Begreifen - Karl-Heinz Haselmeyer - E-Book

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Karl-Heinz Haselmeyer

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Beschreibung

Mit den Sinnen erfassen, vergleichen, integrieren und es in das bestehende Weltbild einordnen, alles das ist in dem Wort "Begreifen" enthalten. Aber unser Weltbild ist sehr begrenzt und Vieles, was wir als Information aufnehmen, sprengt unsere Maßstäbe und widerstrebt dem kritischen Verstand. Wir nennen es Wunder. Wunder müssen nicht, aber können hinterfragt werden. Wichtig ist, dass wir Wunder sehen und nicht darüber hinweggehen.

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Was meine ich mit „Begreifen“?

Ich meine damit mehr als etwas in Erfahrung zu bringen. Was sich meine Sinne unmittelbar erschließen, ist meine Erfahrungswelt. Mein Wissen geht aber weit über den Zugriff der Sinne hinaus. Das Wissen begreife ich als gespeicherte Fakten, nicht anders, als wären sie in einem PC gespeichert. Begreifen ist dagegen ein gedanklicher Prozess, in dem Fakten in Relation gesetzt werden und an dem auch unsere innere Gefühlswelt beteiligt ist.

Unsere Sinnesorgane haben eine begrenzte Reichweite und unser Wissen erreicht nur kleine Aspekte der Wirklichkeit. Hinter dem, was wir unmittelbar erfahren, verbirgt sich unendlich viel, das wir uns erschließen, das wir erahnen, aber oft schwer begreifen können. Sicher wird das Wort „Begreifen“ auch in einem anderen Sinne gebraucht, so als hätte man ein Lernpensum aufgenommen. Das meine ich nicht!

Als positive Form erscheint mir das Wort „Aha-Erlebnis“, in der negativen Form oft aber auch als ein unbehagliches Gefühl, wonach die Vorstellungskraft nicht ausreicht, um eine Erfahrung in das persönliche Weltbild harmonisch einzupassen.

Indem ich das schreibe, rasen Aktionen durch die vielen Milliarden meiner Gehirnzellen, geben Impulse weiter und hemmen andere. Selbst die Bemühungen der Wissenschaft können das nicht erschöpfend erklären. Es ist eine zu große Vielfalt, die Erkenntnisse überfordert. Von den Prozessen, die in meinem Gehirn ablaufen, weiß ich ein wenig, andere wissen sicher viel mehr, aber das sind nur Bruchstücke. Teilprozesse unseres Gehirns werden schon verstanden, aber ist Begreifen nicht viel umfassender? Selbst wenn die Arbeitsweise eines Gehirns aufgeschlüsselt werden könnte, wovon wir aber noch weit entfernt sind, wie begreife ich es, dass Selbstgefühl, mein „Ich“, mit diesen Vorgängen gebildet wird?

Mit dieser Frage bin ich bei meiner Existenz. Sie enthält eine Gewissheit, und zwar, dass ich einmal sterben werde, dass Leben endlich ist. Ein Ende wäre ein Übergang in eine Nichtexistenz, kann das begriffen werden? Ich vermute, aus dem Unvermögen, das wirklich zu begreifen, sind Religionen entstanden. Wiederum ist Sterben nicht auf einen Schlussakkord begrenzt. Ein kleiner Anteil meines Körpers stirbt laufend und wird ersetzt. Dabei verändern wir uns. In den Zeitläufen wechseln wir unsere Persönlichkeit und auch unsere äußere Erscheinung und bleiben doch ein Unikat.

Um den Unterschied zwischen Wissen und dem Begreifen, wie ich es sehe, sichtbar zu machen, kann ich aus formalen Gründen nicht fortlaufend betonen, was schwer oder nicht zu begreifen ist. Ich werde mich im Weiteren darauf beschränken, Erkenntnisse zu schildern, bei denen mir das Begreifen schwerfällt und dem Leser das Urteil darüber überlassen.

So sitze ich auf einem Stuhl und spüre den Druck des Gesäßes auf der Sitzfläche. Ich komme aber nicht wirklich in Kontakt mit dem Stuhl, ich schwebe in einem sehr kleinen Abstand über dem Stuhl, nur so nah, wie es die Abstoßungskräfte der Moleküle des Stuhls und der Moleküle meines Gesäßes zulassen. Mit den verfeinerten Methoden der Wissenschaft kann man das messen, also weiß ich es. Ich weiß auch, dass ein einzelnes Atom unvorstellbar klein ist, doch wenn man es vergrößern könnte, so groß, dass die umgebenen Elektronen einen Kreis außerhalb eines Fußballstadions bilden würden, dann hätte der Kern im Inneren des Atoms die Größe eines Zwei-Euro-Stücks. Dazwischen ist leerer Raum. So müssten sich doch Atome mit Leichtigkeit durchdringen können. Es wäre sicher möglich, wenn nicht in sehr kleinen Abständen die Abstoßungskräfte zwischen den Molekülen sehr groß werden würden.

Dadurch kann ich auf dem Stuhl sitzen oder mich an anderer Materie stoßen. Selbst wenn ich mit einem Hammer einen Stein zertrümmere, kann der Hammer keinen direkten Kontakt zu dem Stein bekommen, es scheint nur so. Erst wenn Moleküle aktiviert werden, tauschen sie Ladungen und Atome aus, gehen Verbindungen ein und bilden neue Moleküle.

