem in deinem Alter!«

»Da gibt es aber niemanden!«, maulte Roi deprimiert und rollte sich auf den Bauch, um sein Kinn auf die Unterarme zu stützen.

»Was ist denn mit der kleinen Stefanie aus deiner Klasse? Oder dieses andere Mädchen ... ähm, wie hieß sie noch? Maria? Bei der warst du doch sogar schon mal zu Hause.«

Rohan stöhnte jedoch nur missmutig und vergrub sein Gesicht im Laken, ehe er abwehrend brummte: »Die sind mir alle zu blöd. Sie gackern die ganze Zeit herum wie Hühner, wollen mir die Haare flechten und ihr Prinzessinnen-Gehabe geht mir auch total auf die Nerven. Außerdem sind die viel zu schwammig. Maria hat schon zwei richtige Fettschürzen vorne.«

»Du meinst ... ihre Brüste?«, fragte Josh lachend nach und Rohan grinste, während er künstliche Würgegeräusche von sich gab und so tat, als würde er sich den Finger in den Hals stecken.

»Genau die. Voll eklig.« Er setzte sich auf und drückte spielerisch mit dem Zeigefinger in Joshs Brust. »So wie bei dir ist es perfekt! Da ist alles fest und nichts schwabbelt herum. Außerdem riechen Jungs tausendmal besser und ihre Stimmen schmerzen auch nicht so in meinen Ohren.«

»Danke für die Blumen, mein Kleiner.« Josh grinste gebauchmiezelt. »Aber nicht alle Mädchen sind nervig und kreischen den ganzen Tag herum. Außerdem gibt es auch flache Mädels, wenn du eher darauf stehst. Du bist doch noch viel zu jung, um dich jetzt schon nur auf Kerle festzulegen!«

Rohan setzte erneut ein bockiges Gesicht auf und zog seine Hand zurück. »Ich kann das nicht mehr hören! Ich bin nicht zu jung! Erst recht nicht, um zu wissen, was ich gut finde und was nicht!« Plötzlich schniefte er wieder und sogar seine Unterlippe begann zu zittern. »Sag doch einfach, dass du mich nicht mehr lieb hast, wenn ich auf Jungs stehe!«

»Ooooch Zombieleeeeein!« Josh schüttelte kichernd den Kopf und zog ihn mitleidig an sich heran. »Ich werde dich immer lieben und das wird sich auch niemals ändern! Außerdem bist du viel zu niedlich, als dass man dich verstoßen könnte, vor allem, wenn du den Schmollmops machst.« Dabei wubbelte er über Rohans Bäckchen und gab ihm sogar noch einen Knutscher auf die Nase, doch ehe dieser etwas darauf erwidern konnte, keifte ihre Mutter durch den Flur:

»Joshua! Deck den Tisch! Essen ist fertig!«

Josh seufzte und ließ seinen Bruder los, aber als er aufstehen wollte, hielt Roi ihn fest und gab ihm einen zaghaften Kuss auf die Wange. »Danke«, flüsterte er dabei kleinlaut.

»Wofür?«, fragte Josh perplex.

»Ach ... einfach nur, weil du so bist ... wie du bist.«

»Hm. Gern.«

Wieder einmal realisierte Josh, wie sehr er diesen kleinen, chaotischen Fratz liebte.

***

Das Essen sah aus wie Mülleimer a la carte. Dazu köpfte Karin ihre zweite Flasche Sekt an diesem Tag und schaltete eine Talkshow zum Thema - Silikon ist mein Leben - ein.

Rohan stocherte lustlos in der unappetitlichen, braun-gelben Masse herum und auch Josh war irgendwie der Hunger vergangen. Ihre Mutter schob sich hingegen einen Löffel nach dem anderen in den Mund, wobei sie derart von der Glotze hypnotisiert war, dass sie den Geschmack nicht zu bemerken schien.

Plötzlich schrillte die Klingel erneut.

Josh zuckte zusammen und befürchtete sofort, dass dieser Mischa doch noch nicht aufgegeben hatte. Er sprang auf, ehe es sein Bruder tun konnte, und lief zur Tür, welche er schwungvoll aufriss. Diesmal war es jedoch ein dünner Mann mittleren Alters, der davorstand. Dieser glotzte ihn aus eingefallenen, kleinen Augen an, trug eine moderne Jeans, eine Lederweste und schien krampfhaft lässig wirken zu wollen.

»Tach’, Kleener«, grüßte er leutselig und verteilte dabei großzügig Biergeruch. »Is’ Karin da?«

Josh erwiderte nichts, nickte nur und rief seine Mutter beim Vornamen, denn sie hatte ihm eingetrichtert, dass er sie in Gegenwart ihrer Lover auf keinen Fall Mama nennen durfte. Josh vermutete, dass sie sich dadurch alt vorkam, aber genau wusste er es nicht.

Karin ließ den Rest ihres Essens stehen und rappelte sich auf. Sie sah kurz um die Ecke und warf dem Kerl ein Luftküsschen zu. »Hi Gerhardt, du bist ja schon da? Warte kurz, ich bin gleich fertig, dann können wir los!« Dabei hüpfte sie bereits vor den Flurspiegel, gab ihren Lippen eine weitere Schicht Farbe und gönnte sich eine Parfümdusche.

»Wir könn’ doch och hier bleim’?«, schlug ihr Lover vor und machte Anstalten, sich die Turnschuhe auszuziehen, was Josh missbilligend beobachtete. Doch Karin schlüpfte schon in ihre gelben Pumps, zog eine pinkfarbene Kunstlederjacke über und nahm ihre kleine Handtasche aus gleichfarbigem Lack.

»Ne ne, lass uns mal gleich in die Bar fahren! Die Jungs müssen lernen und brauchen ihre Ruhe.«

Josh schnaufte verächtlich. Wirklich toll, dass sie sich immer nur dann an solche Dinge erinnerte, wenn sie ihren Nutzen daraus ziehen konnte. Doch ihr Neuer setzte noch einen drauf.

»Ach Zuckerpüppi, das is’ echt so rücksichtsvoll von dir!« Und das meinte er vollkommen ernst. Er zog sie in seine Arme und gab ihr einen geräuschvollen Kuss, ehe er sich noch einmal zu Josh drehte. »Nich’ viele ham so ’ne fürsorgliche Schwester, da solltet ihr echt dankbar sein!«

›Schwester?‹ Josh blieb beinahe der Mund offen stehen. ›Deshalb also die Anrede mit dem Vornamen.‹

»Na komm, wir sollten los!«, drängte Karin und lachte dabei so künstlich, dass sie sich anhörte wie eine Katze, die ein Fellknäuel hochwürgt. Offenbar hatte sie jetzt Angst, dass ihr Sohn sie verpfiff.

»Jo.

---ENDE DER LESEPROBE---