Grenzgänger - Band 3 - How to love a Lion - Akira Arenth - E-Book

Grenzgänger - Band 3 - How to love a Lion E-Book

Akira Arenth

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Beschreibung

Grenzgänger - Band 3 - How to love a Lion Print 586 Seiten + 2 Illustrationen Genre: Gay Romance / BDSM / Real Life Mein Dasein wurde von genau zwei Dingen dominiert: meiner Sexsucht und Jack, dem Mann meines Lebens. Wir zogen wieder in die Staaten, hatten ein eigenes Haus, normale Jobs und zur absoluten Krönung dieses neuen, wohlsituierten Daseins fand ein kleines Kind den Weg in unsere Herzen - Ney. Wie sehr sich unser Verhalten und unsere Prioritäten deshalb veränderten, ist kaum in Worte zu fassen. Unser Alltag wandelte sich maßgeblich, doch einiges blieb gleich: Jacks und mein spezielles Verhältnis, die Ablehnung meiner Person von homophoben Menschen und meine Hypersexualität, die mich nach wie vor beherrschte und Dinge tun ließ, die ich im Nachhinein oft bitter bereute. Noch dazu begann eine Midlife-Crisis in mir zu keimen, die mich, als "gealterten Bottom", immer mehr deprimierte, während Jack, erfolgreich im Beruf und stolz auf jedes Fältchen, tagtäglich gesetzter und selbstsicherer wurde. Es brauchte lange, bis wir unseren Platz im Leben fanden, doch nach dem schier endlosen, steinigen Weg, den wir all die Jahre gemeinsam gingen, erwartete uns endlich das lang ersehnte Happy End. Dies ist der letzte Band der dreiteiligen Roman-Serie, basierend auf wahren Begebenheiten.

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Impressum

»Grenzgänger« - Band 3

How to love a Lion

Genre: Gay Contemporary - Coming of Age

ISBN: 9781795703215

© Akira Arenth

Autorenhomepage: www.akira-arenth.com

E-Mail: [email protected]

Deutschland-Vertrieb für Akira Arenth:

S. Walther, Giebelweg 9, 15366 Hoppegarten

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Autors!

Coverartwork, Layout und Umschlaggestaltung:

Kira Yakuza (www.the-art-of-kira.de)

Lektorat: Steffi Thorstadt

Beta Leser: Kathrin S., John T., Lara H., Hannes K.

Dieser Roman beruht auf wahren Begebenheiten! Die Namen der Orte und Protagonisten sowie einige Details sind jedoch frei erfunden!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akira Arenth

INHALT

Widmung

 

Kapitel 1

Home sweet home

Kapitel 2

Was ist übrig?

Kapitel 3

Differenzen

Kapitel 4

Akzeptanz

Kapitel 5

Outing

Kapitel 6

Verzweiflung

Kapitel 7

Wunder geschehen

Kapitel 8

Der fünfte Neuanfang

Kapitel 9

Anhängsel

Kapitel 10

Bittersweet Symphony

 

Epilog

Infos & free Books

Widmung

 

Jack, du weißt, dass ich dich liebe, zwar auf meine eigene, verschrobene Art, aber mit meinem ganzen Herzen, bis ans Ende meiner Zeit!

Du gibst mir die Kraft, nach vorn zu blicken, wenn ich nur noch zurückschaue.

Du gibst mir den Schmerz, den ich brauche, um tiefe Befriedigung zu finden, ohne dabei meine Seele zu verletzen.

Du gibst mir die Liebe, nach der mein Innerstes schreit, auch wenn du selber völlig erschöpft bist.

Danke für deine Geduld und dein Verständnis.

Danke, dass du immer für mich da bist.

Danke, dass du mir immer wieder verzeihst.

Ohne zu sehr in Geschnulze abdriften zu wollen, habe ich mich gefragt: Was ist Liebe? Wie wird sie definiert, wie lange sind liebestolle Handlungen schmeichelhaft und ab wann beginnen all die unschönen Umschreibungen wie Besitzdenken, Eifersucht, Kontrollzwang usw.?

Ich kann darauf keine Antwort finden.

Wir mögen nicht das ideale Vorzeigepaar sein. Nein, bei Weitem nicht. Manche werden sagen, unsere Beziehung sei nur von Gewalt und Sex geprägt, bar jeder echten Gefühlsebene, oberflächlich, unehrlich und schwanzfixiert, aber so ist es nicht.

Ja, wir sind unkonventionell, wir sind verrückt, triebgesteuert und haben beide unsere Macken, aber eines wurde mir im Laufe der Jahre klar: Liebe ist eine darüber schwebende Definition. Tief in meinem Inneren weiß ich heute, dass ich Jack Severyn Hawling verfallen bin, seit er zum ersten Mal auf dem Schulhof des Campus in St. Freienstädt zu mir kam und einfach nur mein Freund sein wollte.

Ich habe lange nicht verstanden, warum ich 'Nein' zu ihm sagte, warum ich ihn abwehrte und wieso er überhaupt anfangs so nett zu mir war. Ganz einfach: Ich kannte keine Freundlichkeit von Fremden und hatte Angst, verletzt zu werden, sobald ich mich öffnen würde. Doch Jack liebte mich, von der ersten Sekunde an, und das tut er bis heute. Auf seine Art, mit all seinen Fehlern.

Wie wäre unsere Geschichte wohl verlaufen, wenn ich damals, im warmen Sonnenlicht auf diesem unförmigen Stein sitzend, einfach 'Ja' gesagt hätte?

Wären der Schmerz, die Pein, die ganzen Enttäuschungen und Missverständnisse nötig gewesen? Hätten wir uns dann vielleicht sogar aus Langeweile wieder getrennt?

Auch darauf habe ich keine Antwort.

Ich musste mich an ihn herantasten, mit ihm wachsen, ihn aushalten, ihm alles geben, ihn vergöttern …

Doch er ist es mir wert.

Kapitel 1

Home sweet home

 

»Shhht! Du weckst noch deine Schwester!«

Jack versiegelte knurrend meine Lippen mit den seinen und unterdrückte so mein immer lauter werdendes Stöhnen. Es war Montag früh um halb sieben. Die Sonne versteckte sich noch immer hinter dem Horizont und selbst die Vögel schienen noch selig zu pennen. Eigentlich war ich nur aufgestanden, um ihn zu verabschieden, bevor er zur Arbeit fuhr, doch wie so oft artete unser 'Goodbye' ein wenig aus.

Mitten im Dunkeln saß ich mit blankem Hintern auf der graumelierten Arbeitsplatte der Küchenzeile und stützte mich nach hinten ab. Sein kräftiger Arm hielt mein rechtes Bein nach oben gestemmt, mein linkes hielt ich frei in der Luft, obwohl meine Muskeln bereits vor Anstrengung zitterten. Seine Zunge löste sich wieder aus meinem Mund, fuhr über meine Brust, schob mein ausgeleiertes Schlafshirt hoch und leckte sanft über mein schwarzes Nippelpiercing.

»Aahh! Nicht … Jack … Hör auf mich hinzuhalten!«, schnaufte ich wimmernd, als er daran sog, und versuchte mein flehendes Keuchen im Zaum zu halten, doch es gelang mir nur mäßig.

Der Geruch von Olivenöl schwebte im Raum, denn so spontan hatten wir nichts anderes gefunden, was wir als Gleitmittel missbrauchen konnten. Inzwischen penetrierte er mich schon mit drei seiner Finger, die er gleichzeitig in meinen Eingang schob.

»Du bist mir schon wieder zu notgeil. Wenn ich dich jetzt ficke, brüllst du das ganze Haus zusammen«, knurrte mein Lover und sah mich unter seinen strohblonden Strähnen animalisch fordernd an.

»Nein, ich … ich verspreche leise zu sein!«, säuselte ich beinahe bettelnd, denn mein ganzer Unterleib schrie nach mehr.

»Na schön.« Er löste sich von meinem Oberkörper, spreizte meine Beine an den Kniekehlen auseinander und küsste mich erneut, während er bereits seinen enormen Schwanz ansetzte. »Aber wenn du zu laut wirst, höre ich auf, verstanden?«

Ich nickte nur heftig, krallte mich in seine Schultern und biss mir auf die Lippen.

Endlich spürte ich, wie seine harte Länge quälend langsam meinen Ringmuskel durchstieß und sich nach vorn drängend in mein aufgeheiztes Fleisch schob.

Er grunzte unterdrückt in mein Ohr, als er tiefer in mich eindrang und seine Latte in wellenartigen Bewegungen vor und zurück wogte.

Alles in mir verkrampfte sich. Ich verdrehte die Augen und fühlte, wie meine Muskeln zu kontrahieren begannen. Die Haltung war furchtbar anstrengend, doch gleichzeitig auch so megageil, dass ich bereits nach wenigen Stößen am Limit war.

»Mach dich nicht so eng Baby, sonst spritze ich gleich in dir ab …«, grollte mir Jack zu und drückte mich mit dem Rücken nach hinten, gegen das Küchenfenster. Dass ich dabei Shays Kräutertöpfe plattwalzte, war ihm herzlich egal.

Plötzlich ging die Tür des Kühlschranks neben uns auf und dessen innerer Lichtschein erhellte meine Schwester, welche sich im Morgenmantel, völlig unbeeindruckt, mit einem saloppen »Moin!« die Milchpackung herausnahm.

»Darf ich mal?«, fragte sie noch, griff unter uns in die Schublade und holte einen Löffel hervor, um sich ihr Cappuccinopulver aus der Vorratsdose in die Tasse zu portionieren. »Werdet bitte bald fertig! Ich geh mich anziehen und danach will ich mit Keno noch frühstücken, bevor er zur Arbeit muss.« Dann stellte sie den Wasserkocher an und ging gähnend wieder raus.

