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Ein von Gier getriebener erfolgreicher Geschäftsmann schildert auf dem Krankenbett seinen Aufstieg und seinen selbstverschuldeten Absturz. Selbst seine schlimmen Erfahrungen können nicht verhindern, dass er später wieder den Velockungen der Gier erliegt.
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Seitenzahl: 52
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Rückbesinnung
Es begann in China
Der Leidensweg
Isolation
Erinnerungen
Das Einerlei
Gewissensbisse
Endlose Tage
Reste der Erinnerung
Testament
Der Tiefpunkt
Nach der Unterbrechung
Ein Lichtblick
Leichte Besserung
Reaktion der Ärzte
Gesundung
Neue Betriebsamkeit
Letzte Aufzeichnungen
Die letzten Wochen in China
Ein neues Kapitel
Basel
Ein neuer Konzern
Mediziner
Ehrgeiz
(Originalaufzeichnung)
Aus schmerzlicher Erfahrung weiß ich, die Gier ist eine schleichende und völlig unterschätzte Krankheit.
Sie macht geizig und einsam. Kein Erfolg kann sättigen, keine Habe befriedigen. Die Gier kann sogar töten. Diese Erkenntnis kommt für mich leider zu spät, denn ist sie erst einmal chronisch geworden, helfen keine Therapie und kein Psychiater.
Sie ist aber nicht angeboren. Wann sie begann von mir Besitz zu ergreifen kann ich nicht sagen, es muss sehr allmählich und unauffällig geschehen sein.
Ich muss weit zurückdenken, um erste Anzeichen dieser Krankheit in meinem Leben zu finden. In meiner Kindheit und in den ersten Schuljahren gab es nichts, was auf diese Erkrankung hinwies. Nicht einmal an viele Kinderwünsche kann ich mich erinnern, ich hatte ja alles, was ich brauchte, und zu Weihnachten und den Geburtstagen gab es oft mehr als genug, mehr als mich in der Zeit nach den Festtagen beschäftigen konnte. Wenn ich einmal etwas bedurfte, dann wurde es angeschafft und Überflüssiges wurde ausgemustert und entsorgt.
Meine Eltern hätte ich gern etwas mehr für mich gehabt, aber das ist wohl ganz natürlich, aber leider waren sie meistens zu beschäftigt. An die Grundschule kann ich mich kaum noch erinnern, nur dass ich mich zeitweise langweilte und mich auf den Unterrichtsschluss freute. Dann rannte ich die breite steinerne Treppe hinunter zu dem großen schwarzen PKW, mit dem der Chauffeur meines Vaters mich an jedem Schultag abholte. An Kontakte zu Gleichaltrigen kann ich mich kaum erinnern. Ich hatte in der Grundschulzeit noch ein Kindermädchen, das mich umsorgte und nachmittags oft mit mir spazieren ging. In der späteren Schulzeit könnte es schon angefangen haben, da gab es Moden und es gab Artikel, die das Ansehen in der Gruppe steigerten, da war Besitz mit der Rangordnung verbunden. Da es mir an nichts Materiellem mangelte, wurde ich zum Trendsetter. Ich übernahm das Kommando, wurde Klassensprecher und machte mir mit Gefälligkeiten die Lehrer gefügig. Für die Lehrer wurde ich zu einem geschätzten Vorzeigeschüler, von meinen Mitschülern wurde ich teilweise anerkannt und bewundert, von einigen abgelehnt und gefürchtet.
Meine Eltern sorgten sich kaum um meine Erziehung und überließen meine Betreuung zuerst dem Kindermädchen und später unserer Köchin.
Nur in einer Hinsicht war mein Vater streng, er verlangte Leistung. Ich hatte drei Nachhilfelehrer, für Latein, für Mathematik und für Naturwissenschaften. Mein Lehrer für Latein war ein kleiner älterer Mann mit einem sehr schmalen Gesicht und einer hohen Stirn mit Glatze, er hieß Kleinich, weshalb ich ihn jedes Mal mit Herr Kleinlich anredete, was immer einen strafenden Blick hinter seiner großen Brille mit den runden getönten Gläsern auslöste. Der Mathematiker war ziemlich das Gegenteil, massig und ungepflegt, mit Bartstoppeln und langen ungewaschenen Haaren, ich nannte ihn im Geheimen „Stachelschwein“, was ich aber niemals aussprach. Frau Doktor Meise war groß und knochig und hatte eine unangenehme plärrende Stimme. Allerdings konnte sie mit ihrer unsympathischen Stimme interessant und fesselnd Forschungsergebnisse und neueste Erkenntnisse aus der Wissenschaft einfach und verständlich vortragen.