Die Klärung des Aufbaus von Atomen im Jahr 1897 durch den britischen Physiker Joseph Thomson halte ich für eine ganz große wissenschaftliche Leistung, denn Atome sind ja viel zu klein, um sie mit den damaligen Mitteln sichtbar machen zu können.

Als der Aufbau von Atomen geklärt war, genügte das der Wissenschaft noch nicht. Nun wollte man wissen, woraus ihre Bausteine, also Protonen, Neutronen und Elektronen, bestehen

In Teilchenbeschleunigern brachte man Elektronen, Protonen und Atomkerne auf sehr hohe Energien und ließ sie zusammenstoßen, um die entstehenden Bruchteile zu messen. In letzter Zeit erzielte man durch sehr hohe Energien ein Quark-Gluonen-Plasma und fand darin Temperaturen von 40 Billionen °C, das ist ungefähr 100 000-mal heißer als die Sonne. Das Ziel ist es, das Confinement zu charakterisieren, also die Wirkung der starken Kraft, die den Kern zusammenhält.

In früheren Versuchen ordnete man die Signale der Bruchteile in 6 Quarks, 12 Leptosomen, in Gluonen, die Botenteilchen, Photonen und Neutrinos und beschrieb deren Eigenschaften. Das wissenschaftliche Fach nannte man Elementarteilchenphysik. Ich finde die Bezeichnung „Elementarteilchen“, die für die erhaltenen Signale oft verwendet wird, etwas unglücklich. Die Bezeichnung klingt nach etwas Materiellem, es sind aber nur Messergebnisse und Zusammenhänge aus sehr komplizierten indirekten Beobachtungen und Berechnungen.

Messergebnisse sind abhängig von angewandten Maßen. Die Maße sind willkürlich festgelegte Größen, also sind die Messergebnisse nur im Kontext gültig.

Die Längenmaße wurden in der Vergangenheit durch unseren Körper bestimmt, so ein Finger, eine Spanne, ein Fuß, eine Elle. Diese alten Messgrößen wurden durch das metrische System abgelöst. Es gibt Länder, die haben noch traditionelle Messgrößen wie Yard und Meile. Gewichte wurden durch Steine, Samen und andere gleichförmige Körper festgelegt. So ist noch heute für Edelsteine das Maß Karat gebräuchlich, das vom Samen des Johannisbrotbaums abgeleitet ist. Das Maß des Gewichtes ist aber von der Gravitation abhängig. Ursprünglich wurde es durch einen Liter Wasser unter Standardbedingungen als ein Kilogramm bestimmt und ist nun ein zahlenmäßiger Wert, der sich aus der Planck-Konstante und der Definition von Meter und Sekunde ergibt. Die Masse eines Körpers ist nicht von der Gravitation abhängig, sondern ist die Kraft, die einer Beschleunigung entgegenwirkt. Die Maßeinheit ist Newton. Die Volumina wurden früher durch Gefäße gemessen. Der heutige Begriff Liter ist der Inhalt eines Würfels von 10 cm Kantenlänge. Zeitmaße wurden anhand der Rotation der Erde und durch ihre Umlaufzeit um die Sonne in Jahreszeiten und Tageszeiten bestimmt. Kurze Zeitmaße wurden am Pulsschlag gemessen. Heute gilt die Frequenz eines Rubidium-Atoms als Grundgröße. Das Maß der Energie ist das Elektrovolt und ist definiert als die kinetische Energie, die ein Elektron beim Durchlauf einer Beschleunigungsspannung von einem Volt gewinnt. Die alten und neuen Definitionen zeigen, dass die physikalischen Größen von Menschen geschaffene Konstrukte sind. Weitergedacht sind auch unsere Sinnesorgane Maße für Impulse, die uns aus der Umwelt erreichen und somit ist unsere Umwelt ein Ergebnis unserer Sinne.

Wir erleben Raum und Zeit als feste Größen. Unsere Sinne zeigen uns alles, was sich ringsherum befindet, sogar uns selbst nehmen wir wahr. Licht ist uns dabei unsere wichtigste Informationsquelle, es zeigt uns unsere schöne farbige Welt. Licht ist nur ein kleiner für unsere Augen zugänglicher Ausschnitt eines Phänomens, das wir als Welle oder als Photon messen können. Photon ist ein kleines Teilchen, keine Materie, eher ein punktförmiger Messeffekt. Eine Welle stellen wir uns als Bewegung einer Wasseroberfläche vor. Aber das Licht ist keine bewegte Materie, es ist eine Folge von elektromagnetischen Schwingungen mit einer Frequenz und einer Amplitude. Man kann sogar so weit vereinfachen, dass sich alle Phänomene auf elektromagnetische Wellen zurückführen lassen, sogar beim Aufbau der Materie spielen sie eine Rolle. Die Frequenz dieser Schwingungen finden wir über einen großen Messbereich verteilt, von der kosmischen Strahlung von 10 Exp23 Hz, also einer Zahl mit 23 Nullen, über Röntgenstrahlen von 10 Exp17 bis Exp18 Hz, der Telekommunikation von 1 GHz bis zur Frequenz unseres elektrischen Stroms mit 50 Herz. Ein Herz ist eine Schwingung pro Sekunde. Die Wellenlängen reichen von 10 Exp-15 Meter, also dem billiardsten Teil eines Meters, bis über 1.000 Kilometer. Zahlen wirken so klar und überzeugend, aber in diesen Größenordnungen sprengen sie die Vorstellungskraft und dennoch können wir ohne Weiteres mit solchen Messgrößen arbeiten.