Herr Holle - Ein etwas anderes Wintermärchen - Akira Arenth - E-Book

Herr Holle - Ein etwas anderes Wintermärchen E-Book

Akira Arenth

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Beschreibung

Herr Holle - Ein etwas anderes Wintermärchen Print 160 Seiten - Gay Fantasy Fairytale Romance Wer kennt es nicht, das schöne Wintermärchen von Frau Holle, welche unerwarteten Besuch von der fleißigen Goldmarie bekommt, der kurz darauf ihre weniger emsige Konkurrentin folgt? Melvin und Memphis! Die beiden ungleichen Zwillinge haben keinen blassen Schimmer von dieser Geschichte und so können sie auch nicht wissen, dass die gute Frau Holle, die ja schon zu Zeiten der Maries eine alte Lady war, inzwischen im Ruhestand ist und ihre Rente auf Tahiti versäuft. An ihrer Stelle hat jetzt ihr Sohn Hardo (der Harte) Holle die Kontrolle über die mächtigen Flockenkissen und nimmt seit Jahrzehnten einen Goldsuchti nach dem nächsten in seinen Dienst. Als der ahnungslose Melvin durch eine unglückliche Verkettung von Umständen ebenfalls in Hardos Finger gerät, kann der Schneeexperte kaum fassen, dass doch noch einmal ein Unwissender sein Reich betritt. Alles läuft wie geschmiert. Melvin ist zwar ein kleiner Schisser, aber durchaus nett und fleißig und verdient sich so eine goldene Boxershorts. Als dann jedoch sein neidischer Zockerbruder Memphis auftaucht, geht ein Unwetter in Holles Gefühlswelt los, denn mit Memphis bekommt er einen Kotzbrocken-Pechboy ins Haus, der nicht nur Federn fliegen lässt ...

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Impressum
Klappentext
Kapitel 1 - Melvin - Der Goldjunge kommt
Kapitel 2 - Memphis - Ein Pechboy im Himmel
Kapitel 3 - Hardo - Irren ist göttlich
Extra: Herr Holle in Versen
Infos, signierte Prints und kostenlose E-Books

Impressum

 

„Herr Holle“ – Ein etwas anderes Wintermärchen

Gay Romance

ISBN: 9798577667696

 

Autor: © Akira Arenth

Autorenhomepage: www.akira-arenth.com

E-Mail: [email protected]

Deutschland-Vertrieb für Akira Arenth:

S. Walther, Giebelweg 9, 15366 Hoppegarten

 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Autors! Die Geschichte ist frei erfunden. Ähnlichkeiten mit real existierenden Personen wären rein zufällig und nicht beabsichtigt! Außerdem haben die Figuren dieses Buches ungeschützten Sex, denn sie sind fiktiv und brauchen sich keinen Kopf um Krankheiten oder Verhütung machen. Im echten Leben ist das etwas anderes, also immer brav schützen!

 

Coverartwork, Layout und Umschlaggestaltung:

Kira Yakuza (www.the-art-of-kira.de)

E-Mail: [email protected]

 

Lektorat: Steffi Thorstadt

Beta Leser: Kathrin S., Hedwig S., John T.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akira Arenth

Klappentext

 

Wer kennt es nicht, das schöne Wintermärchen von Frau Holle, welche unerwarteten Besuch von der fleißigen Goldmarie bekommt, der kurz darauf ihre weniger emsige Konkurrentin folgt? Melvin und Memphis! Die beiden ungleichen Zwillinge haben keinen blassen Schimmer von dieser Geschichte und so können sie auch nicht wissen, dass die gute Frau Holle, die ja schon zu Zeiten der Maries eine alte Lady war, inzwischen im Ruhestand ist und ihre Rente auf Tahiti versäuft. An ihrer Stelle hat jetzt ihr Sohn Hardo (der Harte) Holle die Kontrolle über die mächtigen Flockenkissen und nimmt seit Jahrzehnten einen Goldsuchti nach dem nächsten in seinen Dienst. Als der ahnungslose Melvin durch eine unglückliche Verkettung von Umständen ebenfalls in Hardos Finger gerät, kann der Schneeexperte kaum fassen, dass doch noch einmal ein Unwissender sein Reich betritt. Alles läuft wie geschmiert. Melvin ist zwar ein kleiner Schisser, aber durchaus nett und fleißig und verdient sich so eine goldene Boxershorts. Als dann jedoch sein neidischer Zockerbruder Memphis auftaucht, geht ein Unwetter in Holles Gefühlswelt los, denn mit Memphis bekommt er einen Kotzbrocken-Pechboy ins Haus, der nicht nur Federn fliegen lässt ...

