Scheiß auf Ritter - (K-)ein Prinzessinnen Roman - Akira Arenth - E-Book

Scheiß auf Ritter - (K-)ein Prinzessinnen Roman E-Book

Akira Arenth

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Beschreibung

Scheiß auf Ritter! (K-)ein Prinzessinnenroman Print 440 Seiten Gay Romance / LGBT Fantasy / Humor Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, eine Prinzessin zu sein? So eine richtig typische Bilderbuch-Prinzessin, die auch ohne Schminke immer blendend aussieht, deren Gesang Vögel anlockt und die superb kochen kann, ohne es je gelernt zu haben. Eine, die in einem großen, wunderschönen Schloss lebt, in dem sie täglich lachend durch die Flure hüpft, wartend auf ihren entzückenden Edelmann, der irgendwann auf seinem weißen Schimmel dahergeritten kommt. Brunhilde ist eine solche Prinzessin! Sie badet in ihrer lieblichen Naivität, hat wallende, rote Locken, die nie verfilzen, eine elfenhafte Figur, obwohl sie frisst wie ein Scheunendrescher, und goldgelbe Augen, mit denen sie jeden weich zwinkert ... oder hart, je nachdem. Ihr Verhalten hat nur einen Nachteil: Niemand nimmt sie ernst und alle behandeln sie wie ein Kind. Vor allem ihr älterer Bruder Uhrich kann es nicht lassen, sie ständig zu ärgern. Zu ihrem 18 Geburtstag soll Brunhilde vermählt werden und erblickt, wie sollte es anders sein, unter den Bewerbern einen Blaublütigen, in den sie sich sofort verliebt. Ihr Glück scheint perfekt, doch dann erfährt ihr Bilderbuchleben eine dramatische Wendung, als ein Spritzer Samen durch ein Versehen ihre reine Haut berührt. Dadurch trifft sie ein uralter Königstochterschämdichfluch und sie erlangt etwas, das wir mal vorsichtig »echtes Bewusstsein« nennen wollen. Fortan rutschen ihr zudem die ungeziemtesten Sätze heraus und auch ihr Äußeres verändert sich drastisch. Ihre Stimme wird tief, ihr Kreuz breiter und eines Tages sprengt ihre Genusswurzel den Keuschheitsgürtel - sehr zur Unfreude ihres Angebeteten. Aus lauter Verzweiflung nimmt sie ihr hochwohlgeborenes Dasein schließlich selbst in die Hand und flieht, um den Fluch zu brechen. Dabei ahnt sie nicht, dass diese Entscheidung, nicht nur ihr eigenes Leben, sondern das des gesamten Königreiches verändern wird.

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Klappentext
Einführung
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Epilog
Extra
Nachwort
Impressum
Fußnoten

Klappentext

Scheiß auf Ritter – (K-)Ein Prinzessinnenroman

Wer hat sich nicht schon einmal gewünscht, eine Prinzessin zu sein? So eine richtig typische Bilderbuch-Prinzessin, die auch ohne Schminke immer blendend aussieht, deren Gesang Vögel anlockt und die superb kochen kann, ohne es je gelernt zu haben. Eine, die in einem großen, wunderschönen Schloss lebt, in dem sie täglich lachend durch die Flure hüpft, wartend auf ihren entzückenden Edelmann, der irgendwann auf seinem weißen Schimmel dahergeritten kommt. Brunhilde ist eine solche Prinzessin! Sie badet in ihrer lieblichen Naivität, hat wallende, rote Locken, die nie verfilzen, eine elfenhafte Figur, obwohl sie frisst wie ein Scheunendrescher, und goldgelbe Augen, mit denen sie jeden weich zwinkert ... oder hart, je nachdem. Ihr Verhalten hat nur einen Nachteil: Niemand nimmt sie ernst und alle behandeln sie wie ein Kind. Vor allem ihr älterer Bruder Uhrich kann es nicht lassen, sie ständig zu ärgern.

Zu ihrem 18 Geburtstag soll Brunhilde vermählt werden und erblickt, wie sollte es anders sein, unter den Bewerbern einen Blaublütigen, in den sie sich sofort verliebt. Ihr Glück scheint perfekt, doch dann erfährt ihr Bilderbuchleben eine dramatische Wendung, als ein Spritzer Samen durch ein Versehen ihre reine Haut berührt. Dadurch trifft sie ein uralter Königstochterschämdichfluch und sie erlangt etwas, das wir mal vorsichtig »echtes Bewusstsein« nennen wollen. Fortan rutschen ihr zudem die ungeziemtesten Sätze heraus und auch ihr Äußeres verändert sich drastisch. Ihre Stimme wird tief, ihr Kreuz breiter und eines Tages sprengt ihre Genusswurzel den Keuschheitsgürtel - sehr zur Unfreude ihres Angebeteten. Aus lauter Verzweiflung nimmt sie ihr hochwohlgeborenes Dasein schließlich selbst in die Hand und flieht, um den Fluch zu brechen. Dabei ahnt sie nicht, dass diese Entscheidung, nicht nur ihr eigenes Leben, sondern das des gesamten Königreiches verändern wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akira Arenth

Vaelis Vaughan

 

Einführung

Es war einmal, weit, weit weg, ein Königreich namens Ührks, in dem alle Menschen und Tiere in freudiger Eintracht zusammenlebten. Kein Groll und kein Ärger konnte ihren Alltag trüben, denn Streit und Zank waren strengstens verboten, doch den gab es hier sowieso nur selten. Warum, fragt ihr?

Ührks war einfach magisch! Jeden Tag wärmte die Sonne die behaarten Köpfe der Einwohner mit derselben Temperatur, entspannten zweiundzwanzig Grad, und auch sonst war Ührks in allem besser, schöner und größer als jedes andere Reich. Selbst die Sterne schienen dort viel heller und unübertrefflicher, als sie es woanders taten. Die Vögel trällerten sich tagaus, tagein die Seele aus dem Leib und waren so bunt und heiter, als wären sie auf LSD. Das Gras war grüner, die Eichhörnchen röter und die Hundehaufen weniger miefig. Selbst die mickrigsten Hirsche strahlten vor Eleganz und schmeckten auch besser als anderswo.

Kurzum, Ührks war der schönste Ort der Welt, und wer dort lebte, ward unausweichlich glücklich!

Ob er nun wollte oder nicht.

 

Prolog

Beobachtung der königlichen Familie durch einen x-beliebigen Untertanen

 

»Seht! Oh seht doch nur! Da kommen sie!«, kreischt meine Frau plötzlich und bekommt ganz rote Backen. Also die im Gesicht, obwohl die anderen wahrscheinlich auch gerade erröten.

Wir stehen in der vierten Reihe auf dem Schlosshof, die immerhin besser ist als die fünfte, und just in diesem Moment tritt die Königsfamilie auf ihren ausladenden Marmorbalkon, der in das rötliche Licht der aufgehenden Sonne getränkt ist.

