Blutige Kohle III - Rainer W. Grimm - E-Book

Blutige Kohle III E-Book

Rainer W. Grimm

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Beschreibung

Die Leiche einer Lehrerin im Mädchenklo der Realschule gibt Johnny Thom und seinem Team große Rätsel auf. Denn es ist Silvester des Jahres 1984/85, und es sind Weihnachtsferien. Was macht eine Lehrerin in der Nacht vor Silvester auf dem Mädchenklo der Schule? Und auch in Johnnys Liebesleben ziehen Turbulenzen auf, denn die Schüsse, die in Carmens Haus gefallen sind, machen Johnnys Freundin ziemlich zu schaffen. Ein weiterer Fall führt Johnny auf den beliebten Grillplatz im angrenzenden Waldgebiet. Auf dem Dach des Grillhauses, sitzt ein Toter. Stocksteifgefroren scheint die Todesursache klar zu sein. Doch warum saß der Jugendliche auf dem Dach? Und die Obduktion der Leiche weißt schnell auf ein Verbrechen hin. Der nächste Fall führt Johnny auf den Pütt, und sogar Unter Tage. In einer Kohlenlore wird ein toter Bergmann gefunden. Und ein Messerstich im Nacken, lässt darauf schließen, dass es sich nicht um einen Arbeitsunfall handelt. So müssen die Polizeibeamten einfahren. Doch der Tote ist kein Unbekannter, und der Fall wird immer bizarrer.

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Rainer W. Grimm wurde 1964 in Gelsenkirchen / Nordrhein -Westfalen, als zweiter Sohn, in eine Bergmannsfamilie geboren und lebt auch heute noch mit seiner Familie und seinen beiden Katzen im längst wieder ergrünten Ruhrgebiet. Mit fünfunddreißig Jahren entdeckte der gelernte Handwerker seine Liebe zur Schriftstellerei. Als unabhängiger Autor veröffentlicht er seitdem seine historischen Geschichten und Romane, die meist von den Wikingern erzählen, sowie auch Science-Fiction Romane und die Krimis von Hauptkommissar Johnny Thom.

INHALTSVERZEICHNIS

DIE TOTE AUF DEM MÄDCHENKLO

Ein abscheuliches Verbrechen

Manni's Gang

Böse Grüße aus dem Knast

Von Lügen und Erkenntnissen

Entscheidungen

WINTERGRILLEN

Hässliche Nachwirkungen

Party im Wald

Eine Leiche auf dem Grillhaus

Immer nur kleine Schritte

Familienbande

Marie

EINE LEICHE AUF ZECHE CONSOLIDATION

Der letzte Hund

Der kleine Drache

Gerüchte und Wahrheit

Showdown im Alten Mann

BONUS KURZGESCHICHTE

Der blaue Tippler

DIE TOTE AUF DEM MÄDCHENKLO

I. EIN ABSCHEULICHES VERBRECHEN

Johnny und Carmen traten mit anderen Besuchern, aus dem Foyer des Kinos. Dieses lag in der Straße gegenüber dem Präsidium, direkt neben dem Finanzamt, einem riesigen, hässlichen, grünen Bau.

Johnny entschied sich meist für dieses Kino, weil dort die Parkplätze des Finanzamtes zu dieser Zeit natürlich immer frei waren. Es war richtig kalt in dieser Nacht, weit unter Null zeigte das Thermometer. Schnee gab es zwar noch keinen, und sie hatten auch mal wieder grüne Weihnachten gehabt, aber die Straßen waren doch ziemlich glatt.

Das Paar trat auf den Bürgersteig vor dem Kassenbereich mit den vielen Schaukästen, in denen Bilder der Filme zusehen waren, die momentan liefen. Carmen musste sich erst einmal strecken. Sie war steif vom langen sitzen, und ihr schmerzten alle Knochen, denn sie hatten Sergio Leones neues Meisterwerk “Es war einmal in Amerika“ angesehen.

Dieser Film zog sich über fast vier Stunden, und Johnny sprach aus, was Carmen dachte. „Boah, mir tut echt der Arsch weh.“ Der langhaarige Mann sah auf seine Uhr, und es war gleich Zwölf. „Gleich Mitternacht! Allet schon zu!

Ich dachte, wir können noch irgendwo watt trinken. Abba datt könnwa wohl vergessen.“ Carmen schüttelte mit dem Kopf. „Sei mir nich böse, Johnny, abba da hätte ich jetz auch keine Lust mehr zu, ich will nur noch ins Bett.“ Da zuckte er mit den Achseln. „Wie du meins!“ Sie gingen über die Straße auf den Parkplatz zu seinem Wagen, und Johnny schloss die Türen auf. Carmen öffnete die Beifahrertür und stieg ein. Als sich auch Johnny gesetzt hatte, sagte sie: „Mach schnell an, damit die Heizung warm wird.“

„Ja ja, ich mach ja, abba so schnell geht datt auch nich.“ Die Scheiben waren beschlagen, und von außen hatten sie längst angefangen zuzufrieren. Johnny drehte die Heizung voll auf.

„Sach ma, is et nich langsam ma Zeit für ein neuet Auto? So schlecht Verdienste doch ga nich.“ Diese Bemerkung sollte die gebürtige Spanierin schnell bereuen. Johnny drehte ihr seinen Kopf zu, und sah die hübsche Frau an, als wäre diese verrückt geworden. „Mein Auto verkaufen? Bisse plemplem?“ Er lachte gekünstelt auf, und streichelte dann liebevoll über das Lenkrad. „Als wenn ich dich verkaufen würde. Hör nich auf die Frau, die hat nen Knall!“ Carmen schüttelte nur noch mit dem Kopf, und zog ein wenig beleidigt einen Mundwinkel hoch. Da beugte sich Johnny herüber und öffnete das Handschuhfach. Er kramte darin, und zog dann eine Art Teigschaber hervor. Johnny Thom startete den Motor seines BMW 2002 tii, und stieg dann aus.

Frierend begann er die Frontscheibe freizukratzen.

„Mann, datt is abba auch arschkalt geworden. Naja, da wird morgen wenichstens nich so viel geknallt. Mr. Flocke mag datt ga nich.“ Johnny hatte wieder hinter dem Lenkrad Platz genommen.