***

»Ernsthaft, das geht so nicht weiter!«, motzte Jack, stand auf und trank den letzten Schluck seines Kaffees, bevor er die Tasse brav in die Spüle stellte.

Shay, Keno und ich saßen an dem kleinen runden Tisch in der Ecke und mampften unsere Brötchen, während Ares seine Portion Barf[Fußnote 1] aus dem Napf am Boden schlabberte.

Natürlich wusste ich, was er meinte. Andauernd wurden wir von den beiden beim Sex unterbrochen, auch wenn wir danach meistens trotzdem weitermachten. Faktisch hätten wir auch einfach jede Nummer klammheimlich im Bett meines Zimmers vollziehen können, doch darauf hatten wir absolut keinen Bock. Noch viel schlimmer war es jedoch, wenn wir Shay und Keno beim Liebesspiel erwischten, denn die hatten leider dieselbe Einstellung, auch wenn sie deutlich seltener bumsten als wir.

Seit fast zwei Monaten lebten wir wieder in Berlin. Meine Schwester beendete ihr Studium als Jahrgangsbeste und verzichtete darauf, in der freien Malerei ihren Master zu machen, da sie dies für relativ schwachsinnig hielt. Keno ging mit ihr, denn er wusste, dass er nicht der Mensch für eine Fernbeziehung war. Außerdem schien er gespannt auf die große Stadt zu sein, deren überfüllte Bahnen, ewige Schlangen und motzige Leute ihn bereits nach zwei Wochen ankotzten.

Seitdem wohnten wir zu viert in einer Drei-Zimmer-WG direkt am Park des Weißen Sees, zusammen mit Ares, dem irischen Wolfshund, einem Kater und zwei Frettchen, was nicht nur viel zu eng, sondern unzumutbar für jeden Einzelnen von uns war, doch wir konnten uns einfach nichts Besseres leisten. Wir hatten Panzer, den Kartäuser, an Rosie vermittelt, da dieser nicht mehr mit unserem kleinen schwarzen Wald-und-Wiesen-Kater Shaitan zurechtkam, und Picari war inzwischen zu einer kleinen Sternschnuppe geworden, weshalb nur noch Mona und Morgan übrigblieben. Die beiden Fritten lebten jetzt in einer eigens für sie gebauten Voliere, welche den gesamten Balkon einnahm, da Jack und Keno die kleinen Stinkwürste nicht dauernd in ihrem Bett haben wollten (und damit meine ich nicht ihr AA) …

»Keycie, ich bin dafür, dass wir einen zweiten Versuch starten, uns ein Haus außerhalb der Stadt zu kaufen!«

Wir starrten ihn alle drei an wie die Feldmäuse einen Mähdrescher und ich schluckte ungläubig meinen letzten Bissen herunter.

»Auf ehrlichem Wege …? Das klappt niemals!«

Ja, zugegeben, er verdiente inzwischen gut, konnte ein bisschen was ansparen und ich hatte durch meinen Job im Grafikbüro auch jeden Monat eine kleine Summe beiseitegelegt, doch viel war es wirklich nicht. Der Familienbetrieb in Greifswald bezahlte mich zwar noch immer für einzelne Aufträge, doch seitdem Margrets Tochter aus ihrer Elternzeit gekommen war und ich aufgrund der Entfernung nur ausschließlich von Zuhause aus arbeiten konnte, waren diese immer seltener geworden. Meine Bücher fraßen die meiste Zeit, warfen aber nach wie vor nur Peanuts ab. Selbst wenn wir also zusammenlegen würden, käme niemals ein Haus dabei raus!

»Ich halte das für eine fabelhafte Idee!«, warf Keno ein und räusperte sich. »Wenn ihr nicht unbedingt innerhalb der Stadt bleiben wollt, gibt es sicher ein paar kleine Häuser in eurer Preisklasse und mit Verlaub, die meisten jungen Paare nehmen einen Kredit auf, um sich ein Eigenheim zu finanzieren!«

Ich wusste, dass er das nur sagte, damit er die Wohnung endlich mit meiner Schwester allein bekam, trotzdem gefiel mir die Vorstellung, im Grünen zu wohnen, außerhalb dieser tristen Stadt. Wir alle waren furchtbar traurig, unser kleines Abrisshaus mit den Schwalbennestern im Flur verlassen zu müssen, doch in Meck-Pomm gab es für Shay keine Arbeit, die Fahrerei vom Berliner Flughafen zu uns an die Küste war für Jack jedes Wochenende absolut nervtötend und auch Kenos Werkstatt musste ihn entlassen, weil immer weniger Arbeit reinkam. Als hätte es gespürt, dass in ihm kein Leben mehr herrschte, versank unser Heim nach unserer Abreise immer mehr im moorigen Untergrund, der sich täglich näher zur Straße vordrängte, und brach schließlich zwei Wochen später völlig in sich zusammen …[Fußnote 2]

»Ihr könntet euch ja auch einfach eine eigene Wohnung hier in der Nähe nehmen«, merkte Shay an, biss in ihr Brötchen und wandte sich dann, etwas undamenhaft kauend, an Jack. »So dick ist deine Sahneschleuder nun auch wieder nicht, dass du dafür ein eigenes Haus brauchst oder ist das wieder so eine Egomasche?«

Ich musste mir das Lachen verkneifen, als er beleidigt eine Schnute zog und die Arme vor dem Oberkörper verschränkte, wie er es immer tat, wenn meine Schwester ihn diskreditierte.

»Ich dich auch, Shay!«, schnaufte er und schnalzte mit der Zunge. »Stell dir vor, das hat ausnahmsweise weder was mit meinem Ego noch mit meinem Schwanz zu tun! Keycie kommt kaum an die frische Luft, weil er nur noch hier drinnen hockt, arbeitet, schreibt oder …«

»Stimmt gar nicht!«, unterbrach ich ihn. »Ich bin auch zwischendurch bei Dennis und den Jungs!«

»Toll! Und was macht ihr dann? Konsolenspiele zocken, jammen und euch zusaufen! Das hat nichts mit 'Rausgehen' zu tun!«

»Wenigstens hab ich Freunde …«, murrte ich zurück, doch er ignorierte es.

Ich wusste ja, dass er eigentlich recht hatte, aber seid ich aufgrund unseres Umzugs nicht mehr zu Dr. Weiler gehen konnte und dadurch mein therapeutischer Fortschritt vollständig stagnierte, fiel ich immer mehr in meine alten Muster zurück und igelte mich unbewusst ein, denn an Berlin und seine Bahnhöfe hatte ich nicht die besten Erinnerungen. Auch wenn ich bereits einiges dazugelernt hatte und Jack sogar das ein oder andere Mal mit zu Dr. Weiler kam, wagte ich nach wie vor kein Gespräch mit meiner Mutter, denn mit ihr hatte ich abgeschlossen und so sollte es bleiben. Meine Probleme bezüglich anderer Menschen bestanden also nach wie vor, zumindest, wenn niemand mich begleitete und ich keine Medikamente vorbeugend gegen eventuell aufkommende Psychosen nahm.

»Baby, ob wir nun jeden Monat fünfhundert Euro für eine pissige Mietwohnung in der Stadt blechen oder für dasselbe Geld einen Kredit tilgen, um ein Haus auf dem Land zu haben, ist doch gehupft wie gesprungen. Ich will, dass du endlich mal wieder rausgehst, dich in einen Garten legst, Sonne tankst und ein bisschen Farbe bekommst! Sieh dich an, du bist eine richtige Kalkleiste geworden!«

Meine Hautfarbe war wegen meiner halbindigenen Abstammung immer noch dunkler als die von Shay und Keno, doch mit Jack konnte ich nicht mehr mithalten. Dieser tingelte aber auch die Hälfte seiner Arbeitszeit in südlichen Ländern herum und stand stundenlang im Freien, also kam er immer braungebrannt nach Hause.

»Tu nicht so, als wenn dir irgendwas daran liegt, dass ich draußen Blümchen zupfe! Du willst mich nur zu jeder Tageszeit ficken können, ohne dass jemand dazwischenplatzt!«

»Das auch …« Zumindest war er ehrlich.

***

»Ich hab keine Lust mehr und ich bin müde«, nölte ich genervt, sobald wir im Auto saßen, und rückte mich auf dem Beifahrersitz des VW Sharan zurecht. »Das ist die vierzehnte Besichtigung in zwei Wochen! Glaubt ihr ernsthaft, dass dieses Haus irgendwie anders sein wird als die letzten?«

»Wir werden es wohl kaum herausfinden, wenn wir es uns nicht wenigstens ansehen«, antwortete Jack ruhig und schnallte sich an, bevor er seine verspiegelte Sonnenbrille von der Ablage nahm und diese sogleich auf die Nase schob.

»Dann lass mich wenigstens fahren, sonst schlafe ich direkt wieder ein!«, maulte ich hinterher und pikste ihm fordernd in die Seite.

