Caroline von Braunschweig – Prinzessin der Herzen - Tomos Forrest - E-Book

Caroline von Braunschweig – Prinzessin der Herzen E-Book

Tomos Forrest

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Beschreibung

Das Schicksal der Prinzessin aus Braunschweig berührt schon auf eigene Weise, wenn man dem Weg Carolines folgt.
Der Vergleich zur heutigen Zeit und dem Schicksal von Lady Di drängt sich dabei auf.
Aufgewachsen in der relativen Freiheit von Schloss Richmond und dem herrlichen Park ließ Caroline sich später nicht mehr in gewünschter Form verändern. Ihre Eltern vernachlässigten ihre Aus- und Weiterbildung und schlossen sie bei vielen Anlässen vom öffentlichen Leben aus.
So blieb die Prinzessin ihr Leben lang ein temperamentvoller, aber sympathischer Mensch, dem sein Lebensglück an der Seite des Gatten verweigert wurde. Die Art und Weise, wie Georg IV. sie mit seinem Hass verfolgte, ist unglaublich.
Einiges davon wurde vom Autor in diesem Roman verarbeitet.

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Tomos Forrest

 

 

Caroline

von Braunschweig

 

Prinzessin der Herzen

 

 

 

 

Historischer Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

 

Copyright © by Authors/Bärenklau Exklusiv 

Cover: © by Kerstin Peschel nach Motiven, 2022

 

Verlag: Bärenklau Exklusiv. Jörg Martin Munsonius (Verleger), Koalabärweg 2, 16727 Bärenklau. Kerstin Peschel (Verlegerin), Am Wald 67, 14656 Brieselang

 

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

Inhaltsverzeichnis

Impressum 

Das Buch 

Caroline von Brunschweig 

1. Kapitel 

2. Kapitel 

3. Kapitel 

4. Kapitel 

5. Kapitel 

6. Kapitel 

7. Kapitel 

8. Kapitel 

9. Kapitel 

10. Kapitel 

11. Kapitel 

12. Kapitel 

13. Kapitel 

Nachwort 

Literaturauswahl 

 

Das Buch

 

 

 

Das Schicksal der Prinzessin aus Braunschweig berührt schon auf eigene Weise, wenn man dem Weg Carolines folgt.

Der Vergleich zur heutigen Zeit und dem Schicksal von Lady Di drängt sich dabei auf. 

Aufgewachsen in der relativen Freiheit von Schloss Richmond und dem herrlichen Park ließ Caroline sich später nicht mehr in gewünschter Form verändern. Ihre Eltern vernachlässigten ihre Aus- und Weiterbildung und schlossen sie bei vielen Anlässen vom öffentlichen Leben aus.

So blieb die Prinzessin ihr Leben lang ein temperamentvoller, aber sympathischer Mensch, dem sein Lebensglück an der Seite des Gatten verweigert wurde. Die Art und Weise, wie Georg IV. sie mit seinem Hass verfolgte, ist unglaublich. Einiges davon wurde vom Autor in diesem Roman verarbeitet. 

 

 

***

 

 

 

(Caroline von Braunschweig)

 

 

Caroline von Brunschweig

- Prinzessin der Herzen - 

 

 

1. Kapitel

 

 

Braunschweig, 17. Mai 1768

 

Am Residenzschloss waren schon vor ein paar Tagen die Geschütze aufgefahren. Doch heute war Bewegung auf dem Platz vor dem Schloss und zwischen den Geschützen. Soldaten marschierten auf und bezogen Posten neben den Geschützen. Das Schauspiel ließen sich viele Braunschweiger nicht entgehen, denn die prächtigen Gespanne mit den geputzten und gestriegelten Pferden, die jeweils eine der großen Kanonen zogen, bekam man nicht so oft zu sehen. Jetzt aber war bekannt geworden, dass Augusta Friederike Louise, Herzogin zu Braunschweig-Lüneburg, Prinzessin von England, in Kürze wieder ein Kind auf die Welt bringen würde.

