Wikingerwelten III - Rainer W. Grimm - E-Book

Wikingerwelten III E-Book

Rainer W. Grimm

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Beschreibung

„Wikingerwelten Band III“ ist die Fortsetzung einer Sammlung von historischen Begebenheiten, bedeutenden Ereignissen und mythischen Geschichten aus der Welt der Wikinger, die durch die Phantasie des Autors noch einmal zum Leben erweckt werden. Erzählt werden die Geschichten vom Ende des Ladejarls Hakon Sigurdsson, und die des jähzornigen Erik Thorvaldsson, den man den Roten nannte. Von dem listigen Loki, vom Wolf Fenrir und dem Kampf des Thor gegen den Riesen Hrungir. Sowie auch die Saga von Ragnar Lodbrok und die Geschichte des Björn Asbrandsson und der Thurid.

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Inhalt

„Wikingerwelten Band III“ ist die Fortsetzung einer Sammlung von historischen Begebenheiten, bedeutenden Ereignissen und mythischen Geschichten aus der Welt der Wikinger, die durch die Phantasie des Autors noch einmal zum Leben erweckt werden.

Erzählt werden die Geschichten vom Ende des Ladejarls Hakon Sigurdsson, und die des jähzornigen Erik Thorvaldsson, den man den Roten nannte. Von dem listigen Loki, vom Wolf Fenrir und dem Kampf des Thor gegen den Riesen Hrungir. Sowie auch die Saga von Ragnar Lodbrok und die Geschichte des Björn Asbrandsson und der Thurid.

Der Autor

Rainer W. Grimm wurde 1964 in Gelsenkirchen geboren und lebt auch heute noch mit seiner Familie und seinen beiden Katzen im Ruhrgebiet.

Erst spät entdeckte der gelernte Handwerker die Liebe zur Schriftstellerei. Mit den beiden Bänden der Saga von Sigurd Svensson sowie den drei Bänden der Saga von Erik Sigurdsson erschien seine große Wikingersaga. Des Weiteren veröffentlichte der Autor den Roman „Pakt der Barbaren“ und mit diesem Buch den dritten Band der Kurzgeschichtensammlung „Wikingerwelten“.

Inhaltsverzeichnis

Vom Ende des Ladejarls

Lokis Erzählung

Thors Kampf mit dem Riesen Hrungir

Erik, den sie den Roten nannten

Fenrir, der Wolf

Die Saga von Ragnar Lodbrok

Von Björn Asbrandsson und der Thurid

Ladejarl Hakon Sigurdsson (Zeichnung von Christian Krohg 1852-1925)

1. Vom Ende des Ladejarls Hakon

E inst saß auf dem Thron des Tröndelag ein König namens Harald Eriksson, den man Graumantel nannte.

Er war der älteste Sohn des gefürchteten Erik Blutaxt und wurde von dem Dänenkönig, der zu dieser Zeit über Norwegen herrschte, als Kleinkönig in das Gau im Westen des Landes eingesetzt. Gemeinsam mit den Erikssöhnen hatte der König der Dänen im Jahr 960 n. Chr. das Land am Nordweg an sich gerissen, und die Söhne des Erik Blutaxt wurden seine Vasallen. So herrschte Harald Graumantel nun seit zehn Wintern über das kleine Reich, von Hardanger bis hinauf an die Grenze des Helgelandes. Doch es gab am Hof des Dänenkönigs einen Mann, der nicht weniger Anspruch auf den Thron des Gaus erhob und der zudem noch auf Rache sann. Sein Name war Hakon Sigurdsson, und er war der Sohn des Ladejarls Sigurd, den Harald Graumantel und sein Bruder Erling dereinst in seinem eigenen Haus verbrannt hatten.

Geschickt in seinen Handlungen und mit der Zunge, machte er sich beim König beliebt, und es gelang ihm, gegen den Graumantel zu intrigieren und üble Verleumdungen in das Ohr des Herrschers und Gönners zu flüstern. Harald strebe nach der alleinigen Macht in Norwegen und wolle sich von seinem Lehnsherrn lossagen, flüsterte er dem König ein.

Als dann im Jahr 970 n. Chr. Harald Gormsson, der Blauzahn, zu einem Feldzug gegen die Franken rief, setzte Hakon alles daran, ihm die Stärke der Tröndner schmackhaft zu machen. So gelang es ihm, dass der Däne seinem Vasallen befahl, ein Heer aufzustellen und ihm in das Frankenland zu folgen.