»Danke, aber ich möchte lebend ankommen! Dein Fahrstil ist mir noch zu unsicher!«

»Pah! Unsicher, dass ich nicht lache! Kann ja nicht jeder fahren wie Großväterchen Jack.«

»Großväterchen versemmelt dir gleich deinen frechen Arsch! Nur weil du seit einem Monat deine Fleppen[Fußnote 3] hast, heißt das noch lange nicht, dass du jetzt jedes Mal fahren darfst!«

Ich blies die Backen auf und fauchte zurück: »Ich hab die Prüfung fehlerfrei bestanden und außerde-«

»Määäädeeels! Könntet ihr bitte ein anderes Mal streiten?«, stöhnte Shay genervt von hinten. »Ihr seid schlimmer als jedes alte Ehepaar!«

Selbst Keno, der sich sonst meist der Stimme enthielt, knurrte und boxte gegen die Lehne meines Sitzes. »Ich hab auch gleich die Faxen dicke mit euch Zicken! Jack, wenn du nicht gleich den Motor startest, dann bleiben wir hier oder ihr setzt euch beide nach hinten, haltet die Schnauze und ich fahre!«

Wortlos grummelnd ließ mein Göttergatte den Wagen an, schaltete das Radio ein und fuhr auf die Bundesstraße. Wahrscheinlich wäre er am liebsten nur mit mir oder ganz allein gefahren, doch die beiden hatten einfach deutlich mehr Ahnung von europäischer Architektur und wussten, worauf man beim Häuserkauf achten musste, welche Fragen man dem Makler stellen sollte und vor allem, woran man erkannte, dass einen die Verkäufer übers Ohr hauen wollten. Wären sie nicht gewesen, hätten wir wahrscheinlich längst all unsere Ersparnisse in eine pilzverseuchte, salpeterblühende Abrissbude auf einem Indianerfriedhof gesteckt.

***

Im Gegensatz zu den Häusern, die wir zuvor besichtigt hatten, stand dieses mit seinem U-förmigen Hauptgebäude hinten im Grundstück und nicht direkt an der Straße, wo jeder Nappel einem vom Gehweg aus ins Wohnzimmer glotzen konnte.

Ein langer, breiter Schotterweg führte an einem Teich vorbei, der durch einen kleinen Wasserfall auf einem Hügel friedlich plätscherte. Goldfische und Shubunkins tummelten sich darin, neben unzähligen Fröschen, deren Gequake schlagartig verstummte, als ich neugierig näher kam. Direkt dahinter stand eine Vogelvoliere mit Kanarienvögeln, und am Haus gab es mehrere leerstehende Ställe.

Das Haupthaus in der Mitte besaß ein richtiges Eingangstor, doch in den Holzbogen war eine kleinere Tür hineingesägt und mit Scharnieren befestigt. Links befand sich das kleinere Gästehaus und auf der rechten Seite war die Scheune mit den Stallungen.

Sobald wir drinnen waren, blickte ich mich fasziniert in den hohen Räumen um, deren Flair mich sofort gefangen nahm. In den Zimmern standen teilweise noch die antiken schwarzen Jugendstilmöbel des verstorbenen Vorbesitzers, wuchtige Schränke, die dessen Familie wahrscheinlich hätte auseinandersägen müssen, um sie aus dem Haus zu bekommen.

»Wow, das ist unglaublich«, sprach ich aus, was wir wohl alle dachten, und fuhr dabei über die verzierte Anrichte.

Sichtbare Deckenbalken des Fachwerks, Ornamente an den Wänden, heimelige Kamine und steinerne Löwenköpfe über halbrunden Durchgängen verliehen den Räumen einen schlossartigen Charme.

»Die Höhle des Löwen …«, konstatierte Jack und grinste mich verschmitzt an. »Wo wir wieder beim Thema wären …«

»Wenn, dann wohl eher das Liebesnest …«, entgegnete ich erst lachend, doch dann seufzte ich schwer und steckte die Hände in die Taschen. »Aber mal ehrlich, schau dich um! Wir sollten realistisch bleiben. Das können wir uns niemals leisten, selbst mit Kredit.«

Shay strich pfeifend über das dunkelbraune Holz eines der Fenstersimse und lächelte. »Stimmt, könnt ihr nicht. Deshalb kaufen wir es alle gemeinsam.«

»Was???«, erschallte es wie einstudiert von Jack und mir, während wir meine Schwester fassungslos anglotzten.

»Vorausgesetzt ihr möchtet mit mir und Keno auf einem Hof wohnen. Jeder hat natürlich trotzdem seinen eigenen Bereich, sonst würden wir uns ja im Kreis drehen, was die Wohnsituation anbelangt. Aber es gibt hier zwei Häuser, mit jeweils separaten Eingängen, also dürfte das kein Problem sein. Wenn wir Lust haben, können wir uns sehen, wenn nicht, dann nicht. Außerdem macht es das mit den Tieren leichter.«

Ich war wirklich sprachlos. Bisher hatte ich damit gerechnet, dass wir uns allerhöchstens ein kleines Siedlungs- oder Reihenhaus leisten konnten, und wusste gar nicht, dass Keno und Shay ebenfalls vorhatten, sich nach einem Eigenheim umzusehen.

»Das wäre der Wahnsinn!!!«, quietschte ich los, nahm Shays Hände und machte mit ihr zusammen sogar einen kleinen Freudenhüpfer, doch dann erinnerte ich mich, von wem der Hauptteil des Geldes kam.

Shay und ich sahen Jack plötzlich gleichzeitig mit großen Augen fragend an, doch der kreuzte nur die Arme vor dem Körper und schmatzte pikiert.

»Hört auf mit dem Dackelblick, sonst werd ich hart! Ich bin am seltensten hier und habe schon mehrmals gesagt, dass es mir tausendmal lieber ist, wenn ich weiß, dass Keycie nicht alleine rumsitzt, wenn ich arbeiten bin. Also an mir soll´s nicht liegen, solange jeder seinen privaten Bereich hat.«

Ich sprang ihm einfach auf den Arm und knutschte ihm das ganze Gesicht ab. »Danke, danke, danke, danke, danke!!!«, wiederholte ich immer wieder und gluckste vor Freude. »Du bist der Beste!«

»Ja, ja, ich weiß.«

***

Es dauerte noch knappe vier Wochen, bis wir mit dem Makler und dem Notar alles geregelt hatten, die Grundbuchänderungen beantragen und schließlich einziehen konnten. Allerdings stellten wir bei der genauen Finanzplanung fest, dass Jack und ich zusammen selbst mit dem, was uns an Kreditnahme möglich war, nur ein Drittel des Gesamtpreises aufbringen konnten.

Daher entschieden wir uns dazu, keine Eintragung in die erste Instanz des Grundbuchs auf unseren Namen machen zu lassen, sondern nur in die zweite und meiner Schwester unseren Anteil unter der Hand zu geben, damit sie alles regeln konnte.

Wie ich später herausfand, nahm Keno für seinen Anteil ein vorgezogenes Bauspardarlehen[Fußnote 4] auf und Shay zahlte ihren Part mit ihren gesamten Ersparnissen. Nun machte es sich endlich mal bezahlt, dass sie sich selbst nie irgendwelche Extravaganzen geleistet und jeden Cent, der möglich war, beiseite gepackt hatte.

Da Jack die meiste Zeit über weg war und ich deshalb großteils allein leben würde, fiel die Entscheidung leicht, wer das Haupthaus und wer das kleinere Gästehaus bezog. Allerdings war das Gästehaus keinesfalls weniger schön. Unten gab es eine offene Küche mit alternativem Kochofen,, neben den üblichen modernen Geräten. Im Wohnzimmer befand sich ein offener Kamin, so wie im Haupthaus, und dann gab es noch ein geräumiges Bad und ein weiteres Zimmer. Das komplette Dachgeschoss war ausgebaut und über eine schmale Holztreppe erreichbar, dort richteten wir unser Schlafzimmer ein.

Das erste Wochenende nach der Zusage wurde von unserem Umzug völlig eingenommen, obwohl wir eigentlich gar nicht so viel hatten, aber irgendwie wurde es mit jeder Fahrt immer mehr.

Jack fand eine alte Kreissäge in der Scheune, besorgte Holz und wollte anscheinend herausfinden, ob er handwerkliches Talent besaß, auch wenn ihm Keno anfangs noch half. Zu mir sagte er nur, er wolle ein Bett für uns bauen, um Kosten zu sparen, und das alte Modell (welches uns beim Sex bereits zweimal unter dem Arsch weggekracht war) entsorgen, mehr Infos erhielt ich nicht. Ehrlich gesagt bezweifelte ich, dass er bei seiner Ungeduld auch nur einen geraden Rahmen hinbekommen würde, aber ich ließ ihm die Chance, mir das Gegenteil zu beweisen.

Am zweiten Wochenende durfte ich das Dachgeschoss nicht mehr betreten und nur noch im Erdgeschoss einräumen, bis er fertig war. So lange schliefen wir auf der ausklappbaren Couch im Wohnzimmer und entgegen aller Erwartungen ging Jack auch auf keine meiner Anspielungen ein, das Haus endlich 'einzuweihen', seit er am Freitag von der Arbeit nach Hause kam und zum ersten Mal dort nächtigte. Ich war ein wenig frustriert deswegen, doch ich ging davon aus, dass ihn der Umzug mit dem ganzen Geschleppe sowie seine neue, heimliche handwerkliche Tätigkeit neben dem Job dermaßen schlauchten, dass er einfach zu müde war.

Am Sonntag wurde ich dann aber doch nervös, denn üblicherweise flog er am Abend zurück in die Staaten und die Stunden verstrichen, ohne dass irgendwas Sexuelles passierte.

Seine Hände sahen furchtbar aus: schwielig, mit Pflastern übersät … Er musste sich mit unserem Bettgestell furchtbar übernommen haben, doch sicher verbot ihm sein Stolz, es einfach hinzuschmeißen und eines zu kaufen. Hoffentlich zieh ich mir da nicht dauernd Splitter ein, dachte ich mir noch besorgt, aber ich verkniff mir meine Kommentare.

Gerade mal den ein oder anderen Kuss bekam ich von meinem verschwitzten Lover zwischendurch, doch sobald ich mehr wollte, blockte er mich mit irgendwelchen Ausreden ab: 'Jetzt nicht', 'Lass mich erstmal machen', 'Ne, jetzt hab ich Hunger' oder der Klassiker 'Ich hab so Kopfschmerzen' … und das von ihm!