INHALT

 

 

Kapitel 1 - Melvin 007

Der Goldjunge kommt

 

Kapitel 2 - Memphis 077

Ein Pechboy im Himmel

 

Kapitel 3 - Hardo 129

Irren ist göttlich

 

Extra: Herr Holle in Versen 150

von Wilhelmine Blatt

 

Infos & Free Books 160

 

 

 

 

Es war einmal ein frommer Mann,

ein Goldjung’, ganz charmant,

der hüpfte durch den Wald und sang

erquicklich und entspannt.

Nur zarte achtzehn Jahr er war

und allzeit frohen Mutes,

mit ’nem Gemüt so sonnenklar

und tat nur immer Gutes.

Das Märchen, das beginnt mit ihm

und seiner langen Reise,

doch ihr habt’s sicher im Urin:

Bald sitzt er in der Sch****.

 

Kapitel 1 - Melvin - Der Goldjunge kommt

 

Der Zug ruckelt unsanft, als er weiterfährt, doch kaum hat er den Bahnhof verlassen, geht das Gerüttel in ein gleichmäßiges, beinahe sanftes Geschuckel über.

Seufzend schließe ich die Galerie meines Handys, nachdem ich mir zum hundertsten Mal die Fotos von Mario angesehen habe sowie die von Steve und Ludwig und die von Udo ganz besonders. Der Hübschi hat sich nämlich gerade erst ein Anal bleaching machen lassen und uns allen das Ergebnis präsentiert.

›Hach. Sechs Wochen nur noch Camchat ... ob ich das durchhalte?‹

Auf jeden Fall werd ich sie arg vermissen, meine Blowbuddies. Aber es ist ja nicht für immer.

Ich lehne mich zurück, stelle mir jedoch zuvor den Wecker auf meinem Handy, um die Ankunft nicht zu verschlafen, sollte ich einnicken.

Die Umgebung wird immer ländlicher. Es sind fast nur noch Felder und Bäume zu sehen, wie ich beim Blick aus dem Fenster feststellen kann. Nervös tippe ich auf der winzigen Ablage in der Mitte meiner leeren Vierersitzgruppe herum, wechsle zum hundertsten Mal den Überschlag meiner Beine und streiche mir dann die goldblonden Haare hinters Ohr, ehe ich erneut das Handy heraushole und den Messenger checke.

›Oh Mann ... nur noch eine Station und nach wie vor kein Lebenszeichen!‹

Schnell stecke ich es zurück in die Jackentasche und reibe mir die schwitzigen Hände an meiner hellblauen Jeans trocken, während ich tief durchatme.

›Hoffentlich denken sie daran, dass ich heute komme.‹

Gleich darauf schäme ich mich dafür, dass ich ihnen zutraue, mich vergessen zu haben.

›Sie stehen sicher schon am Bahnhof! Mama hat ja noch am Mittwoch mit Papa telefoniert! Wahrscheinlich haben sie einfach gerade keinen Empfang ... seit drei Tagen.‹

Ich schüttle den Kopf und versuche, alle negativen Gedanken loszuwerden.

›Nein, nein, es wird alles ganz großartig! Sie werden mir sicher bereits zuwinken, wenn der Zug am Bahnhof einfährt, und sobald wir uns gegenüberstehen, umarmen wir uns und es wird sein, als wären wir niemals voneinander getrennt gewesen!‹ Zumindest hoffe ich das.