Die Einflüsterungen des Tröndners waren also nicht ohne Erfolg geblieben, denn die Eigenmächtigkeit des Graumantels war dem Dänen längst schon ein Dorn im Auge, und so beschloss der König, dass sein Vasall für seine Dreistigkeit büßen müsse.

Ein Feldzug in das Reich der Franken kam dem Norweger Harald Graumantel nicht ungelegen, denn seine Truhen bedurften einer neuen Füllung, so sammelte er ein großes Heer und machte sich auf den Weg nach Dänemark.

Doch im Limfjord geriet das Heer der Norweger in den Hinterhalt des Dänenkönigs und wurde vernichtend geschlagen. Viele Krieger zogen in Walhalla ein, unter ihnen war auch der Graumantel selbst, und so fiel das Tröndelag wieder gänzlich in die Hände des Königs der Dänen zurück.

So hatte Hakon Sigurdsson durch Lug und Trug seine Rache bekommen. Der Mörder seines Vaters war nun endlich tot!

Und die Götter schienen ihm noch mehr Heil zu schenken, denn der Dänenherrscher gab ihm den Titel eines Jarls zurück und setzte ihn als Verwalter in den Gau am großen Trontheimfjord ein. Bald kam er wieder auf den Hof in Lade, der schon einmal seinem Vater Sigurd gehört hatte, und er begann diesen zu befestigen, so dass er bald einer großen Festung glich.

Einige Jahre regierte der Ladejarl den Gau, und sein Lehnsherr hatte ein wohlwollendes Auge auf seinen Vasallen, da dieser ohne zu murren und pünktlich die Steuern eintrieb, die dem Dänen die Truhen füllten.

Doch dessen war der Hakon längst überdrüssig!

Harald Gormsson, der Dänenkönig, hatte den Glauben der Christen schon vor langer Zeit angenommen, doch sein Bekenntnis zum Herrn Christus war nur halbherzig. Dies sollte sich im Jahre 974 n. Chr. jedoch ändern!

Bei einem Aufstand gegen seine Lehnsherrn Kaiser Otto II., verlor er die Gebiete an den Ufern der Schlei und gelobte, fortan ein wahrer Christ zu sein. So verlangte er nun, dass auch seine Vasallen den alten Göttern des Nordens abschwören sollten. Auch den Ladejarl Hakon erreichte natürlich der Befehl des Dänenkönigs, doch er war keineswegs bereit, diesem Folge zu leisten. Die Drohungen des Dänen ließen den Norweger kalt, wusste er doch genau, dass sich Harald einen Feldzug nach den verlustreichen Kämpfen mit dem deutschen Kaiser nicht leisten konnte.

Der Ladejarl blieb stur, verweigerte den Gehorsam und huldigte weiter den Asen.

Und es kam der Tag, da sprach sich Jarl Hakon Sigurdsson von seinem Lehnsherrn los, und es sollte noch schlimmer kommen, denn er eroberte auch große Teile von Hardanger und brachte viele Jarle und Häuptlinge auf seine Seite. Im Herbst mussten die Steuereintreiber Harald Blauzahns mit leeren Händen nach Roskilde zurückkehren, worüber der König sehr erzürnt war, doch ihm waren die Hände gebunden, und er musste den Treuebruch ungestraft hinnehmen.

Die Zeit verging, viele Sommer und Winter zogen über das Land, und das Volk des Tröndelag sowie das in Hardanger waren eigentlich recht zufrieden mit dem Gaukönig. Vor allem, da es Hakon gelang, den Dänenkönig von seinem Reich fern zu halten, während der Süden Norwegens unter der Knute Harald leiden musste. Da sagte er sich endgültig los von seinem einstigen Gönner Harald Blauzahn. Hakon Sigurdsson rief sich zum König über Westnorwegen aus und ließ sich von den Jarlen, Häuptlingen und allem Volk den Gefolgschaftseid schwören. Für einen Mann am Hof des Dänenkönigs war aber gerade dies ein großes Ärgernis, dass es rückgängig zu machen galt.

Sein Name war Sven, und viele nannten ihn abfällig den Sohn einer Magd. Seine Anhänger aber nannten ihn Gabelbart! Er war ein Sohn des Königs und strebte selbst nach dem Thron des Dänenreiches und aller abgabepflichtigen Ländereien. Sven aber wurde von seinem Vater wenig geliebt, und so kam es, dass sich die Dänen zerstritten. Sie stellten Heere gegeneinander auf, und bald schon war die Macht im Reich geteilt.