Da sind sie! Der starke, gerechte und immer ehrliche König Neidhart, mit seiner anmutigen, braungelockten Gattin, Königin Kothild, und ihren zwei hinreißenden Thronerbberechtigten: Auf der rechten Seite Prinz Uhrich der Furchtlose, stramme achtzehn und damit der ältere der beiden Sprösslinge. Gesegnet mit einem Gesicht, das Frauenherzen schmelzen lässt, dem Kreuz eines Bären und den vollen, braunen Haaren seiner Mutter, die er immer bei sich trägt. Zur Linken, gerade mal siebzehn Frühlinge jung, die kindlich schöne Prinzessin Brunhilde, mit den goldgelben Augen, den feurig roten Locken und den hinreißenden Apfeltittchen. Ihr Beine sind lang und schlank, wie die eines Pferdes, sagt man, doch man sieht sie nie, weil sie immer züchtige Kleider trägt. Im Gegensatz zu Prinz Uhrich, der seine Stelzen nur allzu gern in anregenden, grünen Glanzstrumpfhosen zur Schau stellt.

Beim Anblick dieser entzückenden hochherrschaftlichen Grazien wird uns allen die Hose feucht. Besonders den Alten, denn die können nicht so lange herumstehen und dabei ihren Harn bei sich behalten.

Meine Frau hüpft auf der Stelle und tritt vor Nervosität von einem Plattfuß auf den anderen, während sich die Hoheiten winkend auf ihre thronartigen Balkonstühle setzen. Gebannt starrt sie nach vorne und verfolgt jeden subtil nachdenklichen Bartstreichler des Königs, der vieles bedeuten kann. Außerdem schmachtet sie die schlanken, wohlgeratenen, Ladys an und wünscht sich insgeheim, sie könnte mit ihnen tauschen.

Das ist vollkommen normal. Jedes Mädel in diesem Königreich möchte so sein wie Königin Kothild oder Prinzessin Brunhilde. Letztere ist noch dazu für ihre unendliche Freundlichkeit und ihr warmherziges Benehmen bekannt, weil sie sogar dem niedrigsten Fußvolk gegenüber stets höflich und zuvorkommend auftritt. Ja, wir gönnen es ihr von Herzen, vollkommen sorglos im großen, wunderschönen Schloss zu leben, in dem sie ganz sicher jeden Tag lachend durch die Flure hüpft, bis irgendwann ein Ritter auf seinem weißen Schimmel daherkommt und sie bis an ihr Lebensende mit anderen Dingen befriedigt.

Die Masse verstummt, denn der Vorleser tritt heraus und liest vor, das kann er nämlich gut.

»Adeliges Schlossvolk, gemeine Bürger und gefräßiges Gesocks!« Dabei schaut er grimmig auf die Menschen in der letzten Reihe, die gar nicht zuhören und sich stattdessen lieber am Buffet bedienen. »Euer König und seine Königin haben eine Ankündigung zu machen. Doch bevor dies geschieht, werden uns Prinz Uhrich und Prinzessin Brunhilde eine gesangliche Einstimmung auf die bedeutsame Bekanntmachung darbieten.« Der Höfling tritt beiseite und die beiden Blaublütigen treten vor. Prinzessin Brunhilde legt eine Hand auf ihr genussfreudiges Dekolleté, die andere hebt sie in die Höhe, dann beginnt sie mit ihrer hohen, zartschmelzenden Stimme die ersten Töne anzuschlagen. Ganz leise beginnend, schließlich immer lauter, glockenklar, wie eine menschliche Harfe, verzückt sie uns alle.

»Laaaaahaaaaa laaaaahaaaaa lalalalaaaaa loooaah looooaahhhhhh, haaa haaa haaa haaa lalalaaaaaaa looahhhh ...«

Kleine putzige Vögelchen lassen sich auf ihrem ausgestreckten Arm nieder und zwitschern ihr so melodisch zu, als wären sie hypnotisiert. Indessen stimmt auch der hochwohlgeborene Bruder mit einem tiefen, nussig epischen »Bumbada bumm bumm, bumbada bumm bumm« in ihren Gesang mit ein.

Ich kann erkennen, wie König Neidhart erst lächelt, dann gähnt und seinen Kopf mit der Hand stützt, während er für einen Moment die Augen schließt. Doch seine hoheitsvolle Gattin stößt ihn mit dem Ellenbogen an und scheint ihn leise zu rügen.

Das akustische Meisterwerk der Gesangskunst klingt weich aus und die Geschwister ernten einen rauschenden Applaus, so wie immer. Diesen genießen beide ausgiebig, baden regelrecht darin und Prinz Uhrich zwinkert einigen Mägden zu, die neben den Knechten stehen und sich vor verliebtem Gekreische kaum wieder einkriegen.

Nachdem Brunhilde das Geflügel verscheucht und Uhrich den ausgewölbten Schritt seiner Strumpfhose gerichtet hat, setzen sich die beiden und König Neidhart selbst erhebt sich. Mit einer einzigen Handbewegung bringt er die jubelnden Menschen zum Schweigen.

Ja, er ist ein sehr mächtiger Gebieter!

»Mein Volk«, beginnt er heroisch und nimmt erst nach einer Weile seinen Arm herunter. »Heute ist ein großartiger Tag ... so wie immer, in diesem prachtvollen, starken Land!« Er ballt seine Hand vor seiner Brust zur Faust und legt die Stirn in Falten, während er die Lippen schürzt und kurz nickt. Das tut er öfter. Manche sagen, er hätte Zuckungen. »Unsere liebliche Tochter, PrinzessinBrunhilde die Zarte, nähert sich ihrer achtzehnten Jährung und ist somit bereit, endlich ihre ersten Freier zu empfangen!«

Brunhilde glotzt ihren Vater geschockt an und einige Männer bekommen schon das Sabbern, während sie eilig ihre Ledersäckchen hervorkrempeln, um die ührkserischen Goldmünzen darin zu zählen. Ein Raunen macht sich zwischen den Bürgern breit und Königin Kothild zuppelt ihrem Gatten mit Schmackes am Ärmel, bevor sie ihm etwas zuflüstert.

»Freie Edelmänner, meinte ich natürlich«, korrigiert er sich schnell. »Also Prinzen und edle Ritter, von nah und fern, dürfen sich ab sofort um die Hand unserer Tochter bewerben und ihre Kühnheit beweisen!« König Neidhart schaut zu seiner Frau, diese nickt, Brunhilde nickt auch, nur Uhrich scheint gelangweilt, denn er hebt sein Bein über die Armlehne und entlüftet kurz seinen Enddarm, bevor er gähnt. Die beiden Damen sehen ihn etwas pikiert an, doch sein Vater versucht nur, nicht mit ihm zu konkurrieren, und spricht beherzt weiter.