Wie Wellen liefen die tollsten Gerüchte durch die Reihen der sich dicht am Zaun drängenden Menschen. Waren ihre beiden ersten Kinder, Auguste Karoline und Karl George August noch in England zur Welt gekommen, so sah man nun dieser Geburt in Braunschweig mit höchster Spannung entgegen.

»Sie is ja gach nich hier!«, unkte ein alter Mann in der breiten Tonart der Braunschweiger, bei der das ›a‹ gedehnt und zum ›ö‹ wird. Verwundert betrachteten ihn die Um-stehenden und begannen zu lachen. Der Mann bot auch an diesem herrlichen Maimorgen einen sehr wunderlichen Anblick. Längst hatte die Mai-Sonne ihre kräftigen Strahlen auf die Stadt Heinrich des Löwen geschickt und die Menschen waren dankbar für die angenehme Wärme nach einem eher langen Winter und einem stürmischen, regnerischen April. Aber jetzt sah es so aus, als sollte das neue Kind von strahlendem Sonnenschein begrüßt werden.

»Woher weißt du denn, was sich am Hofe abspielt, alter Mann?«, rief eine resolute, kräftige Frau mit roten Wangen. Ihre Kleidung und ein Korb über dem Arm wiesen sie als Magd eines bürgerlichen Haushaltes aus, die wohl eben beim Gang zum Markt den Menschenauflauf bemerkt und sich nun selbst neugierig hindurch gedrängelt hatte.

Der alte Mann trug einen vollkommen aus der Form geratenen Dreispitz auf dem kahlen Kopf und hatte im Mundwinkel eine schäbige Pfeife hängen. Trotz der Wärme trug er einen dicken Wollmantel und schien darunter noch zu frieren. Der abgewetzte und mit Flicken bedeckte Mantel reichte bis knapp über seine Knie und ließen genug von einer wenig sauberen Kniebundhose sehen, aus denen dann allerdings seine nackten Beine starrten. Ein Blick auf diese dünnen Beine und die schwarzen Füße musste zudem irritieren. Was man vielleicht noch auf den ersten Blick für alte Strümpfe halten konnte, waren seine unglaublich schmutzigen Beine und die vor verkrustetem Dreck starrenden Füße. Etwas weiter entfernt stand eine Gruppe junger Studenten vom Collegium Carolinum, die sich bereits über diese Erscheinung prächtig amüsierten. Jetzt trat einer der Studenten vor, verbeugte sich vor dem alten Mann, zog seinen Hut und erwies ihm auf eine lächerliche Art seine Referenz.

»Halten zu Gnaden, Exzellenz – Ihr seid sicher bei Hofe beschäftigt und könnt uns arme Bürgerkinder mit Neuigkeiten erfreuen?«

In das Lachen der Studenten stimmten alle ein, die diese Szene beobachteten. Der Alte jedoch kümmerte sich nicht darum, sondern deutete hinüber auf den prächtigen Schlossbau, den die Braunschweiger ›Grauer Hof‹ nannten.

»Lusebengels!«, gab er dabei trocken zurück. »Ihr wisst raan gaa nix! Ich bin aan Schäfer und habe maane Herde draußen an der Oker. Ich saache euch, die Prinzessin ist auf Rischmong!«

Damit nickte er ihnen zu und schlurfte davon, während ihm erneut Gelächter folgte. Der Student, der ihn gegrüßt hatte, drehte sich zu der Magd um und sagte: »Was hat der Alte genuschelt? Ich habe kein Wort verstanden! Dieses Kauderwelsch ist ja fürchterlich – entweder sprechen die Alten das unverständliche Ostfälisch oder sie zerdrücken die Worte so in ihrem zahnlosen Mund, das nichts Gescheites herauskommt!« Nun musste die dralle Magd erneut lachen und antwortete:

»Na, Herr Studiosos, da müsst Ihr wohl noch ein wenig länger in Braunschweig studieren! Der Mann sagte, dass er als Schäfer seine Herde draußen an der Oker hütet und die Prinzessin im Schloss Richmond wäre!«

Dabei bemühte sich die Magd offensichtlich um die richtige Aussprache des englischen Wortes, aber auch so klang es noch wie allgemein üblich in Braunschweig sehr nach »Rischmong«. Wer sich für vornehm hielt, bemühte sich nämlich, den englischen Namen ›französisch‹ auszusprechen. Da aber die meisten Einheimischen weder das Eine noch das Andere beherrschten, wurde daraus eben das verstümmelte Wort.

