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„Wikingerwelten Band I“ ist eine Sammlung von historischen Begebenheiten und bedeutenden Ereignissen der nordischen Welt, die durch die Phantasie des Autors noch einmal zum Leben erweckt werden. Er erzählt die Geschichte, in der aus dem Wikinger Rollo der Begründer der Normandie wurde oder von einem bekehrungswütigen Priester, der auf Island sein Unwesen trieb. Von dem jungen Grönländer Leif Eriksson, der einer Erzählung folgend, fünfhundert Jahre vor Columbus das Land entdeckte, das man heute Amerika nennt. Und er erzählt die Lebensgeschichte des heidnischen Wikingerkönigs Olaf, der zum überzeugten Christen wurde und versuchte sein Land unter dem neuen Glauben zu vereinen.
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Seitenzahl: 181
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„Wikingerwelten Band I“ ist eine Sammlung von historischen Begebenheiten und bedeutenden Ereignissen der nordischen Welt, die durch die Phantasie des Autors noch einmal zum Leben erweckt werden. Er erzählt die Geschichte wie aus dem Norweger Rollo, der Begründer der Normandie wurde oder die eines bekehrungswütigen Priesters, der auf Island sein Unwesen trieb. Von dem jungen Grönländer Leif Eriksson, der einer Erzählung folgend, fünfhundert Jahre vor Columbus das Land entdeckte, das man heute Amerika nennt. Und er erzählt die Lebensgeschichte des heidnischen Wikingerkönigs Olaf, der zum überzeugten Christen wurde und versuchte sein Land unter dem neuen Glauben zu vereinen.
Als der 1964 in Gelsenkirchen geborene Rainer W. Grimm durch eine Rückenerkrankung seine zwei erlernten Handwerksberufe nicht mehr ausüben konnte, entdeckte er die Liebe zur Schriftstellerei. Er begann damit, historische Romane und Geschichten zu schreiben. Seine erste Veröffentlichung war die, in drei Bänden erschiene Saga von Erik Sigurdsson. Es folgte der Roman „Pakt der Barbaren“ der sich mit der Varusschlacht und den darauf folgenden Germanienfeldzügen des römischen Imperiums beschäftigt. Nun führt der Autor seine Leser erneut in die Zeit der Wikinger zurück.
1. Der Überfall auf Lindisfarne
2. Rollo und der gestürzte König
3. Die Saga von Olaf Tryggvesson
4. Thangbrand, der Missionar
5. Die neue Welt
6. Alfred der Große
7. Die Schlacht im Hjörungafjord
an nennt mich Alkuin, den Priester, und ich war dereinst ein eifriger Missionar! Ja, ich war ein fleißiger Diener des Herrn Jesus Christus und sogar der Berater des Carolus, des großen Königs der Franken.
Nun aber sitze ich hier im Schein einer Kerze, ein Greis von dreiundsiebzig Jahren, der ich geworden bin, und mit zitternder Hand führe ich die Feder, um aufzuschreiben, was vor kaum einem Jahrzehnt geschah.
Ich weiß es! Denn ich musste es miterleben, da das Schicksal mich in meinem hohen Alter aus dem Frankenreich in meine Heimat, nach Northumberland im schönen Britannien geführt hatte. In der reichen Abtei Lindisfarne, auf der gleichnamigen Insel im Nordosten vor der Küste meines Heimatlandes, fand ich Unterschlupf und wurde von dem Abt dieses Mönchsklosters sehr freundlich empfangen. Hier in diesem von Gott geliebten Hause, hier, wo unsere Heiligen St. Cuthbert und St. Aidan gelebt hatten, wollte ich die Ruhe finden, um mich auf meine Reise in das Himmelreich des Allmächtigen Gottes vorzubereiten. Dem Herrn jedoch hat es wohl gefallen, mir noch einmal vor Augen zu führen, wie grausam und verabscheuungswürdig die Menschen doch zu sein vermögen. Schon im Gefolge Karls des Großen sah ich die vielen Abscheulichkeiten, zu denen die Sieger einer Schlacht fähig sind. Auch Könige und Herrscher wie Carolus Rex, oder wohl gerade diese, neigten dazu, die Besiegten zu versklaven oder gar zu Tausenden in den Tod zu schicken. Es ist nur wenig Liebe, so wie sie unser Herr Jesus Christus predigte, in ihren Taten und nur selten zeigten sie Gnade für die Völker, die sie unterwarfen. Doch noch schlimmer waren jene, die nur aus Habgier handelten. Die töteten, vergewaltigten und brandschatzten aus der Raubgier heraus. Gottlose Barbaren waren dies!