»Also, wo war ich? Ach ja! An Bruhildes wichtigstem Wiegetag- ... äh Wiegentag werden wir ein großes Fest veranstalten ... zu dem keiner von euch Primitivlingen eingeladen ist! Nur die Bewerber dürfen herein ... und ein paar Höflinge, auch wenn wir die eigentlich gar nicht dabei haben wollen ... Na ja, jedenfalls wird sich dann zeigen, für wen sich das Herz meiner blauäugigen Tochter erwärmt.«

Ja, er wird nicht umsonst auch Neidhart der grundlos Ehrliche genannt.

Ich überlege. ›Wenn keiner von uns eingeladen ist, warum dann die große Ankündigung? Von der Zeremonie kriegen wir doch sowieso nichts mit, bis sich die hübsche Schnecke entschieden hat und es verkündet wird. Und selbst dann ist es für uns vollkommen unerheblich, denn schließlich ist sie die Zweitgeborene und wird sowieso ins Land ihres Prinzen ziehen. Na ja, egal. Wir werden uns trotzdem für sie freuen!‹

»Also«, fährt unser König fort, »tragt es hinaus in die weite Welt! Erzählt es euren reisenden Verwandten oder fahrenden Händlern, gebt die Botschaft einfach jedem mit, der euch über den Weg läuft! Auf dass alle erfahren mögen, dass Brunhildchens Schoß fortan offen steht!«

Subtil werden Flugblätter mit einem vortrefflichen, über Holzschnitt gedruckten Porträt der jungen Lady verteilt.

›Ah! Jetzt verstehe ich! Wir sollen die Werbung übernehmen!‹

Reißender Applaus ertönt, als sich die Familie erhebt und winkend den Balkon verlässt. Nun wissen wir, was wir zu tun haben.

 

 

 

Kapitel 1

Friede, Freude,

Keuschheitsgürtel

 

Gesittet gehen wir zurück ins Schloss.

»Brunhildedie Zarte?« Lachend stößt mich mein großer Bruder an. »Wäre Brunhilde die Arglose nicht passender gewesen?« Uhrich ist immer so gemein, aber sicher sagt er diese Dinge nur, weil er seiner Liebe zu mir nicht anders Ausdruck verleihen kann. Er ist halt ein bisschen naturblöde, der Gute. Über seinen eigenen Witz kichernd hält er sich nun die Hand vor den Mund. »So flach, wie sie ist, wäre auch Brunhilde das Brett gut gewesen!«

»Höret auf mit den Späßen, Ulli!1 Das ist eine ernste Angelegenheit!«, maßregelt ihn unsere Mutter widerwillig. Das tut sie nämlich äußerst ungern und schaut beim Laufen über ihre Schulter. »Müssen wir erst wieder Euren Prügelknaben züchtigen, damit Ihr Eurer Schwester Respekt zollt?«

Leider empfindet mein Bruder selten Mitleid für das arme Schwein, welches für ihn seit Jugendtagen an die Hosen herunterlassen muss. Manchmal glaube ich sogar, er macht absichtlich etwas Unziemliches, um sich an der Züchtigung des Prügelknaben zu ergötzen, denn seine kurze Pluderhose spannt sich dann immer so seltsam nach vorn.

»Aber Mutter, wir belieben doch nur zu scherzen!«, entschuldigt er sich sofort und ich habe keinen Zweifel an der Ehrlichkeit seiner Worte. Er tätschelt mir nämlich versöhnlich den Kopf und wirft seine nussbraunen Haare zurück, die nur halb zu einem Zopf eingeflochten sind.

Wir erreichen den Salon, doch unsere Mutter wendet sich uns erst gänzlich zu, als die Bediensteten den Raum verlassen. Dann schürzt sie die Lippen und zuppelt an seinem Hemdkragen herum.

»Ach Ullischnulli, ich erwarte, dass Ihr Eurem Schwesterlein den Rücken stärkt und ihr allzeit mit helfender Hand zur Seite steht!« Dabei kneift sie in seine Wangen, so wie sie es öfter tut. Wahrscheinlich sind seine Bäckchen deshalb immer so rosig.

»Selbstverständlich!« Uhrich legt seinen Arm um mich, wartet, bis unsere Mutter zufrieden nickt und an einem der kleinen Tische Platz nimmt, um sich ihren Tee kredenzen zu lassen. Dann erst flüstert er mir zu: »Habt keine Bange, Brunhildchen. Wenn demnächst Euer Schoß geweitet wird, passe ich gerne auf und halte Eure Lippen auseinander, damit Euch die Pfeife Eures Auserwählten nicht verletzt.«

»Es ist wahrhaft liebenswürdig von Euch, dass Ihr derart besorgt um mich seid«, antworte ich stirnrunzelnd, denn manchmal denke ich, er redet wirr. Meistens weiß ich gar nicht, was ich ihm entgegnen soll. Es würde mich jedenfalls sehr beunruhigen, wenn mein Zukünftiger der Raucherei frönt, schließlich möchte ich nicht, dass er krank wird. Und warum mir mein Bruder den Mund offen halten will, verstehe ich auch nicht. Vielleicht, damit ich besser küssen kann?

Uhrich lacht ein wenig stupide und fläzt sich dann auf die große Chaiselongue, auf der ihm sogleich von einer fleißigen Kammerzofe die Schuhe ausgezogen und die Füße massiert werden.

Es ist wirklich seltsam. Seit seiner Pubertät, in der ihm eine der Mägdedie Lanze gelutscht hat, wie er es ausdrückte, hat er sich vollkommen verändert. Ich verstehe gar nicht, warum sie das tat, schließlich gibt es dafür spezielle Putzlappen, aber für ihn war es wohl ein bedeutsames Geschehnis. Früher hat er viel mit mir im Schlossgarten gespielt, gesungen und gemalt, doch inzwischen tun wir nichts mehr gemeinsam. Natürlich verstehe ich, dass er jetzt die Pflichten eines Königs erlernt und viel Zeit mit dem Schwertkampf verbringt, aber es ist trotzdem schade. Auch in naher Zukunft werden wir nicht mehr viel miteinander zu tun haben, denn er wurde im letzten Jahr mit einer Prinzessin aus dem Fernen Osten verlobt. Die Heirat wird jedoch erst stattfinden, wenn sie ihr achtzehntes Lebensjahr erreicht hat und über das Meer schiffen kann, was ja reichlich Kraft erfordert.