Ich bin auf dem Weg zu meinem Vater und meinem Zwillingsbruder Memphis, die ich beide seit Jahren nicht mehr gesehen habe. Mama hat mir gesagt, dass mein Bruder auf Metalmusik steht, drum schwenkt mein Blick immer wieder stolz auf den glitzernden Ed Hardy Totenkopfpullover, den ich für ihn als kleines Mitbringsel besorgt habe. Für Paps habe ich noch am Bahnhof ein hübsches Geschenkset mit Duftcremchen und Eau de Toilette Wässerchen gekauft, das ich ihm direkt ins Gesicht drücken werde, wenn ich ihn sehe.

Ich freue mich auf die zwei, aber ich bin auch supernervös. Meine Eltern sind leider getrennte Wege gegangen, als meine Großeltern väterlicherseits verstarben und ihrem Sohn ihr Haus samt Grundstück auf dem Land vererbten. Er packte sofort seine Sachen und zog ohne Diskussion dorthin, doch meine Mutter wollte in unserer Stadtwohnung bleiben. Genau wie ich liebt sie den Trubel und die vielen Menschen um sich herum und konnte sich nicht vorstellen, ihre Zukunft in einer solchen Einöde zu verbringen, wie sie es nannte. Mein Vater hingegen war schon immer eher ein Eigenbrötler und nach der Scheidung bekam er über das Gericht auch meinen Bruder zugesprochen, der in unserer damaligen Schule eh große Probleme hatte, Anschluss zu finden.

Als Mama einen neuen Mann kennenlernte, brach mein Vater einfach den Kontakt zu uns ab. Sie kämpfte lange, um Memphis wieder zu uns zu holen, doch letztendlich entschied das Gericht, er sei bei ihrem Exmann besser aufgehoben, da ihr Einkommen nicht für zwei Kinder ausreichte. Zwar erhielt sie ein Umgangsrecht, doch für regelmäßige Fahrten in den fast sechshundert Kilometer entfernten Ort fehlte ihr einfach das Geld.

Nun aber hatte sie entschieden, dass ich dieses Jahr, kurz nach meinem achtzehnten Geburtstag, erstmals reif genug dafür bin, in den letzten Ferien vor Studienbeginn zu den beiden zu fahren. Als mein Vater dem zustimmte, war ich überglücklich, die zwei nach so vielen Jahren wiederzusehen, und nun hoffe ich natürlich, dass er mich so akzeptiert, wie ich geworden bin.

›Heute werde ich endlich erfahren, ob Memphis hetero ist oder ob er ebenfalls auf Jungs steht.‹

Über die Antwort rätsle ich schon, seit ich mich in der Grundschule in meinen charismatischen Klassenlehrer verliebt habe. Erst war ich mir ziemlich sicher, dass es so ist, denn ich erinnere mich daran, dass wir beide lieber mit Puppen als mit Autos gespielt haben, und das schönste Spielzeug, mit dem wir uns stundenlang beschäftigen konnten, war Mamas Schminkkasten. Doch seit ich im Fernsehen eine Dokumentation über eineiige Zwillinge und ihre partnerbezogenen Vorlieben gesehen habe, bin ich mir nicht mehr so sicher. Der Inhalt der Studie glich ein wenig der ewigen Frage nach dem, was zuerst da war: die Henne oder das Ei? Sind es die Gene, die unsere sexuelle Orientierung bestimmen? Sind es Hormone oder all die persönlichen Erlebnisse, die sich im Hirn einbrennen?[Fußnote 1]

Im Endeffekt hoffe ich einfach, dass sie mich nicht verurteilen. Selbst wenn ich es wollte, kann ich beileibe nicht verstecken, dass ich schwul bin, denn man sieht es mir auf hundert Kilometer Entfernung an.

Plötzlich erklingt das Glockenspiel zu einer Durchsage und eine monotone Frauenstimme reißt mich aus meinen Gedanken.

»Nächster Halt: Kottenheim. Bitte in Fahrtrichtung rechts aussteigen.«

Schnell springe ich auf, nehme meinen großen Rollkoffer und schultere meinen Rucksack. Dann laufe ich zu einer der Türen und wundere mich, dass ich der Einzige zu sein scheine, der hier aussteigen möchte. Zumindest in diesem Abteil.