Schon im Frühjahr zogen heftige Wirbelstürme über das Land von Northumbria. Drachen erschienen am dunklen Himmel und spieen Feuer. All dies waren Vorzeichen dafür, dass etwas Schlimmes bevorstand. Nein, es sollte kein gutes Jahr werden! So geschah es am 8. Juni Anno Domini 793, und nie zuvor hatte sich etwas Schrecklicheres zugetragen. Das Blut der Priester hatte die Wände und den Boden der Kirche von St. Cuthbert befleckt. Ja, dies war der Anfang allen Leides!
Das Kloster lag auf einer Anhöhe mit einem schönen Blick in die Bucht. Fette, grüne Wiesen, auf denen leuchtend bunte Blumen wuchsen und mit nur einigen wenigen alten, knorrigen Bäumen darauf, die bis hinunter an den Strand reichten. Es war zur Zeit des Morgengebetes, als in der Ferne die eckigen Segel zweier Langschiffe auftauchten. Und die Schiffe der gottlosen Wikinger nahmen Kurs auf unsere Bucht. Der junge Ambros, ein Novize, war der Erste, den die Klingen der Nordmänner trafen. Man erzählte, dass jener Ambros an diesem Morgen an den Strand gegangen war, um sich dort mit einem jungen Weib aus einem nahe gelegenen Dorf zu vergnügen. Dies mag wohl auch so gewesen sein, denn man fand später nicht weit des Unglücklichen auch den entseelten Körper eines jungen Weibes.
Die grausamen Nordmänner hatten sich ausgiebig an der Maid vergangen, ehe sie die Glücklose von ihren irdischen Qualen erlösten, und es gab im Kloster Mönche, die dies als eine gerechte Strafe des Herrn ansahen. Ich dagegen trauere um die armen Seelen, denn ich weiß, dass viele Weiber aus den Dörfern der Umgebung gegen etwas Nahrung oder Geld für die Klosterbrüder die Beine spreizten. Wer also ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein!
Dann stürmten die Ungläubigen die Wiese hinauf auf das Kloster zu, das, nur von einer flachen Mauer umgeben, wenig Schutz bot. Hell war ihr Haar, das unter den ehernen Helmen der großen Männer hervorquoll, und lang waren ihre Bärte. Mit hocherhobenen Klingen, die Äxte über dem Kopf schwingend, rannten die Heiden gegen die Kirchentüre an. Nun erst läutete die Glocke, um die Klosterbrüder zu warnen. Doch dazu war es längst zu spät!
Das Schloss der großen, hölzernen Pforte zerbarst, und ihre Flügel schlugen krachend gegen die Wände, sodass die heidnischen Barbaren in das Gotteshaus stürmen konnten. Immer wieder erschallte das Wort „Wikinger“ aus ihren Kehlen, und wie wilde Tiere fielen die fremden Krieger über die betenden und vor Entsetzen schreienden Mönche her. In panischer Angst liefen die Brüder wirr und weinend durch den Kirchensaal, und so manchen traf die Axt der Höllenbrut. Dem Abt, der den blutrünstigen Wilden mit dem Kreuz in der Hand entgegentrat, fuhr die schwere und scharfe Klinge eines Schwertes in das Haupt und spaltete dieses bis zur Wurzel seiner Nase. Voller Erschütterung und Angst schrien die Mönche auf, versuchten zu fliehen, doch nur wenigen gelang es, aus der Kirche zu entkommen. Die meisten von ihnen aber teilten das Schicksal des Abtes und traten an diesem unseligen Tage vor das Angesicht unseres Schöpfers. Nun begannen die Mörder zusammenzuraffen, was von Wert war. Die goldenen Gefäße für das heilige Abendmahl nahmen sie und Kreuze, die aus Silber gegossen waren. Ringe und Ketten der erschlagenen Mönche rissen sie von den leblosen Leibern.
Ich selbst lag zu dieser Zeit in einer Kammer des großen Klostergebäudes auf meinem Schlaflager darnieder. Schließlich zählte ich damals schon dreiundsechzig Jahre und war nicht mehr bei bester Gesundheit. Gott allein weiß, warum er mir altem Mönch damals mein Leben ließ.
Einer der Novizen war es, der in meine Kammer gestürmt kam, die sich unter dem Dach befand, und der immer wieder in höchster Not „die Wikinger kommen, die Wikinger kommen“ ausrief.