»Wir beginnen am morgigen Tage mit den Vorbereitungen, Brunhilde!«, ergreift mein Vater das Wort und reißt mich aus meinen Gedanken. »Ich erwarte von Euch, dass Ihr ein treffliches Gesangsstück zu Eurer Verlobung einstudiert und einhundertprozentige Folgsamkeit leistet! Ihr werdet Euch benehmen, wie es sich für eine Prinzessin geziemt, Euch von Eurer besten Seite zeigen und immer lächeln!« Er kommt zu mir und hebt wohlwollend mein Kinn. »Aber ich bin mir sicher, dass ich mich auf mein kleines Mädchen verlassen kann, nicht wahr?«

»Natürlich, ehrwürdiger Vater!«, antworte ich gehorsam und deute einen Knicks an. Dann beginne ich aber zu hibbeln, denn ich möchte endlich wissen, ob sich die Arbeit der letzten Tage gelohnt hat. »Wie fandet Ihr unsere Darbietung heute? Ich habe lange an der mittleren Passage gearbeitet und hoffe, es hat Eure Ohren erfreut!«

»Mein Teil war viel schwerer!«, ruft Uhrich natürlich gleich wieder dazwischen.

Unsere Mutter setzt sich neben ihn, während sie seinen Oberschenkel tätschelt. »Ihr wart beide ganz zauberhaft!«, sagt sie und gibt ihm einen feuchten Kuss, woraufhin er mir versteckt die Zunge herausstreckt.

Doch selbst sein unflätiges Verhalten kann mir heute nicht die Laune verhageln. Ich habe gesungen, unser Volk liebt mich, und nun beginne ich mit den Vorbereitungen, um auf meinen Traumprinzen zu treffen.

Und wehe der hat keinen weißen Gaul!

***

Drei Wochen später.

Ich öffne meine Augen und erwache, wie immer, in meinem Gemach.

»Hach, es ist so herrlich!«

Jeden Tag erfreue ich mich an den Farben meines Zimmers, das ich in knalligem Pink mit goldenen Ornamenten habe ausstatten lassen. Neben mir liegt, auf einem großen Kissen, mein zuckersüßer Papillonrüde, der sich gerade vom Bauch auf den Rücken dreht und mich zufrieden angrunzt. Für seine Rasse ist er sehr hell, also fast vollständig weiß, und nur an den Ohren zeigt sich ein bisschen Schwarz. Am liebsten sitzt er auf meinem Garderobenstuhl und sein Futter muss ich mit Zimt würzen, damit er es frisst. Also habe ich ihn Monsieur Hellar Zimtstuhl genannt, aber meistens rufe ich ihn nur Hellar, denn sonst gucken die Leute immer so komisch. Ich kraule sein kleines Bäuchlein bis er gähnt und sich ausgiebig räkelt, was ich ihm, davon angesteckt, gleichtue.

»Komm Schätzchen, raus aus den Federn! Heute ist es endlich soweit! Heute lerne ich meinen Prinzen kennen!«

Ich hüpfe gut gelaunt aus den Laken, springe an die Querstange meines Himmelbettes und wirble in einer eleganten Rolle nach oben, um auf ihr zum Sitzen zu kommen. Dort strecke ich mich und verleibe mir als Appetitanreger sechs der dreißig herzförmigen Törtchen ein, die ich am Vorabend noch gebacken und hier oben in einem Körbchen versteckt habe. Eine Weile bleibe ich mampfend und mit den Beinen schaukelnd sitzen und summe dabei lustig vor mich hin. Dann schwinge ich mich wieder herunter und öffne meine großen Balkontüren, bevor ich diesen sprechsingend betrete. »Prinzessin sein, ist so fein, immer braves Mädelein, hüpf ich rum, gar nicht stumm und bin dabei strohdu2- Huch, was ist das?« Da rollt mir doch glatt ein Stein auf dem Boden entgegen. Wahrscheinlich hat ihn ein Vogel verloren, der sich ein Haus bauen wollte. ›Hm ich sollte ihn auf die Brüstung legen, dann kann er sich ihn leicht wiederholen.‹ Ich hebe ihn auf und schreite weiter nach draußen. »Hach! Was für ein wunderschöner Morgen!« Warme Luft kriecht unter mein Nachthemd und lässt mich aufseufzen. Die Blumenbeete des Schlossparks stehen in voller Blüte, so wie immer, und ich ziehe ihren süßen Duft in meine Nase, um mich berauschen zu lassen. Diese neuen, importierten Grünpflanzen sind einfach unglaublich, vor allem die mit den sieben Blättern, die eher wie Farne aussehen.

»Haaaach, Hellarlein! Das Leben ist so schön!«

Da kommt es! Ich spüre es tief in mir! Es brodelt in meinem Brustkorb, wie ein voluminöser, prickelnder Rülpser, nur dass es ein spontanes Liedlein ist, welches ich jetzt in die Welt hinaustragen muss! Mein Hals zieht sich zusammen und plopp - da ist es!

»Laaa laaaa laaaa lahahahahaaaaa hoooo hoaaaaahh lahahaha lahahaha hoaaaaahh hoaaaaahh hoaaaaahh ...« Wie immer werden von meinem hohen Gesang die schönsten Vögel angelockt. Sie setzen sich auf das Geländer meines Balkons sowie auf meine Schultern, zwitschern mit mir und erfreuen sich an diesem erquicklichen Tag.

Als es mir langsam zu voll wird, lasse ich meinen Gesang ausklingen und stoppe damit den Geflügelnachschub. Ich atme noch einmal tief durch, um die frische Luft in meine Brust zu saugen, schaue in die Ferne und seufze, als ich, nahe dem Horizont, die Wälder und Flüsse unseres Königreiches erkenne.

Mein Vater ist nicht nur der Monarch dieses Landes, sondern auch ein strenger Regent, wenn es um seine eigene Familie geht ... also zumindest, wenn Mutter ihn lässt. Normalerweise ist es mein schönster Zeitvertreib, singend über die Ührkser Felder zu laufen und anderen bei der Arbeit zuzusehen, aber seit der Verkündung meiner Verlobung darf ich nur noch in den Burghof gehen. Die Wiesen und Waldungen sind mir verboten worden. Der König befürchtet, so sagte er, ich könnte auf einem meiner Ausritte entweiht werden, indem ich auf eine Gurke falle. Dann wäre ich nichts mehr wert und kein Mann von Ansehen würde noch um meine Hand anhalten wollen, weil die wahrscheinlich keine Ladys mögen, die zu viel mit Gemüse spielen.

»Welch vortreffliche Stimme Ihr habt, oh holde Maid!«, höre ich plötzlich einen Mann sagen und erschrecke mich. Hellar kläfft ebenfalls und steckt den Kopf zwischen den Säulen hindurch. Ich schaue über das Geländer und sehe tatsächlich einen jungen Herrn in violett-gelb gestreiften Pluderhosen und einem ebenso passenden Wams, samt Hut. »Oh, diese wallenden, feuerroten Haare! Sie umrahmen Euer Antlitz und glitzern in der Morgensonne! Welch reizender Anblick Ihr seid, schöner noch, als die Erzählungen es beschreiben! Und dies hauchzarte Nachtkleid, das Ihr da tragt, lässt eure feinen Knospen erahnen! Oh wie formidabel!«

Erst glotze ich ihn nur verwirrt an, doch dann realisiere ich, dass er meine Brustwarzen meint, und hebe schnell die Arme vor meinen Busen, bevor ich errötend zurück in mein Gemach husche. »Äh ... verzeih Er mir, ich muss mich sputen!«, sage ich dabei nur noch und verschwinde.

