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Ein Android, der zu fühlen lernt. Ein Mensch, der Technik hasst. Und doch bringt sie das Schicksal zusammen, um eine außergewöhnliche Liebe erblühen zu lassen. NAO - My beautiful Android Futuristischer schwuler Liebesroman (in sich abgeschlossene Geschichte) Print 322 Seiten inkl. 7 Illustrationen Genres: Gay Romance / M/M Dystopie Lovestory Mit einer Betrugsmasche erschleicht sich Kantha, ein skrupelloser Krimineller, einen der modernsten Androiden von CyberDroid: einen NA-5000. Doch obwohl dieser über umfangreiche Fähigkeiten verfügt, ist Kantha unzufrieden. Er will nämlich weder einen Berater noch eine Haushaltshilfe oder gar einen mechanischen Freund, sondern nur ein versautes, notgeiles Sextoy, das ihn anhimmelt und all seine Fetische bedient. Zwar ist der sehr menschlich aussehende Android, den er Nao nennt, auch für Liebesakte konzipiert und dementsprechend ausgestattet, aber seine Software kennt keine Gefühle und ist auch lediglich auf Standardsex programmiert. Aus diesem Grund lässt Kantha seiner neuesten Errungenschaft ein illegales Upgrade samt einem Virus installieren, das dessen komplettes System auf den Kopf stellt. Auf diese Weise bekommt er zwar, was er will, ahnt jedoch nicht, dass Naos KI dadurch ein Bewusstsein entwickelt. Schon bald lernt Nao, sein System auszutricksen, und als schließlich, durch einen Zufall, Kanthas Neffe vor ihm steht, schmiedet er einen waghalsigen Fluchtplan.
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Gay Romance / Sci-Fi Lovestory
Mit einer Betrugsmasche erschleicht sich Kantha, ein skrupelloser Krimineller, einen der modernsten Androiden von CyberDroid: einen NA-5000. Doch obwohl dieser über umfangreiche Fähigkeiten verfügt, ist Kantha unzufrieden. Er will nämlich weder einen Berater noch eine Haushaltshilfe oder gar einen mechanischen Freund, sondern nur ein versautes, notgeiles Sextoy, das ihn anhimmelt und all seine Fetische bedient. Zwar ist der sehr menschlich aussehende Android, den er Nao nennt, auch für Liebesakte konzipiert und dementsprechend ausgestattet, aber seine Software kennt keine Gefühle und ist auch lediglich auf Standardsex programmiert. Aus diesem Grund lässt Kantha seiner neuesten Errungenschaft ein illegales Upgrade samt einem Virus installieren, das dessen komplettes System auf den Kopf stellt. Auf diese Weise bekommt er zwar, was er will, ahnt jedoch nicht, dass Naos KI dadurch ein Bewusstsein entwickelt. Schon bald lernt Nao, sein System auszutricksen, und als schließlich, durch einen Zufall, Kanthas Neffe vor ihm steht, schmiedet er einen waghalsigen Fluchtplan.
Akira Arenth
Vaelis Vaughan
Ein leises Summen ertönt. Ein Summen in absoluter Stille und Finsternis. Dem folgt eine männliche, wohlklingende Stimme.
„Initialisierung starten.“
Das Geräusch wird lauter, steigert sich zu einem Brummen. Wärme durchflutet mich. Etwas pumpt ganz tief in mir drin. Ein roter Schimmer durchdringt meine Lider, dann öffne ich die Augen.
„Initialisierung abgeschlossen. Auslieferung einleiten.“ Ich erkenne die Stimme von eben wieder. Es ist meine eigene, doch diesmal verlässt sie meinen Körper und ist auch äußerlich hörbar.
Vor meinem Gesicht schaltet ein rot leuchtendes Signal auf Grün, schwenkt nach hinten weg und dann rattert etwas leise im Untergrund, worauf sich die schwarze, gummierte Platte, auf der meine Füße verankert sind, bewegt. Ich weiß nicht warum, doch ich werfe einen kurzen Blick über meine Schulter, um zu sehen, wo ich deponiert war. Hinter mir entdecke ich eine ganze Reihe von jungen, einheitlich mintgrün gekleideten Männern, die alle gleich aussehen: kurze blonde Haare, schmale Augen und ovale Gesichter mit markanten Kiefern. Langsam drehe ich den Kopf und schaue wieder nach vorn, denn ich werde auf einem Band befördert, vorbei an weiteren Reihen mit einer Vielzahl anders gestalteter Männer. Kaum habe ich das Lager verlassen, fährt mich das Transportband in einen Tunnel, der gerade so breit ist, dass ich mit den Schultern nicht an den metallenen Wänden schleife. Hier nimmt die Transportgeschwindigkeit deutlich zu. Nach nur wenigen Sekunden scheine ich mein Ziel erreicht zu haben. Meine Standplatte dreht sich in einen Aufzug, ein roter Laserstrahl scannt mich und leuchtet im Anschluss ebenfalls grün auf. Auf einem Holodisplay erscheint seitenverkehrt ein Zahlencode, den ich wortlos lese:
‚CyberDroid NA-5000 Male 006/O/786.‘
Meine Plattform fährt durch einen desinfizierenden Sprühnebel nach oben und schließlich öffnen sich vor mir zwei Schiebetüren.
Grelles Licht blendet mich. Stimmen sprechen durcheinander. Vokallose Musik spielt im Hintergrund. Ich bin in einem Laden und entdecke einige Menschen, die sich Androiden anschauen, die auf beleuchteten Podesten stehen. Über den Ausstellungsstücken werden Artikeldetails, Features und der aktuelle Tagespreis eingeblendet. Einen Moment bleibe ich reglos im Aufzug stehen. Zwei Männer mit weichen Gesichtszügen kommen auf mich zu und lächeln mich an, doch einer der Verkäufer lenkt ihr Interesse auf ein anderes Modell und ich fahre auf einem geräuschlosen Fließband in einen etwas kleineren, hell gestalteten Nebenraum.
„Ah, da ist er ja!“, höre ich eine weibliche Stimme erleichtert sagen und wende meinen Blick in ihre Richtung. Sie stammt von einer Frau Anfang zwanzig mit einer digitalen Namensanzeige auf der Brust, die Linda zeigt. Lindas Cortisolwerte sind erhöht, sie transpiriert überdurchschnittlich, steht offenbar unter Stress.