„Los, fahr du Spinner, ich will ins Bett“, drängelte Carmen, Johnny, und fuhr vom Parkplatz. Aus dem Blaupunktradio klang der neue Song von Pat Benatar “We belong“.

Während der rote BMW die Crangerstraße Richtung Süden hinunter fuhr, heizte sich der Wagen auf. Und zwar so, dass Johnny sein Fenster ein Stück herunterkurbelte. „Ich brauch Luft.“

„Fahr nicht so schnell“, bat Carmen, denn die Straßen glänzten im gelblichen Licht der Beleuchtung. Und so ging Johnny vom Gas. Und plötzlich schrie Carmen auf, denn direkt vor dem Auto explodierte ein großer Silvesterknaller mit einem ohrenbetäubenden Knall. Jetzt sah Johnny die fünf Jugendlichen, die, wie es schien, stark angetrunken waren, und schon mal Silvester vorfeierten. Auch Johnny hatte sich erschrocken, jedoch nicht so heftig wie seine Freundin.

Die Jugendlichen grölten, und schienen sich gut zu amüsieren. Einer zeigte Johnny sogar den Stinkefinger.

Der Hauptkommissar bremste seinen Wagen ab, und lenkte ihn an den Rand der gegenüberliegenden Straßenseite.

„Johnny, lass doch“, bat Carmen, doch der Polizist hatte bereits die Tür geöffnet, und wurde von herausfordernden Rufen begrüßt. „Los, Alter, trau dich“, rief ein Typ in schwarzer Motorradjacke. Johnny hatte sofort begriffen, dass er der Anführer sein musste. Doch als der Hauptkommissar tatsächlich über die Straße kam, war es mit dem Mut der fünf Halbstarken beendet. Sie liefen lachend und grölend davon, und verschwanden in der nächsten Seitenstraße. Im ersten Stock des Hauses, in dem sich im Parterre ein Lampengeschäft befand, wurde ein Fenster geöffnet, und der Kopf eines Verschlafenen erschien. „Is da bald ma Ruhe. Ich ruf die Polizei!“ Johnny sah hinauf.

„Nich nötich, die iss schon da. Und jetz gehnse wieder ins Bett!“ Fluchend schlossc der Mann das Fenster, und zog die Gardine vor. Johnny setzte sich wieder in seinen BMW.

„Nich besonders mutich, die Blagen.“

„Johnny, ich will jetz wirklich ins Bett“, jammerte die Schwarzhaarige etwas verärgert, und begann zum Beweis heftig zu gähnen. Der BMW setzte seinen Weg durch die eisige Winternacht fort, damit Carmen endlich ins Bett kam.

*

Es war Montagmorgen! Aber nicht irgendein x-beliebiger Montagmorgen. Denn heute war Silvester!

Kommissar Fred Rudnick erhob sich grinsend von seinem Schreibtischstuhl, und sah dabei sein Gegenüber Johnny an.

„Watt grinst du denn wien Honichkuchenpferd?“, fragte dieser, und da zog Fred eine weiße Musikkassette aus seiner Hemdtasche. Er ging zum Fensterbrett, und legte das Band in das Kassettenradio ein. Er drückte auf Start, und es erklang der Anfang von “Born in the USA“.

„Bruce Springsteen? Du?“ Johnny wunderte sich schon über den Kollegen, denn Fred war eher der ABBA Typ.

„Habe ich gefunden“, erklärte Fred. „Ich dachte mir, das ist doch was für dich.“ Da nickte Johnny erfreut. „Ja kla, ganz sicha is datt watt für mich.“

„Kannst du behalten“, sagte Fred großzügig, und grinste.

Johnny freute sich auf einen frühen Dienstschluss. Um drei Uhr war für ihn Feierabend, und dann würde er es sich mit Carmen gemütlich machen. So war es jedenfalls geplant.

Und dann klingelte das Telefon. Fred zog den Teleskoparm auf dem das graue Telefon mit der Wählscheibe stand zu sich, und nahm den Hörer ab. „Kommissar Rudnick“, meldete er sich, und sprach kurz mit dem Anrufer, dann legte er auf. „Das war Andi! Eine Leiche in der Realschule in Erle. Er und Frau Wolf sind schon vor Ort.“ Johnny sah seinen Kollegen verärgert an. „Echt? So ein Scheiß! Ich dachte heut is früh Schluss.“ Da schüttelte Fred seinen Kopf. „Sieht nicht danach aus.“ Die beiden Kripobeamten verließen das Büro, und machten sich auf den Weg zum Fundort der Leiche.

Johnnys BMW raste die Crangerstraße hinunter, vorbei am Hauptfriedhof, in den Stadtteil Erle. Auf dem Dach drehte sich die blaue Lampe, die mit dem Magnetfuß befestigt war.

Johnny nannte sie Kojak-Lampe, weil in der gleichnamigen amerikanischen Krimiserie mit dem glatzköpfigen Leutnant, der immer Lollis lutschte, solche Lampen benutzt wurden.

Bei der deutschen Polizei waren sie eher selten. Aber Johnny liebte das Ding. Er war nun mal anders, als seine Kollegen.

Sie erreichten die große evangelische Kirche, die Johnny “den Dom“ nannte, denn hier war er konfirmiert worden.

Sie bogen links ab, und folgten der Wittenberger Straße. Sie überquerten die kreuzende Frankampstraße, und dann konnte man bereits die ersten Parkplätze der Schule sehen.

Genau dort stand früher mal ein Affenkäfig, ein Bolzplatz, auf dem auch Johnny gegen den Ball getreten hatte. Diese Anekdote gab er Fred zum Besten, was diesen aber nicht zu interessieren schien. Sie bogen nach links in die Mühlbachstraße, und nach etwa zweihundert Metern stellte Johnny den BMW ab. Direkt vor dem weitgeöffneten Tor zum Schulhof. Es war richtig kalt an diesem Tag, aber es war trocken. Wahrscheinlich war es für Schnee einfach schon zu kalt. Sie gingen auf den Schulhof, der vor zwei Jahren neu eröffneten Realschule.