Schlimm genug, dass ich mir während der Woche zig Mal einen runterholen musste, aber jetzt auch noch, wenn mein Mann Zuhause war? Nein! Bei solchen Zuständen würde es nicht lange dauern, bis ich durchdrehte!

Als mir fast die Eier platzten und mein Ständer zum gefühlt hundertsten Mal an diesem Tag schmerzhaft gegen meinen Reißverschluss drückte, sodass jede Bewegung wehtat, musste ich endlich zum Angriff übergehen, bevor er wieder bis zum nächsten Freitag verschwand.

Ich legte noch ein paar Holzscheite im Kamin nach, um die Bude ordentlich aufzuheizen. Jack stand unter der Dusche, also schlich ich mich ins Bad und zog mich aus, bevor ich die runde Schwenktür öffnete und zu ihm unter die Brause schlüpfte.

»Hey, big Lion, soll ich dich einseifen?«, fragte ich, ihn bauchpinselnd, scheinheilig, um ihn unter einem vorgeschobenen Grund befummeln zu können.

Er zog die Augenbrauen zusammen und schürzte abschätzig die Lippen. »Schon klar, und das tust du völlig ohne Hintergedanken …«

Ich stöhnte genervt auf und fuchtelte mit dem Zeigefinger zwischen uns hin und her. »Seid wann hat sich unser Verhältnis eigentlich derart gewandelt? Früher kamst du andauernd an, weil du rattig warst und mich jeden Tag besteigen wolltest! Jetzt scheint sich deine Libido völlig in Luft aufgelöst zu haben!«

Jack schnaufte, packte mich an den Seiten, presste seine Lippen grob auf meinen Mund und drückte mich rücklings an die kalten, weißen Fliesen.

»Qualität vor Quantität Baby, auch ich lerne dazu«, grunzte er in mein Ohr und ich spürte, wie sein Schwanz aufflammte. »Keine Angst, ich werde mit jedem Tag geiler auf dich, aber unser erstes Mal in unserem neuen, und diesmal hoffentlich auch beständigen Heim …«, dabei warf er mir einen scharfen Blick zu, als hätte ich das alte Haus abgefackelt, »… soll etwas Besonderes sein und nicht nur ein schneller Fick unter der Dusche oder auf der Couch.«

»Weil du ja so ein Romantiker bist …«, stichelte ich nur provokativ und biss ihm in die Lippe. »Aber ich halte das keine weitere Woche aus!«

»Davon hat ja auch niemand gesprochen.«

Er hob mich auf seine Hüfte, spreizte mit seinen Fingern meine Pobacken auseinander und ließ seinen nassen, harten Pfahl dazwischen auf und ab gleiten. Ich krallte mich in seinen Rücken und erschauderte jedes Mal, wenn er über meine Enge rutschte.

»Komm schon«, hauchte ich ihm flehend entgegen. »Egal, was du da oben zusammengezimmert hast, ich würde mich gerade auch auf einem Haufen loser Bretter von dir besteigen lassen.«

Jack kniff die Augen zu engen Schlitzen zusammen und drückte mich an seinen aufgeheizten Körper.

»Wasch dich! In zehn Minuten kniest du nackt vor dem Kamin, verstanden? Und wehe, du fasst deinen Schwanz an!«

Mein Herz hüpfte vor Freude. Da war sie wieder, seine geile, dominante Stimme, die mich alleine schon vom Zuhören fast kommen ließ.

»Verstanden.«

Er setzte mich ab und ging aus der Dusche, ohne sich umzudrehen. Dann band er sich lediglich ein Handtuch um und rubbelte mit einem zweiten flüchtig über seine Haare. Wahrscheinlich wusste er inzwischen genau, wie attraktiv ich ihn mit offenen, feuchten Haaren fand.

Sobald er draußen war, beeilte ich mich, fertig zu werden, obwohl mir dauernd mein Schwanz im Weg herumstand. Dann trocknete ich mich grob ab, ließ meine Haare offen und huschte nach draußen vor den Kamin, der noch immer eifrig loderte.

Kaum hatten meine Knie den warmen Dielenboden berührt, knurrte mich eine Stimme von hinten an: »Elf Minuten und zweiunddreißig Sekunden.«

Für Waschen, Rasieren und nochmal Eincremen- Rekordzeit, in meinen Augen. Aber ja, es war über seinem erlaubten Zeitfenster, also entschuldigte ich mich mit einem simplen »Verzeih mir bitte« und setzte ein Mitleid erregendes »Ich hab gemacht, so schnell ich konnte« nach.

»Nicht schnell genug!«

Trotz der strahlenden Hitze von vorn überkam mich ein Schauer. Dann wurde es dunkel.

'Nein, nicht schon wieder diese verfluchte Augenbinde!'

Sobald er weggeflogen war, das schwor ich mir, würde ich dieses Ding endlich aus Versehen in den Gartenhäcksler fallen lassen! Mit Anlauf!

»Hände nach hinten!«, raunte er seinen zweiten Befehl, dann spürte ich auch wieder die altbekannten Seile um meine Arme und war fast etwas traurig, dass er sich nichts Neues einfallen ließ. Danach packte er in meinen Nacken und drückte meine Stirn nach vorn auf den Boden. »Arsch hoch und Beine auseinander!«

Ich tat, wie mir geheißen, beließ den Kopf auf den Dielen, hob den Hintern an und drückte zusätzlich den Rücken durch, damit er mich besser lecken konnte, insofern er das vorhatte. Allerdings dachte er gar nicht daran und ignorierte mein flehend zuckendes Loch, während er mir lediglich einen Lederriemen um mein Geschlecht zog. Den Schmalen um meinen Kolben und die Eier kannte ich ja, doch dann folgte ein dritter, direkt unter der Glans.

»Was ist das?«, wagte ich zu fragen und bekam direkt einen Schlag auf die rechte Pobacke.

»Wie oft muss ich dir Labertasche noch sagen, dass du Sprechverbot hast, außer wenn ich dich etwas frage oder du bettelst.«

Ich knurrte nur gedanklich in mich hinein: 'So unterwürfig bin ich noch nicht, dass ich darum bettle, eine Frage stellen zu dürfen!' Dabei spürte ich, wie mein bestes Stück komplett, wie in einer Art Schwanzkorsett, eingeschnürt wurde. Der Druck war gerade noch erträglich, aber ewig würde ich dies nicht aushalten.

Die lange sexuelle Abstinenz und der damit verbundene Frust ließen mich ungeduldig und aufmüpfig werden.

Was sollte auch schon groß passieren, außer dass ich vielleicht ein paar Klapse mehr kassierte? Wenn ich es geschickt anstellte und ihn reizte, ohne dass er es als taktlos empfand, konnte ich das Spielchen eventuell ein wenig zu meinen Gunsten lenken, ihn vielleicht sogar dazu bringen, die Dinge zu tun, auf die ich Lust hatte?[Fußnote 5]

Noch während er an meinem Schwanz herumfriemelte, um den Miniaturharnisch einzustellen, begann ich, mit leichten Bewegungen in seine Hand zu stoßen.

»Halt still!«, fauchte er mich an und gab mir eine weitere Schelle, diesmal auf die linke Backe.

Sein Schlag mit der flachen Hand war nicht allzu schmerzvoll und bewirkte daher eher das Gegenteil seiner eigentlichen Absicht. Er hallte durch meinen ganzen Körper, regte mich ungemein an und vibrierte regelrecht in meinem Schwanz. Ich biss mir auf die Unterlippe und sehnte mich nach einem erneuten Hieb, also bewegte ich mich noch einmal, weniger subtil als vorher.

Statt meiner offensichtlichen Aufforderung nachzukommen, nahm Jack jedoch die Hände von mir.

»Oh nein, sonicht Schätzchen!«, knurrte er mich an und zog mich plötzlich grob an den Haaren nach hinten, weil er wusste, wie sehr ich das hasste. »Wenn du mich provozierst, erreichst du überhaupt nichts, das kann ich dir versichern! Und wenn du nochmal absichtlich gegen meinen Befehl agierst, um deine eigenen Wünsche zu erfüllen, fessle ich dich, stecke dich ins Bett und setz mich in den nächsten Flieger, kapiert? Dann kann deine Schwester dich morgen befreien!«

'Warum? Warum weiß dieser Mistkerl immer, was in mir vorgeht?'

Es brachte alles nichts. Das Schlimmste, was geschehen konnte, war, dass er wirklich einfach ging und mich liegen ließ. Also nickte ich schwerfällig, unterdrückte meine Ungeduld und versuchte ihn mit einem friedensstiftenden »Entschuldige bitte« als den Herrn über die Lage zu akzeptieren, auch wenn es mir immer noch schwerfiel, die vollständige Kontrolle ohne Drogeneinfluss abzugeben.

Sein Griff an meinen Haaren lockerte sich, ich sank rücklings in seine Arme und dann spürte ich seine Lippen versöhnlich auf meinen. »Ich weiß, dass du meinen Schwanz dringend brauchst, aber hetz mich nicht. Wir haben die ganze Nacht Zeit, also will ich es genießen. Ich fliege erst morgen früh.«

Warum hatte er mir das nicht schon eher gesagt? Dann hätte ich sicher nicht so gedrängelt!

Er griff unter meine Beine und meinen Rücken, dann hob er mich hoch und trug mich die Treppe hinauf. Hoffentlich konnte ich mir das Lachen verkneifen, wenn ich seine laienhafte Konstruktion erblickte.

'Na ja, schließlich zählt der Gedanke.'

