Der Hausmeister - Karl-Heinz Haselmeyer - E-Book

Der Hausmeister E-Book

Karl-Heinz Haselmeyer

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Beschreibung

Die Erderwärmung hat bei steigendem Meeresspiegel zu großen Landverlusten geführt, und da außerdem in anderen Zonen durch ausbleibenden Regen fruchtbare Böden in Wüsten verwandelt wurden, ist weltweit die Nahrungsmittelproduktion eingebrochen. Große Teile der Weltbevölkerung mussten ihre Wohngebiete aufgeben und hungern. In dieser Notsituation haben radikale nationalistische Tendenzen in den noch bewohnbaren Gebieten starken Auftrieb erhalten und sich zu militanten Gruppen zusammengeschlossen. Neben den bedrohten Lebensbedingungen der Menschheit geratehn auch die demokratischen Freiheiten der Menschen durch Terror und Angst in Bedrängnis. Ein junger Journalist, der sich für die Demokratie einsetzt, gerät in den gefährlichen Fokus der Nationalisten.

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Seitenzahl: 64

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Es sind schlimme Zeiten. Ich komme von den Gedanken nicht los, wie grausam Mutter ums Leben kam. Immer wieder male ich mir die Panik beim Brand in der Markthalle aus. Sie kam zu Fall, rücksichtslos trampelten Menschen über sie hinweg. Als sie von Rettungskräften gefunden wurde, lebte sie noch, doch in der Klinik konnte man sie nicht mehr retten, sie erlag kurz nach der Einlieferung ihren schweren Verletzungen. Ihr bleiches Gesicht im Klinikbett werde ich nie vergessen. Dann nahm sich noch Vater vor ihrer Beisetzung das Leben. Ich sah zwar, wie verzweifelt er war, doch damit hatte ich nicht gerechnet, er war doch immer so beherrscht. Seinen letzten Brief an mich möchte ich zerfetzen, kann es aber nicht. Er hat sich sehr gefreut, als ich mit dem Jurastudium mit exzellenten Noten in seine Fußstapfen getreten war, war dann aber entschieden dagegen, als ich mich für Journalismus entschied und ein Volontariat bei einem kleinen Berliner Verlag antrat. Es war unser letzter Streit vor der Katastrophe.

Nun bin ich hier nahe seiner letzten Wirkungsstätte in Frankfurt und zu einem Vorstellungsgespräch in der bedeutendsten Medienanstalt eingeladen. Zuerst muss ich unsere Wohnung in Offenbach ausräumen. Als Einzelperson kann ich sie nicht halten. Wohnraum ist so knapp, ob ich ein Zimmer hier in Frankfurt bekomme, steht auch noch in den Sternen. Unsere Möbel und die Hinterlassenschaft werde ich in ein Depot geben müssen. Heute ist Samstag, am kommenden Dienstag ist das Vorstellungsgespräch, es bleibt nicht viel Zeit, um unser Heim auszuräumen.

Jetzt bin ich hier in den vertrauten Wänden und weiß nicht recht, wo ich anfangen soll. Alles wirkt so, als könnten meine Eltern gleich hereinkommen. Ich habe Hemmungen, in ihren persönlichen Sachen zu wühlen. Ich fühle mich mies, Erinnerungen strömen auf mich ein und ich muss die Gefühle wegschieben, vertraute Gegenstände aussortieren, Kleidung aus den Schränken reißen, sichten und verpacken. Mutters Garderobe kommt in die Kleidersammlung, von Vater werde ich einiges behalten, nur seine Anzüge passen mir nicht, er war stämmiger. Vier große Plastiksäcke voller Wäsche und Kleidung, das ist alles, was von einer liebevollen Mutter übrig ist. Ich möchte weinen, aber mir kommen keine Tränen, ich fühle ohnmächtige Wut. Mir ist flau im Magen, ich werde mir einen Kaffee machen. In der Küche ist noch alles, als wäre nichts geschehen, der Kühlschrank ist auch noch gut gefüllt. Lebensmittel sind sehr kostbar geworden, aber ohne eigene Wohnung kann ich das nicht mitnehmen. Die Leute von der Spedition, die am Montag die Möbel abholen, werden dankbar dafür sein, Lebensmittel ohne Zuteilungskarten zu bekommen. Ich schmiere mir ein Brot und dann sichte ich die Papiere. Ein eigenes Arbeitszimmer ist heutzutage wohl sehr selten geworden, ich werde wohl nie ein eigenes bekommen. Vater hielt seine Unterlagen sehr in Ordnung, das kommt mir nun zugute, ich muss nicht alles durchlesen. Er war ganz von alter Schule, er glaubte an Recht und Ordnung. Journalisten waren ihm suspekt, für ihn waren sie auf Sensationen aus und wollten Aufsehen erregen. Ich glaube an Aufklärung, an Information, er wollte das nicht verstehen. In einer Welt, wo seit Anfang des 21. Jahrhundert alternative Fakten erdacht wurden und begannen Wahrheiten zu verdrängen, und als man begann Informationen zu Manipulationen und Machtmissbrauch zu verwenden, da gewannen Recht und Ordnung eine Scheinexistenz und er wollte das nicht merken. Jenseits von erkennbaren Straftaten können nur Journalisten das Netz von Täuschung und Lüge entwirren, daran möchte ich arbeiten. Er konnte und wollte das nicht verstehen.