Dort stand der Einsatzwagen der “Kavallerie“ in Person von Andi Grünwald und Silvia Wolf. Die beiden Uniformträger gehörten zu Johnnys Team, doch es war Zufall, dass sie ausgerechnet heute Streifendienst schoben.

Direkt neben dem Tor befand sich der große Bau der Aula.

Dieser war, auf der linken Seite, durch einen Gang mit dem Hauptgebäude verbunden und begrenzte hier den Schulhof.

Der Flachbau war in der gesamten Länge zweigeteilt. Auf der rechten Seite befand sich der breite Gang zur Aula, und eine Tür, die nach Süden hinausführte. Auf der linken Seite, befanden sich ein Geräteraum, den der Hausmeister auch als kleine Bude benutzte, aus der er Milch und Kakao, sowie andere Getränke, und natürlich Süßkram verkaufte.

Und dann kamen zuerst das Jungen -, und dann das Mädchenklo. Und in diesem hatte der Hausmeister vor nicht einmal einer halben Stunde, eine Leiche entdeckt. Etwas bleich in seinem vernarbten Gesicht, stand der Mann mit der Halbglatze bei Polizeimeisterin Wolf. Johnny und Fred traten heran, und der Hauptkommissar fragte: „Sie haben die Leiche gefunden?“ Der Mann, der in seiner Jugend sehr unter Akne gelitten haben musste, denn sein Kinn war völlig mit kleinen Narben und Löchern überzogen, nickte mit dem Kopf, und ehe er etwas sagen konnte, sprach die Polizistin für ihn. „Das ist Herr Liebig! Er ist hier der Hausmeister! Er hat die Leiche in der Mädchentoilette gefunden.“ Fred, der hinter Johnny stand, verdrehte seine Augen, und schüttelte immer wieder mit dem Kopf. Doch Silvia Wolf verstand nicht, was er ihr damit sagen wollte. Und da Johnny sowieso schon ein wenig angefressen war, hatte er sich doch einen frühen Feierabend herbeigesehnt, bekam die junge Polizistin einen Rüffel. „Hab ich sie gefracht?“ Streng sah er die junge Kollegin an, und diese erschrak, denn dies war gar nicht Johnnys Art. „Aber ich wollte doch nur...“, verteidigte sich die junge Beamtin, doch Johnny fuhr ihr über den Mund.

„Ach was, halten sie sich zurück! Wo ist die Leiche?“

Silvia hob die Hand, und zeigte die Stufen hinauf, zu dem Toilettenraum der Mädchen, aus denen soeben Polizeihauptmeister Andi Grünwald heraustrat. „Ah, die Herren Kommissare“, stellte er die Anwesenheit fest. „Ist die Spurensicherung benachrichtigt. Und der Pathologe?“

Johnnys Stimme klang wenig freundlich. Verwundert sah Andi den Hauptkommissar an, denn auch er kannte Johnny so nicht. „Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen, Johnny?“ Aber der Hauptkommissar hatte gar nicht hingehört, war die beiden Treppenstufen hinaufgesprungen, und in dem Mädchenklo verschwunden.

Der Beamte in der braunen Lederjacke, die man heutzutage wegen ihres Alters und Aussehen wohl Antiklederjacke nannte, trat in den weiß gekachelten Vorraum. In dem hingen fünf Waschbecken an der Wand. Hier war noch alles sauber, nur ein weißer Slip, der an dem Heizkörper hing, ließ darauf schließen, dass etwas nicht stimmte. Und dann trat er in den Raum mit den Toiletten. Bei vier der fünf Toilettenkabinen waren die Türen geschlossen. Bei der Kabine in der Mitte, war die Tür geöffnet. Aus dieser Toilettenkabine zog sich ein Rinnsal angetrockneten Blutes zum Abfluss in der Mitte des Raumes. Johnny trat heran, und sah hinein. Zwischen der Trennwand und Kloschüssel, lag eine junge Frau. Johnny schätzte sie auf höchstens achtundzwanzig Jahre. Ihr starrer Blick war zur Decke gerichtet. Die Frau war halb entkleidet!

Ihre weiße Seidenbluse war aufgerissen worden, und der BH war vorne mit einem Messer durchtrennt worden. Ihre Brüste waren von Schnitten übersät, aus denen sie kräftig geblutet hatte. Ihr blondes, langes Haar war mit Blut verklebt. Doch dies war nicht das Schlimmste, was man ihr angetan hatte. Ihr Rock war bis zu den Hüften hochgezogen worden, und man hatte sie mit dem Stiel einer Klobürste vergewaltigt. Johnny reichte, was er gesehen hatte. Er verließ den Raum, und als er ins Freie trat, sog er die kalte, klare Luft in seine Lungen. Da trat Fred Rudnick die Treppenstufen hinauf, und wollte den Tatort besichtigen.

Johnny hielt ihn am Arm fest. „Freddy, lass es“, sagte er.

Doch Fred schüttelte seinen Kopf, und verschwand in der Mädchentoilette. In diesem Moment bog der Wagen von der Pathologie Essen und ein schwarzer Kombi von einem Bestatter auf den Schulhof ein. Und kurz hinter diesen, fuhr auch der Wagen der Spurensicherung auf das Schulgelände.

Da kam Fred auch schon wieder aus der Toilette. Er war nun genauso blass um die Nase, wie der Hausmeister. „Ich habe dich gewarnt“, sagte Johnny kopfschüttelnd.

„Wer tut so etwas? Und warum tut man einem Menschen so etwas an?“ Fred hatte der Anblick der blutüberströmten Frau wirklich mitgenommen. Obwohl er inzwischen schon einiges gesehen hatte, und dies, im Gegensatz zu seinen Anfangszeiten, nun recht gut ertrug. „Hass“, antwortete Johnny. „So eine Tat, entsteht aus purem Hass! Da hat es dem Täter nicht gereicht sie zu töten. Nein, er wollte sie auch noch demütigen!“ Der Hauptkommissar ging die Stufen hinunter, und trat an den Wagen mit der Aufschrift “Pathologisches Institut Essen“. Ein Mann mit dunkelblondem Haar, und blonden Strähnchen darin, stieg aus dem VW Passat Kombi und grüßte Johnny. „Na, Sheriff, wie isset?“

„Wa schon ma besser“, antwortete der Kripomann, und zeigte dann auf Doktor Peter Lorenz Haare. „Neue Haarfarbe, wie ich sehe.“ Der Pathologe nickte, und verdrehte die Augen. „Das war die Idee meiner Ivonne. Is jetz so Mode!“ Er zuckte mit den Schultern. „Was is passiert?“

„Tote Frau! Is kein schöner Anblick, Quincy. Abba wir reden später!“ Er zeigte zur Tür des Mädchenklos, wandte sich von dem Pathologen ab, und trat zu dem Hausmeister.