Die Pfaffen schrieben das Jahr 986 n. Chr., da fiel eine große Flotte der Jomswikinger, einem berüchtigten und gefürchteten Wikingerbund, der im Gebiet der Pommern, an den östlichen Ufern des Oderhaffes, eine große Burg sein Eigen nannte, in Norwegen ein. Durch eine List des Sven Gabelbart zu diesem kühnen Kriegszug gezwungen, segelten die Schiffe in das Tröndelag.

In einer Bucht der Insel Höd trafen die Flotten der Jomswikinger und die der Tröndner aufeinander, und es entbrannte eine große Schlacht. Doch die Zeichen standen nicht gut für den Ladejarl Hakon, und es ging um nichts weniger als seine Herrschaft. Da beschwor der selbsternannte Tröndnerkönig die Götter und opferte seinen Sohn Erling den Wettergöttinnen. Und diese erhörten ihn und sandten ein Unwetter, sodass die meisten Schiffe der Wikinger aus dem Pommernland auf den Grund des Fjordes sanken. Die meisten Anführer der Jomswikinger verloren ihren Kopf, und Sven Gabelbart musste auf die Herrschaft in Westnorwegen verzichten.

*

Es war der Frühsommer des Jahres 995 n. Chr., als sich die Lage für den König von Westnorwegen zuzuspitzen begann.

Viele Jahre hatte der Ladejarl Hakon sein Volk im Namen des Dänenkönigs Harald Blauzahn ausgepresst, und dies ließ auch nicht nach, nachdem er der Alleinherrscher geworden war. Hohe Steuern hatte er erhoben, war mit einem großen Gefolge von Hof zu Hof geritten und hatte es sich auf den Höfen der Jarle, der Großbauern und in den Dörfern gut gehen lassen.

Sommer für Sommer!

Auf seinem eigenen Hof, bei seinem Weib und seiner Familie, weilte er nur noch selten. Seit dem Tag im Jahre 985 n. Chr., an dem Hakon Sigurdsson sich von seinem Lehnsherrn Harald Blauzahn losgesagt hatte und sich zum König über Westnorwegen erhoben hatte, zog er mit seinem Gefolge, darunter seinen ältesten Söhnen Erik, Erlend und Sven, durch das Land am Nordweg. Dies tat er, um seinen Thron zu festigen, um die Jarle und Häuptlinge hinter sich zu scharen und sie zur Treue zu zwingen. Wollte der Ladejarl verhindern, dass die Häuptlinge abtrünnig wurden, so musste er diese wohl oder übel gut im Auge behalten.

Allerdings gefiel es dem König nur zu gut, durch das Land zu reisen und sich auf den Höfen seiner Untertanen den Bauch vollzuschlagen. Es dauerte nicht lange, und die Freude über den hohen Besuch sank und wurde zu Angst.

Angst vor dem Verlust der eigenen Habe!

Das Schlimmste aber war die Gier des Königs nach den Weibern seiner Untertanen!

Er gab sich längst nicht mehr mit den Sklavinnen oder Mägden seiner Gastgeber zufrieden. Nein, er war der König!

Ihm gebührten die Töchter des Hauses oder gar die Hausherrin selbst, wenn sie schön war. Und kaum ein Bauer wagte es, gegen den Herrn und seine Kriegerschar aufzubegehren.

Im Frühjahr war Jarl Hakon nach Melhus gezogen und tat sich dort auf den Höfen seiner Untertanen gütlich, als er von einem schönen Weib in Guldalen hörte. Die Leute nannten sie „die Sonne von Lunde“.

Ihr Name war Gudrun, und sie war das Weib des reichen Bauern Orm. Je mehr der König nun von dem Weib erfuhr, die Menschen lobten ihre Schönheit in den höchsten Tönen, umso größer wurde sein Wille, diese auf sein Schlaflager zu holen. Also schickte er seine Krieger auf den Hof in Guldalen, um das sagenumwobene Weib nach Melhus zu schaffen.