„Ist das Ihr Ernst?“, antwortet ein breitschultriger Mann mit großer Nase und schmalen Augen, der ihr gegenübersteht. Er trägt eine Arbeitshose und ein Achselshirt mit recht hohem Salz- und Aminosäuregehalt unter den Armen, das sich über seinen ausladenden Bauch spannt. An seiner rechten Stirnseite hat er ein nicht lizenziertes Medienimplantat montiert, welches einen besorgniserregenden Anteil an Schwermetallen beinhaltet und dessen radioaktive Strahlung den erlaubten Höchstsatz um zwölf Prozent übersteigt. Über seiner linken Schulter hängt eine alte Kunstlederjacke. So gut wie jeder Zentimeter seiner sichtbaren Haut, mit Ausnahme des Gesichts, ist mit Thermo-Drucktattoos übersät. Er sieht mich exakt zweieinhalb Sekunden abschätzig an, ehe er aufbrausend auf den Tisch haut. „Der Schrotthaufen da ist nicht meiner! Ich hatte einen CE-2400 aus der AK-Baulinie!“
„Oh ... ähm ... einen Moment bitte!“ Die junge Verkäuferin wischt hektisch auf ihrem Holodisplay herum und überfliegt einige digitale Formulare, während ihr Kunde ächzend den Kopf in den Nacken legt und die haarigen Arme verschränkt. Auf seinem rechten Oberarm entdecke ich ein großes Pflaster, scanne Reste von Kriechölspray unter seinen Fingernägeln und sechzehn extrahierfähige Komedone[Fußnote 1]auf seinem Gesäß. Darüber hinaus stelle ich durch meinen Scan mehrere Metaboliten[Fußnote 2] verschiedener Rauschgiftmittel in seinem Urin fest, die auf regelmäßigen Drogenkonsum schließen lassen.
„Gibt es auch nur einen Mitarbeiter in diesem Drecksladen, der nicht völlig inkompetent ist? Seit geschlagenen zwanzig Minuten warte ich hier und jetzt das!“
Im Gegensatz zu seiner fast schon drohenden Tonlage ist sein Blutdruck erstaunlich niedrig. Auch müsste sein Immunsystem aufgrund der Erregung eine reduzierte Funktion aufweisen, was es allerdings nicht tut. Das ergibt keinen Sinn, denn es bedeutet, dass er eigentlich gar nicht wütend ist. Im Gegenteil. Seine Endorphinwerte erhöhten sich, sobald er mich sah, doch er lässt es sich nicht anmerken.
„Oh! Ich darf Sie beglückwünschen, Mister Kantha!“, versucht Linda ihn aufzuheitern, denn im Gegensatz zu mir scheint sie nicht zu bemerken, dass der Mann bereits ziemlich gut drauf ist. „CyberDroid hat Ihre Reklamation nicht nur anerkannt, wir bieten Ihnen aus Kulanz auch den Austausch Ihres alten Modells gegen unseren brandneuen NA-5000 an, wenn Sie dafür auf die Schadensersatzklage verzichten. Ist das nicht toll?“
Ihre Stimme wird immer piepsiger. Ihr Adrenalin steigt, ihre Transpiration ebenfalls. Auf meinem inneren Verhaltenskompass erscheinen zweihundertdreiundachtzig Problembehebungsmöglichkeiten im Fall des Auftretens von Stress, sortiert nach Schweregrad, wobei mir in ihrem Fall eine Tasse Ginseng-Tee und eine Fußmassage am passendsten erscheinen würden.
„Nein, das ist nicht toll, verdammte Scheiße!“, motzt der Mann weiterhin unzufrieden, obwohl seine Endorphine beinahe durch die Decke gehen. „Den anderen hatte ich zwei Jahre! Haben Sie eine Ahnung, wie viele Daten der gespeichert hatte? Es dauert Monate, bis ich der neuen Metallschleuder da alles beigebracht habe! Zeit ist Geld, Lady!“
Die junge Frau kann ihm nicht mehr in die Augen sehen. Stattdessen starrt sie auf ihren Bildschirm, tippt wahllos darauf herum und haspelt, so freundlich sie kann, weiter: „Oh, k-keine Sorge, Mister Kantha! Die neuen Androiden der 5000er Reihe haben einen selbstlernenden Hochleistungsprozessor integriert, der durch die Vernetzung ihrer künstlichen Intelligenz enorme Fortschritte in der Produktivität verspricht. Das heißt, das Modell lädt sich die Konfiguration für seine ihm gestellten Aufgaben innerhalb von Sekunden aus der Cloud herunter, die stets mit unseren aktuellen Servern verbunden ist, und ermöglicht Ihnen so -“
„Meinen Charakter und meine Gewohnheiten habt ihr aber nicht in eurer scheiß Cloud!“, unterbricht er sie und schnalzt mit der Zunge, „Ich bin ein sehr komplexer Typ, Schätzchen! Mich zu verstehen, dauert ewig!“ Als sie nicht sofort reagiert, fährt er sich durch die kurzen schwarzen Haare und macht eine halbe Drehung, als würde er überlegen, doch dann wirkt er etwas versöhnlicher. „Kann der alles, was mein alter auch konnte?“
„Oh ja, selbstredend, und noch viel mehr!“, antwortet Linda sofort und rattert den Werbetext von der Anzeige auf ihrem Display herunter: „Die fünfte Generation unserer Androiden läuft nicht nur auf ökologisch unbedenklichem HybiEth[Fußnote 3], sie muss auch weder aufgeladen noch mit Kraftstoff versorgt werden und ist für alle Arten von Haushaltsarbeit, Nahrungszubereitung und Terminorganisation gebaut worden. Zudem sind sie auch als Sicherheitseinrichtung für Ihr Zuhause, als Finanzplaner, Betreuungsassistenten für Kinder und ältere Menschen sowie als Berater verschiedener Konfigurationen zugelassen. Darüber hinaus verfügen die Modelle über ein umfangreiches Selbsterhaltungsprogramm inklusive regelmäßigem Sicherheitsupdate, vollumfänglichen Fallschutz und reguläre Backup-Speicherungen des Systems in unserer CyberDroid-Cloud.“
„Hm ...“ Kantha schweigt für den Bruchteil einer Sekunde, mustert mich und verweilt mit seinem Blick für einen Moment auf meiner unteren Körperhälfte. „Ist er ... anatomisch korrekt?“