»Aber, aber, Jungfer Tausendschön, doch nur deshalb, weil es hier in Braunschweig die schönsten Mädchen weit und breit gibt! Wie wäre es mit einem Kuss – auch das ist Teil meines Studiums!« Damit näherte sich der Student frech mit gespitzten Lippen auf gefährliche Nähe der drallen, aber nicht mehr ganz jungen Magd, die einen entsetzten Schrei ausstieß und sich hinter die nächsten Neugierigen flüchtete, um der Attacke zu entgehen, die für neue Heiterkeit unter den Wartenden sorgte.

»Da kommt ein Kurier die Straße herunter!«, schrie laut ein junger Mann, der neben seinem Karren stehen geblieben war. Er hatte wohl schon seine Waren abgeliefert und war mit dem leeren Frachtkarren über den Bohlweg gekommen, als er die Menschenansammlung bemerkte.

Tatsächlich kam ein uniformierter Reiter in gestrecktem Galopp aus der Richtung von Wolfenbüttel heran, und erschrocken wichen die Zuschauer am offenen Tor zurück, wo die Wachen den Mann in Empfang nahmen. Er sprang aus dem Sattel, während einer der Soldaten sein Pferd am Zaum hielt. Das Pferd wieherte und stampfte, sein Fell war schweißnass, und der Kurier lief im nächsten Augenblick hinüber in das Schloss und verschwand damit aus den Augen der Neugierigen.

Wieder gingen neue Meldungen von Mund zu Mund durch die Reihe, jeder versuchte, noch dichter an den Eisenzaun zu treten, als könnte er von dort alles sehen, was sich hinter der hölzernen Fassade des Residenzschlosses abspielte. Hermann Korb, der das Residenzschloss entworfen und erbaut hatte, musste auf Geheiß der Herzöge Anton Ulrich und Rudolf August, später dann Carl I., sparen. Er hatte schon sehr viel Geld ausgegeben beim Umbau des ehemaligen Residenzschlosses in Wolfenbüttel, dem Bau der Hauptkirche und weiteren, repräsentativen Bauten, so dass der Graue Hof überwiegend in Fachwerkbauweise ausgeführt wurde.

»Es ist ein Junge, ganz sicher!«, rief ein vornehm gekleideter Bürger seinem Nachbarn zu und deutete auf die schon seit gut zwei Stunden abgeprotzten Kanonen, bei denen die Bedienungsmannschaft auf ihren Einsatz wartete.

»Ich wette zehn zu eins, dass es ein Mädchen ist!«, antwortete ihm ein etwa gleichaltriger Herr aus der Gruppe, die ihn begleitet hatte.

»Ach was, Unsinn – ein Junge, ein Prinz!«, antworteten auch die anderen, und nun nahm der erste Sprecher seinen vornehmen Dreispitz ab, dessen Ränder mit weißer Spitze versehen waren, und enthüllte dabei eine sehr sorgfältig gekämmte Perücke, die in einen etwa schulterlangen Zopf endete. Seinem Alter entsprechend hatte er sie grau einfärben lassen und bot dazu mit seinem elegant geschnittenen Justaucorps nach neuester, englischer Mode, den seidenen Strümpfen und den eleganten Schuhen, deren Schnallen mit Diamanten besetzt waren, einen krassen Gegensatz zu dem nur wenige Meter entfernt von dieser Gruppe stehen gebliebenen Schäfer. Der alte Mann musterte übrigens diese vornehm gekleidete Gruppe älterer Herren sehr aufmerksam.