Sie weckte meine Liebe zu Naturwissenschaften, eine Liebe, die nie Erfüllung finden sollte. Wir sprachen über die Dimensionen des Weltalls, über ferne Sternsysteme und schwarze Löcher, über die Schwerkraft und über die Zeit. Sie erzählte mir auch von den Grenzen der Materie, von den Quanten und den Messungen in den riesigen Teilchenbeschleunigern. Sie animierte mich wissenschaftliche Texte zu lesen, die sie mir mitbrachte. Ich war Frühaufsteher und mein Tag begann im Keller, wo sich ein Raum mit den modernsten Anlagen zum Muskeltraining befand.
Nach dem Sport ging ich unter die Dusche und hatte noch Zeit für ein Frühstück, das stets, von unserer Köchin vorbereitet, auf mich wartete.
Danach fuhr ich mit einem schmucken Moped zur Schule. Das Mittagsessen wurde nach Schulschluss gemeinsam eingenommen, das heißt, mein Vater war meist nicht abkömmlich, und wenn mein Vater nicht da war, aßen wir in der Küche mit der Köchin zusammen. Meine Mutter arbeitete für ein Modemagazin und unser gemeinsames Mittagessen war für mich die einzige Gelegenheit sie zu Gesicht zu bekommen. Umsorgt wurde ich ab dem fünften Schuljahr von unserer Köchin. Sie war die Einzige in unserer Familie, die mir etwas Liebe und Aufmerksamkeit schenkte. Unsere Köchin, eine rundliche und fröhliche Person, stammte aus dem Erzgebirge von einer ärmlichen Bauernfamilie. Sie missbilligte unsere Lebensführung und versuchte mir etwas Halt zu geben. Ich mochte sie, aber ihre Ansichten fand ich bäuerlich und nicht zeitgerecht.
Da ich auch noch im Tennisverein war, waren meine Tage mit Schule, Nachhilfe und Sport lückenlos ausgefüllt. Man könnte denken, dass dabei kaum Platz für irgendwelche Dummheiten war, doch weit gefehlt, der Drang zum anderen Geschlecht war schon erwacht und jede freie Minute war darauf gerichtet amouröse Kontakte zu suchen und zu finden, was mir recht leichtfiel.
Das sind einsame Erinnerungen in einer aussichtslosen Situation. Jetzt, wo mir nichts mehr geblieben ist, habe ich den Abstand und sehe alles viel klarer, denn nun fehlen alles Begehren und Hoffen. Meine Zukunft ist wie eine Seifenblase zerplatzt. Wirklich sind für mich nur die Vergangenheit, meine Gedanken und der Versuch mich selbst zu verstehen. Diese Geschichte ist alles, was noch von meiner Gegenwart übriggeblieben ist. Mein Körper ist für mich schon fast verschwunden, das heißt, er ist noch da, aber ich kann ihn nicht mehr spüren und auch nicht bewegen. Nur in Gedanken spüre ich den Fleischklumpen, der einmal mein Körper war, unter der Bettdecke. Ich kann noch meine Augen bewegen und den Mund, aber aus meinem Mund kommt keine Stimme, mein Atem wird nun durch eine Kanüle in der Brust mit einer Maschine geregelt. Mein Trost ist meine rechte Hand, die ich so weit bewegen kann, dass ich die Tastatur meines Laptops bedienen kann.
Diese Aufzeichnungen liegen nun schon 24 Jahre zurück, aber ich kann sie kaum noch lesen, ohne dass mich meine Emotionen übermannen.
Meine Hände zittern so sehr, dass ich gezwungen bin zu unterbrechen. Ich