»Nicht doch, Mylady, kommt zurück!«, ruft er mir hinterher, doch ich halte es für unziemlich, mich einem Fremden in Unterwäsche zu zeigen. Kaum habe ich die Türen durchschritten, drehe ich mich um und schrecke erneut zusammen, denn meine Kammerzofe Eadgyth steht im Raum.

»Prinzessin! Geht doch nicht so leicht bekleidet nach draußen, nicht dass Ihr Euch erkältet, so kurz vor der Ritterschau!«

Lachend schüttle ich den Kopf. »Sie hat unnötig Bangnis, meine Liebe. Ich war doch noch nie krank! Außerdem ist es doch warm!« Ich kenne Eadgyth schon seit meiner Geburt und sie macht sich immer viel zu viele Sorgen. Sie ist ungefähr im Alter meiner Eltern, trägt ihre blonden Haare zu einem Dutt frisiert und hat stets ein graues Kleid an, das von einer Schürze bedeckt wird.

»Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, Mylady und außerdem haben wir gerade mal neunzehn Grad! Nun eilt Euch, der König wartet!« Trotz ihres beleibten Umfangs wirbelt sie herum, stellt mir das Waschtablett auf den dafür vorgesehenen Tisch in meinem Badezimmer und gießt warmes Wasser in eine Schüssel, neben der bereits ein Seidentuch liegt. Sie versieht beides mit einigen Tropfen Rosenöl und will mir schon den Lappen ins Gesicht klatschen.

»Warte Sie, Eadgyth! Ich reinige mich heute allein. Sei Sie so gut und führe Hellar nach draußen in den Garten, während ich mich wasche und ankleide. Ich glaube, er muss ganz dringend sein Nougatauge melken.«

Meine Kammerzofe nickt etwas umnachtet. »Natürlich Mylady, wie Ihr wünscht!« Dann schnappt sie sich Hellar Zimtstuhl und geht hinaus. Hach, es ist so schön, eine fleißige Bedienstete wie sie zu haben!

Fröhlich summend löse ich die Schnürung im Nacken meines Nachtkleides und lasse den feinen Stoff zu Boden sinken, bevor ich mich nackt an den Waschtisch setze. Mein Summen mutiert zu leisem Singsang und lockt ein Eichhörnchen an, das neugierig über einen Baum auf den Balkon in mein Zimmer gehopst kommt. Es setzt sich an den Rand meines Spiegels und beobachtet mich, während es mit dem Kopf wippt und mit dem rechten Hinterfüßchen rhythmisch im Takt der Musik klopft.

Tatkräftig bürste ich meine Haare und stecke sie anschließend mit einigen Holznadeln hoch, bevor ich meinen Gesang unterbreche, um mir das Gesicht zu waschen. Dann trockne ich mich ab und sehe in den Spiegel. Meine vollen Lippen zittern ein bisschen und ich bemerke erst jetzt, wie aufgeregt ich eigentlich bin.

»Bald ist es soweit, lieber Eichkater«, flüstere ich leise und sehe mir dabei in die goldenen Augen. »Bald lerne ich den Mann meines Herzens kennen und werde seine Frau.« Dieser Gedanke beflügelt und beunruhigt mich zugleich. »Wie mag er wohl sein? Ein gutaussehender, starker Edelmann, keusch und rein, der mich bis an mein Lebensende lieben wird? Ein tapferer Ritter, voller ehrenhafter Tugenden, dessen Leidenschaft es ist, poetische Texte zu rezitieren? Oder wird es doch ein Prinz aus einem fernen Land sein, von dem ich viele neue Dinge lernen kann?«

»Mylady, Euer Kleid!«

»Aaah!!!« Abermals erschrecke ich mich furchtbar und verjage mit meinem Aufschrei sogar das arme Hörnchen. Ich lege eine Hand auf meine nackte Brust und beruhige mein Herz. »Eadgyth!!! Schleiche Sie sich nicht immer so an!« Wie kann eine so voluminöse Frau nur so lautlos sein? Wahrscheinlich hat sie Lammfell unter den Sohlen!

»Verzeiht mir bitte«, sagt sie lächelnd und setzt Hellar ab, der sich erst mal schüttelt, weshalb sein lockeres, pinkes Halsband klappert. Dann stellt mir meine Kammerzofe eine armlange Holzkiste auf den Tisch und schaut ein wenig verlegen drein. »Dies hier ist für Euch, ein Präsent von Eurem Vater. Er bittet Euch, ihn anzulegen und mir den Schlüssel zu überlassen.«

»Was ist das?«, frage ich neugierig, denn Vater macht mir sonst nie Geschenke. »Eine Halskette? Oder ein paar neue Pumps vielleicht?«

»Nein ... es ... es ...« Ich öffne die Truhe und da blitzt mir tatsächlich ein massives Metallstück entgegen, das aussieht, als gehöre es zum Geschirr eines Pferdes. »Mylady, es ist ein Keuschheitsgürtel!«, rückt Eadgyth nun endlich mit der Wahrheit heraus.

»Ein was?« Ich verstehe die Welt nicht mehr. »Ich bin das keuscheste Mädchen im ganzen Königreich! Wozu brauche ich denn einen solchen Gürtel?«

»Euer Vater ist aufgrund des Versprechers in seiner Rede sehr besorgt, dass mancher Bewerber ihn, Euch bezüglich, falsch verstanden haben könnte. Außerdem, bei den vielen, fremden Männern, die in den nächsten Tagen im Schloss nächtigen werden, ist er zu Eurer eigenen Sicherheit. Nicht dass Ihr vor Eurer Hochzeit noch entehrt werdet!«

Ich starre auf den Metallschlüpper, der eigentlich nur aus zwei Streifen besteht: einem um die Hüfte und einem durch die Beine. Hinten sind die Metallbänder über ein Gelenk miteinander verbunden und vorne hält ein Schloss die Konstruktion zusammen. Doch beim Anblick der scharfkantigen, grausigen Zacken an den Aussparungen im Intimbereich, wird mir angst und bange.