„Dann erzählen se ma.“ Obwohl Fred bereits mit seinem gezückten Block dastand, und notierte, wollte Johnny selbst hören, was der Hausmeister zu sagen hatte. Also nickte er diesem zu, er möge noch einmal von vorn beginnen. „Na ja, ich habe meine Runde gemacht. Wie an jedem Morgen“, erzählte der Mann mit der Halbglatze. Ob alle Räume verschlossen sind, die verschlossen sein sollen. Und da ist mir aufgefallen, dass die Tür zur Mädchentoilette geöffnet war.“

„Aufgebrochen?“ Johnny sah den Hausmeister fragend an.

Dieser aber schüttelte seinen Kopf. „Nö, aufgeschlossen!“

Er zuckte mit den Schultern. „Dann bin ich rein, und da lag die Roswitha.“

„Sie kennen die Frau?“ Johnny sah den Hausmeister verwundert an. Dieser nickte. „Ja sicha! Datt is Frau Gericke, eine von unseren Lehrerinnen. Is hier als Referendarin.“

„Hat sie einen Schlüssel für die Toilettenräume?“, fragte nun Fred, und der Hausmeister nickte. „Ja sicha, alle Lehrer haben die. Abba watt wollte die hier? Sind doch Ferien.“ „Ok, datt erklärt natürlich, wie se reingekommen is,“ stellte Johnny fest. „Warum war die Lehrerin hier, wie sie schon erwähnten, ham wa jetz Ferien!“ Der Hausmeister nickte.

„Datt versteh ich auch nich.“

„Vielleicht war sie ja hier in der Nähe, und musste mal zum Klo. Da fiel ihr der Schlüssel ein, und sie ist hierhin, um zur Toilette zu gehen“, versuchte sich Fred in einer Erklärung.

Der Hauptkommissar sah den Hausmeister an, weil dieser Fred zu nickte, und dessen Mutmaßung wohl einleuchtend fand. „Na gut, dann danke ersma. Wir kommen sicher nochma auf sie zurück.“ Johnny wandte sich ab, und ging noch einmal zurück in den Toilettenraum. Dort stand Doktor Lorenz über der toten Lehrerin. „Sowatt hab ich auch nicht oft“, bemerkte er. „Da hat einer seiner Wut freien Lauf gelassen.“

„Glaub mir, den kriech ich. Der entkommt mir nich“, schwor Johnny mit strengem Blick. „Kannste mir schon watt sagen?“

Peter Lorenz drehte sich um. „Tja, der Tatort ist definitiv hier. Man hat sie gequält. Wahrscheinlich mit einem spitzen, schmalen Messer.“ Er zeigte auf den BH und die vielen Schnittwunden in der Brust. „Der BH wurde vorne mit dem Messer durchtrennt. Danach hat sich der Täter an ihren Brüsten ausgelassen. Aber daran starb sie nicht.“ Doktor Lorenz zeigte auf ihren Kopf. „Todesursache ist ein Schädeltrauma. Man hat sie mit einem harten Gegenstand erschlagen.“ Er beugte sich vor, und stützte sich an der Wand ab. „Siehst du, hier und da.“ Er zeigte auf die längliche Wunde. „Es könnte ein Baseballschläger oder eine Eisenstange gewesen sein. Aber genaues sag ich dir nach der Obduktion.“

„Und watt is mit der…?“ Johnny zeigte auf den Unterleib der Frau. „Die Vergewaltigung? Die musste sie zum Glück nicht mehr lebend ertragen. Die war post mortem.“

Johnny nickte. „Kanns du watt zur Tatzeit sagen?“ Quincy nickte. „Datt ist Plus Minus achtundvierzig Stunden her.“

„Also in der Nacht von Samstach auf Sonntach?“, fragte Johnny den Pathologen, und dieser nickte. „Ja, datt kommt hin!“

Der Hausmeister Liebig wollte sich gerade verabschieden, da richtete Fred nochmal das Wort an den Mann. „Sagen sie, die Adresse des Rektors oder der Rektorin, können sie uns die geben?“

„Ja, natürlich“, antwortete der Mann. „Ich holse ma aus meinem Büro. Übrigens, der rote Käfer gehört Roswitha.“ Er zeigte zur Straße, wo der rote Käfer direkt neben Johnnys BMW stand. Da kam Johnny gerade aus der Mädchentoilette. „Herr Liebich“, rief er dem Hausmeister zu. „Sagense ma, wo kriecht man hier wohl ne Eisenstange oder so watt?“ Herr Liebig sah Johnny fragend an.

„Eisenstange? Wo soll hier ne Eisenstange sein? Vielleicht ein Rohr! Wir hatten die Klemptner hier in der Jungentoilette. Vielleicht hamm die ja ein Rohr vergessen.“

Johnny nickte. „Los, sucht nach dem verdammten Rohr“, rief er. Die Kollegen von der Spurensicherung waren vor Ort, und hatten längst mit ihrer Arbeit begonnen. Und tatsächlich fand einer von ihnen, im Gebüsch neben dem Tor zum Schulhof, ein blutiges Eisenrohr.

Zufrieden zog sich Johnny zurück. Er stellte sich neben Fred, und rief die beiden Uniformierten zu sich. „Andi!

Silvia!“ Die beiden kamen sofort heran. „Und?“, fragte er, und meinte damit die Ausbeute des Beweismaterials.