„Dir wird eine große Ehre zuteil, Orm“, sprach der Mann, den der Ladejarl nach Guldalen geschickt hatte, mit ruhigen Worten. „Der König hörte von der Schönheit deines Weibes Gudrun, und nun wünscht er, dass du sie ihm in sein Lager schickst. Es wird dein Schaden nicht sein!“

Doch Orm wollte sein Weib nicht kampflos hergeben. „Ist der Hakon völlig von Sinnen? Warum, beim Barte Odins, soll ich ihm mein Weib schicken? Damit er sich an ihr gütlich tut?“ Der Großbauer konnte seinen Zorn kaum im Zaum halten und hätte der Hakon Sigurdsson persönlich vor ihm gestanden, so hätte er ihn mit dem Schwert Anstand gelehrt. „Geh zu deinem Herrn und sage ihm, er soll sich eine Sklavin nehmen, wenn es ihn juckt, oder von mir aus auch ein Schwein. Mein Weib bekommt er nicht!“

„Überlege gut, Orm“, sagte der Bote warnend. „Der König könnte es dir übel nehmen!“ „Und was dann?“, rief Orm wütend aus. „Kommt er sie dann holen? Das soll er nur wagen, dann wird ihm kein Gott mehr sein Leben bewahren können! Und nun geh und sag das dem Hakon von Lade!“

Als der Bote den Hof verlassen hatte, sprach Orm mit beruhigenden Worten zu seinem Weib: „Niemandem wird es gelingen, Hand an dich zu legen! Keinem König und nicht einmal Odin selbst! Niemand außer mir wird sich an deinem Schoß erfreuen!“

Sofort rief der Bauer seine Knechte zu den Waffen und schickte seine Boten aus. Und Orm war weit bekannt als guter Nachbar und Freund! Also kam es, dass sich viele Krieger aus der Umgebung dem Bauern anschlossen, und mehr noch, die Nachricht vom schändlichen Verlangen des Königs und vom Widerstand des Bauern Orm gegen dessen Befehle machte im ganzen Tröndelag die Runde.

Die Bauern erinnerten sich der bösen Dinge, die sie selbst hatten ertragen müssen, waren nun auf das Äußerste erbost und erhoben sich zum Aufstand gegen ihren Herrn und König. Der Kriegspfeil ging von Hof zu Hof, und es sammelte sich schon bald darauf ein großes Heer, um der Willkürherrschaft des Jarl Hakon Sigurdsson ein Ende zu bereiten.

Bald schon erfuhr der Ladejarl von dem Bauernheer, das nach Melhus marschierte, und davon, dass sich ein Enkel des großen Königs Harald Schönhaar auf dem Wege befand, um der neue König über Norwegen zu werden. Die Jarle und Häuptlinge hatten einen Boten nach Irland geschickt, wo der Jarl namens Olaf in eine nordisch-irische Sippe eingeheiratet hatte, um diesem die Herrschaft über das westnorwegische Reich anzubieten. Der Mann war ein direkter Nachfahre des großen Königs Harald Schönhaar und hatte somit ein Anrecht auf den norwegischen Thron.

So war damit zu rechnen, dass dieser mit einem großen Heer in den Trondheimfjord gesegelt kommen würde, und da floh der Ladejarl mit seinem Gefolge in das Hinterland. Nun hatte der Herrscher des Tröndelag das Heil der Götter und sein Königreich verloren.

Schon bald trennte der Ladejarl sich von seinen Kriegern, stellte einen Teil seines Heeres unter den Befehl seines Sohnes Erlend und schickte diesen nach Viggen. Dort lagen die drei Schiffe des Königs, die es zu beschützen galt. Sein Plan war es zu warten, bis sich die Lage beruhigte, um dann mit den Schiffen in das Reich der Dänen zu fliehen.

Die anderen Söhne, Erik und Sven, zogen mit dem Rest der Krieger nach Örkedalen, um gegen das Bauernheer zu kämpfen.

Hakon Sigurdsson selbst, nur begleitet von seinem treuen Freund und Sklaven Tormod Kark, gingen allein, denn kaum jemand würde zwei einsame Wanderer behelligen.

Auf dem Hof eines Weibes namens Thora suchten sie Unterschlupf. Das Weib, seit frühester Jugend dem Hakon gewogen, war gern bereit, gegen eine gute Bezahlung diesem Obdach zu gewähren.

*

Eisig strich der Nordwind um das kleine Langhaus auf dem alten Hof, der inmitten des gebirgigen Hinterlandes des großen Trondheimfjordes lag.

Weit weg von der Handelsstadt Lade, in der, einer Burg gleich, von Palisaden und Wehrtürmen umgeben, der Hof des Hakon Sigurdsson stand. Groß und prächtig!

In einer Stadt in der nun wieder gefeiert wurde, ausgelassen und fröhlich. Und in der die Menschen wieder ihrer Arbeit nachgehen konnten, ohne die Angst, von den Schergen ihres Herrschers beraubt zu werden.

