Der Ritter ohne Wappen und Farben - Oliver Grudke - E-Book

Der Ritter ohne Wappen und Farben E-Book

Oliver Grudke

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Beschreibung

Am Ende seines Lebens erzählt der alte Ritter von den waren Geschehnissen als die Burg Hohenzollern erobert wurde. Er nimmt uns mit zurück in jene Zeit, in das Land der Grafen zu Zollern. Er berichtet als letzter Augenzeuge von Freundschaft, Hass und Liebe. Von Mythen und Sagengestalten. Aber auch von Ehre und Treue. Spannender Ritterroman mit mystischen Elementen und historischen Fakten.

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OLIVER GRUDKE

***

DER RITTER OHNE WAPPEN UND FARBEN

Eine Geschichte aus dem Lande Hohenzollern

© 2020 Oliver Grudke

Lektorat, Korrektorat: Nadine Senger

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

ISBN

Paperback:

978-3-7497-9647-2

Hardcover:

978-3-7497-9648-9

e-Book:

978-3-7497-9649-6

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung

Kirchweiler Tal 1499

Nie hätte ich geglaubt, dass es mir zu Teil wird, ein solches biblisches Alter zu erreichen. Und dass, obwohl Gott und ich nie wirklich Freunde waren. Meine Knochen schmerzen bei jedem Gang. Doch die Mönche hier brauen einen guten Met. Wein gibt es nur, wenn er bei Händlern erworben werden kann. Dafür ist das Tal zu kalt.

Doch ich habe hier gefunden, was ich lange gesucht habe.

Frieden und Ruhe.

Einen Platz, um die letzten Jahre zu ertragen.

Langsam gehe ich vor das Haus. Die Sonne ist schon warm und verspricht ein zeitiges Frühjahr. Das wird meinen Knochen guttun. Erschöpft von der kleinen Wegstrecke falle ich auf die alte Holzbank vor dem Haus, in dem wir alle gemeinsam leben. In meinen letzten Tagen möchte ich die Dinge aufschreiben, deren ich Zeuge wurde. Dinge, die von anderen verfälscht wurden und meinen Freund in ein schlechtes Licht tauchen.

Wo ich schreiben gelernt habe und woher ich stamme, soll mein Geheimnis bleiben. Ich hoffe, Ihr seht es einem alten Krieger nach.

Doch möchte ich, dass die Geschichte, von der ich erzählen werde, lange in aller Munde liegen soll.

Denn ich weiß, dass es nicht immer so friedlich bleiben wird in der Grafschaft und in meinem geliebten Kirchweiler Tal.

Schreiben kann ich nur noch hier im Freien, wenn die Sonne scheint. Sonst sind meine Augen zu trüb dafür.

Aber bald habe ich alles aufgeschrieben. Dann findet auch der Rest meiner Seele Frieden und Ruhe.

Gleich hinter der Kapelle des heiligen Johannes sollen die Mönche mich begraben. Mit den Füßen zur aufgehenden Sonne gerichtet. So habe ich es ihnen gesagt.

Doch noch ist ein wenig Zeit.

Kommt mit und geht mit mir auf eine Reise zurück in der Zeit. Zurück zu den Dingen, die einst geschahen.

Grafschaft Hohenzollern 1401

„Geht mir aus dem Weg!“, schrie die dicke Baderin.

Gerade noch rechtzeitig konnte der Krieger ihr ausweichen. Natürlich war er ihr haushoch überlegen und mit seiner doch recht stattlichen und für jene Zeit seltenen Größe von fast zwei Metern schon recht furchteinflößend. Natürlich trug dazu auch seine pechschwarze Rüstung ohne jedes Banner oder Wappen bei.

Einige der Vasallen und auch der Lehnsträger waren recht argwöhnisch über das plötzliche Auftreten des Ritters ohne Wappen im Gefolge des Grafen Friedrich des 12. von Hohenzollern. Einige munkelten, er wäre mit dem Teufel im Bunde.

Doch der Graf hatte ihn zu seiner rechten Hand gemacht und seit jenen Tagen herrschten Recht und Ordnung in der Grafschaft am Fuße der schwäbischen Alb.

So hörte man oft in den Schenken und Gasthäusern den Spruch: Eh macht ein Mordbrenner einen Umweg von Wochen als es in Zollern mit dem Schwarzen aufzunehmen!