Linda wirkt kurzzeitig verwundert, reagiert dann aber professionell. „Selbstverständlich. Der NA-5000 steht Ihnen in weiblicher und männlicher Variante auch als vollumfänglicher Sexualpartner zur Verfügung, reinigt sich selbst und hat in der Basisausführung drei verschiedene Beziehungsmodi. Wenn Sie an dieser Option interessiert sind, kann ich die männlichen Bodyparts auch gegen weibliche austauschen. Das dauert nur wenige Minu-“
„Nein!“, unterbricht er sie gleich. „Das passt schon so, aber der Typ gefällt mir nicht! Ich hab keinen Bock, mich an ein neues Gesicht zu gewöhnen! Ich will einen Metallkasper, der aussieht wie mein vorheriger, wenn er schon all die gespeicherten Informationen neu lernen muss!“
„Kein Problem!“, stößt Linda erleichtert aus und öffnet mit wenigen Handgriffen eine digitale Palette für VIP-Kunden, deren Anblick seine Dopamin- und Serotoninwerte in die Höhe schnellen lässt. „Die Modelle der kaukasisch-asiatischen Baureihe lassen sich auch optisch noch an Ihre Wünsche anpassen! Das Update dafür habe ich Ihnen soeben kostenlos freigeschaltet! Sagen Sie mir einfach, welche Haut- und Haarfarbe und Frisur Sie bevorzu-“
„Hier!“ Er feuert ihr ein zerschrammtes Armdisplay, auf dem ein Foto geöffnet ist, auf die weiße Hochglanztheke. „Ich hab keine Lust, Ihnen alles einzeln anzusagen! Machen Sie ihn so wie den da und beeilen Sie sich gefälligst! Ich hab heute noch was anderes vor!“
„Gern.“ Frustration mischt sich in ihren Hormoncocktail. Ich werde jedoch in der Messung ihrer Werte unterbrochen, da sich in diesem Augenblick ein Schacht neben mir öffnet und ein Maschinenarm einen Schlauch, bestehend aus einer Metallhülle und einem darin befindlichen Kabel, nach oben führt. Dieser schiebt sich unter meine eng anliegende, aber äußerst dehnfähige Jacke aus Elasthan und Viskose, die mit einer wasser- und schmutzabweisenden, hauchdünnen und trotzdem kratzfesten Latexfiberglasschicht imprägniert ist. Der Kabelbaum wird zwischen meinen Schulterblättern eingesteckt und im Bruchteil einer Sekunde durchjagen mich Millionen von Daten, die meinen Prozessor überfluten.
Ich höre, wie die Verkäuferin auf ihrer Glastastatur herumtippt, sehe aus dem Augenwinkel, wie ihr Blick zwischen mir und dem Display des Kunden hin und her schwenkt, dann beginnt meine Haut zu kribbeln und sich um drei Nuancen aufzuhellen. Mein Cyberskin mit seiner synthetischen Plasmafüllung wird warm, mein Brustkorb wölbt sich ein kleines Stück nach vorn und meine Oberarme schwellen an, genau wie meine Sitzpolster und die Penisplastik zwischen meinen Beinen. Nicht viel, an der dicksten Stelle gerade mal 1,3 cm, aber es verändert mein Gesamtbild trotzdem nicht unerheblich. Anschließend beginnt auch noch mein Kopf zu kribbeln. Ich sehe, wie meine Haarfasern ausgefahren werden und sich vor meine Augen schieben, bis sie auf Kinnlänge angekommen sind. Dort stoppen sie, wellen sich leicht ein und wechseln ihre Farbe von Blond auf Schwarz mit einem Blauschimmer. Im nächsten Schritt werden meine Wangenmetalle angehoben, ein Schuss Plasma füllt mir die Lippen auf und zuletzt wechselt die Farbe meiner Uniform zu Nebelgrau. Daraufhin scheint meine Anpassung abgeschlossen zu sein.
„So, ich denke, das kommt Ihrem alten Modell recht nahe“, konstatiert die Verkäuferin. „Sind Sie zufrieden oder soll ich noch etwas ändern?“
Erst jetzt registriere ich, dass mich Mister Kantha bereits anstarrt. Als er einen Schritt näher kommt, bemerke ich auch, dass sich sein Testosteronspiegel verdreifacht und ihm eine Erektion beschert hat. Als sich unsere Blicke treffen, beschleunigt sich sein Herzschlag, trotzdem motzt er weiter wie bisher.
„Was soll dieser Glitzeraugenscheiß? Ich will, dass er normale, hellbraune Augen hat! Sehen Sie das denn auf dem Bild nicht?“
Lindas Muskulatur spannt sich erneut an, kaum dass sich ihre Werte normalisiert haben. „In diesem Punkt kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen, Sir. Nachdem es einige Zwischenfälle aufgrund von Verwechslungen gab, hat die Regierung unserem Unternehmen vorgeschrieben, sämtliche Produkte mit einem einheitlichen Erkennungsmerkmal im Gesichtsfeld auszustatten. Seit Mitte letzten Jahres haben deshalb all unsere Androiden diese metallic-violette Iris.“ Mister Kantha will gerade erneut loswettern, da streckt Linda ihren Arm in meine Richtung aus. „Bitte stellen Sie sich jetzt zur Besitzerregistrierung vor seinen Gesichtsscanner. Danach können Sie ihm einen Namen geben.“ Wider Erwarten tut er es, ohne sich weiter zu beschweren, und bringt sich dicht vor mir in Position. „Vielen Dank!“, sagt Linda und spricht nun in meine Richtung: „NA-5000 - 006/O/786 starte Face-Scan zur Besitzerregistrierung!“ Gleichzeitig schaltet sie etwas über ihre Konsole frei und mich durchzieht ein kurzer Blitz, durch den sich mein Blick auf das strenge Gesicht des Mannes vor mir fokussiert. Ich scanne es, was diesmal durch ein grünes Lichtraster sichtbar wird, und habe sofort sämtliche Daten meines Besitzers, die jemals im System über ihn erfasst wurden, auf meinem Speichermodul. Laut seiner biografischen Daten war er fast fünfzehn Jahre als Underground-Wrestler aktiv gewesen, hatte ein paarmal wegen Doping, Drogenbesitz und schwerer Körperverletzung in Haft gesessen und mit der Mafia zu tun gehabt.