»Aber ... diese scharfen Kanten! Da ist nur eine dünne Lederumsäumung dran! Das tut doch weh beim Laufen!«

»Oh, nein nein!«, lacht sie nur und wedelt kurz mit ihrer Hand, während sie sich hinter mich stellt und meine Frisur richtet. »Das ist das neueste Modell und seht doch, da ist sogar ein nettes Herzchen eingraviert! Ein Herz für die Liebe, auf dass Euer Schoß noch ein wenig warte und keusch bleibe, bis die Verträge unterzeichnet sind!«

Bedrückt nicke ich und ziehe das Ding heran. »Ja, das Herzchen ist wirklich ganz herzallerliebst ... Nun gut, wenn mein Vater es wünscht, so werde ich es tun.«

»Ihr seid so ein gutes Kind!«, lobt sie mich, hilft mir dann in mein goldgelbes Kleid hinein und schnürt es zu.

***

Als ich gut gelaunt, wenn auch wegen der eisernen Unterwäsche etwas breitbeinig, die breite Treppe zum Thronsaal hinunterstelze, schaue ich beiläufig durch eines der großen Fenster an der Ostseite. Ich traue meinen Augen kaum, als ich ein kolossales Lager aus Zelten vor unserem Schloss sehe, zwischen denen mindestens hundert Menschen umherlaufen.

»Eadgyth ... sind ... diese Herren -«

»Ja Prinzessin, die sind wegen Euch hier.«

Ich bin vollkommen von den Stöckelschuhen und erblicke in der Menge auch gleich einige ansprechende, junge Männer, die zwar nicht besonders nobel gekleidet sind, aber ein sehr anziehendes Lächeln haben.

Mein Herz beginnt sofort schneller zu klopfen und ich fühle mich bereits wie verliebt. »Oh ja, dort ist bestimmt einer dabei, der mein Herz auf den ersten Blick erobern kann!«

»Ruhig Blut, Mylady. Lasset die Jünglinge erst einmal ankommen und Ihr solltet eine stärkende Schüssel Haferbrei und zumindest ein paar Früchte zu Euch nehmen, um für den Tag ertüchtigt zu sein!«

Die gute Eadgyth! Immer besorgt, dass ich zu wenig esse, dabei verleibe ich mir jeden Morgen doppelt so viele Kochbananen ein, wie mein Bruder.

***

Der Gürtel zwackt und klemmt, aber wenn ich sehr breitbeinig sitze, ist es einigermaßen auszuhalten. Zudem werde ich durch mein leckeres Essen abgelenkt und vertilge gerade die dreizehnte frittierte Pfirsichteigtasche.

An Vaters zufriedenem Lächeln erkenne ich, dass auch er von dem Ansturm der Ritter überrascht ist, doch er sagt nichts dazu und schaufelt nur weiter Eier in sich hinein.

Meine Mutter wirft mir immer wieder aufbauende Blicke zu und honoriert mein gepflegtes Erscheinungsbild mit einem kurzen Nicken. Uhrich hingegen lümmelt auf seinem Stuhl und stochert nur lustlos im Essen herum, während er seltsam bockig zu mir herübersieht. Schließlich schmeißt er seinen Silberlöffel klirrend auf den Teller und nimmt sein Bein von der Armlehne.

»Warum kriege ich eine Verlobte vorgesetzt, die Ihr für mich aussucht und die ich noch nie gesehen habe, und Brunhilde bekommt hunderte Bewerber vor die Nase, von denen sie sich einen frei auswählen kann?«

»Ganz so ist es nicht, aber ich erkläre es Euch später, Liebling. Es hat seine Gründe«, antwortet ihm unsere Mutter und greift nach seiner Hand, doch er zieht sie weg.

»Eine miese Ungerechtigkeit ist das! Los doch, sagt es mir! Warum darf Sie selbst entscheiden und ich nicht?«

»Weil Ihr der zukünftige König seid und es bei Euch nicht egalist, mit wem Ihr ein Bündnis eingeht!«

Zum ersten Mal in meinem Leben spüre ich, wie es mir scheinbar den Hals zuschnürt, und ich bekomme ein seltsam bedrückendes Gefühl in der Brust, ohne singen zu wollen.

Brüchig frage ich nach: »Es ist Euch egal, wer mich heiraten wird?«

»Klar ist es das«, erwidert Uhrich gehässig und zieht spöttelnd die Oberlippe hoch. »Ihr seid doch eh nur die zweite Geige. Hauptsache Ihr geht weit weg, sodass keiner mehr Eurer hochtöniges Gejaule ertragen muss!«

»Uhrich!«, mischt sich nun unser Vater ein, der bis dahin in einem Schriftstück gelesen hat, und haut mit der Faust auf den Tisch. »Eure Schwester hat die anmutigste Stimme im ganzen Königreich, also verspottet sie dafür nicht!«

Ich wünsche mir gerade, er hätte ihn eher für den ersten Teil seiner Aussage gerügt, aber ich bin auch dankbar, dass der König überhaupt seine Stimme für mich erhebt. Im Endeffekt gibt es Prinzessinnen, die es deutlich schlechter trifft. Ich habe die freie Wahl und werde auch zukünftig ein schönes Leben an der Seite eines liebevollen Gatten führen! Dessen bin ich mir gewiss! Schnell versuche ich nun auf ein anderes, fröhlicheres Thema umzulenken, um meine gute Stimmung an diesem besonderen Tag nicht kippen zu lassen.

»Es wird sicher ein wundervoller Kavalier dabei sein, mit dem ich sehr glücklich werde. Ich konnte vorhin schon einige sehen und habe wirklich hinreißende Herren entdeckt.«

»Wahrscheinlich haben sie alle die Krätze!«, faucht mein Bruder mir zu und erhält ein amüsiertes Zischen unserer Mutter.

»Es kommt überhaupt nicht darauf an, ob sie gut aussehen, Brunhilde!«, rügt sie hingegen meine Person und sieht mich vorwurfsvoll an. »Er muss eine gute Partie sein und bestenfalls ein ertragreiches Bündnis mit einem anderen Reich bringen, sonst ist deine Vermählung ja vollkommen nutzlos.«

»Ja Mutter«, sage ich brav und senke den Kopf. »Aber bis ich die alle kennengelernt habe, vergehen doch Monate? Mein Geburtstag ist in acht Tagen!«

Nun lachen plötzlich alle drei und der König hält sich dabei sogar seinen runden Bauch. »Nicht doch Brunhilde, wo denkt Ihr hin? Natürlich müssen sich all diese Anwärter erst einmal bei unserem Verwalter vorstellen, der ihre Herkunft und ihren Stand prüft. Sonst könnte ja jeder Bauer daherkommen und um Eure Hand anhalten.«

Nun bin ich wirklich verwirrt.

»Das bedeutet, der königliche Verwalter trifft die Entscheidung, wen dieser Männer ich kennenlerne?«

»So gesehen, ja.«

Erst möchte ich meinen Erzeuger anschreien, doch dann mahnt mich meine gute Kinderstube zur Demut. »Nun gut, zwar kenne ich den Herrn nicht, doch er wird sicher ein verantwortungsvoller Mensch sein, sonst wäre er wohl kaum in Euren Diensten, Vater.« Außerdem wird er garantiert einen guten Geschmack haben und mir einige reizvolle Prinzen übrig lassen.