„Ziemlich mau“, antwortete Andi. „Eine Bierflasche! Stand da an der Tür von dem Geräteraum. Sonst nix!“ Und in diesem Moment ging ein Spusi-Mitarbeiter an ihnen vorbei, der die Flasche eingetütet hatte. Johnny drehte sich zur Straße. „Na gut! Da drüben die Häuser zuerst.“ Gegenüber der Schule befanden sich mehrere Zweifamilien-Häuser, und dort sollte die Befragung beginnen. „Freddy, du gehs mit Silvia, ich mit Andi!“

Johnny begann mit dem Eckhaus, und wollte sich dann die Straße entlang vorarbeiten. Die beiden Beamten gingen durch einen sehr aufgeräumten Vorgarten, in dem vor einer Garage ein großer Mercedes Benz stand. Andi trat an die Tür und drückte den Klingelknopf. Ein großgewachsener Mann, mit weißen Haaren öffnete. „Guten Morgen, ich bin Hauptpolizeimeister Grünwald, und dies ist mein Kollege Hauptkommissar Thom.“

„Na, das is ja mal ein Aufgebot“, stellte der Mann vergnügt fest. „Wie kann ich ihnen helfen?“

„In der Nacht zum Sonntach, hamm se da watt auffälliget bemerkt?“, fragte Johnny. Der Mann sah ihn an, und nickte.

„Sie die rotzigen Gören, die mitten in der Nacht den Schulhof bevölkern? Ja, sowas hatten wir am Samstag.“

Johnny nickte. „Könnten se die jungen Leute beschreiben, oder vielleicht soga wiedererkennen?“ Nun war es Herr Neumann, dies war der Name auf der Klingel, der nickte.

„So ein oder zwei von denen bestimmt. Das war so um elf oder halb zwölf. Da habe ich die Rollos runtergelassen.

Einen jungen Mann habe ich gesehen, der auf den Schulhof ging. Recht groß, und sehr schlank. Der hatte aber wohl nix mit den Halbstarken zu tun, die später den Krach machten.“ „Ach, die kamen später“, stellte Andi fest. Herr Neumann nickte. „Ja, genau! Fünf Personen habe ich gesehen. Zwei waren Mädchen, würde ich sagen.“

Es war bereits dreizehn Uhr durch, als sie zurück in der Dienststelle waren. Und nachdem sie die Aussagen verglichen hatten, kamen sie zu dem Schluss, dass die Tat gegen halb eins stattgefunden haben musste. Es waren fünf oder sechs Personen beteiligt. Zwei der Jungen, trugen schwarze Lederjacken, und einer eine Militärjacke. Die beiden Mädchen trugen dicke, weiß gefütterte Jeansjacken.

Eine hatte auffällig kurze, blonde Haare. Die andere hatte langes, rotes Haar. Darin glichen sich mehrere Aussagen.

Und der Krach den die Jugendlichen gemacht hatten, hatte für viele Zeugen gesorgt. Fred saß auf seinem Stuhl und hielt einen Zettel von seinem Block in der Hand. „Eine Frau Bitterling hat ausgesagt, dass einer der beiden Typen in Lederjacke mit einem länglichen Gegenstand auf ein rotes Auto geschlagen hat.“ „Und den schlanken, jungen Mann, hamm die den auch gesehen?“ Johnny sah Fred fragend an. Fred blätterte in seinem Block, und schüttelte dann den Kopf. „Nö, den hat von meinen keiner erwähnt.“ Johnny sah nachdenklich drein. „Also warten wir auf den Bericht aus der KTU.“

„Gut dann schreibe ich jetzt noch einen Bericht.“ Der junge niedersächsische Kommissar erhob sich, und nahm an dem kleinen Tisch mit der Schreibmaschine Platz.

*

II. MANNI'S GANG

Johnny war sogar noch vor drei Uhr nach Hause gekommen, und der weiße Kater Mr. Flocke hatte ihn freudig begrüßt. „Manchmal denke ich, du hättest einen prima Hund abgegeben.“ Mr. Flocke hatte sich im Haus von Carmen Kettler, mit der Johnny jetzt seit einigen Monaten liiert war, sehr gut eingelebt. Er fühlte sich wohl, und dies war nun sein Revier.

Johnny ging in den kleinen, länglichen Korridor, wo auch die Treppe in das obere Stockwerk führte. Dort stand nun sein kleines Sideboard, weil es im Schlafzimmer nicht erwünscht war. Carmen hatte plötzlich ihr Veto eingelegt, da sie mit Johnnys Waffe nicht in einem Zimmer schlafen wollte. Irgendwie war es Johnny auch lieber so. Er zog seine Jacke aus, und hängte sie an die Garderobe. Dann nahm er den Holster von seinem Gürtel, und ließ Bessie, seine 38er Smith & Wesson in dem kleinen Safe verschwinden, der sich hinter der rechten Tür des Sideboards befand. Dann trat er in die Küche, wo eine volle Einkaufstüte auf dem Tisch stand. Johnny trat heran, und sah in die Tüte hinein. Eine Flasche Sekt stach ihm sofort ins Auge. Er nahm diese, und stellte sie auf den Tisch. Und dann lehrte er die Tüte komplett aus, und begann die Sachen einzuräumen. Eine kleine Papiertüte vom Metzger versprach ein opulentes Mahl, denn es stand T - Bone Steak auf dem Bon, der daran getackert war. Carmen kannte natürlich Johnnys Vorliebe für Rindersteaks. Als er alle Einkäufe im Küchenschrank und im Kühlschrank verstaut hatte, wer mochte schon warmen Sekt, ging er nach rechts durch die Tür ins Wohnzimmer. Seine Freundin lag auf der Couch und schlief. Johnny sah auf sie herab, dachte daran, wie er Carmen kennengelernt hatte, und begann zu lächeln. Sie ist schon ein echt hübsches Ding, dachte er. Und er war froh darüber, dass er, allen Unkenrufen zum Trotz, die Verbindung mit ihr eingegangen war. Anfangs war es tatsächlich etwas merkwürdig, auch für Johnny, denn sie war nun mal die Witwe eines Mordopfers. Doch dieser Mann würde nicht zurückkehren, und ihre Avancen waren mehr als eindeutig.

Er trat an die Couch heran, und beugte sich hinab, um Carmen zu küssen. Da öffnete sie ihre Augen, und legte ihre Arme um Johnnys Nacken. „Hallo, mein Schatz“, hauchte die Frau. Sie zog ihn an sich, und küsste ihn. Sie begann an seinen Sachen zu zerren, bis sein schwarzes T - Shirt in hohem Bogen durch das Wohnzimmer flog.