Langsam ließ Jack mich wieder herunter. Hier war es deutlich wärmer, die Hitze stieg nach oben und staute sich dann unter dem gut isolierten Dach, sodass ich bereits in den ersten Minuten ins Schwitzen kam. Wohlbekannter Patschuliduft, aus einem Räucherstäbchen, kroch in meine Nase und erweckte tiefe Erinnerungen in mir.

»Knie dich hin, dann darfst du sehen!«

Seine Stimme war sanfter, fast ein wenig schüchtern. Machte er sich etwa Sorgen, dass es mir nicht gefiel?

Ich kniete mich auf den Boden, hörte sein tiefes Durchatmen und kurz darauf öffnete er den Verschluss an meinem Hinterkopf. Ich blinzelte gegen das Licht der dreißig Kerzen, die an der Wand, auf dem Boden und überall in großen, silbernen Ständern flackerten. Als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, stockte mir der Atem.

Schwarzsilber glänzende Barocktapeten zierten die schrägen Wände, zwei mannshohe Standspiegel reflektierten das Licht, ein großer Kunstfellteppich lag auf dem Boden und darüber schwebte, an drei dicken Ankerketten, ein riesiges, rundes Bett, welches an einem stabilen Deckenbalken befestigt war. Zwei lebensgroße, silberne Panther flankierten es seitlich. Die Decken waren mit schwarzer Satin-Bettwäsche bezogen und mit barocken Kissen geschmackvoll komplettiert.

»Darf ich etwas sagen?«, fragte ich ehrfürchtig und sah ihn an, bis er nickte. »Das ist das Wundervollste, was du jemals gemacht hast!«

Stolz verdrängte seinen skeptischen Gesichtsausdruck.

»Freut mich, dass es dir gefällt.«

'Gefallen' war gar kein Ausdruck! Selbst nach all den Hotel-Luxussuiten, die ich gesehen hatte, war dies das geilste Bett, was mir je unter die Augen kam, ganz einfach, weil er es für mich gemacht hatte. Für andere mochte es nur ein unkonventionelles Schlafzimmer sein, doch in meinen Augen war es mit all seinem schwarzen Stahl, dem Satin, den Kerzen, der Symbolik des Panthers und meinem persönlichen, alten Lieblingsduft eine Hommage, die mich zu Tränen rührte.

»Wenn du das mit mir heute nicht einweihst, sterbe ich!« Plötzlich hatte ich gerade keine Lust mehr darauf, sein Sub[Fußnote 6] zu sein, und stand ungefragt auf.

»Hey, was …?«

»Jack, ich will dir nichts versauen, aber … In Anbetracht dessen, darf ich dich heute um meine Gleichberechtigung bitten?« Er sah mich nur verdutzt an, also streckte ich mich zu ihm hoch, küsste ihn liebevoll und legte meinen Kopf an seine Brust. »Danach kannst du mich immer und zu jeder Zeit als dein Spielzeug beordern, aber während der ersten Nacht in diesem … unserem gemeinsamen Nest möchte ich auf deiner Augenhöhe sein und dich ohne Regeln berühren dürfen.«

Ich konnte gar nicht fassen, wie kitschig das klang, aber es war das, wonach ich mich gerade am meisten sehnte. Er hatte dieses Zimmer mit seinen eigenen Händen allein für mich gebaut und mir damit einen derart ungewöhnlichen Liebesbeweis gezimmert, wie ich es fast nicht für möglich gehalten hätte.

Statt mir zu antworten, drückte er mich an sich und löste die Bondage auf meinem Rücken sowie auch den Harnisch zwischen meinen Beinen.

»Ich dachte, du willst lieber gleich die harte Tour«, säuselte er überrascht und hob mich schließlich auf das schwingende Bett.

»Nicht, wenn ich vor Glück fast platze!«, lachte ich auf und krabbelte über die dicke Schaumstoffmatratze. »Das ist einfach unglaublich toll, Jack!«, ergänzte ich vergnügt und zog ihn an mich, um ihn innig zu küssen. »Ich hätte niemals gedacht, dass du so etwas kannst! Ich bin so furchtbar stolz auf dich!«

»Ja, ja, ist gut jetzt.« Offensichtlich war es ihm schon fast peinlich, wie sehr ich ihn bauchmiezelte. Er legte sich auf mich und ließ sich von meinen Beinen umschlingen.

»Soll ich dich nicht erst anheizen?«, fragte ich grinsend nach und schob ihm seine inzwischen beinahe vollständig getrockneten Haare hinter die Ohren.

»Nicht mehr nötig.« Dabei drückte er bereits seine zuckende Spitze gegen meine Enge. »Erinnerst du dich, wo ich immer das Gleitgel versteckt habe?«

»Natürlich.« Ich kicherte und griff blindlings hinter mich. »Rechtes äußeres Kissen. Als ob ich das jemals vergessen könnte.«

Er nahm mir grinsend die Tube aus der Hand und bedeckte seine enorme Latte mit einer dicken Schicht, dann setzte er wieder an.

»Langsam und tief?«

Ich nickte nur. Er wusste dank Dr. Weiler genau, wie ich es inzwischen am liebsten hatte. Seine Zunge versank in meinem Mund, als ich ihn mit den Beinen erwartungsvoll an mich zog. Meine Hände strichen über seinen Rücken. Ich keuchte auf, als er die Barriere meines Ringmuskels durchbrach und bei jedem Stoß langsam tiefer rutschte, während das Bett sanft in seinem Takt mitschaukelte, wie ein Boot auf ruhiger See. Ich biss in seine Schulter und stöhnte unterdrückt, als der dickste Teil seines Pfahls gegen mich drängte.

'Gott, ich werde mich nie an seinen riesigen Schwanz gewöhnen.'

»Versteck dich nicht«, schnaufte mein Lover mir zu und stemmte sich mit seinen Armen nach oben, um mich im Licht der Kerzen besser beobachten zu können. »Ich will … in dein Gesicht sehen … bis ich ganz in dir stecke.« Dabei drückte er stärker, überwand schließlich meine Anspannung, rutschte bis zum Anschlag hinein und lächelte, als ich laut aufstöhnend die Augen verdrehte. Dann spürte er, wie sich meine Muskeln rhythmisch zusammenzogen und ich heftig pulsierend auf meinen Bauch spritzte.

Noch während meine Wellen den Saft aus mir schoben, bewegte er sich schneller und fickte einfach in meinen Orgasmus hinein, der ihn so eng zusammenpresste.

»Ich liebe dich Baby … Ich liebe dich … Ich liebe dich …«, wiederholte er immer wieder wie ein Mantra und drängte noch energischer in mich, verbiss sich in meinem Hals, bis ich zu schreien anfing, und fest in seinem Körper verkeilt, mit ihm zusammen, ein zweites Mal kam.

***

Als die Strahlen der aufgehenden Sonne gerade das Fenster berührten, bemerkte ich im Halbschlaf, wie Jack mir einen Kuss auf die Stirn gab und sich verabschiedete. Dann ging er nach unten, duschte sich, nahm seinen bereits am Vortag gepackten Koffer und fuhr zum Flughafen.

Die ganze Nacht war er wie in Rage gewesen und wollte einfach nicht mehr aufhören, selbst als er nach vier Stunden und drei weiteren Orgasmen schon kaum noch hart bleiben konnte. Danach waren wir so fertig, dass wir es nicht einmal mehr schafften, uns zu duschen, und völlig verschwitzt und verklebt einschliefen.

Wie vermochte er es nach alldem, so pünktlich aufzustehen?

Shay rief mich einige Stunden später über meinen neuen, hausinternen Telefonanschluss an und fragte mich, ob ich zum Frühstück rüberkommen wolle. Also quälte ich mich aus dem gemütlichen, schaukelnden Bett und betrachtete es bei hereinfallendem Tageslicht noch einmal ausführlich. Kopfschüttelnd ging ich dann grinsend nach unten, um mich wenigstens schnell zu duschen.

***

»Wir sollten dringend die Schalldämmung zwischen den Häusern verstärken«, erwähnte Shay beiläufig, während sie mir einen Cappuccino hinstellte.

»Äh … warum?«

Welch überflüssige Frage …

»Weil man dich die halbe Nacht lang durchs Haus hat stöhnen hören! Keno ist irgendwann nach unten auf die Couch gegangen, weil er es nicht mehr ertragen hat.«

»Sorry, ich dachte, ihr hört uns nicht«, flüsterte ich verschämt und versteckte mich hinter der Tasse. »Ist zwar zum Hinüberlaufen praktisch, weil man nicht erst durch den Garten muss, aber in dem Punkt irgendwie auch doof, dass sie direkt aneinander liegen. War es denn so schlimm?«

Sie lachte leise auf, fuhr mir mütterlich durch meinen herausgewachsenen Sidecut und gab mir einen Kuss auf den Kopf.

»Schatz, mich stört das nicht. Ich freue mich, wenn ihr euch gut versteht und euren Spaß habt. Außerdem war mir völlig klar, dass eure erste Nacht im Schlafzimmer laut werden würde, schließlich haben wir uns deshalb überhaupt dieses Grundstück gekauft.«

Ich grinste verschmitzt und kraulte Shaitan über den Kopf, welche soeben in bester Katzenmanier auf den Tisch gehüpft kam.

»Nebenbei bin ich´s ja von euch zwei Karnickeln nicht anders gewöhnt«, fuhr Shay fort. »Ich steck mir Stöpsel in die Ohren und gut is´. Aber Keno kann mit den Dingern nicht schlafen und meinte irgendwann nur noch: 'Wenn er wenigstens eine Frau wäre, würde ich es ja geil finden und könnte mich damit anfreunden, aber so ist es einfach nur nervig!'.« Dabei äffte sie spielerisch seine Tonlage nach und lachte. »Er meint das nicht böse, aber da müssen wir dringend was machen, und bis dahin wäre es vielleicht gut, wenn du den hier benutzt.«

Da legte sie doch wahrhaftig einen Ballknebel auf den Tisch, den ich etwas perplex anstarrte.