›Gleich ist es soweit! Gleich werde ich Papa und Memphis wiedersehen!‹, denke ich und hibbele von einem Fuß auf den anderen.

Die Bremsen quietschen laut, der Zug verlangsamt seine Fahrt und schließlich hält er mit einem Ruck an. Ich haue schwungvoll auf den leuchtenden Türöffner, damit dieser seine Bestimmung erfüllt, und schreite dann auf die kleine, überdachte Plattform des winzigen Bahnhofs.

Niemand da.

›Wow. Ich bin wirklich der Einzige, der hier aussteigt.‹

Das schrille Pfeifen des Schaffners ertönt nur wenige Sekunden später und mit lautem Getöse fährt der Zug weiter. Dann kehrt Ruhe ein. Noch einmal schaue ich mich genauestens um, ob sich vielleicht irgendjemand hinter einer der Säulen versteckt, doch ich bin tatsächlich allein.

›Hm. Anscheinend verspäten sie sich.‹

Ich ziehe erneut mein Handy aus der Jackentasche und schaue nach, ob doch noch irgendwelche Nachrichten eingegangen sind oder der Zug vielleicht zu früh angekommen ist.

»Hm. Nein, keine SMS, kein Anruf. Und es ist halb sechs am Samstagmorgen, also genau nach Plan.« Mein halblautes Gemurmel stört niemanden, weil ich hier mutterseelenallein herumstehe. Einen Moment überlege ich, einfach in Richtung des Hauses loszulaufen, denn ich weiß, wo es liegt, aber vielleicht nehmen sie ja irgendwelche Abkürzungen und dann verpassen wir uns womöglich. »Nein, besser, ich rufe mal an und frage nach!«

Schnell suche ich die Nummer aus dem Speicher, doch leider vernehme ich nur monotones Tuten, bis sich irgendwann der automatische Anrufbeantworter einschaltet.

›Keiner geht ran ... das ist gut! Also sind sie sicher schon auf dem Weg hierher!‹

»Was soll ’s, dann laufe ich einfach noch ein bisschen auf dem Bahnsteig auf und ab, um meine müden Beine in Schwung zu bringen.«

***

Halb neun.

So langsam mache ich mir doch ein paar Sorgen, dass ich vergessen wurde, und außerdem knurrt mein Magen, denn ich habe seit gestern Abend nichts mehr gegessen. Erst hatte ich vor, etwas Verpflegung mitzunehmen, doch dann dachte ich, es wäre vielleicht unhöflich, wenn ich am ersten gemeinsamen Morgen nicht mit meinem Vater und Memphis zusammen frühstücke. Doch nun grollt mein Magen im Minutentakt und ich ringe mich dazu durch, ein zweites Mal anzurufen, auch wenn ich eigentlich niemanden drängen will.

Abermals tutet es, doch diesmal nimmt jemand ab, kurz bevor der AB anspringt, und eine maulige, verschlafene Männerstimme gähnt mir ins Ohr.

»Pedersen?« Die Stimme klingt recht alt, auf jeden Fall nicht wie die eines Achtzehnjährigen, also kann es nicht mein Bruder sein.

»Ja, äh ... Hi, Papa. Hier ist Melvin!«

»Und?«, brummt dieser unbeeindruckt und ich höre, wie er sich an einer haarigen Stelle kratzt.

»Ähm«, stottere ich verlegen, »also ich bin wie abgemacht am Bahnhof ... äh ... seit halb sechs ... und hab mich gerade gefragt, wann ihr mich abholt?«

»Ich bin kein Taxi!«, motzt er und scheuert sich erneut. »Vom Bahnhof bis zu uns ist es nicht weit, da kannst du auch laufen! Einfach die Hauptstraße nach links, geradeaus über die Kreuzung, an der Ölanlage rechts bis zur Bundesstraße, darüber weg und dann nur noch den Waldweg entlang. Der Ortsteil heißt Hausen! Dorfstraße siebenundvierzig! Wirst du dann schon sehen.« Er scheint vergessen zu haben, dass Memphis und ich früher oft bei unseren Großeltern waren und ich daher weiß, wo sie wohnen. Außerdem hab ich die Adresse natürlich auch vorher gegoogelt. »Du kommst am Ortseingang an einem Bäcker vorbei, also bring gleich noch zwölf Kümmelbrötchen mit! Aber nicht die Dinger vom Vortag, sondern frische!«

»Ähm ... okay, aber ich -« Bums, hat er aufgelegt.