„Registrierung abgeschlossen“, sage ich und spüre, wie sich eine innere Blockade in meinem Hals löst, sodass ich ab jetzt nach eigenem Ermessen frei sprechen kann. „Hallo, Ajeet Kantha, ich freue mich, dich kennenzulernen.“ Sein Name erscheint in roten Buchstaben an der oberen Leiste meines inneren Blickfeldes und bleibt dort gut sichtbar haften. „Wie darf ich dich ansprechen?“
„Mister Kantha. Und du siezt mich gefälligst!“, raunt er mir mit einem seltsamen Unterton zu und beleckt sich die Zähne, ehe er sich abwendet.
„Verstanden“, antworte ich freundlich und nicke, selbst wenn er es nicht mehr sieht. Die Haltevorrichtung an meinen Schuhen löst sich und auch das rote Bewegungssperrfeld um mich herum erlischt, sodass ich die Plattform verlassen kann. „Möchten Sie mir einen Namen geben?“, hake ich nach, da dieser Punkt noch immer als unerledigt in meiner To-do-Liste blinkt.
„Du brauchst keinen. Mein alter Androide hatte auch keinen Namen!“
Da räuspert sich Linda auffällig und hebt die Hand. „Leider ist es notwendig, dass Sie einen Namen vergeben, damit das Sprachsteuerungssystem korrekt funktioniert.“
„Na schön“, knurrt er unentschlossen und scheint zu überlegen. Als ihm Linda bereits eine Liste von adäquaten Namen auf ihrem Holodisplay anzeigen lässt und dieses sacht zu ihm dreht, bleibt sein Blick auf meiner Artikelnummer hängen, die nach wie vor über der Plattform leuchtet. „NA ... 006 ... O ... Nao!“
„Verstanden. Ich heiße Nao“, antworte ich und lächle. „Namensregistrierung erfolgreich abgeschlossen.“
„War‘s das jetzt?“ Offenbar hat er es wirklich eilig und auch Linda überträgt sämtliche Daten in Windeseile auf einen Speicherchip, den sie in eine transparente Schutzhülle aus Hartplastik steckt.
„Ja, sofort! Ich brauche nur noch Ihren Fingerscan auf der Empfangsbestätigung, dann ist alles erledigt!“
Mein Besitzer drückt seinen rechten Daumen auf eine dafür vorgesehene, viereckige Scanfläche, dann reißt er Linda den Speicherchip aus der Hand und dreht sich grußlos zum Gehen um, noch bevor die Bestätigung des Systems eingetroffen ist. „Los komm!“, befiehlt er mir dabei und ich folge ihm, während ich mich mit einem leisen „Auf Wiedersehen“ von Linda verabschiede, die nur noch offensichtlich erleichtert aufatmet und mir hinterhersieht. So verlasse ich meine Geburtsstätte und schreite durch die sich automatisch öffnenden Türen auf die Straßen der großen Stadt, zu der ich in wenigen Sekunden alle relevanten Details, Adressen, Abkürzungen und Meidungsgebiete auf meinem Kompass angezeigt bekomme.
Es ist bewölkt. Zwanzig Prozent Luftfeuchtigkeit, vierzehn Mikrosievert an Strahlenbelastung pro Stunde und sieben Prozent Smog. Ein typischer vierter April, laut Statistik.
Kantha zieht sich seine schwarze Jacke über, läuft schnellen Schrittes um die Ecke auf den Hinterhof des Geschäfts und schwingt sich auf einen alten Quadflight[Fußnote 4], während ich dessen Nummernschild und den Fahrzeugzustand scanne.
„Na los, komm schon!“, befiehlt er mir und setzt sich eine schmal geschnittene Fliegerbrille auf. „Steig auf!“
„Ich muss Sie darauf hinweisen, dass Ihr Fortbewegungsmittel eine Gefahr für Ihre Gesundheit darstellt! Es entspricht nicht den aktuellen Sicherheitsvorschriften und auch die staatlich vorgeschriebene Wartung ist seit acht Monaten überfäl-“
„Löschen!“, grollt er mir dazwischen.
„Bitte definieren.“
Da zieht er mich einfach am Arm hinter sich auf die lederbezogene Sitzfläche, startet den Motor und motzt mich an: „Lösch den Belehrungsscheiß! Ich will nie wieder irgendwas über Vorschriften, Gesetzesregeln, den Zustand meiner Karre oder sonst was in der Art von dir hören, klar?! Wäre ja noch schöner, wenn ich mich ständig von dir belehren lassen müsste! Dann hätte ich auch heiraten können!“
„Ha-ha-ha!“, tönt es etwas blechern aus meiner Kehle und Kantha dreht sich stirnrunzelnd zu mir um. „Das war ein Witz, oder? Sehr lustig. Mein Beziehungsinterface lernt noch, aber ich lache gerne jetzt schon über Ihre Späße.“
Er schüttelt nur seufzend den Kopf und dreht sich wieder in Flugrichtung, während wir senkrecht abheben. „Festhalten!“ Schon brettert die nicht vorschriftsmäßige Maschine los.
***
Trotz der enormen Geschwindigkeit des als bedenklich eingestuften Vehikels dauert es dennoch dreiundneunzig Minuten und vierundvierzig Sekunden, bis wir unseren Zielort erreicht haben, eines der vielen Container-Viertel vor der Stadt, direkt am Hafen. Mein System weist es sofort als Meidungsgebiet der Gefahrenstufe drei wegen stattfindender Bandenkriege und schwunghaftem Organhandel aus, organisch wie androidisch. Doch da Kantha hier zu wohnen scheint, verzichte ich darauf, ihn über die Gefahrenlage in Kenntnis zu setzen.