»So was kann auch nur von dir kommen«, gab ich, ebenfalls lachend, zurück. »Aber danke, ich hab bereits einen in Schwanzform. Der gefällt mir besser.«

***

»Ich möchte ein Baby.«

Mit diesem Satz schockierte mich Shay an einem Freitagabend, zirka vier Monate später, als wir bei ihr vor dem Kamin saßen und wieder einmal an einem gemeinsamen Projekt arbeiteten.

Verdutzt versuchte ich, sachlich auf diese emotionale Aussage zu reagieren: »Okay, also genug Platz haben wir ja jetzt und ich brauche dir wohl auch nicht erklären, wie es funktioniert. Also wo liegt das Problem?«

Sie nahm mir den Bleistift aus der Hand, so wie sie es immer tat, wenn sie wollte, dass ich ihr meine volle Aufmerksamkeit schenkte, und sah mich traurig an.

»Key … Keno und ich haben noch nie verhütet.«

Ich grunzte nur kurz und lachte. »Und? Sind ja auch furchtbar nervig diese Soßenbinder. Jack und ich machen es auch immer ohne, aber …«

»Glaubst du nicht, ich hätte in den fast drei Jahren Beziehung irgendwann mal schwanger werden müssen, wenn ich wenigstens zweimal die Woche ungeschützten Geschlechtsverkehr habe?«, unterbrach sie mich scharf und wirkte plötzlich regelrecht verzweifelt. »Da kann irgendetwas nicht stimmen!«

Innerlich pflichtete ich ihr bei, denn eigentlich erschien es mir völlig unlogisch. Keno war zweiunddreißig und sie noch in den Zwanzigern, da konnte es doch eigentlich kein Problem sein, Nachwuchs zu zeugen? Ich suchte krampfhaft nach aufbauenden Worten, doch mir fielen keine ein, die ihr in diesem Moment geholfen hätten.

»Ich wusste überhaupt nicht, dass du mal Kinder haben möchtest.« Was mich ernsthaft ärgerte, denn ich war wie ein offenes Buch für sie, aber mit ihren eigenen Problemen kämpfte sie immer allein. »Da wird dir wohl nichts anderes übrig bleiben, als zum Arzt zu gehen. Vielleicht ist es ja nur eine Kleinigkeit, eine Zyste oder irgend so ein Mist.«

»Ich war bereits bei meiner Frauenärztin und hab einen Check machen lassen. Sie sagte, es sei alles okay, aber wenn ich noch vorhabe, ein Kind zu bekommen, dann sollte es innerhalb der nächsten zwei Jahre geschehen.« Ihre Lippen zitterten bereits, als sie weitersprach: »Das war vor gut einem Jahr. Mein linker Eierstock ist wegen der Zwischenfälle damals 'verkümmert', dafür arbeitet der rechte seit Jahren auf Hochtouren und produziert viel mehr Eizellen, als er müsste.«

'Oh oh …' Ich ahnte, worauf sie hinauswollte.

»Dann würde das bedeuten …«

»Dass ich Keno jetzt dazu bringen muss, sein Sperma untersuchen zu lassen, damit wir es mit Unterstützung versuchen können, und ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen soll, ohne ihn zu verletzen.«

»Du musst ihm ja nicht gleich die Eier abhacken.«

Sie stöhnte genervt und legte leicht lächelnd den Kopf schief. »Mann! Eine Kastration ist wohl das Letzte, was ich will. Das war psychologisch gemeint.«

»Ich weiß«, antwortete ich und war froh, sie ein wenig aufgeheitert zu haben, »und meins metaphorisch. Wenn du es ihm so an den Kopf knallst, fühlt er sich in seiner Männlichkeit tief getroffen und blockt vielleicht ab. Besser wäre, wenn du ihm nichts von deiner Untersuchung erzählst und einfach sagst, dass du es gut fändest, wenn ihr euch beide mal untersuchen lasst. Dann steht für ihn nicht von vornherein fest, wer 'der Schuldige' ist.«

Shay seufzte und blickte zur Seite.

»Wahrscheinlich hast du recht. Du kennst dich mit männlichem Ego deutlich besser aus.«

Da fiel mir plötzlich etwas ein.

»Mal ganz blöd gesagt, wenn es mit Keno nicht klappt, könntest du dich ja auch von Jason schwängern lassen, da würden wenigstens noch ordentlich Alimente bei rumkommen.«

Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu. Der Schauspieler war noch immer ihr wunder Punkt, auch wenn ihre Treffen mit ihm seltener geworden waren, seitdem er ihr von seiner Ehefrau erzählt hatte. So richtig kam sie von ihm aber trotzdem nicht los, was zum einen an seinem unglaublichen Charme und zum anderen an seiner Hartnäckigkeit lag.

»Es wäre wohl sehr auffällig, wenn ich ein rein europäisch aussehendes Kind mit einem Koreaner bekäme. Bestenfalls noch blond! Außerdem würde ich Jason nie auf diese Art ausnutzen.«

»Du bist viel zu anständig«, knurrte ich ihr zu und rückte mich auf der Couch zurecht. »Wenn du aggressiver wärst, könntest du Jason garantiert dazu bringen, seine Alte zu verlassen und dir einen Antrag zu machen!«

Meine Schwester prustete nur, sah auf ihre Hände und murmelte leise: »Hat er schon.«

»Was???« Hatte ich mich da gerade verhört?

»Ja, er hat mich bereits gefragt, ob ich ihn heiraten würde, wenn er seine Frau verlässt und ich habe Nein gesagt!«

Am liebsten hätte ich ihr eine saftige Ohrfeige verpasst.

»Bist du irre??? Wieso in aller Welt lehnst du so etwas ab?« Es war mehr als offensichtlich, dass sie den inzwischen fast Vierzigjährigen noch immer aus tiefstem Herzen liebte, obwohl sie sich selbst dazu zwang, ihre Gefühle auf Keno zu projizieren. Ursprünglich war ich sogar davon ausgegangen, dass Jason sie nur als eines seiner Abenteuer sah, doch inzwischen, nach fast vier Jahren und dieser erschreckenden Info, musste da anscheinend auch von seiner Seite aus deutlich mehr sein, also wollte mir der Sinn ihrer Entscheidung einfach nicht in den Kopf.

»Key, ich will nicht, dass jemand seine Frau 'wegen mir' verlässt! Den Schuh ziehe ich mir nicht an. Wenn er mit seiner Beziehung unglücklich ist, dann soll er sie zuerst verlassen und mich danach fragen, nicht andersherum!«

Frauen! »Ist das nicht Haarspalterei?«

»Nein, ist es nicht! Davon abgesehen; kannst du dir ausmalen, was es bedeutet, mit einem Mann wie ihm verheiratet zu sein? Er ist Wochen, manchmal sogar monatelang in der ganzen Welt unterwegs, um zu drehen. Was bedeutet, dass ich meinen Ehemann und vielleicht den Vater meiner Kinder im Jahr drei Mal sehe. Oder aber, ich gebe alles auf, mein ganzes Leben, reise immer im Wohnwagen mit ihm und bin dann vollkommen von ihm abhängig.«

Sicher gibt es Damen, denen es völlig genügt, 'die Frau' von irgendwem zu sein, doch meine Schwester gehörte nicht dazu, das war mir klar. Sie, ein Freigeist, war von früh auf selbstständig und wollte nie auf irgendwen angewiesen sein.

»Zumindest würdest du dann in der ganzen Welt herumkommen«, flüsterte ich, jedoch wissend, dass dies kein Argument für sie war.

»Und die Tiere? Kein einziges könnte ich dabei mitnehmen, das wäre eine Quälerei! Weder Ares noch die Frettchen oder Shaitan würden so ein Zigeunerleben in Extremversion mitmachen. Sengende Hitze und klirrende Kälte, dauernd wechselnde Zeitzonen und Flüge …« Sie legte eine Hand auf meinen Arm und streichelte mich sanft, während sie eine Schnute zog. »Außerdem könnte ich dich doch nicht einfach allein lassen mit diesem egozentrischen Wahnsinnigen.«

»Wann hat er dich denn gefragt?«

»Kurz bevor wir zurück nach Berlin gezogen sind. Anscheinend hielt er das für einen günstigen Moment.«

Und ich hatte nichts davon mitbekommen!

Shay war einfach unglaublich. Wahrscheinlich könnte sie im Sterbebett liegen und würde immer noch fragen, ob sie mir helfen könne, statt irgendjemanden mit ihren Problemen zu belasten.

Alles, was ich manchmal mitbekam, waren die Momente, in denen sie mit melancholischem Blick minutenlang aus dem Fenster sah, als würde sie auf jemanden warten oder überlegen hinauszuspringen. Wenn sie stundenlang zeichnete und ihr dabei die Tränen liefen oder wenn sie heimlich in ihrem Bett weinte.

»Shay, ich bin für dich da, okay? Ich weiß, ich bin seelisch wie körperlich nicht der stärkste Mensch auf dieser Welt, aber ich werde dich immer unterstützen, so wie auch du mir immer geholfen hast.«

Sie schniefte kurz und umarmte mich dann fest.

»Danke dir Schatz, das weiß ich, das weiß ich …«

***

Leider kamen die Dinge schlimmer, als sie anfangs befürchtet hatte.