Seufzend schaue ich an meinem schlanken Körper hinunter, der in feinen, weißblauen Flanell gehüllt ist, und dann auf den großen, schweren Koffer mit den winzigen Rädchen, die allerhöchstens für ein paar glatte Straßen und Rolltreppen in der Stadt geeignet sind. Doch dann atme ich tief durch und freue mich einfach auf eine kleine Runde Frühsport an der frischen Luft!

***

»Tüddellüütadüddellüüü.«

Fröhlich pfeifend und mit beschwingtem Schritt schleife ich mein Gepäck über den schmalen Waldpfad und genieße die Sonnenstrahlen des neuen Tages auf meiner Haut. Obwohl ich bereits ziemlich verschwitzt bin, koste ich es in vollen Zügen aus, mal wieder in der Natur zu sein, denn dieses Vergnügen habe ich in der Stadt nicht allzu oft.

»Haaach! Daran könnte ich mich gewöhnen! Ich glaube, ich mache jetzt jeden Morgen einen kleinen Spaziergang, solange ich hier bin.«

Inzwischen bin ich fest davon überzeugt, dass meine Ferien hier großartig werden. Auf dem Hof meiner Großeltern gab es immer Tiere: Schafe, Ziegen, Schweine und anderes. Vielleicht haben ja auch mein Vater und Memphis noch einige vierbeinige oder gefiederte Begleiter, die es zu füttern gilt? Das könnte mir Spaß machen. Am meisten würde ich mich aber über einen Hund freuen, mit dem ich spazieren gehen kann.

Schnell schultere ich mein Rucksäcklein auf die andere Seite und werfe mein güldenes Haar von links nach rechts wie ein äußerst anmutiges, schwules Wildpferd, dann beschleunige ich meinen galoppierenden Gang. Trotzdem komme ich nicht umhin, die zwitschernden Vöglein anzuschmachten, die sich auf den Bäumen ihrem Liebesspiel widmen und dabei lautstark trällern.

›Ach ja ... genauso liebreizend möchte auch ich klingen, wenn ich das erste Mal Liebe mache!‹

Ich gehe weiter und finde ein paar Butterblümchen am Wegesrand, die ich für meinen Vater mitnehme. Sicher freut er sich darüber und wird sie gleich in einem Krüglein auf seinen Stubentisch stellen! Dann sehe ich auch noch ein paar Rehe in der Ferne auf einer malerischen Wiese grasen, deren Anblick mich so verzückt, dass ich stehen bleibe, die Fäuste an meine Brust halte und seufzen muss. Doch gerade als ich ein paar gefällige Worte dazu formulieren möchte, höre ich einen Wagen den Weg entlangkommen und zucke zusammen.

»Oh, auf einem so schmalen Weg fahren Autos? Wie ungewöhnlich.« Ich gehe beiseite, damit der Fahrer besser vorbeikommt, doch als die klapprige kleine Möhre auf meiner Höhe ist, hält sie plötzlich. Eine Frau mittleren Alters lässt die Beifahrerscheibe herunter und lächelt mich an.

»Guten Morgen.«

»Guten Morgen«, grüße ich sie ebenfalls und schiebe meine widerspenstigen Haare zurück.

»Du siehst nicht aus, als würdest du aus der Gegend kommen«, sagt sie grinsend und hebt die Augenbrauen. »Was macht denn ein so schicker, junger Mann wie du hier mitten in der Pampa?«

»Och, ich genieße einfach die Natur«, antworte ich scherzhaft und bin etwas irritiert, dass sie mich schick nennt. Immerhin trage ich ja kein Haute couture.