Doch was konnte ich alter Mann schon tun? Ich blieb auf meiner mit Stroh gefüllten Matratze liegen, faltete die Hände und betete zu meinem Gott, auf dass dieser mir im Tode gnädig sei. Da wurde die Tür meiner Kammer aufgerissen. Die Wikinger hatten nun also auch das Klostergebäude gestürmt, durchsuchten alle Winkel des Hauses nach Wertvollem, und sie töteten auch hier jeden, der sich ihnen in den Weg stellte.
Stocksteif vor Angst, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, lag ich da, als die Tür meiner Kammer aus den Angeln gerissen wurde und ein großer, kräftiger Kerl in den kleinen, kaum beleuchteten Raum eindrang. Er sah sich kurz um und trat dann, mit dem Schwert in der Hand, an mein Bett. Nun ist also der Moment gekommen, an dem ich vor meinen Schöpfer treten werde, so dachte ich. Doch zu meiner Verwunderung drang die Klinge des Wikingers nicht in meinen Körper ein. Nun wagte ich es, zaghaft die Augen zu öffnen, die ich fest geschlossen gehalten hatte. Der Mann stand für einen Augenblick da und sah auf mich alten Kerl herab. Strahlend, ja leuchtend blaue Augen starrten mich an, und ich sah in ein fast noch kindliches Gesicht, das von einem kurz geschorenen blonden Bart eingerahmt war.
Dieser Mann hatte sicher noch nicht mehr als zwanzig Sommer erlebt, und doch, nur der Himmel wusste, wie vielen Menschen er schon den Tod gebracht hatte. Er sollte es also sein, der meinem langen Leben ein Ende setzte? So lag ich nun da, sah diesem Jüngling in seine blauen Augen und wartete darauf, dass mich seine Klinge traf. Da sprach der Wikinger plötzlich zu mir. Ich verstand natürlich seine Worte nicht, aber seine Stimme war ruhig und fast sanft. Dann lächelte er und verließ meine Kammer.
Oh Herr, was war dies für eine Begegnung? Während meine Mitbrüder um ihr Leben flehten und dahingemetzelt wurden, widerfuhr mir dieses Wunder der Barmherzigkeit. Mir, einem alten Mann, der sein Leben längst gelebt hatte.
Nun erhob ich mich langsam, denn in diesem Moment verspürte ich die Schmerzen meiner Krankheit nicht mehr. Ich trat zögernd an das kleine Fenster meiner Kammer und sah die Nordmänner, wie sie bepackt mit den Schätzen des Klosters, mit Nahrung und unserem Vieh, die Wiese hinunter an den Strand gingen. Und es war wohl die größte Schmach, dass sie dabei fröhlich sangen.
So schnell, wie sie gekommen waren, verschwanden sie nun auch wieder. Doch der Name, den sie riefen, hallte noch lange in den Köpfen der Überlebenden wider. Ungestraft und ohne auch nur einen Mann verloren zu haben, zogen die Räuber ihres Weges. So viele lange Jahre hatte ich an der Seite Karls des Großen gestanden, hatte Kriege miterlebt und Menschen für ihren Glauben sterben sehen. Doch ein solcher Streich, schnell und ohne Gnade geführt, kam mir in meinem Leben noch nicht unter. Langsam trat ich nun die Stiege hinab und sah das Unheil, das diese blutrünstigen Wilden angerichtet hatten. Viele der Klosterbrüder lagen in ihrem Blute, und die Kirche von St. Cuthbert stand in hellen Flammen.
Mönche und Novizen, die sich aus ihren Verstecken zurück gewagt hatten, eilten nun umher und versorgten die verwundeten Brüder. Andere liefen, kopflosen Hühnern gleich, mit Wasserkübeln über den Kirchplatz. Doch erst als die Menschen aus dem nahen Dorf kamen, gelang es mit deren Hilfe, die alte Kirche vor den Flammen zu retten.
Was für eine Freveltat! Welch eine Schande dies war für die christliche Welt!
Niemals in der langen Zeit, in der wir und unsere Vorfahren dieses schöne Land schon besiedelten, hatte es einen solchen Überfall, wie wir ihn nun von diesen barbarischen Heiden erdulden mussten, auf Britannien gegeben. Kaum einer hätte gedacht, dass ein solcher Angriff von See aus möglich sei.