Keno willigte unter viel sensibler Überzeugungskunst seitens meiner Schwester ein, ein Spermiogramm machen zu lassen, um seine Zeugungsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Insgesamt waren es schlussendlich fünfzehn. Dazu veranstalteten die beiden jedes Mal eine halbe Weltreise, um in eines der Kinderwunschzentren nach Berlin zu kommen.

Die ersten beiden Proben hielten die Ärzte für fehlerhaft. Bei den folgenden fünf erzählten sie ihm etwas von Blockaden und Entspannung, rieten ihm, den Becher zu Hause, in gelockerter Atmosphäre zu füllen und danach zu ihnen zu bringen.

Nachdem auch diese Erzeugnisse eher nur noch beiläufig als 'nicht ausreichend' bewertet wurden, bekam er Präparate, die er täglich einnehmen sollte, um die Quantität und Qualität seiner Spermien zu verbessern. Meine Schwester traktierten sie mit Hormonspritzen und nach einigen Wochen wurde die erste Insemination[Fußnote 7] durchgeführt.

Innerhalb von weiteren vier Monaten wiederholte sich diese Prozedur viermal, wobei meiner Schwester zum Schluss sogar unter Vollnarkose Eizellen entnommen und außerhalb des Körpers zwangsbefruchtet wurden, doch auch diese entwickelten sich nicht.

Ich denke, jeder Mensch kann sich vorstellen, wie belastend eine solche Zeit für ein junges Paar ist. Es gibt generell nur noch Sex nach Terminplan und das Thema 'Baby' beherrscht sämtliche Gesprächsthemen.

Keno war frustriert, fühlte sich immer mehr unter Druck gesetzt und Shay … Ich glaube, ich habe sie noch nie so unglücklich und depressiv erlebt.

Bei jedem Versuch hieß es wieder Bangen. Jede erneute Blutung erstickte ihre Träume und Hoffnungen im Keim, führte ihr deutlich den Tod des nicht geborenen Wesens vor Augen, nahm ihr all ihren Mut und ließ sie stundenlang auf der Toilette sitzen und weinen. Ihre Regel wurde durch die Hormone außerdem stärker und schmerzhafter, weshalb sie sich bei jeder Niederlage doppelt quälte und irgendwann so irrwitzige Gedanken aussprach, wie: »Ich bin es nicht wert, Mutter zu sein« oder »Wahrscheinlich will einfach nur keine der kleinen Seelen in mir bleiben.«

Natürlich sagte ich ihr, dass dies vollkommener Blödsinn ist, doch die Ärzte vom Kinderwunschzentrum bestätigten ihr immer wieder, dass es klappen könnte, auch wenn sie beide nicht die idealsten körperlichen Voraussetzungen hatten. Also verstand sie den Grund nicht und fragte sich selbst, wieso.

Die 'klugen Sprüche' von allen Seiten machten es ihr auch nicht gerade einfacher.

'Macht euch keinen Stress, du bist jung und hast noch viel Zeit.'

'Je mehr Druck ihr euch selbst macht, desto schwieriger wird es!'

'Wenn du gar nicht daran denkst, wird das schon.'

Und der absolute Knüller: 'Schwanger zu werden bekommen selbst die dümmsten Bratzen hin, da wirst du das doch wohl auch schaffen!'

Sehr einfühlsam.

***

Bevor die nächste künstliche Befruchtung im Raum stand, sah sich die Verwaltung des Kinderwunschzentrums dazu genötigt, meiner Schwester eine Zwischenrechnung zu stellen.

Die erschütternde Erkenntnis daraus war die, dass, entgegen den Aussagen der anfänglichen Beraterin, kein einziger Cent der Kosten von der Krankenkasse übernommen wurde, weil die beiden weder verheiratet waren, noch das vorausgesetzte Mindestalter für eine Kostenübernahme erreicht hatten. Die Gesamtsumme belief sich bis dato auf achtundzwanzigtausend Euro.

Dies war der Punkt, an dem Shay zusammenbrach.

Einen weiteren Versuch würde es nicht geben. Ihre Hoffnungen, jemals Mutter zu werden, waren zerstört und alles, was sie für ihre Schwangerschaft an Geld zurückgelegt hatte, musste sie nun in die gescheiterten Befruchtungsversuche stecken, die außer Schmerzen überhaupt nichts gebracht hatten, und darüber hinaus nun auch noch einen Kredit dafür aufnehmen.

Jeder Versuch, die Verantwortlichen für die anfänglichen Fehlinformationen, es würden in jedem Fall mindestens fünfzig Prozent der Kosten übernommen werden, zur Rechenschaft zu ziehen, schlug fehl, da sie sich mit der Aussage herausredeten, die beiden hätten sich eben selbst informieren müssen.

Genau! Deswegen nimmt man ja eine individuelle Beratung von Fachleuten in Anspruch, um sich danach mit allgemeinen Floskeln von Privatleuten aus irgendwelchen Babyforen selbst zu informieren und diese dann als die Wahrheit zu erkennen! Einfach unfassbar!

Keno wollte mit der ganzen Sache nichts mehr zu tun haben, doch selbst wenn er gewollt hätte, wäre sein Beitrag sehr klein gewesen. Er hielt sich nur noch mit Minijobs über Wasser und war seit unserem Umzug immer noch auf Unterstützung des Staates angewiesen. Nebenbei ging er schwarzarbeiten, um die Rate des vorgezogenen Bauspardarlehens zu bedienen, welche für die nächsten drei Jahre nicht mal in der Tilgungsphase war, sondern nur aus Zinsen bestand.

Ich besuchte mit Shay ein anderes Kinderwunschzentrum, fast zweihundertfünfzig Kilometer entfernt und versuchte dort, eine zweite Meinung zu bekommen. Vielleicht wussten sie ein Schlupfloch oder Ähnliches, denn mit dem Berliner Institut konnten wir nicht mehr reden.

Wir legten dem behandelnden Arzt die Unterlagen vor, die wir mit Mühe und Not in Kopie bekommen hatten, dann erhielten wir den nächsten Schlag ins Gesicht.

Keno hatte das Oligo-Astheno-Teratozoospermie-Syndrom (kurz OAT-Syndrom) der Stufe Drei und war aus medizinischer Sicht 'steril' (unfruchtbar).

All die Spermiogramme und Inseminationen waren also von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen und konnten gar nicht funktionieren!

»Wie kann so etwas sein?«, fragte meine Schwester völlig fassungslos und der Arzt wollte sofort wissen, ob Keno in seinem Beruf mit giftigen Dämpfen und Gasen in Berührung kam. Da fiel es uns wie Schuppen von den Augen.

Natürlich! Er war Lackierer und in der Krauterbude, in welcher er jahrelang gearbeitet hatte, stand er wegen eines von Anfang an kaputten Abluftsystems regelmäßig, ohne bzw. nur mit kaputter Maske, im Farbnebel, Schleifstaub oder war den Lackgasen ausgesetzt.

Shay beschloss, Keno nichts von dieser Information zu erzählen, um nicht auch noch den Rest seines Selbstwertgefühls zu zerstören. Er wusste, dass es äußerst schwierig war, doch er besaß noch die Illusion, ein vollständig funktionierender Mann zu sein und das wollte sie ihm nicht nehmen.

***

Viele hätten an dieser Stelle einfach aufgegeben und sich damit abgefunden, doch nicht Shay.

Ihr Leben, ohne Kinder zu verbringen, war für sie unvorstellbar. Nach einer Weile der Trauer tat sie, was sie immer machte, wenn ihr etwas nicht gelang.

Sie suchte nach Alternativen.

Eine Adoption war der naheliegendste Gedanke. Allerdings ist es bei einer Quote von einem zur Adoption freigegebenen Kind auf sieben verheiratete Paare beinahe unmöglich, als Singlefrau (oder Mann) eines dieser Kinder zu bekommen. Nebenbei hat auch nicht jeder mal eben fünfzehn bis dreißigtausend Euro auf der hohen Kante für die Eignungsprüfung, den ganzen Papierkram, gegebenenfalls auch die Flugkosten zur Überbringung, bis hin zur Adoption selbst. Doch all dies brachte sie nicht von ihrem Weg ab. Nachdem sie ihren Freund davon überzeugt hatte, dass ihre Kinderlosigkeit vielleicht Schicksal war, um einem fremden, verstoßenen Wesen ein neues Zuhause zu geben, willigte er ein und wirkte sogar regelrecht erleichtert.

Ich stand, so gesehen, auf demselben Status wie meine Schwester. Selbst wenn Jack und ich eine sogenannte 'eingetragene Lebenspartnerschaft' gehabt hätten, die dem Status von Verheirateten am nächsten kam, wäre es nicht anerkannt worden, und so waren unsere Chancen als sogenannte 'Single-Anwärter' bei fast Null.

Shay war es dann, die sich als Alternative mit dem Thema Pflegekinder auseinandersetzte. Sie las unzählige Berichte, schaute Dokumentationen zum Thema im Internet an und besuchte sogar einen Vorbereitungskurs für angehende Pflegeeltern, bei dem Keno und ich sie zur Unterstützung begleiteten.

Im Endeffekt brachen die beiden den Kurs jedoch nach dem dritten Termin ab, da sie mit der Vorstellung nicht umgehen konnten, ein misshandeltes Kind aufzunehmen, seine Wunden zu heilen, es wie ein eigenes großzuziehen, es abgöttisch zu lieben, um dann doch mit dem Gedanken im Hinterkopf leben zu müssen, dass es ihnen jederzeit, trotz 'Vollzeitpflege bis zum achtzehnten Lebensjahr', wieder weggenommen werden könnte, wenn die leiblichen Eltern sich irgendwann mal zusammenrissen.