Es war wieder Ruhe eingekehrt in die Königsstadt Lade an den Ufern des Trondheimfjordes. Und auch die Jarle, die Großbauern und Häuptlinge waren wieder guten Mutes.

Zwar herrschte noch Krieg im Lande, doch der neue König würde es richten. Er hatte es dem Volk versprochen!

„Es ist kalt, Tormod! Mich fröstelt. Los, hole Holz und schüre das Feuer“, befahl der grauhaarige Mann, der vor der Feuerstelle inmitten des großen Raumes saß und gedankenverloren in die Flammen stierte. Mit zwei Fingern zwirbelte er das Ende seines langen Kinnbartes, in den ihm früher einmal von den Sklavinnen ein kleiner Zopf geflochten wurde. Doch nun gab es keine Sklavinnen mehr für den Jarl des Trondheimfjordes.

Zusammengesackt kauerte er auf dem alten Hocker, und nur für einen Moment waren seine Gedanken bei dem schönen Hochstuhl, den er vor nicht allzu langer Zeit noch sein Eigen nannte.

Ein Thron, der überreichlich mit Verzierungen beschnitzt war und einem Jarl1 oder auch einem König gut zu Gesichte stand.

Seine einst kostbare Tunika war durch die lange Flucht in das bergige Hinterland zerschlissen und von Schmutz verunreinigt. Nein, von dem stolzen Ladejarl, König über Hardanger und das Tröndelag, war wenig geblieben. Der Held Norwegens, der dereinst die gefürchteten Wikinger von Jom im Kampf besiegte und ihre Schiffe in den Fluten des Fjordes versinken ließ, war nur noch ein Schatten seiner selbst. Er hatte das Heil, das ihm Odin und die Götter von Asgard2 schenkten, leichtfertig verspielt.

„Aber das Feuer brennt doch gut und es wärmt auch schön“, erwiderte der Angesprochene. „Vielleicht bist du nur müde, Hakon?“ Da fuhr der Alte hoch und rief erbost: „Widersprich mir nicht, Tormod! Noch bin ich dein Herr und König!“

Er erhob sich und ging durch den nur spärlich vom Feuer beleuchteten Raum bis zu einer der breiten Bänke, die längs der Halle aufgestellt waren. Dort lag ein Mantel aus dicker Wolle, er nahm diesen und legte sich das schöne Stück über seine Schultern. Tormod, der Sklave, schüttelte den Kopf und sah seinen Herrn nur noch mit größter Verachtung an.

Wie sehr hasste er diesen Mann, dem er schon so lange diente. Der ihn mal wie einen Freund behandelte und dann wieder wie seinen Sklaven, der Tormod ja auch war. Wie lange war er nun das Eigentum dieses Mannes?

Es waren viele Winter über das Land gezogen, seit dem Tage, an dem er mit einigen anderen Sklaven in den Hausstand des Jarls gekommen war, und keiner von ihnen hatte diese Zeit überlebt. Er selbst aber war zum Leibsklaven geworden, begleitete Hakon Sigurdsson fortan auf all seinen Fahrten, in wilde Kämpfe und zu Überfällen, und auch wenn es darum ging, dem Herrn ein Weib auf das Schlaflager zu legen, war er derjenige, der diesen Befehl ausführte.

Irgendwann bekam er sogar von seinem Herrn ein Schwert, und da eine eigene Waffe eigentlich ein Zeichen für Freiheit war, zeigte diese Geste, welch großes Vertrauen der Jarl von Lade in seinen Sklaven setzte.

Tormod verlies den Raum, und als er mit den Holzscheiten an die Feuerstelle trat, saß Hakon immer noch schweigend auf dem Hochstuhl. Doch nun hielt er sein geliebtes Schwert in der Hand, ein kostbares Stück. Eines der wenigen kostbaren Stücke, die ihm geblieben waren, und die er bei seiner Flucht mit sich nehmen konnte. Geistesabwesend strich seine Hand über die lederne Scheide und den dunklen Griff, der mit goldenen Fäden durchwoben war. Seine Hände liebkosten die mit silbernen Ornamenten verzierte Lederscheide fast wie den Körper einer Frau.

Der Sklave sah den König mit durchdringendem Blick an.

Dieser geile, alte Bock, dachte Tormod Kark bei sich. Jedes Weib im Land kannst du besitzen, so hast du einst geprahlt, und wohin hat uns das gebracht?