»So, meine Herren, jetzt heraus mit den Börsen – hier ist mein Hut – die Einsätze bitte!«

Lachend zogen die so Angesprochenen ihre Geldbörsen hervor, fischten mit ihren behandschuhten Fingern ein Silberstück heraus und warfen es nachlässig in den dargebotenen Dreispitz.

Doch die wartende Menge wurde noch auf eine große Geduldsprobe gestellt. Vorläufig ereignete sich überhaupt nichts, und die ersten mussten ihren heiß erkämpften Platz am Zaun bereits wieder verlassen, weil eine längere Abwesenheit vor ihren Dienstherren wohl kaum noch zu entschuldigen gewesen wäre.

Sie trösteten sich damit, dass sie ja die Schüsse der Kanonen in der ganzen Stadt hören würden und das Ergebnis damit zugleich mit den am Zaun versammelten erfahren würden. Diese Wartezeit nutzte nun der Schäfer, der sich endlich überwunden hatte, an die Gruppe der Wetter heranzutreten. Er riss sich den schäbigen Dreispitz herunter und sprach die Herren zaghaft an. Doch die musterten den Mann verwundert von Kopf bis Fuß wortlos, bis einer von ihnen laut sagte:

»Was will dieser Alte?«

»Bitte um Vergebung, ihr Herren, aber ich weiß, dass das Neugeborene ein Mädchen sein wird!« Bei dieser kühnen Behauptung bemühte er sich um eine verständliche Aussprache.

»So, und wie kommst du auf so eine Idee? Hast du das in den Sternen gelesen?«, erkundigte sich spottend der Vornehme, der das Geld von den Umstehenden eingesammelt hatte.

»Nein, ich habe es ausgependelt!«

Große Heiterkeit von den Wettern war die Antwort, aber der Schäfer blieb unbeirrt vor ihnen stehen.

»Gut, also ausgependelt. Wahrscheinlich mit einem deiner Schafe, was?«, spottete der Nächste.

»Bitte, Ihr Herren, wettet doch mit mir darum, wenn Ihr mir nicht glaubt. Ich habe noch einen Mariengroschen in der Tasche, das ist alles, was ich besitze. Was könnt Ihr schon verlieren, wenn ich Unrecht habe? Top, ich setzte mein Geldstück gegen Euer Geld, oder sind die Herren nicht mutig genug für eine Wette mit einem einfachen Mann?«

Der Schäfer hatte offenbar auch kaum noch Zähne im Mund und seine mehr gestammelten Worte waren trotz aller Mühe, die er sich gab, kaum verständlich. Aber jetzt musste der Wetter, der noch immer den Dreispitz mit dem Einsatz hielt, laut heraus lachen. Er hielt dem Schäfer den Hut hin, und der warf mit einem vergnügten Lächeln in seinem wettergebräunten Gesicht die kleine Münze hinein.

»Na, das kann ja heiter werden!«, kommentierte einer der anderen das Geschehen, und erneut lachten die Herren fröhlich auf.

Diejenigen aber, die am Zaun ausharrten, erlebten ein besonderes Schauspiel. Die Schlosswache lief aus ihrem Wachraum neben dem Portikus und stellte sich auf. Dann erschien ein vornehm gekleideter Herr mit sehr gemessenem Schritt, ging an der Wache vorüber, und der Premierleutnant machte ihm Meldung. Auf sein gnädiges Kopfnicken formierte sich die Wache hinter dem hohen Herrn und folgte ihm, als er mit äußerst würdevoller Miene, durchgedrücktem Rücken und langsamen Schritt zum Kommandeur der Artillerie ging. »Das ist der Kammerherr!«, rief jemand, »Jetzt wird es gleich Gewissheit geben!«