»Also ich glaube, zum Wandern ist dein Gepäck eher weniger geeignet. Hast du den Bus verpasst?«

»Ich wusste gar nicht, dass hier ein Bus fährt.« Dabei lache ich verlegen. »Ich bin zu Besuch bei meinem Vater, aber leider ist er ... ähm verhindert und konnte mich deshalb nicht vom Bahnhof abholen.«

»Ach Mensch«, seufzt sie. »Der Weg zieht sich aber noch eine ganze Weile bis zum nächsten Ort und dein Koffer sieht jetzt schon ziemlich lädiert aus. Soll ich dich vielleicht mitnehmen?«

»Wenn es Ihnen keine Umstände macht ... dann sehr gerne.«

»Ach was, kein Problem. Ich fahre doch eh gerade nach Hausen. Schmeiß dein Zeug hinten rein.« Erleichtert atme ich auf, als sie mit dem Zug eines Hebels den Kofferraum öffnet, denn wenn ich ganz ehrlich bin, tun mir von der ganzen Zieherei doch schon ordentlich die Schultern weh. »Wo wohnt denn dein Paps?«

»Im Haus meiner Großeltern«, rufe ich leicht keuchend, während ich das Gepäck in ihren Wagen wuchte. »In der Dorfstraße siebenundvierzig.«

»Oh Gott ... ernsthaft?« Sie klingt entsetzt und starrt mich fassungslos an, als ich mich auf den Beifahrersitz setze. »Mensch und ich hab mich die ganze Zeit gefragt, woher ich dein Gesicht kenne! Du und dieser Memphis, seid ihr -«

»Zwillinge? Ja. Sogar eineiig, aber wir sind trotzdem sehr verschieden.« Ich verstehe gar nicht, warum sie darüber so schockiert ist. Wahrscheinlich gibt es so etwas hier draußen eher selten.

»Äh ... ja. Scheint so.« Sie startet den Motor, doch ihr Blick ist plötzlich sehr abweisend und während der Fahrt spricht sie kein Wort mehr mit mir.

›Anscheinend ist Memphis ziemlich bekannt im Ort ... Schon seltsam. Dabei war er doch früher immer so still und schüchtern?!‹

Meine Aufregung wächst von Sekunde zu Sekunde.

***

Als wir auf den Schotterweg zum Haus einbiegen, beschleicht mich ein wehmütiges Gefühl. Nichts hat sich hier verändert. Ich erkenne das Straßenschild, die großen Steine am Wegesrand und das kleine, hölzerne Wartehäuschen an der stillgelegten Bushaltestelle, auch wenn davon kaum noch was übrig ist. So einige schöne Sommer haben Memphis und ich bei unseren Großeltern verbracht, glückliche Stunden in der Natur und bei den Tieren, voller Lachen und Sorgenfreiheit.

Auch wenn es ohne Oma und Opa nun ganz anders sein wird, so klopft mein Herz doch vor Freude, dass ich noch einmal volle sechs Wochen hier verbringen darf.

Plötzlich stoppt das Auto abrupt, gut fünfhundert Meter vor dem Hof.

»So, Endstation«, verkündet meine Fahrerin und sieht mich auffordernd an. »Ich denke, es ist besser, wenn uns weder dein Bruder noch dein Vater zusammen sehen. Schließlich wollte er ja, dass du läufst.«

»Ähm ... ja«, antworte ich irritiert, denn sie wirkt fast, als hätte sie Angst vor meiner Familie. »Vielen Dank, dass Sie mich mitgenommen haben.«

»Schon gut, Kleiner. Na los, hopp, raus mit dir.«

Ich nicke und steige aus, hole meinen Trolley aus dem Kofferraum und trete an die Fahrerseite.

»Auf Wiedersehen! Ach, wie heißen Sie eigentlich? Ich bin Melvin.«

»Schleifer. Marianne Schleifer. Na dann, bis irgendwann!« Danach brettert sie bereits im Rückwärtsgang zurück auf die Hauptstraße und fährt weiter.

---ENDE DER LESEPROBE---