Allein die Tatsache, dass man sich samt Pflegekind in regelmäßigen Abständen mit der 'Herkunftsfamilie' treffen und unterhalten musste, auch wenn diese das Kind schwer vernachlässigt und/oder misshandelt hatte, war für Shay unvorstellbar.

Als wir nach dem Seminar auf dem Heimweg waren, sagte sie völlig deprimiert: »Ich könnte keine gute Miene zu einem Elternpaar machen, bei dem ich weiß, dass es ihr Kind für sein Leben geschädigt und traumatisiert, geschlagen und eingesperrt hat oder Hunger hat leiden lassen! Stellt euch vor, man pflegt die Narben dieses Kindes und muss am nächsten Tag demjenigen, der sie ihm zugefügt hat, freundlich die Hand schütteln!« Doch dann seufzte sie und wischte sich über die Augen. »Andererseits ist das unsere letzte Option.«

Keno bog in eine Seitenstraße ab und hielt. Er nahm Shays Hand und sah ihr tief in die Augen, weshalb ich mir auf der Rückbank wie ein Spanner vorkam.

»Shay, es gibt noch einen anderen Weg.«

»Nein, gibt es nicht, Keno. Verstehst du nicht? Wir haben kein Geld für eine Adoption, selbst wenn du mich heiraten würdest! Und eine Leihmutter ist hier ebenfalls verboten. Wir müssten ewig weit reisen, um …«

»Was hältst du von einem Samenspender?«

Mir blieb die Luft im Hals stecken und meiner Schwester ging es nicht anders. Man merkte, dass Keno dieses Angebot schwerfiel, doch anscheinend spürte er, dass seine Schwimmer das Hauptproblem waren.

»Das Kind wäre dann wenigstens von dir und könnte uns nicht mehr weggenommen werden, und wenn wir uns einen koreanischen Spender suchen, dann ist auch die Ähnlichkeit zu mir vorhanden und niemand wird blöde Fragen stellen, sobald es auf der Welt ist.« Dabei küsste er sie und legte seine Stirn an ihre. »Einen Versuch ist es wert. Wir machen die Seminare weiter und wenn es nicht klappt, können wir immer noch eines der Pflegekinder nehmen.«

***

Ich sprach sehr lange mit Jack über das Vorhaben der beiden und er drückte seinen ehrlichen Respekt aus, auch wenn er selbst nicht sonderlich begeistert von Kindern war.

Shay meldete sich bereits drei Tage später auf einer der privaten, einschlägigen Websites an. Sie hatte kein Vertrauen mehr in die Kinderwunschzentren, und da das Fremdsperma sowieso nur auf 'normalem Wege' bei ihr eingespritzt wurde, sah sie keine Notwendigkeit, das Ganze wieder über Ärzte, kalte, sterile Räume und kostenintensive Wege zu machen. Rund siebenhundert Euro wollten diese nämlich veranschlagen, zuzüglich Lagerungskosten für den Spendersamen in der behandelnden Praxis, ärztliche Behandlungskosten und die Kosten für die Aufbereitung der Spendersamenproben im Labor. Somit forderten sie eine Gesamtsumme von fast eintausendzweihundert Euro

Natürlich bezahlte die Krankenkasse auch hierfür keinen müden Cent.

Eine junge Frau ist mit derartigen Problemen also völlig auf sich allein gestellt, obwohl sie ein nachweisbares, organisches Problem hat, für das sie selbst rein gar nichts kann!

Interessant wird es, wenn man im Gegensatz dazu mal bedenkt, dass ein Mensch, der zum Beispiel sein Leben lang raucht (seinem Körper also wissentlich und freiwilligschadet), jede erdenkliche Operation aus dessen Folgen vollständig bezahlt bekommt! Sogar eine Reha schmeißen sie den feinen Herrschaften noch hinterher und die quarzen obendrein meist sogar weiter! Und so etwas nennt sich Gerechtigkeit!

Ich schweife ab. Jedenfalls - auf der privaten Spenderseite konnte sie sich die Profile der Männer und, im Gegensatz zu den Samenbanken, auch Fotos von ihnen ansehen, um ihre Entscheidung zu unterstützen. Allerdings blieb ihr ohnehin keine große Auswahl, denn es gab auf der ganzen Seite nur drei junge Halbkoreaner/Halbchinesen, die aus der näheren Umgebung kamen. Einer war ihr auf Anhieb sympathisch. Er studierte Medizin, spielte in einer Band und war auf dem Klavier sehr begabt. Gegen einhundert Euro bot er seine 'Dienste' via Plastikdöschen oder 'Direkteingabe' an. Darin enthalten war allerdings auch ein gültiges, ärztliches Gesundheitszeugnis sowie ein aktueller Test auf Geschlechtskrankheiten (wie HIV o. Ä.), mit sieben Tagen Vorlauf und 'Ansparphase'. Die Kosten für diese Atteste allein betrugen je nach Arzt zwischen fünfzig bis sechzig Euro. Der junge Mann 'verdiente' also knapp vierzig Euro mit der ganzen Aktion. Zu wenig für jemanden, der nur damit Geld machen wollte. Die Aussagen in seinem Profil, in denen er schrieb, dass er einfach gerne den ungewollt kinderlosen Paaren helfen wollte, klangen zwar ein wenig abgedroschen, waren aber sehr gut artikuliert, grammatikalisch korrekt und überzeugend, auch wenn es grundlegend vielleicht mehr ein Ego-Ding war oder eine leicht unkonventionelle Art, um an regelmäßigen Sex zu kommen, insofern sich der Empfänger für die 'Direkteingabe' entschied. Wer weiß das schon?

Trotz alledem legte Shay keine große Hoffnung in die ganze Sache. Zum einen wegen ihrer schmerzhaften Erfahrungen zuvor, zum anderen weil selbst bei einer normalen, perfekt abgepassten Befruchtung unter idealen Bedingungen die Chance auf eine erfolgreiche Schwangerschaft ja auch nur bei fünfzehn Prozent liegt![Fußnote 8]

Also traf sie sich ohne viel Aufhebens mit dem jungen Mann bei ihm zu Hause, vollzog das 'Geschäft' und sprach danach nie wieder von ihm. Nicht einmal mir erzählte sie, für welche Variante sie sich entschieden hatte, doch ich stellte mir Sex auf Befehl mit einem Unbekannten, der nur der Kinderzeugung dient und nichts mit Erotik zu tun hat, irgendwie furchtbar vor. Allerdings war es weniger risikoreich als die Tupperdosenversion und ich denke, dies wird ihr wichtiger gewesen sein. Danach lag sie noch eine gute Stunde auf der Rückbank des Autos, um es den Spermien leichter zu machen, bevor sie zurückfuhr. Sie sagte kein Wort dazu und widmete sich den Abend über letzten Unterlagen und Nachweisen für die Aufnahme in die Kartei der bereitstehenden Pflegeeltern. Einen Monat später hatten wir das letzte Seminar dazu absolviert und bekamen unsere Nachweise per Post.

***

Drei Wochen danach rannte ich an einem denkwürdigen Freitagnachmittag zu ihr rüber, weil ich sie bis zu mir ins Wohnzimmer hatte schreien hören.

»Shay!!! Ist alles in Ordnung?«, rief ich aufgeregt durchs Haus, als sie mit noch halb heruntergelassener Hose plötzlich die Tür des Badezimmers aufriss und mir völlig aufgelöst, heulend, lachend, rotzend, schreiend siebenundzwanzig Schwangerschaftstests vor die Nase hielt.[Fußnote 9]

Sie brachte kein verständliches Wort heraus und diese blöden, blauen Hieroglyphen-Streifen konnte ich auch nicht deuten. Doch als sie mir hochfrequent quietschend um den Hals fiel, nachdem ich sie völlig bedeppert gefragt hatte, ob sie schwanger sei, war mir alles klar.

Es dauerte gut eine Stunde, bis sie sich wieder beruhigt hatte, doch sie starrte immer wieder auf die Pipistängel und begann zu lachen und zu schluchzen.

Natürlich war sie noch ganz am Anfang und wollte Keno keine falschen Hoffnungen machen, sollte das kleine Wesen sich doch nicht halten können. Aus diesem Grund beschlossen wir, es ihm nicht zu sagen, und auch Jack musste erst mal nichts davon wissen.

Am liebsten wäre meine Schwester sofort mit mir losgefahren, um Babysachen zu kaufen. Sie wollte das ganze Haus kindersicher machen und sämtlichen Alkohol sowie Kaffee und Ähnliches vom Grundstück, ja am besten von diesem Planeten verbannen! Doch ich konnte sie irgendwann wieder runterbringen und sie davon überzeugen, dass Ruhe und Entspannung jetzt das Beste für sie waren.

***

Am Abend kam auch Jack wieder nach Hause und obwohl es mir auf der Zunge brannte, hielt ich dicht. Keno platzte kurz nach ihm herein und hatte ein Grinsen im Gesicht, als wenn er bereits wusste, was geschehen war.

»Nanu, du bist ja so gut gelaunt?«, fragte sie ihn skeptisch, als er ins Esszimmer hereinplatzte und meine Schwester stürmisch abknutschte.

»Ich habe auch allen Grund dazu!«, antwortete er gehaltvoll und knallte eine Mappe auf den Tisch. »Frau Fitzek von der Pflegeverwaltung hat mich vorhin angerufen und mir gesagt, dass ich auf meinem Rückweg unbedingt vorbeikommen soll.«

»Und …?«, hakte Shay ängstlich nach, bis er sie an den Armen packte und schüttelte.

»Na was denkst du wohl??? Sie haben ein Baby für uns!!! Hier …« Er öffnete das Gummiband, schlug die erste Seite auf und legte ein Foto frei. »Es ist ein Mädchen, noch ganz klein und wir könnten …«

»Ich bin schwanger.«