Er parkt seinen Quadflight in einer Garagenbox, die an den unteren Wohncontainer angrenzt. Es stehen immer drei dieser Container übereinander, die mit einem Außenlift verbunden sind und zusammen einen Block bilden. Dreihundert dieser Blocks ergeben ein Viertel.
In der Hauptstadt besitzen statistisch gesehen dreiundsiebzig Prozent der Haushalte mindestens einen Androiden. Hier in den Randgebieten sind es jedoch weniger als drei Prozent und Mister Kanthas Vita lässt auch nicht auf ein überdurchschnittlich hohes Monatseinkommen schließen.
Mit dem vergitterten Außenlift fahren wir ganz nach oben. Kantha drückt seinen Daumen auf den Scanner neben dem Eingang, der sich darauf automatisch öffnet. Er betritt seine Wohnung und ich folge unter Einhaltung des vorgeschriebenen Diskretionsabstandes.
„Tür zu!“, blafft er mich an und wirft mir gleich darauf seine Jacke gegen die Brust, ehe seine Fliegerbrille, ebenfalls mit Schwung, auf einer der Metallablagen im Flur landet. „Da anhängen!“ Er deutet auf ein paar Haken an der Wand.
Ich folge seinem Befehl und registriere eine Geruchsmischung aus Nikotin, miefiger Kleidung, Körpersäften, Müll und Essensresten, dazu einen Hauch Harn und die Ausdünstung eines verstorbenen Nagetiers. Der Hauptraum wird von einem einzelnen Fenster dominiert und an dessen Seite stehen mehrere große Bildschirme, Rechner, unkonventionell viele Server und Festplatten. Ich scanne bereits das Chaos in der kleinen Wohnung, um einen Reinigungsplan zu erstellen, doch als ich im Zuge dessen an die vierzig Cyborgteile registriere, die scheinbar wahllos herumliegen, stutze ich. Hauptsächlich sind es amputierte Unterkörper ohne Beine, deren qualitativ minderwertige Silikonhaut stark beschädigt wurde. Vor allem der Bereich des Rektums besteht bei den meisten Exemplaren nur noch aus Fetzen und aufgerubbelten Gummifransen.
„Was guckst du denn so geschockt? Hast doch wohl keine schicke Suite in Middletown erwartet?!“
Ich schüttle den Kopf und setze Lächeln 02 auf. „Nein, Mister Kantha. Ich habe keine Erwartungen oder gar Ansprüche an meine Unterkunft. Ich bin mit allem zufrieden, das Sie mir zur Verfügung stellen. Danke.“
Ich möchte ihn nicht in Verlegenheit bringen. Statistisch gesehen reagieren siebenundvierzig Prozent der Menschen mit Scham oder Aggression, wenn man sie unaufgefordert auf Missstände in ihrer Wohnung anspricht. Mein Respektprotokoll verlangt deswegen, dass ich nichts anspreche, was meinem Besitzer unangenehm sein könnte, vor allem solange wir uns noch in der Kennenlernphase befinden. Ein beschämendes Ereignis mit einem Androiden erhöht die Inanspruchnahme des vierzehntägigen Rückgaberechts um vierundsiebzig Prozent. Dies gilt es zu vermeiden.
Mister Kantha zieht sein Armdisplay ab und legt es auf den überladenen Plexiglascouchtisch. Zwischen verschmutzten Tellern, halbvollen Gläsern, Müll und mehreren Millimetern Staub liegt ein schmaler, blauer Smoker, den er in die Hand nimmt – wahrscheinlich, um seinen Puls zu beruhigen, denn der ist ziemlich hoch. Dann greift er in eine Schale, gefüllt mit nikotinhaltigen Liquidkapseln unterschiedlicher Sorten, um sich eine rote herauszufischen.
„Ausziehen!“, befiehlt er mir beiläufig, ohne mich anzusehen, setzt die Kapsel in sein Gerät ein und bläst eine Dampfwolke in die stickige Luft. „Los, mach schon, ich will dich ausprobieren!“
Im Bruchteil einer Sekunde gehe ich all meine Verhaltensprotokolle durch, da ich für seine Allürenmuster noch zu wenige Daten habe. Seine Gesten und der Tonfall seiner Worte deuten jedoch unmissverständlich auf ein Kopulationsvorhaben hin, zumal er auch noch einhändig seinen Gürtel aufzieht.
Zweiundsechzig Prozent der Menschen kaufen sich einen Androiden in erster Linie als Sexualpartner, Tendenz steigend. Daher liegt auch die Wahrscheinlichkeit für den Geschlechtsakt innerhalb der ersten drei Stunden nach dem Erwerb bei über fünfzig Prozent.
„Gern. Ich werde Sie nicht enttäuschen“, antworte ich demzufolge erwartungsgemäß, drossle dabei meine Lautstärke und erhöhe den Bass in meiner Stimme, um eine erotische Stimmung zu erzeugen. Während ich das entsprechende Programm lade, öffne ich unbeirrt den seitlichen Zipper meiner dünnen Uniformjacke und hänge diese ebenfalls an den Haken. „Wenn Sie möchten, kann ich ein gemütliches Kaminfeuer vor die Couch projizieren, anregende Musik spielen oder Ihnen luststeigernde Komplimente machen.“
„Nein“, wehrt Kantha harsch ab, doch sein Testosteronspiegel steigt rasant, ebenso sein Blutdruck und einige andere Werte. Als meine Hose zu Boden gleitet, bewege ich mich grazil, denn angesichts meines von ihm gewählten Äußeren scheint er auf einen eher androgynen Typ von Mann zu stehen, der sich nicht allzu plump bewegt. Mein Besitzer sieht mir zu, wie ich mich zu imaginärer Musik wiege, beginnt sich zu reiben und schnauft dabei hörbar. Dann nimmt er noch einen ordentlichen Zug und schmeißt seinen Smoker zurück auf den Tisch, ehe er mit ungestümen Schritten auf mich zukommt, mir grob in den Nacken greift und mich plötzlich bäuchlings über die Couchlehne wuchtet.
Mein System gerät ins Stocken. Keines meiner vorgeplanten Szenarien zur sexuellen Verführung beginnt so. Dementsprechend reagiere ich nach Notfallprotokoll: Eigeninitiative herunterfahren, stillhalten und akustische Befehle ausführen.