Besonders geeignet war die Couch nicht für das Liebesspiel der beiden, und so landeten sie bald schon krachend auf dem Teppich, zwischen Couch und Tisch. Da begann Carmen zu lachen! Johnny sah sie erstaunt an, und machte dabei wahrscheinlich so ein blödes Gesicht, dass die Frau einen Lachflash bekam. Augenblicklich verweigerte Johnnys bestes Stück den Gehorsam. „Echt, du lachs mich aus?“

Doch Carmen konnte einfach nicht aufhören zu lachen. Da löste sich Johnny von ihrem nackten Körper, und erhob sich.

Nun war er echt beleidigt! Er brach sich fast sein bestes Stück, und sie lachte. Johnny begab sich in die Küche, öffnete den Kühlschrank, und nahm eine Dose Cola heraus.

Er öffnete die rote Dose, und trank. Nun erhob sich auch die schwarzhaarige Carmen, und folgte ihrem Liebhaber grinsend in die Küche. „Nun sei doch nich gleich beleidicht“, sagte sie fordernd, trat aber nah an Johnny heran, und nahm ihm die Dose Cola ab. Sie trank einen Schluck, und stellte die Dose auf die Arbeitsplatte. Dann schmiegte sie sich in Johnnys Arm. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände, und begann ihn zu küssen. Da zeigte Johnnys kleiner Freund, dass er überhaupt nicht nachtragend war, und so saß plötzlich Carmen auf der Arbeitsplatte in der Küche.

Die kleine Verstimmung hatte sich nach dem Liebesspiel in der Küche vollständig aufgelöst. Nun saßen sie, nur in Slip und Unterhose, im Wohnzimmer. Der weiße Kater lag auf der Couch und schlief.

„Und, habter einen neuen Fall?“, fragte Carmen, doch Johnny schwieg. Normalerweise kam es schon mal vor, dass sie sich über Johnnys Fälle unterhielten. Doch diesmal sagte Johnny nichts dazu. Und Carmen merkte sofort, dass ihm dieses Thema unangenehm war. Also suchte sie nach einem neuen, und dieses ließ Johnny staunen. „Sach ma, Schatz, wann wolln wa heiraten?“ Da spritzte die Cola aus Johnnys Mund und Nase, quer über den Wohnzimmertisch. „Wa… Was?“ Carmen musste wieder heftig lachen. „Oh, hasse wirklich son schiss davor?“ Ein bisschen blass war Johnny schon um die Nase. Natürlich wollte er Carmen heiraten.

Doch da war immer noch die Geschichte mit seiner Ex - Verlobten Anja in seinem Kopf. Was, wenn Carmen ihn auch kurz vor der Hochzeit sitzen lassen würde? Erstens war dies Vorstellung wenig schmeichelhaft, und zweitens würde diese Schmach ganz schön an seinem Ego kratzen. Johnnys zögern ließ Carmen etwas beleidigt dreinschauen. Nun lachte sie nicht mehr. „Is das dein ernst? Du willst mich nicht?“ Da legte er seine Hand auf ihre Schulter. „Aber Carmen, natürlich will ich dich heiraten.“

„Und warum zögern se dann, Herr Thom?“ Johnnys Antwort reichte ihr nicht. Sie schob seine Hand demonstrativ von ihrer nackten Schulter. Johnny atmete tief ein. „Na gut“, sagte er. „Et is wegen Anja. Ich will nich nochma sitzengelassen werden.“ Da begann Carmen zu grinsen. „Datt is der Grund? Oh, mein Süßer, ich lass dich bestimmt nich sitzen. Da Kannsse drauf wetten!“ Dann setzte sie sich auf Johnnys Schoß und küsste ihn. „Lass uns gleich einen Termin machen“, schlug sie freudig vor, und Johnny konnte nur noch nicken.

*

Es klopfte an der Kellertür. Dreimal, eine Pause, und noch dreimal. Eines der beiden Mädchen erhob sich von dem alten grünen Sessel, der zu einer ausrangierten

Couchgarnitur gehörte, und ging zur Tür. „Ja, wer is da?“, fragte sie. „Mensch, Uli, mach auf. Ich bin et, der Pauli!“

Das Mädchen mit der schwarzen Wollstrumpfhose und der abgeschnittenen Jeans darüber, drehte den Schlüssel, und öffnete die Kellertür. Der junge Kerl, der eigentlich Paul Rademacher hieß, trat in den Kellerraum ein. Er zog seine olivfarbene Militärjacke aus, und warf diese auf die Lehne der Couch. Er ging zu dem kleinen Kühlschrank, der hinter einer selbstgebauten Theke stand. Dort öffnete er die Tür, und nahm eine Flasche Bier heraus. Dann setzte er sich auf die Couch, wo bereits ein Mädchen saß. „Und, wa watt bei euch?“ Das Mädchen mit den blonden Zöpfen sah ihn fragend an. „Watt soll gewesen sein?“

„Mensch, Sille, der meint wegen Samstach“, antwortete Manni Kronen, in dessen Elternhaus sich der Jugendkeller der Freunde befand. Die Familie Kronen war Hausbesitzer und gut betucht, wie man so sagte. Und der einzige Sohn Manfred, hatte mit seinen sechzehn Jahren so einige Freiheiten, die seine Altersgenossen nicht hatten. „Bei mir herrscht Ruhe. Ich hab meine Alten gut erzogen. Die sind gestern gefahrn!“ Seine Eltern waren fast an jedem Wochenende und in den Ferien auf einem Campingplatz im Sauerland. Und dies zu jeder Jahreszeit! Und Manfred blieb sich selbst überlassen. Also hing er mit seinen Freunden in dem Keller ab, den sie sich mit alten Möbeln eingerichtet hatten. An den Wänden hingen Poster der angesagten Stars der neuen deutschen, und auch englischen Welle. Es gab einen großen Starschnitt aus der Jugendzeitschrift BRAVO, der die Sängerin Nena in kurzem Lederrock mit Fransen, und einem pinkfarbenen Sweatshirt zeigte. Dazu gab es noch Poster von Adam Ant, Shakin Stevens, und Depeche Mode. In einem großen Ghettoblaster lief die dazugehörige Musik. Die britische Band Duran Duran sang gerade “The Wild Boys“. Manni stand aus dem zweiten Sessel auf, der nur für ihn reserviert war, und ging zum Kühlschrank. Er öffnete die Tür, sah hinein, und dann wanderte sein Blick zu Pauli. „Watt is mit dem Kasten Bier? Du biss dran einen neuen zu holen.“ Pauli sah ein bisschen bedröppelt drein.