Jetzt saßen sie nicht mehr auf dem großen Hof in Lade, sondern tief im Hinterland in Romol, auf dem Gehöft der Thora, einer guten Vertrauten des Ladejarls. Das Weib war gleichen Alters wie der Hakon, und sie war Witwe, denn ihr Gatte war im Kampf auf der Insel Höd zu den Göttern gegangen. Nun betrieb sie den Hof nur mit der Hilfe eines alten Knechtes und einer jungen Magd. Und manchmal hatte der König sogar den Weg auf den kleinen Hof gewählt und der Thora beigewohnt. So hatte diese nun ihren Freund und Liebhaber nur zu gern bei sich aufgenommen.

Gefangen wie die Maus in der Falle und erbittert gejagt von den Häschern dieses Christenkönigs Olaf, musste Hakon in Romol verweilen und hoffte darauf, das seine Söhne den Kampf mit dem Tryggvisson aufnehmen würden.

Hier schienen sie sicher zu sein, bis man ihn holen würde.

Kamen Fremde auf den Hof, versteckte sich der einstige König mit seinem Sklaven in einem Verhau unter dem Schweinestall und hoffte darauf, nicht entdeckt zu werden.

Doch dies kam nur selten vor und blieb dann ohne Gefahr.

Dann aber kam an einem regnerischen Tag ein Mann mit zwei Begleitern auf den Hof geritten. So verschwanden Hakon und Tormod wieder einmal in dem Verschlag, doch diesmal kamen die Fremden dem Versteck gefährlich nahe.

An dem Gatter des Schweinstalles zügelten sie ihre Pferde und stiegen aus dem Sattel. Sofort eilte Thora herbei, und der eine Fremde grüßte sie freundlich, aber mit strengem Blick. „Bist du die Herrin des Hofes?“, fragte er, und das Weib nickte. „Dann bist du Thora!“ Wieder nickte das Weib und sprach dann: „So kommt doch in mein Haus, es riecht hier wenig angenehm. Und einen Trunk könnte ich euch auch reichen.“ Da grinste der eine Mann und wollte sich anschicken, dem Weib zu folgen, doch der Anführer hielt ihn zurück: „Was ich zu sagen habe, dauert nicht lang, und wir haben es eilig!“ Mit einem beleidigten Blick trat der Mann zurück zu seinem Pferd. „Man erzählte uns, der Ladejarl sei oft dein Gast. Ist das wahr, Weib?“ „Oh, dies ist lang her“, log Thora, ohne dabei ihr Gesicht zu verziehen.

„Seitdem mein Gemahl an den Tisch Odins gerufen wurde, gab es für den König keinen Grund mehr, hierher zu kommen.“ Der Krieger sah erst das rothaarige Weib prüfend an und blickte dann zu seinen Begleitern. „Nun, wenn dem so ist, höre, Weib. Jarl Olaf, der der neue König sein wird, hat eine hohe Summe auf den Kopf des Ladejarls ausgesetzt, und wenn ich mich so umsehe, könnte dir dieser Lohn gut zu Gesichte stehen! Also sollte der Kerl hierher kommen, so schicke deinen Knecht mit einer Nachricht nach Lade, und wir werden ihn uns holen. Dann bist du ein reiches Weib, Bäuerin!“

Leise atmend saßen der einstige König und sein Sklave unter den dünnen Brettern und verstanden jedes Wort des Boten. Mit einem ernsten, misstrauischen Blick sah Hakon den Sklaven an, um in den Augen des Tormod zu lesen.

Dieser versuchte durch die Ritzen der Bretter einen Blick auf die Krieger des neuen Königs zu erhaschen und nahm den Blick seines Herrn nicht wahr.

Die drei Boten des Jarl Olaf schwangen sich auf die Pferde.

Der Anführer zog die Zügel an und rief der Thora zu: „Und bedenke, sollten wir erfahren, das du dem Hakon Zuflucht gewährst, wird es dich deinen Kopf kosten!“ Der Mann schlug seinem Pferd die Hacken in die Flanke und preschte, gefolgt von seinen Begleitern, vom Hof der Thora.

*

So wie fast an jedem Abend der letzten Wochen, saß Hakon Sigurdsson auf seinem Hochstuhl und betrank sich, um danach mit dem Weib Thora in der hinteren Kammer des Hauses zu verschwinden. Und der Sklave Tormod wusste natürlich auch, was in der Kammer geschah, denn die Wollust des Jarls hatte sie ja schließlich in diese Lage gebracht. Doch an einem Abend sollte es anders kommen.