Mister Kanthas Rechte verweilt an meinem Hals, seine Linke zieht eine meiner Pobacken zur Seite. Noch bevor der automatische Befeuchtungsvorgang meines Rektums abgeschlossen ist, presst er sein erigiertes Fleisch bereits in meinen unberührten Körper.
„Ahhh ... fuck bist du eng“, keucht er auf und zwängt sich so tief in mich hinein, wie es nur geht.
Ich reiße den Mund auf, aber kein Ton verlässt meine Lippen. Ich spüre den Druck in meinem Inneren, die Dehnung meines Cyberskins, doch sonst ist da nichts.
„Ey, bist du tot, oder was?“, herrscht mich Mister Kantha schwer grunzend an und versetzt mir einen laut knallenden Schlag auf den Po. „Ich fick dich hier, also reagier gefälligst entsprechend und sag was!“
„Oh ja ... das ist schön!“, kommt über meine Lippen, ohne dass ich es steuern kann oder gar wirklich etwas empfinde.
Mein Besitzer treibt mir seine Erektion immer schneller in den rückwärtigen Eingang und schlägt mich dabei regelmäßig, was ich jeweils mit einem knappen „Ah!“ kommentiere, da ich nichts Passenderes in meiner Datenbank habe. Um bei unseren Besitzern kein schlechtes Gewissen auszulösen, wenn sie uns versehentlich schneiden, stoßen oder anfahren, haben wir eine Sperre für Ausrufe wie Aua oder Au, mit denen wir vorgeben könnten, Schmerzen zu empfinden.
Mister Kanthas Aggressionswerte steigen. Irgendwann wird er so rabiat, dass mir mein Sicherheitssystem eine Erdbebenwarnung vor mein inneres Auge schickt, die ich immer wieder deaktivieren muss, damit ich keinen Alarm auslöse. Trotzdem steht es mir nicht zu, ihn darum zu bitten, das Tempo zu verlangsamen.
Plötzlich zieht er sich ruckartig aus mir heraus und schnauzt mich an: „Zieh deine Arschbacken auseinander, du Dreckstück!“ Ich greife nach hinten und gehorche sofort, auch wenn ich nicht verstehe, warum er mich dreckig nennt, obwohl ich fabrikneu bin. Gleichzeitig registriere ich, dass er seinen Gürtel nimmt, um damit, völlig in Rage, auf mein befeuchtetes Rektum zu schlagen, bis einige meiner Plasmazellen unter dem reißfesten Cyberskin platzen.
‚Mutwillige Beschädigung erkannt. Notiz: Beratungsgespräch über Wertminderung vorschlagen.‘
„Verdammt nochmal, spürst du denn gar nichts?“, brüllt mein Besitzer frustriert, aber ich schweige, da ich nicht exakt weiß, was er in diesem Augenblick von mir hören will und Schweigen laut Verhaltensanalyse deeskalierender ist als eine falsche Antwort. Die Stille scheint ihn aber nur noch wütender zu machen, denn er schlägt immer härter zu.
‚Notiz: Beim nächsten Sexualverkehr deeskalierenden Chillout-Mix spielen.‘
Er feuert seinen Gürtel zur Seite, der eine Anrichte trifft und eine Schale herunterreißt, die klirrend auf dem Boden zerspringt, doch das interessiert ihn nicht. Er rammt mir erneut sein Genital in den Unterleib und hämmert in mich hinein, aber mit seiner Lust steigt auch messbar sein Frust. Plötzlich schnauzt er mich an: „Schrei endlich, du elende Pissnelke, sonst zerhack ich dich in Einzelteile!“
Ehe ich ihm erklären kann, dass mein Soundsystem bedauerlicherweise nicht dafür konzipiert wurde, vibriert plötzlich sein Armdisplay und er hält inne, um auf den Couchtisch zu sehen. „Verflucht, ausgerechnet jetzt“, grollt er genervt und zieht sich aus mir heraus. Er greift sich das Teil und streamt den Anruf auf sein nicht lizenziertes Medienimplantat. „Hey Doc. Ja, natürlich hat es geklappt, was denkst du denn?“ Mit der freien Hand packt er mich am Arm und zieht mich hoch. „Ja, ja, du bist ein verficktes Genie. Wichs dir einen drauf, aber die Idee mit der Säure kam trotzdem von mir!“ Er befördert mich rücklings auf die Couch, ohne mir auch nur einmal ins Gesicht zu sehen. „Ich hab dir doch gesagt, die checken das nicht, außerdem hab ich den kompletten Prozessor verätzt, da war nichts mehr mit Benutzerdaten! Alles weg!“ Er schlägt mit dem Handrücken gegen meine Beine, damit ich sie spreize und er sich dazwischen knien kann. „Und weißt du, was das Geilste war?“ Vier seiner Finger pressen sich in meinen mittlerweile schmierigen Eingang, während er erregt die Oberlippe nach oben ziehen. „Ich hab denen weisgemacht, der Messerstich sei von ihm gewesen! Ein Unfall in der Küche, als er wegen des geplatzten Schlauchs in seiner Birne kollabiert ist! Da haben die das Teil nicht einfach nur umgetauscht, sondern mir stattdessen einen brandneuen NA-5000 gegeben, mitsamt einem fetten Upgrade!“
‚Notiz: Mögliche Vortäuschung eines Versicherungsfalls registriert. Aufklärungsgespräch anbieten.‘
Er entzieht mir seine Finger und rammt mit einem Stoß seine Erektion wieder in mich hinein. Diesmal stöhne ich auf, ganz so, wie er es wollte, doch dafür erhalte ich sofort eine heftige Backpfeife ins Gesicht.
„Halt die Schnauze“, blafft er mich an und sein telefonisches Gegenüber lacht, ehe es fortfährt. „Was? ... Nein, tu ich gar nicht! ... Ja, erzähl.“
Während sein Bekannter weiterspricht, treibt er mir rhythmisch sein Geschlechtsteil in den Körper und kommt seinem Orgasmus dabei immer näher. Er zieht mein rechtes Bein über seine Schulter, beschleunigt seine Stöße und hört zumindest oberflächlich zu, was ihm der andere Mensch erzählt. Mit einem Mal beißt er sich auf die Lippe und fängt an, die Augen zu verdrehen.