Tatsächlich war es der höchste Beamte am Braunschweiger Hof, Kammerherr Graf Florian von Osten-Waldeck, der jetzt von dem Offizier bei den Kanonen begrüßt wurde. Man wechselte ein paar Worte, die niemand vor dem Zaun verstehen konnte. Dann schritt er in der gleichen, würdevollen Haltung zurück zum Schloss, gefolgt von den grün-rot uniformierten Wachen der Jäger-truppe unter Leutnant Oberbeck. Die Abteilung hatte noch nicht den Portikus wieder erreicht, als der erste Salut-Schuss ausgelöst wurde, dem in rascher Folge die weiteren folgten. Lachend zählten die Neugierigen mit, dabei fast taub vom Lärm der Schüsse. Niemand konnte mehr verstehen, was der Nachbar ihm zubrüllte, und auch bei den vornehm gekleideten Herren mit der Wettrunde war zwangsweise Stille eingekehrt. Mit offenem Mund standen die Herren, um den Druck, der sich auf die Ohren legte, ein wenig zu mildern.

»Gewonnen!«, lachte dann einer laut heraus, schaute in verwirrte Mienen und klopfte schließlich seinem Nachbarn auf die Schultern. – »Wie bitte?«, antwortete der ein wenig irritiert und sah sich um. Überall das gleiche Bild – die Menschen reckten die Hälse und versuchten zu erkennen, ob tatsächlich schon das Ende des Salutschießens erreicht war.

»Ein Mädchen!«, rief jetzt der erste Wetter wieder. »Einundzwanzig Salutschüsse – es wird nicht mehr geschossen!«

Der erste Wetter schlug vergnügt dem Schäfer auf die Schulter und sagte laut: »Na, mein Alter, da haben wir beide aber richtig Glück gehabt, was? Wir beide sind die einzigen, die auf ein Mädchen getippt haben und werden uns den Gewinn nun teilen!«

Obwohl nun die anderen, die alle auf einen Prinzen gesetzt hatten, ihr Geld dem Schäfer und dem einzigen unter ihnen, der ebenfalls auf ein Mädchen gesetzt hatte, auszahlen mussten, war das doch für alle sehr leicht zu verschmerzen. Anders für den Schäfer, der mit seiner Behauptung ein kleines Vermögen gewonnen hatte, jetzt die Silbermünzen vorsichtig in sein schmutziges Halstuch verknotete und mit einer tiefen Verbeugung von den Herren schied, die ihm noch ein paar fröhliche Rufe nachsandten. Auch bei den anderen Zuschauern war die Botschaft nun verstanden worden, die ersten lagen sich lachend in den Armen. Es war dem herzoglichen Paar nach den Kindern Auguste Karoline und Karl George August wieder ein Mädchen geboren. Noch wurde ihr Name nicht verkündet, aber schon in den nächsten Tagen wusste es jedermann im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel. Im Schloss Richmond war am 17. Mai 1768 Caroline Amalie geboren. Das gab natürlich zahlreichen Anlass zu Klatsch und Tratsch, denn der Accoucheur, der Geburtshelfer, musste in das weit draußen vor den Toren der Stadt gelegene Schloss Richmond eilen, denn die Prinzessin hatte darauf bestanden, in ihrem gerade erst fertig gestellten Zufluchtsort, ihrem persönlichen sans souci, zu verbleiben.

Hier sollte Caroline auch aufwachsen und ihre nächsten Jahre verleben. In der großzügig angelegten Parkanlage, entworfen von Sir Lancelot Brown und ausgeführt vom Gärtnermeister Götze, war sich das Kind für lange Zeit vollkommen selbst überlassen – sieht man einmal von der Anwesenheit einer Erzieherin ab. Diese Aufgabe musste zunächst die Hofmeisterin Fräulein von Witzleben übernehmen.