Dies jedoch war erst der Anfang der Leidenszeit! Denn schon ein Jahr darauf kehrten die Nordmänner zurück, um sich an unserer schönen Heimat gütlich zu tun.
Die Klöster von Monkwearmouth und Jarrow waren ihr Ziel, und sie erlitten nicht weniger Grausamkeiten als ein Jahr zuvor das Kloster von Lindisfarne.
Im Jahre 795 verbreitete sich im gesamten britannischen Reich die Nachricht, dass die Wikinger auf der Insel Iona in Schottland eingefallen waren, und es ist noch nicht lange her, da ereilte die Isle of Man das gleiche Schicksal.
Ich, Alkuin, den man den Franken nennt, alt und vom Tode gezeichnet, ich bitte dich, oh Herr Jesus Christus, sei deinen Kindern gnädig bei dem Unheil, das diese, den Satan Odin anbetenden Wikinger noch über uns bringen mögen!
ch erzähle euch die Saga von Göngu Hrolfr. Von Rolf, dem Vagabunden!
Es war zu der Zeit, als König Harald Harfagr, den sie alle Schönhaar nannten, über das Land am Nordweg regierte. Da lebte in einem Fjord, weit im Norden des Landes, ein junger Bauer mit dem Namen Rolf. Doch nannten ihn alle nur Rollo. Dieser Mann war bei seinen Nachbarn wenig beliebt, denn er galt als unfreundlich und äußerst gewalttätig. Nur allzu oft hatte Rollo schon mit den anderen Bauern im Streit gelegen, und der Herrscher des Gaus musste auf dem Thing1 immer wieder durch seinen Rechtsspruch für Ordnung sorgen. Und so kam es, dass der streitbare Bauer wieder einmal vor dem Fürsten des Helgelandes stand. Doch diesmal stand es nicht gut für ihn.
Die Schafe eines Nachbarn hatten die Wiesen des Bauern Rollo abgegrast. Darüber war der aufbrausende Mann so in Wut geraten, dass er seinen Nachbarn kurzerhand im Zorn erschlug. Nun des Totschlags angeklagt, führte man Rolf erneut vor den Herrscher des Helgelandes. Doch eigenwillig und trotzig, wie der junge Bauer nun mal war, lehnte er die Zahlung einer Mannesbuße2 ab. Schließlich war der Nachbar seiner Meinung nach selbst schuld an dem Unglück. Da war es dem Jarl3 und dem Altenrat zuviel der Frechheit. Kurzerhand verbannten sie Rollo, den jähzornigen Bauern, für vier Jahre auf die Orkney-Inseln, und unter Todesdrohungen verboten sie ihm die Rückkehr in seine Heimat.
Doch nur zwei Jahre hielt es den verbannten Mann auf den Orkneys. Dann belud er sein Schiff, um auf das Nordmeer hinaus zu fahren.
Nach und nach wuchs auch die Zahl der Seekrieger, die sich dem Rollo anschlossen, und bald befehligte er eine voll bemannte Schnigge4, mit der er als Seeräuber und Wikinger an den Küsten von Norwegen sein Unwesen trieb. So machte sich der Bauer, der auf die Orkney-Inseln verbannt worden war, in den nordischen Königreichen einen üblen Namen. Viele Seekönige buhlten plötzlich um die Gefolgschaft des Rolf, und so kam es, dass sich der Vagabund, wie ihn die Menschen im Norden nun nannten, einem dänischen Wikingerführer anschloss.
Keine Küste war sicher vor der Wikingerflotte dieses dänischen Seekönigs, und kein Heer vermochte es, die Angriffe zu unterbinden. Das Sachsenland, die großen Handelsplätze der Friesen, die Städte an den Flüssen im Polenreich und auch die Insel der Angelsachsen wurden von ihnen verheert und gebrandschatzt. Die Küsten der Nordländer jedoch verschonte der Däne, und dies ärgerte Rollo sehr, denn ihn drängte es in das Helgeland zurück. Der Rache wegen!
Er musste sich aber dem Befehl seines Anführers beugen, hatte er doch einen Eid geleistet, und diesen zu brechen, hätte ihm sicher kein Glück gebracht. Doch es kam, dass nach jedem Überfall, den sie begingen, der Unmut der Wikinger über die ungerechte Verteilung der Beute wuchs. Der Seekönig bezahlte sein Gefolge schlecht und behielt den größten Teil der Schätze für sich. So war es Rollo, der seine Stimme erhob und der den Aufstand und die Meuterei gegen den dänischen Anführer anzettelte.