›Mögen alle Gläubiger stets seine Adresse haben!‹

***

Ich bin so aufgeregt! Gleich geht es los!

Ob es bereits der Erste sein wird, in den ich mich verliebe? Oder der Zweite, oder der Dritte? Fast will ich eine schallende Lobeshymne an die Liebe singen, doch ich glaube, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt.

Inzwischen ist es Nachmittag. Heute gab es Gulasch und vor lauter Aufregung habe ich vier Schüsseln davon verspeist. Nun spannt mein Kleid ein wenig, aber nach einer illustren Runde auf dem Abort wird alles wieder normal sein.

Wie ich gehört habe, sind nun endlich alle Herrschaften geprüft worden, die in den letzten Tagen anreisten und nun darf ich die ersten Bewerber kennenlernen und rutsche nervös von einer Seite auf die andere. Allerdings tue ich das mehr wegen dem Metall zwischen meinen Beinen, das mir ziemlich rüde die Backen auseinanderdrückt.

Mein Vater sitzt auf seinem Thron und zwirbelt seinen Bart. »Brunhilde, ich werde mich hierbei zurückhalten. Dies ist Eure Wahl! Verfahrt mit den Anwärtern, wie es Euch beliebt, aber bleibt stets höflich, auch wenn sie Euch nicht entsprechen! Ich weiß, dass ich mich auf Euren Anstand und auf Eure Etikette verlassen kann, nicht wahr?«

»Natürlich! Vielen Dank, Vater.« Dass er mir solches Vertrauen schenkt, bedeutet mir viel, vor allem nach den harten Aussagen von heute Morgen.

Meine Mutter nickt nur und setzt sich auf ihren pompösen Thronsessel neben ihn. Wir Kinder flankieren ihre Seiten. Ja, Uhrich ist auch dabei, obwohl er es eigentlich nicht müsste, doch anscheinend hat er sich dazu durchgerungen, mich doch noch zu unterstützen, so wie er es Mutter versprochen hat.

Der Vorleser kommt herein und gibt dem König einige Papiere. Dann öffnet er ein gerolltes Dokument, auf dem nur ein paar einzelne Namen stehen. Da dies aber nicht alles sein kann, wird der Verwalter wahrscheinlich doch noch mit der Überprüfung der anderen zu tun haben.

»Ritter Jorgen von Draußen«, stellt er als ersten vor und gleich darauf öffnet sich die Tür. Der Herr, der eintritt, lässt Uhrich seltsam prusten, bis er sich die Hand vor den Mund hält. Der Fremde ist ein o-beiniger, dünner Kerl in einer klapprigen Rüstung, dessen dicke Tränensäcke aussehen, als würden sie bald platzen. Sein dünnes Haar ist von seinem Helm an den Kopf geklatscht und sieht aus, als hätte er es seit Monaten nicht gewaschen.

»Mein König!«, beginnt er und entblößt dabei seine gelben Zähne, die einen sauren Geruch verströmen. Ich glaube, er hatte, den Resten zwischen seinen Zähnen nach zu urteilen, Spinat zu Mittag. »Es ist mir eine Ehre, dass ich um die Hand Eurer Tochter anhalten darf.« Wäre er mal lieber weitergeritten und hätte in einer Schenke gehalten! »Gestattet Ihr wohl?« Dabei winkt er mit der Rechten in meine Richtung und mein Vater nickt. Als er grinsend auf mich zukommt und meine Hand zu einem höflichen Kuss nimmt, kann ich seinen betäubenden Mund- und Rachengammel förmlich schmecken, so intensiv ist der Gestank!

»Ihr seid noch schöner als auf Eurem Porträt, Mylady!«

Ich ringe mir ein Lächeln ab und versuche nicht auf den gelben Grind in seinen Augen zu starren. »Habt Dank, edler Ritter. Sollte meine Wahl auf Ihn fallen, so werde ich es Ihn wissen lassen.« Ich will die erste Runde schnellstmöglich beenden und zum nächsten Kandidaten übergehen. Nach diesem grausigen Exemplar kann es ja nur noch besser werden! ›Da war doch so ein schwarzhaariger Schönling in den vorderen Reihen, mit einem feinen, neckischen Bärtchen und einer Laute vor dem Bauch? Na, der kommt sicher noch!‹

Ritter Jorgen verbeugt sich erneut und scheppert beim Gehen wie eine alte Blechdose. Ich wische mir meinen Handrücken an einem mit Parfümöl getränkten Schnupftuch ab, das mir meine Mutter subtil reicht, und versuche, meine Freude nicht abreißen zu lassen.

»Der war doch super!«, platzt Uhrich lachend heraus und haut sich auf seinen Schenkel. »Da können wir die Vorstellungen doch gleich beenden. Bei dem braucht Ihr Euch nie mehr zu waschen, Brunhilde, denn die meiste Zeit verbringt Ihr eh auf seinem klapprigen Ross.«

»Das ist nicht Eure Entscheidung, sondern allein die Eurer Schwester«, rügt ihn unser Vater und ich bin ihm sehr dankbar dafür. Anscheinend hat er doch ein kleines bisschen Mitleid mit mir. »Der Nächste!«

Der Vorleser nimmt seine Rolle und verkündet den zweiten Namen von seiner Liste: »Prinz Ehbert von Butterweck!«

Nun, das hört sich zumindest stark und groß an! Voller Erwartungen schaue ich auf die Tür und könnte heulen, als der angekündigte Thronfolger eintritt. Es ist ein Jüngling in meinem Alter, doch er geht mir höchstens bis zum Kinn und ist auch genauso breit wie hoch.

›Seid nicht so oberflächlich! Die Figur kann noch werden, und dafür ist sein Charakter vielleicht umso überzeugender!‹

»Guten Tag, Mylord«, begrüße ich ihn direkt, damit er nicht ebenfalls auf den Gedanken kommt, meine Hand abzulecken. »War Seine Reise angenehm?«

»Keinesfalls!«, platzt er heraus und mir fällt die Kinnlade herunter, als er anfängt zu sprechen. Er sieht nicht nur aus wie ein dickes Ferkel, er klingt auch wie eins! »Seit vier Tagen lebe ich in der harten Kutsche und habe kein Auge geschlossen! Dann komme ich hier an und sollte mich bei einem lächerlichen Verwalter anstellen! Ich! Kann doch wohl nicht sein, also hab ich einen Diener geschickt! Und nun? Nun sitze ich seit einer Stunde in Eurem Vorraum und mir wird noch nicht einmal Wein angeboten!« Seine quiekenden Laute sind so grell, dass ich blinzeln muss, und sie schwanken, als wäre er noch immer im Stimmbruch.