 

 

2. Kapitel

 

 

Braunschweig, 17. Mai 1780

 

»Aber ich bitte Euch, Prinzessin, doch nicht an einem solchen Tag!«

»Und warum nicht? Mir ist langweilig, niemand kommt in diesen riesigen Park, um mit mir zu spielen. Ich will jetzt zu den Lämmchen gehen!«

»Auf gar keinen Fall! An diesem Ehrentag müssen wir unbedingt auf saubere Kleidung achten, wenn Euer Vater herausgefahren kommt!«

»Mein Vater?« Caroline sah ihre Erzieherin mit einem verzweifelten Blick an. »Mein Vater kümmert sich nicht um mich, der hat genug im großen Schloss zu tun. Warum sollte er ausgerechnet an meinem Geburtstag hierher kommen?«

»So dürft Ihr nicht reden, das ist nicht recht. Euer Vater ist der Erbprinz und muss sich um die Regierungsgeschäfte kümmern. Ihr wisst doch, dass es Eurem Großvater nicht sehr gut geht und zu befürchten steht, dass er bald sterben wird. Dann muss Euer Vater bereit sein, das schwere Erbe anzutreten. Das verlangt von ihm viel Arbeit, und nun gerade heute …«

Caroline war schon an der Gartentür, die vom Empfangszimmer ihrer Mutter direkt hinausführte. Sie warf Fräulein von Witzleben einen wütenden Blick zu, riss die Tür so heftig auf, dass sie gegen die Fassade schlug und die Scheiben bedenklich klirrten. – »Ich bin bei den Lämmchen, komm doch einfach mit, Fräulein!«

»Prinzessin Caroline!«, antwortete die Erzieherin in strengem Ton, aber das junge Mädchen lachte laut auf und lief den Hang hinunter zur Oker.

Das Fräulein von Witzleben raffte ihre Röcke und eilte dem übermütigen Mädchen nach, das allerdings schon einen großen Vorsprung hatte und nun über die Brücke lief, die sich über die Oker spannte und in den hinteren Teil des Englischen Gartens führte. Auch heute, an diesem sonnigen Maitag, arbeiteten überall in der Anlage die Gärtner, die jetzt verwundert aufblickten und sich über die Szene amüsierten. Da flüchtete der kleine Wildfang, die Prinzessin Caroline, mit wehenden blonden Haaren und ohne Hut in den Park, während ihre Erzieherin alle Mühe hatte, ihren rutschenden Hut festzuhalten und zugleich nicht auf die Säume ihrer ausladenden Röcke zu treten.

»Prinzessin! Auf der Stelle …!«, kreischte sie noch einmal mit aller ihr gebotenen Lautstärke dem fliehenden Kind nach, aber von der Rosenhecke, an der eben noch ihr hell leuchtendes Kleid schimmerte, wehte nur ein fröhliches Lachen zurück. Caroline Amalie Elisabeth von Braun-schweig-Wolfenbüttel hatte wieder einmal ihren eigenen Kopf und flog förmlich unter den vor ein paar Jahren angepflanzten Bäumen in die Richtung, in der sie den Schäfer mit seiner Herde wusste.

Bevor sie den Richmond-Park verließ, warf sie einen Blick zurück auf den Pleasure Ground, über dem sich in der strahlenden Sonne das Schlösschen erhob mit der Leichtigkeit eines Sommerpavillons. Niemand folgte ihr in diesen abgelegenen Gartenteil, und gleich darauf hatte sie die von Büschen verdeckte Pforte erreicht, die längst nicht mehr verschlossen wurde. Als sich die eisernen Scharniere kreischend bewegten, hielt die Prinzessin erschrocken inne, warf noch einen Blick hinüber zum Schloss und trat dann beherzt aus dem Park, lief gleich darauf über die Wiese hinunter zum Kennel, wie man diesen Bereich hier nannte nach dem englischen Begriff für einen Hundezwinger. Prinzessin Carolines Vater war kein großer Jäger, hielt aber hier, in deutlichem Abstand zum Schloss, eine eigene Meute für die Jagd, die von einem Jagdaufseher betreut wurde. – Caroline wehte der strenge Geruch von Kot und Urin der Hunde entgegen, und mit einem Naserümpfen drehte sie sich in die entgegengesetzte Richtung und entdeckte endlich das Ziel ihres heutigen Ausfluges.

---ENDE DER LESEPROBE---