Als er genügend Krieger auf seiner Seite wusste, trat er vor den Wikingerfürsten und sprach zu ihm mit drohenden Worten. „Lange genug hast du uns um unseren Anteil betrogen, Däne! Es ist an der Zeit, dass ein ehrlicherer Mann an deine Stelle tritt!“
„Und dieser Mann willst du sein, Rollo?“ zischte der Seekönig leise und lachte dann bitter.
„Ich weiß nicht, ob ich der Mann sein werde, der an deine Stelle tritt! Aber ich weiß, dass ich derjenige bin, der dir sein Eisen in den Leib sticht!“
Ein Großteil der Gefolgschaft begann zu jubeln, doch es gab auch Männer, die weit weniger begeistert waren oder sogar noch ganz hinter dem Anführer standen. So zog Rollo sein Schwert, und der Däne tat es ihm gleich. „Nun wirst du für deine Frechheit bezahlen, Rollo“, rief der Anführer der Wikinger. Doch zur Antwort hieb der Norweger mit dem Schwert nach dem Seekönig. Laut klirrend schlugen die Klingen gegeneinander und die Männer bejubelten jeden Schlag des einen oder anderen Kämpfers. Rollo war der jüngere der Kontrahenten, er zählte nun etwa siebenundzwanzig Sommer und Winter. Wogegen sein dänischer Gegner schon über vierzig Mal das Mittsommerfest gefeiert hatte. Der Anführer der Wikinger war aber ein erfahrener und geschickter Krieger und machte es dem Rollo auch recht schwer. Doch je länger der Kampf andauerte, umso mehr wuchs der Siegeswille des Norwegers, und der Schwertarm des Dänen begann langsam schwerer zu werden. Jeder Hieb und jeder Stich mit der ehernen Waffe kosteten die Kämpfer viel Kraft, und so war der Jüngere der beiden bald im Vorteil. Doch es war Rollo, der die erste Wunde davontrug, denn ein schneller Schwerthieb hatte ihn im Gesicht getroffen und seine Wange aufgeschlitzt. Kein tiefer Schnitt, aber schmerzhaft. Und nun trat der Jähzorn des Kriegers hervor, den man aus dem Helgeland wegen genau dieser schlechten Eigenschaft verbannt hatte. Jetzt schlug er ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben auf den dänischen Seekönig ein. Schlag um Schlag sauste das Schwert auf den Gegner nieder, und es dauerte nicht lang, da fand das Eisen des Rolf auch sein Ziel. Ein Hieb traf den Anführer in die Schulter, zerschlug sein ledernes Wams, und das Blut aus der tiefen Wunde tränkte schnell das wollene Hemd des Dänen. Doch der Mann gab nicht auf.
Mit dem Mute der Verzweiflung stürmte er gegen den Gegner an, aber die Kraft hatte ihn verlassen, und nun war es für Rolf, den Vagabunden ein Leichtes. Er trieb ihm seine Klinge direkt in die Brust, und es knackte laut, als der Stahl das Brustbein des Mannes durchbohrte. Der Däne starb wenig später an seinen schweren Verwundungen, und Rollo wählten die Männer bald darauf zu seinem Nachfolger.
So wurde aus einem verbannten norwegischen Bauern ein Seekönig mit einer Flotte von fünf Schiffen, und einem Heer, das zum größten Teil aus dänischen Kriegern bestand. Nun machte sich der Wikinger Rollo, so, wie er es gewohnt war, und um seinen Rachedurst für die Schmach der Verbannung zu stillen, über die Küsten von Norwegen, Schweden und Dänemark her. Der Seekönig überfiel so manche Siedlung, und nun, da er eine Flotte befehligte, waren auch die größeren Städte nicht mehr vor ihm sicher. Bald gab es keinen König mehr in ganz Thule5, der nicht versuchte, diese Plage loszuwerden.
Es war bereits Herbst, und schwere Stürme tobten über das Nordmeer. Kaum ein Kaufmann oder Eroberer wagte sich noch mit seinem Schiff auf die wütende See hinaus.
„Ja! Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um eine große Stadt zu überfallen“, dachte Rollo. Im Herbst und im nahenden
Winter fühlten sich die Menschen des Nordens sicher, und ihre Wachsamkeit ließ nach. Es würde große Beute auf sie warten, denn die Stadtkassen der Hersen und auch die Geldschatullen der reichen Kaufleute waren nach dem Sommer meist gut gefüllt. Außerdem war die Zeit gekommen, in der die Steuereintreiber der Könige durch das Land zogen, um den Zehnten einzufordern. Die Bedenken einiger seiner erfahrenen Krieger beachtete der Wikingerkönig nicht, und so ließ er seine Schiffe seeklar machen.