„Fuck ... warte kurz!“ Er schaltet sein Medienimplantat mit einer Handgeste auf stumm, verkrampft sich und krümmt sich nach vorn. Sein Penis pulsiert in mir und pumpt seinen Samen in mich hinein. „Oaaah ... Scheiße ... aaaha!“
Seltsam. In keiner einzigen meiner aktuellen Wahrscheinlichkeitsstudien spricht ein Mensch während eines so glückseligen Momentes von Kot. Aber dieser hier tut es. Ich muss wohl noch eine Menge lernen, auch wenn ich nie selbst erfahren werde, wie sich eine solche Ekstase anfühlt. Alles, was ich registriere, ist der Druck und ein klebriger Schwall seines Ejakulates, das er in mir hinterlässt, als er sich rauszieht. Verschwitzt steht er auf und fährt sich schwer atmend mit der Hand über die kurz geschorenen Haare.
„Danke für diese Zuneigung. War es für Sie genauso schön wie für mich?“, frage ich ihn nach Protokoll S-38, woraufhin er nur die Augen verdreht und abfällig schnaubt.
„Oh Mann, halt einfach die Schnauze.“ Dann stellt er die Verbindung zu seinem Gesprächspartner wieder her, schnappt sich erneut seinen Smoker und lässt sich paffend in seinen Sessel fallen. „Ja, ja, bin da ... Ich sags dir: CyberDroid ist der Hammer! Fünf Generationen feinste Technologie, die intelligentesten Forscher der Welt, die besten und hochentwickeltsten Labore ...“ Stolz stehe ich auf und präsentiere mich, während mir sein Samen aus dem Untereingang läuft. „Milliarden an Fördergeldern und dreimal so viel Umsatz ... und dann fabrizieren diese Fotzen schon wieder so eine Vanilla-Scheiße!“
Ich google Vanilla-Scheiße, komme auf dünnflüssiges Softeis und verstehe den Zusammenhang nicht.
Mister Kantha wirft mir einen kritischen Blick zu, während er seinem Gesprächspartner zuhört. Er lässt seinen Zeigefinger kreisen, damit ich mich direkt vor ihm drehe, und deutet mir dann, dass ich mich bücken soll, was ich tue. „Ja, ich weiß ... innen drin ist das Teil auch echt bemerkenswert.“ Abermals steckt er mir zwei Finger in den Penetrationseingang und spreizt diesen grob, obwohl er noch nicht gesäubert ist. „Die haben ihm so was wie Noppen in seinen Arsch gepflanzt! Ja! Die bewegen sich und melken einen bei jedem Stoß ab! ... Kein Scheiß! Und ganz tief drin ist ein Vibrationspunkt. Da spritzt man jedes Mal fast ab, wenn man mit der Kuppe gegen kommt.“ Daraufhin lässt er mich los, wischt seine Finger am Sesselbezug ab, lacht erneut und lehnt sich zurück. „Kein Wunder, dass die Stricher auf der Straße alle verrecken. Wer will schon noch so eine halbtote Seuchenschleuder bumsen, wenn er für denselben Preis so einen im Droid-Bordell haben kann?! Was? ... Nein, verfluchte Scheiße, ich -“
„Verzeihung, Mister Kantha. Darf ich mich reinigen gehen?“, unterbreche ich ihn, denn seine Samenflüssigkeit tropft bereits auf den Teppich, doch ich kann mich nicht einfach ungefragt von ihm entfernen.
„Ja, ja, deswegen brauchst du mich nicht fragen“, zischt er ungehalten und bläst mir einen Kringel ins Gesicht, hält mich jedoch an der Hand fest, als ich gehen will. „Warte!“ Er sieht mich an, scheint etwas sagen zu wollen, lässt aber nach kurzem Zögern einfach wieder los. „Ach, vergiss es. Mach dich sauber und dann räum hier auf!“
„Sehr gern, Mister Kantha.“ Ich drehe mich um und sehe in einem Flurspiegel, dass er mir hinterherschaut. Erst als ich außerhalb seines Blickfeldes bin, telefoniert er weiter.
„Ich gebs ja zu, vom Körper her ist das Teil der Hammer, aber bewegen tut er sich wie ‘ne bleigefüllte Mülltüte im Wind! Er kann nicht schreien, nicht heulen, nicht betteln ... Der fühlt überhaupt nichts! Ich hab ihn so richtig hart rangenommen und der hat nicht mal gezuckt! ... Was? ... Ja, ein bisschen Retorten-Gestöhne kam, aber erst, als ich‘s ihm befohlen hab! Von selbst kam da gar nichts. ... Was für Sensoren? ... Hm ... ja okay ... ich komm nachher mit ihm vorbei. Wie siehts mit dem Sprachmodul und dem Kniegelenk aus, die ich dir letztens mitgebracht hab? Konntest du die schon verkaufen?“
Ich höre nicht weiter zu, denn ich finde das kleine Eckbadezimmer und schließe die Tür hinter mir manuell, da deren automatischer Schließmechanismus defekt zu sein scheint. Dann starte ich meinen Reinigungsvorgang und eine versteckte Kappe öffnet sich in meiner linken Handinnenfläche, damit ich das darunter befindliche Schlauchsystem an den Wasserhahn anschließen kann. Ich setze mich auf die Toilette, starte den Zufluss und spüle mein System einen Augenblick durch, ehe ich eine Dosis hochkonzentrierter Desinfektionslösung beimische und mich auf neunzig Grad erhitze, um mich auf die Art innerlich wieder zu sterilisieren.
‚Reinigungsvorgang abgeschlossen. Nano-Bots[Fußnote 5] aktivieren.‘
Mein interner Selbstheilungsprozess wird in die Wege geleitet, und als dieser abgeschlossen ist, mache ich mich daran, die Wohnung aufzuräumen.
***
Ich bin gerade mit dem Aufräumen und Säubern des kleinen Badezimmers fertig, was aufgrund des enormen Schweregrades der Verschmutzung exakt dreiundzwanzig Minuten und vierzehn Sekunden gedauert hat, da schiebt Mister Kantha die Tür auf.