Da ist ein Bündel Briefe, Relikte aus längst vergangenen Zeiten, ich werde sie an mich nehmen und später einmal lesen. Für seinen PC und sein Smartphone habe ich die Zugangsdaten nicht. Der PC kommt mit in das Lager, das Smartphone stecke ich ebenfalls ein. Da ist der Bankordner, ein so großes Aktiendepot habe ich nicht erwartet, die Eltern haben immer bescheiden gelebt, was mache ich nur mit so viel Geld? Alles, was ich ins Hotelzimmer in Frankfurt mitnehme, packe ich in die beiden Koffer, die im Schlafzimmer neben dem Schrank stehen. Von den Akten werde ich nichts aussortieren, die kommen zunächst auch alle ins Depot. Es ist spät geworden, die Betten möchte ich nicht benutzen, ich werde auf der Couch im Wohnzimmer schlafen.

Nun frühstücke ich zum ersten Male allein in dieser Küche. Es ist deprimierend und ich fühle mich sehr einsam. Ich muss mich ablenken, am besten, ich bringe die Koffer erst einmal in mein Hotelzimmer. Danach werde ich in der Frankfurter Innenstadt zu Mittag essen. Die Fotoalben von Mama darf ich nicht vergessen, die müssen noch in die Koffer. Die Koffer sind sehr schwer geworden, für den Nahverkehr ist mir das zu schwierig, ich muss ein Taxi rufen.

Durch die beiden Koffer ist das triste Hotelzimmer noch trister geworden. Ich bin mir selbst im Wege, ich fühle mich leer und eine so nicht bekannte Traurigkeit macht mich antriebslos. Bis zum Mittagessen versuche ich noch zu schlafen.

Das ist nun die Frankfurter Altstadt, werde ich hier heimisch werden? In Berlin habe ich mich wohl gefühlt, Studium und das Volontariat, es war eine schöne Zeit. Die Freunde, mehr noch die Freundinnen werden mir fehlen. Einige Male war ich kurz davor mich zu binden, aber immer hatte ich das Gefühl, noch nicht die Richtige für ein ganzes Leben gefunden zu haben. Dort ist ein griechisches Restaurant, das kommt mir recht, einfach und gut, und wenn man die zugeteilte tägliche Ration abbuchen lässt und außerdem noch einen Geldbetrag drauflegt, bekommt man vielleicht sogar Fleisch. Ich habe richtig vermutet, das Essen war prima. Jetzt werde ich mich mit vollem Magen wieder in die elterliche Wohnung begeben, es wird wohl das letzte Mal. Nun sehe ich noch einmal alle Regale und Schubladen durch, das meiste kommt in den Abfallsack, einige Kleinigkeiten verstaue ich in der Einkaufstasche meiner Mutter und werde sie morgen mitnehmen. Im Vorratsschrank sind einige Flaschen guten Weins, eine davon öffne ich und setze mich vor den Fernsehschirm. Die Nachrichten kann man nur mit einigen Gläsern Wein verkraften. Jede Nachrichtensendung ist angefüllt mit dem Elend der Menschen, die keinen Lebensraum mehr haben. Das Meer holt sich immer mehr Land zurück. Der größte Teil der Menschheit hungert und ein anderer Teil verteidigt seine Privilegien. Und neben dieser Existenznot sind Propaganda und Lüge in die Berichtserstattung eingezogen. Im Geiste sehe ich mich schon als Don Quichotte gegen Windmühlenflügel kämpfen. Die Medien sind durchsetzt mit der profitablen Verbreitung von alternativen Fakten. Es wird ein schwerer Weg werden, sich davon freizuhalten. Ich habe mir diesen Beruf ausgesucht, zum Glück hängt meine Existenz nicht nur am Journalismus. Bevor ich die Wahrheit verleugne, kann ich in den Staatsdienst gehen oder mich als Verteidiger durchschlagen.

Eine Flasche Wein war wohl etwas zu viel, ich bin ja kaum Alkohol gewohnt, nun habe ich Kopfweh. Da ertönt die Türklingel, das müssen die Möbelpacker sein. Ich springe aus dem Bett und schlüpfe in meine Sachen, die auf dem Fußboden zerstreut herumliegen. Vor der Tür stehen in Latzhosen drei vierschrötige junge Männer und ein älterer, klein und spillerig. Nach Handschlag wende ich mich an den älteren und bitte die vier Männer zunächst ins Wohnzimmer. Dann erkläre ich, dass sämtliche Sachen, auch Akten und Bücher, in das Depot kommen sollen. Ausnahme, sage ich, seien die noch reichlich im Kühlschrank und in der Vorratskammer vorhandenen Lebensmittel, die sie, da Lebensmittel mittlerweile so knapp geworden seien, unter sich aufteilen könnten. Dann zeige