Grau war der Himmel, und heftiger Regen fiel auf die Männer herab, als sie rudernd ihr Versteck auf einer kleinen Insel in einem Fjord nicht weit der Shetlands verließen. Ein kräftiger Wind blies aus Norden, und das Segeltuch spannte sich fast bis zum Zerreißen. Die Südküste Norwegens sollte ihr Ziel sein, denn hier gab es reiche Städte, die vom Handel mit den Kaufleuten aus dem Reich der Deutschen, dem der Franken und Polen profitierten. Die Jarle und auch die Stadthersen6 der südlichen Gaue erlaubten sogar den christlichen Priestern, ihren Glauben zu verkünden, und in mancher Stadt gab es bereits eine Kirche. Dies wiederum hatte die reichen Kaufleute des Südens an die Handelsplätze des Nordens gezogen. Doch als der Seekönig Rollo die Südküste erreichte und in dem Gau Hardanger die Stadt Kap Lindesnäs überfallen wollte, gab es für ihn eine böse Überraschung. Die Ankunft eines nahenden Wikingerheeres hatte sich schnell herumgesprochen, und so kam es, dass Rollo in Hardanger bereits erwartet wurde. Die Macht des hier herrschenden Jarls Namens Erik war groß, denn er war der älteste Sohn des norwegischen Königs Harald Schönhaar und sollte später den Beinamen „Blutaxt“ erhalten für all die Morde, die er im Kampf um die Macht an seinen Brüdern begehen würde.
Der Moment der Überraschung blieb den Seeräubern versagt, und so hatte der Jarl von Hardanger ein Heer nach Kap Lindesnäs geschickt, um die Wikinger in die stürmische See zurück zu jagen.
Als Rollo das große Aufgebot an Schiffen sah, das sich ihm an den Gestaden der großen Handelsstadt entgegen stellte, gab er den Befehl, die Schniggen zu wenden, und segelte hinaus auf das Meer. Nun aber geriet die Wikingerflotte Rollos in einen heftigen Herbststurm und wurde nach Süden getrieben. Einige der Männer glaubten bereits, der Seekönig hätte sein Heil verloren und die Götter würden ihm zürnen, da er sich aus Rache an seinem eigenen Volk vergriff. Doch noch folgten sie ihm!
Längst hatten die Wikinger den Sturm hinter sich gelassen und zu ihrem Glück hatten die Schiffe kaum Schaden genommen, da ließ Rollo, zur Verwunderung seiner Männer, weiter nach Süden segeln. Und so erreichten die fünf nordischen Großsegler bald die Westküste des Frankenreiches. Über einen Fluss ruderten sie ein Stück weit in das Landesinnere, bis sie eine Stelle erreichten, die in den Augen des Anführers Gefallen fand. Hier gingen die Männer an Land, zogen ihre Schiffe auf den Strand und errichteten ein großes Wik. Und sofort begannen sie damit, die Dörfer und Siedlungen der Umgebung zu überfallen und auszuplündern. Sie stahlen das Vieh, schändeten die Weiber und töteten die Männer.
Als der Winter einbrach, waren alle Siedlungen und Höfe in der Nähe des Wikingerlagers verlassen und die Menschen geflohen. Doch zur Verwunderung des Seekönigs Rollo blieben die Eindringlinge größtenteils unbehelligt. Kein Heer kam, das sich ihnen zum Kampf entgegen stellte und das die Wikinger für ihre Taten bestrafte. Was musste der Herrscher dieses Landes doch für ein Feigling sein!
Für Rollo schien es, als ließe sich hier der Winter gut verbringen. Sie hatten Nahrung und Wasser, ein wärmendes Feuer und Sklavinnen. Außerdem gab es Holz im Überfluss, und so wurden aus den Zelten mit der Zeit feste Hütten.
Bald schon bauten sie sogar große Langhäuser, und Rollo, als ihr Anführer und Seekönig, besaß das schönste. Sogar eine große Methalle hatten sie erbaut, in der die Wikinger ihre Feste feierten. Einige fränkische Weiber, die sie gefangen hatten, waren ihre Bräute geworden, und es schien fast, als wäre aus dem Haufen wilder Wikinger nun eine Schar von einfachen Siedlern geworden.