»Verzeiht, ich werde Ihm gleich einen Becher Wein bringen lassen. Eadgyth! Sei Sie so gut und bringe den Prinzen in den Salon, damit er sich von den Strapazen seiner Reise erholen kann.« Mir fällt kaum ein schnellerer Weg ein, um diesen meckernden Mops loszuwerden. Nachdem er ohne Verabschiedung den Raum verlassen hat, seufzt meine Mutter leicht genervt, und mein Bruder massiert sich die Nasenwurzel.

»Wenn Ihr Euch den aussucht, dann reist Ihr am Morgen nach Eurer Verlobung ab, verstanden? Den Burschen ertrage ich keine Sekunde länger, als es unbedingt nötig ist!«

»Werde ich nicht!«, rufe ich zu Uhrich hinüber und bin fast so weit, ihm die Zunge herauszustrecken. Aber das gehört sich ja nicht.

»Der Nächste!«, wiederholt mein Vater und scheint es ebenfalls nur noch hinter sich bringen zu wollen. Wie sollen wir das bloß mit all den unzähligen jungen Männern schaffen, die noch vor dem Schloss stehen?

›Das waren erst zwei, und wie man weiß, sind aller guten Dinge drei! Sobald ich meinen Traummann gefunden habe, brauche ich mir die anderen ja gar nicht mehr anzuschauen. Dann gibt es nur noch den einen und -‹

»Ritter Lohrnberg vom Elbtal!«, unterbricht mich der Höfling und erneut knarzt die Tür.

›Na also! Das ist doch mal ein wohlklingender, vielversprechender Name, der sicher einem anmutigen, wundervollen Mann ge- Oh mein Gott!‹

Fast möchte ich den Vorleser fragen, ob seine Liste ein schlechter Scherz sein soll, denn der nächste Bewerber scheint geradewegs aus irgendeiner Spelunke zu kommen, so wie er torkelt! Seine Frontzähne ragen über seine Unterlippe und seine Haare sehen aus, wie gegorenes Sauerkraut!

»Großer König, edle Anwesende! Ich möchte mich Ihnen vorstellen und erzählen, wie mich mein Weg an Eure erlauchten Tore führte.« Er holt eine Rolle hervor und scheint eine Rede halten zu wollen, doch da stoppe ich ihn gleich, indem ich die Hand hebe.

»Vielen Dank, Ritter Lohrnberg, aber wir veranstalten heute nur ein flüchtiges Kennenlernen. Aufgrund der zahlreichen Bewerber müssen wir uns sputen.«

»Zahlreiche Bewerber?« Er zieht die Nase hoch und schaut sich um. »Wo denn? Vor der Tür sitzen nur noch drei!« Damit will er ungebeten seine Rede fortsetzen, bis auch mein Vater die Hand hebt und ihn nach draußen bittet. »Er wird noch genügend Zeit haben, meiner Tochter Seine Lebensgeschichte zu erzählen! So gehe Er nun hinaus und labe Er sich am Wein.«

Der Edle zuckt mit den Achseln, sagt nur noch »Jut!«, und dann verschwindet er.

»Der Nächste!«

»Ritter Lord Diether von Poleck!«

Ich lege bereits mein Gesicht in meine Hände auf meinem Schoß und bereue die Unhöflichkeit dieser Handlung kaum, als ich einmal zwischen den Fingern hindurchlinse. Es ist der Spanner, der schon vor meinem Balkon stand, und noch bevor er den Mund öffnen kann, schnaufe ich ein enttäuschtes »Nein!« zu dem bierbäuchigen Kerl, der vom Alter her mein Vater sein könnte. So langsam vergeht sogar mir die stets gute Ührkser-Laune.

Der König entschuldigt sich für mich, steht selbst auf und geleitet den Herrn zur Tür, bevor er mich anfährt: »Brunhilde, was ist mit Eurer Haltung? Dies eben war sehr unflätig! Für einen von diesen müsst Ihr Euch entscheiden, also reißt Euch zusammen!«

»Aber Vater, diese Herren können doch nicht Eure ganze Auswahl sein? Keiner dieser Männer ist auch nur im Entferntesten das, wonach sich mein Herz sehnt!«

Meine Mutter legt ihre Hand auf mein Bein und schüttelt missbilligend den Kopf. »Brunhildchen, darum geht es aber nicht. Wir brauchen eine gute Partie für Euch, die Eurem Stand angemessen ist. Die reichen und schönen Prinzen haben es nicht nötig, um eine Zweitgeborene zu werben. Das Problem ist also, dass sich ausschließlich Lords und Edelleute niederen Standes überhaupt bewerben müssen, denn nur als einflussreiche Person kann man sich umwerben lassen. Wenn sie jedoch nicht die Erstgeborenen sind oder wenig Ansehen und Reichtum haben -«

»Oder wenn sie abstoßend hässliche Hurenböcke sind, deren Eier die Syphilis durchzogen hat«, fügt Uhrich lachend an.

»Ja, dann müssen sie es auf diesem Wege versuchen!«, beendet sie den Satz.

»Nichtsdestotrotz haben die ausgesuchten Herrschaften von allen Anwärtern noch das beste finanzielle Potenzial«, mischt sich nun auch noch der Vorleser ein.

»Aber wo sind die stattlichen, stolzen, charmanten Männer, die ich gesehen habe? Wie der mit der Laute!«

»Das war ein Barde!«, unterbricht er mich gleich wieder. »Viele der Herren haben ihr Gefolge mitgebracht. Die Barden sollen gewiss romantische Lieder über Eure Verlobung verfassen, die es dann in ihrer Heimat zu besingen gilt!«

Meine Hoffnung schwindet immer mehr und angesichts seiner übersichtlichen Liste drängt sich mir eine Frage auf, deren Antwort ich eigentlich gar nicht hören will. »Dann sagt mir, wie viele stehen noch zur Wahl?«

»Zwei, Mylady!«

Diese Zahl lässt mich schlucken. »Aber das ist nur die Liste von heute, oder? Also wir haben ja noch über eine Woche und-«

»In diesen Tagen könnt Ihr Euch die Dokumente der Anwärter noch einmal ansehen und eine Vorauswahl treffen. Danach gilt es, den ein oder anderen Spaziergang zu organisieren. Ihr solltet zusammen mit Euren Auserwählten speisen und sie näher kennenlernen, damit Ihr Euch am Tag Eurer Jährung besser entscheiden und Eure Verlobung mit einem von ihnen verkünden könnt!«

Für einen Höfling ist der Mann ziemlich vorlaut, aber er ist es ja auch gewohnt zu reden, also kann ich ihm dies wohl nicht zum Vorwurf machen.

»Brunhilde, Ihr haltet mit Euren Fragen den ganzen Verkehr auf!

---ENDE DER LESEPROBE---