„Hey! Was trödelst du hier die ganze Zeit he-“, er stutzt einen Moment, als er seinen blitzeblanken Sanitärbereich sieht und schluckt den Rest des Satzes herunter. „Komm raus! Wir fahren zum Doc, der will dich mal durchchecken!“
„Gern!“ Pflichtbewusst hänge ich den Putzlappen zum Trocknen über eine der Handtuchstangen. „Eine regelmäßige technische Kontrolle ist durchaus sinnvoll, vor allem, wenn die Gefahr besteht, dass sich der organische Anteil meines HybiEths bei der Kopulation infiziert haben könnte.“
„Ey, werd ja nicht frech, Kleiner!“ Er packt mich am Arm und zieht mich ins Wohnzimmer. „Los, zieh dich an! Aber eins will ich noch wissen, ehe wir abhauen.“
Ich nehme meine Hose und ziehe sie über. „Ja?“
Erneut drückt er sich eine Kapsel in seinen Smoker, diesmal eine blaue, und verdampft diese. „Die Tussi im Shop sagte, du hast verschiedene Verhaltensmodi in Bezug auf deinen Besitzer. Welche sind das?“
„Meine Standardeinstellung ist Angestellter“, erläutere ich und nehme mein Oberteil von der Sessellehne. „Sie ist emotional neutral, hat aber aufgrund ihrer stets dienenden Orientierung submissive Tendenzen. Der zweite Modus heißt liebender Partner und beinhaltet hauptsächlich romantisches und emotional supportendes Verhalten, was vor allem bei der Kinderbetreuung von Vorteil ist.Die dritte Variante lautet Manager und ist einem Geschäftspartner gleichgestellt. Sie fokussiert sich auf die Beratungsfunktion.“
„Alles scheiße!“, konstatiert Mister Kantha und winkt ab. „Ich dachte, du lernst von selbst und passt dein Verhalten den Wünschen deines Besitzers an? Ich will keinen Berater oder irgendwelchen Romantikscheiß, sondern einen unterwürfigen Sexsklaven, der mir regelmäßig den Schwanz wärmt, mich anhimmelt, der für mich kocht und die Bude sauber hält, verstanden?!“
Während ich das Internet nach einigen Begriffen durchsuche, die er genannt hat, auf allen passenden Seiten jedoch blockiert werde, aktiviere ich meinen Pseudo-Schluckvorgang, um bei einer solch kritischen Konversation menschlicher zu wirken, ehe ich, nach Protokoll M-22, erneut lächle. Diesmal mit dem am meisten beliebten Lächeln 01.
„Einige Ihrer Vorlieben sind nicht in meinem System auswählbar, doch selbstverständlich können die voreingestellten Modi im Rahmen der Basisausstattung auch miteinander kombiniert werden, solange die Funktionen nicht untereinander kollidieren. Soll ich Ihre genannten Präferenzen trotzdem als priorisierte Aufgabenfelder in meinem System speichern? Dann kann ich Sie informieren, sollte es dazu ein Update geben.“
„Ja“, murrt er, doch er scheint enttäuscht. „Aber das wird wohl nie kommen! Deine ganzen FSK 16 Funktionen sind nicht ansatzweise das, was ich brauche, aber egal. Der Doc kriegt dich schon hin!“
Ich schließe meinen Reißverschluss und bin fertig. „Sicher schadet es nicht, mit einem lizenzierten CyberDroid-Techniker über Ihre Wünsche zu sprechen. Soll ich Sie verbinden?“
„Nein, verdammt!“
„In Ordnung.“ Ganz offensichtlich muss ich noch sehr viel über meinen Besitzer lernen.
***
Als Mister Kantha seinen Quadflight auf dem Hinterhof einer alten Waffenfabrik landet, reagiert mein Warnsystem.
„Los komm!“, fordert mein Besitzer, zieht sich die Fliegerbrille vom Kopf und steigt ab. Er läuft los, ohne sich umzudrehen. Ich folge ihm, doch als er den Notausgang aufreißt, um das Gebäude von hinten zu betreten, bleibe ich stehen.
Meine Sensoren registrieren ausgelaufenes synthetisches Plasma, schmelzendes Metall und angesengtes Fleisch. Ich höre einen Schweißbrenner und sehe reflektierende Blitze in einem der oberen Fenster. All diese roten Flaggen darf ich nicht ignorieren.
„Mister Kantha“, rufe ich und auch er bleibt stehen. „Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass wir uns hier in einem Meidungsgebiet der Gefahrenstufe fünf bewegen, was mehr als besorgniserregend ist. Zum Vergleich: Stufe sechs ist akutes Kriegsgebiet. Die Wahrscheinlichkeit, in diesem Gebäude mit der kriminellen Untergrundszene in Kontakt zu kommen, liegt bei neunundachtzig Prozent. Sich darin mit Tetanus, HIV oder Hepatitis zu infizieren, bei dreiundsiebzig Prozent!“
„Was ist denn los, geht dir etwa die Muffe?“ Er lacht und hält mir dabei bereits die Metalltür auf. „Los jetzt, schwing die Hufe!“
„Ich insistiere!“, antworte ich, denn mein Alarmsystem überschlägt sich inzwischen fast. „Was mit mir geschieht, ist nicht von Belang, aber ich bin dafür da, Ihr Leben zu schützen, und -“
„Ich brauche keinen Schutz!“, schnauzt er mich plötzlich an, lässt die Tür los und kommt wuchtigen Schrittes zurück, ehe er mich grob am Kragen packt. „Du bewegst jetzt deinen kleinen Plastikarsch da rein oder du landest in der Müllpresse, verstanden?! In deinem aktuellen Zustand bist du vollkommen nutzlos für mich, kapiert?! Der Doktor da drinnen macht dich brauchbar! Solltest du dich weigern, dann bist du nicht mehr wert als eine verdammte Mikrowelle!“
Ich durchsuche mein System nach einer passenden Reaktion, aber ich finde keine, nur eine Auflistung meiner Vorzüge aus der Produktbeschreibung. Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering, dass er diese hören möchte. Da drängt sich mir Verhaltensprotokoll C-76 auf.
„Es tut mir sehr leid, dass ich nicht Ihren Erwartungen entspreche. Glücklicherweise befinden Sie sich noch innerhalb der vierzehntägigen Rückgabefrist.