„Mann, ich hab doch immer noch Taschengeldsperre, weil mein Alter die Kippen in meiner Jacke gefunden hat“, versuchte er sich mit einer Erklärung.

„Und watt is mit der Kohle von deiner Omma, die du zu Weihnachten gekricht hass?“ Manni ließ nicht locker. „Hatt auch ersma der Alte einkassiert.“ Da sah der Anführer der kleinen Bande den anderen Jungen in der Sitzgarnitur an.

„Dann darfs du einspringen, Türke.“

Memet Can war tatsächlich ein Türke, und wurde auch so genannt, was er gern in Kauf nahm, um Teil der Bande zu sein. „Wieso ich?“, fragte er verärgert. „Ich trink doch ga kein Bier! Wenn mein Alter datt spitzkriegen würde, könnte ich mich direkt auffen Weg inne Türkei machen. Datt bringt der nämlich feddich, mich zu meinen Großeltern zu schicken.“

„Dafür pumpse abba ganz schön watt an Cola wech“, mischte sich Sille ein. „Sille hat Recht! Cola oder Bier is völlich wurscht. Der Kühlschrank muss widda gefüllt werden.“ Manni war gar nicht erfreut. Da meldete sich Uli zu Wort. „Ich bezahl die nächste Rutsche. Hab zu Weihnachten zweihundert Mark gekricht. Von meinem berühmten Onkel. Haben meine Alten nix von mitgekricht.“

Der berühmte Onkel war Schlagersänger, und wohnte in der Nachbarstadt Herne. Hin und wieder gab er seiner Nichte etwas Geld, denn Uli war die Einzige, die herausgefunden hatte, dass er schwul war. So hoffte er, sich ihr Schweigen zu erkaufen. Und obwohl Uli die Neigungen ihres Onkels nicht im Geringsten interessierten, war sie über das Geld doch höchst erfreut. Da zeigte sich Manni zufrieden.

„Die ham die olle Gericke bestimmt schon gefunden“, sprach Memet plötzlich. „Musse jetz damit anfangen? Ich hatte datt schon so schön verdrängt“, beschwerte sich Uli.

Manni ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. „Der Liebich hat die bestimmt schon gefunden. Könnte mir vorstellen, dass da inner Schule ganz schön Alarm is.“

„Mann, zum Glück sind Ferien“, bemerkte Memet, und grinste. Doch eines der Mädchen sah ihn an, und begann fast zu weinen. „Wäre ich doch bloß mit meiner Schwester zu meiner Omma gefahrn.“

„Ja, wärsse ma! Dann müssten wa jetz nich dein Gejammer anhörn“, maulte sie da Manni an. Doch Pauli rückte an sie heran, und nahm sie in den Arm. „Mach dir ma keine Sorgen, Sille, datt wird schon.“

„Und wenn die uns draufkommen?“ Nun brach es aus dem Mädchen heraus. „Die arme Frau Gericke!“

Da erhob sie Uli, nahm ihre gefütterte Jeansjacke, und reichte Sille auch ihre Jacke. „Komm, wir beide gehen ma Pommes essen!“ Das aufgelöste Mädchen erhob sich von der Couch, und folgte ihrer Freundin zur Tür hinaus.

„Mann, watt ne Heulboje“, beschwerte sich Manni. „Ich hoffe, die hält dicht!“

*

Das große Kaufhaus auf der Hochstraße, der Einkaufsmeile des Stadtteils Buer, war gut gefüllt. Es war Mittwoch, und der zweite Tag des neuen Jahres. Immer noch kamen Leute, die ihre Weihnachtsgeschenke umtauschen wollten. Carmen stand hinter der Theke der Parfümerie, und hatte alle Hände voll zu tun. Gerade erst hatte sie einen Umtausch getätigt, bei dem ein Ehemann seiner Frau das Parfüm geschenkt hatte, welches er für seine Freundin gekauft hatte. Und dies war ausgerechnet ein Duft, den seine Frau so gar nicht mochte. Jetzt, so schien es, konnte er sich ganz auf die Vorlieben seiner Freundin konzentrieren. Natürlich tauschte Carmen das ungeliebte Parfüm problemlos um. Und dann geschah es!

Plötzlich stand ein Mann vor ihr. Dieser machte keinen besonders gepflegten Eindruck, und war auch sonst nicht wirklich freundlich. „Sind sie Carmen Kettler?“, fragte er dreist. Verwundert sah die Verkäuferin den Mann an. Doch sie schaltete schnell, und fragte nun ihrerseits: „Wer will datt wissen?“ Da lehnte sich der Mann auf die gläserne Verkaufstheke. „Versuch keine Spielchen mit mir. Da kann ich gar nicht gut drauf. Also, wo finde ich Carmen Kettler?“

„Ich glaube, sie gehen jetz besser, mein Herr. Oder soll ich den Wachschutz rufen?“

Da stellte sich der Mann wieder aufrecht hin, und sah Carmen drohend an. „Bestellen sie Carmen Kettler einen schönen Gruß von ihrem Schwager. Er hat sie nicht vergessen, und er will seine Kohle.“ Dann drehte er sich um, und ging. Carmen sah dem Mann nach. Was sollte das?

Robert saß doch im Knast. Und wer war der Kerl? All diese Fragen, die Carmen durch den Kopf gingen, sollte sie beantwortet bekommen.

Noch am Mittwochnachmittag hatte Johnny mit dem Rektor der Schule telefoniert, und sich mit ihm für Donnerstag den dritten Januar verabredet. So trafen sich die Männer in der Halle der Schule, vor dem Raum des Hausmeisters. Johnny stellte sich vor, und der Rektor erwiderte: „Rahbeck ist mein Name. Ich bin hier der Schulleiter. Ist es nicht schrecklich, watt da passiert is? Wer tut einem Menschen so etwas an?"

„Ja, Herr Rahbeck, genau datt wollen wir herausfinden“, antwortete der Hauptkommissar dem großgewachsenen Mann. Er war ziemlich respekteinflößend, und als Rektor dieser Schule sicher der geeignete Mann. „Watt könnense mir über Frau Gericke erzählen?“

„Nun, sie war eine hervorragende Lehrerin. Wir hatten vor, sie hier zu behalten, wenn ihre Referendarzeit um wäre“, erzählte der Rektor. „Und gab et Probleme mit Schülern?“

Johnny begann zu bohren. „Sie war schließlich eine junge Frau, und bei den jungen Wilden, gab et doch sicherlich auch Quertreiber.“

Da nickte Herr Rahbeck. „Da gibtet so einen jungen Burschen in der 9b. Manfred Kronen! Der hat einige Schüler um sich geschart, und mimt den starken Mann. Er ist schon einige Male mit Roswitha Gericke aneinandergeraten.“

Johnny zog seinen Block aus der Jackentasche, und schrieb.

„Die 9b war ihre Klasse?“ Der Rektor nickte. „Manfred Kronen, sagen sie?“ Der Rektor nickte. „Kommense mit in mein Büro, dann gebe ich Ihnen die Adresse.“ Die beiden Männer gingen einen kurzen Gang entlang, und betraten das Direktorat. „Nehmense Platz.“ Er begann in einem Aktenschrank zu suchen. „Er soll ihr sogar schon mal mit Gewalt gedroht haben. Wohl wegen der Noten auf dem Halbjahreszeugnis. Sie hatte die Eltern einbestellt. Aber das war wenig erfolgreich.“ Dann zog er einen Ordner und eine dicke Kladde aus dem Schrank. „Gibt et noch watt?“, fragte Johnny, während der Rektor Platz nahm. „Nun ja, eine Angelegenheit, die nicht sehr schön ist. Sie hätte Frau Gericke leicht ihre Karriere kosten können.“ Nun wurde Johnny richtig neugierig. „So, ich höre!“

„Es gab ein Gerücht in der Schule, nachdem Frau Gericke eine Liebschaft mit einem Schüler haben sollte. Ich habe sie danach gefragt, und sie hat alles in das Land der Phantasie verwiesen.“ Da kniff Johnny seine Augen zusammen, und zog eine Augenbraue hoch. „Und haben sie ihr geglaubt?“

„Ich… ich wollte ihr keine Schwierigkeiten machen. Habe ihr gesagt, wenn es diese Liebschaft gäbe, möge sie sie beenden.“ Johnny notierte, und hob dann seinen Blick.

„Gibt es zu dem Gerücht einen Namen?“ Da schüttelte der Rektor seinen Kopf. „Keinen konkreten. Der Schulfunk hatte da einige zur Auswahl.“ Er öffnete das Klassenbuch, und nannte Johnny weitere Namen. „Aber die hier kann ich ihnen nennen. Das sind die Herren und Damen, die sich Manfred Kronen angeschlossen haben, und öfter mal Ärger machen.“ Er sah Johnny mit seinem kleinen Schreibblock, und begann zu grinsen. „Herr Thom, ich glaube, das machen wir anders. Kommense mal mit.“ Die Männer begaben sich in den Vorraum, dem Reich der Schulsekretärin.

Der Rektor zog die Haube von der Schreibmaschine, spannte ein Blatt ein, und fing an zu schreiben. „Also, da hätten wir zuerst ma Manfred Kronen.“ Er schrieb den Namen, und auch die Adresse auf, die er aus dem Ordner ablas. „Paul Rademacher, Memet Can, Ulrike Schmitz und Silvia Burgmeister.“ Seine Finger flogen über die Tasten, und Johnny musste grinsen, denn er dachte an Fred Rudnicks Können an der Schreibmaschine, welches immer eine gewisse Zeit in Anspruch nahm. Allerdings waren seine eigenen Fähigkeiten im Bearbeiten der Tasten noch weit schlechter.

Nach einer Weile überreichte der Schulrektor dem Beamten den Zettel, den dieser in seiner Jackentasche verschwinden ließ. „Das wars dann ersma. Falls ihnen noch watt einfällt, wissense ja wo se mich finden.“ Johnny reichte dem Rektor seine Karte, verabschiedete sich, und verließ das Direktorat.

Vor der Hausmeisterbude, die der Anmeldung im Präsidium glich, blieb er noch einmal stehen. Vor sich war die breite Glastürenfront, die hinaus auf den Schulhof führte, und er sah links den überdachten Weg zu den Toiletten. Wieder waren seine Gedanken bei dem Opfer, und dem, was man ihr angetan hatte.

Es war bereits halb Eins, als Johnny in seinen Wagen stieg.

Dies sah er auf der Uhr im Armaturenbrett des BMW.

Johnny besaß zwar eine Armbanduhr, eine besonders schöne sogar, aber er trug sie nur selten.

Es störte ihn am Handgelenk. Deshalb hatte er sich eine Taschenuhr gekauft. Aber da war nun die Klappe kaputt. Er ließ seinen weinroten BMW 2002tii an, und ein sanftes Röhren verursachte ein wohliges Gefühl in Johnnys Magengrube. Es konnte aber auch Hunger gewesen sein.

Und so beschloss er, erstmal bei seiner Pommesbude anzuhalten.

*

Der BMW fuhr auf die Crangerstraße, und dann Richtung Norden. Auf Höhe der Postfiliale fand Johnny einen Parkplatz, denn von hier konnte er sehen, dass vor der Pommesbude alles belegt war. Er stieg aus, und ging, vorbei an Blumengeschäft und Radiomarkt zum Imbiss. Als er die Tür öffnete, schallte ihm laute Musik und Stimmengewirr entgegen, welches wohl versuchte die laute Musik zu übertönen. Johnny trat an die Theke. Die Bedienung war neu, und sie war noch recht jung. Gegen die Jugendlichen schien sie sich nicht durchsetzen zu können. Johnny sah sie an, und nickte mit dem Kopf zu der Rundecke, wo acht