Graf Friedrich war den Untertanen wohlgesonnen und erlies oft in den Notzeiten den Zehnten. Dies führte natürlich zu einer dauernd angespannten Lage der Finanzen. Dies war auch bei allen umliegenden Grafschaften, welche alle sich gerne die zollerische Grafschaft einverleiben würden, wohlbekannt.

Doch so treu er auch zu seinen Untertanen war, so kämpferisch war er im Gefechte und dieses wussten seine Feinde wohl und fürchteten ihn deshalb.

Vor allem, seit der „Schwarze“ bei Graf Friedrich weilte, getraute sich keiner, die Grafschaft mit Fehde zu überziehen.

Dennoch lauerten überall Gefahren wie die dunklen Wolken, die an jenem Julitag über die Alb zur Burg herüberzogen.

Das Donnern versprach nichts Gutes.

„Warum so eilig, Baderin?“, rief Rank ihr nach.

„Die Herrin! Es steht schlimm!“ Dann verschwand sie hinter einer dicken Tür aus bestem Eichenholz.

Nun wurde es auch Rank mulmig. Er wusste, die Herrin lag in der Niederkunft. Bisher hatte sein Herr keine Nachkommen und er war nicht mehr der Jüngste. Es wäre ein Leichtes für die Feinde, die Grafschaft dann zu übernehmen.

Nein! Das durfte nicht geschehen.

Mit seinen groben Stiefeln machte er sich auf, der Baderin zu folgen.

Die Mühe anzuklopfen machte sich Rank erst gar nicht. Als die schwere Tür aus Eichenholz hinter ihm ins Schloss fiel, zuckte er erschrocken zusammen. Er, der Krieger, den alle, der selber aber nichts fürchtete.

Ein gellender Schrei erfüllte die Gänge und Gewölbe der mächtigen Burg.

„Die Herrin!“, murmelte er und stürmte die enge Wendeltreppe empor. Dann den Gang entlang gerade in das Schlafzimmer seines Herrn.

Doch als er die Tür aufdrückte, trat ihm bereits eine Nonne, die an Leibesfülle der Baderin in nichts nachstand, entgegen.

„Was will er hier?“, zischte sie ihn an und sehen konnte Rank aufgrund der Leibesfülle auch recht wenig.

„Meine Herrin …“, stammelte der recht wortkarge Krieger,

„… liegt in den Wehen! Gott allein weiß, was geschieht!“ Bei diesen Worten richtete die Nonne beide Augen nach oben.

„Geht beiseite! Ich will mich von der Rechtschaffenheit eures Tun selber überzeugen!“, knurrte Rank und seine rechte Hand ruhte bereits auf dem Knauf seines Schwertes.

„Was erdreistet er sich! Einer Dienerin Gottes unrechtes Handeln zu unterstellen! Dafür wird Gott ihn richten!“

„Gewiss! Eines Tages! Doch nicht heute! Also sage ich es ein letztes Mal! Tretet beiseite!“ Die Augen von Rank haben sich beängstigend zu kleinen Schlitzen verengt. Doch erzielte dies keinerlei Wirkung auf die hochnäsige Nonne.

„Gemach, mein Freund! Gemach!“ Rank drehte sich um und blickte in die freundlichen und doch von Sorge gezeichneten Augen seines Herrn. Die Hand seines Herrn lag nun auf der seinen, die noch immer den Knauf des alten Schwertes in der schwarzen Scheide fest umklammert hielt.

„Seht, sogar mich lassen sie nicht vor! Kommt, leistet mir Gesellschaft bei einem Trunk!“

„Ich sorge mich!“, sagte Rank.

„Ja, das Ehrt Euch! Doch glaubt mir, die Nonnen tun ihr Bestes. Sie haben sogar die Baderin aus dem Weiler Zell heraufgeholt. Jetzt ist es in Gottes Hand!“

Wiederstrebend folgte Rank seinem Herrn. Er gehorchte, doch sein Innerstes rebellierte. Nonnen taten selten Dinge aus Nächstenliebe. Doch er wollte seinen Herrn nicht mit seinen Erfahrungen verunsichern. Vielleicht war die Anwesenheit der Baderin eine Hilfe. Der Frieden im Land braucht einen Erben. Dringender denn je.

„Kommt, setzt euch und labt euch an dem Wein aus den Reinlanden.“ Fürst Friedrich schenkte Rank einen Becher voll Wein ein.

„Ich dank euch, mein Herr, doch möchte ich erst trinken, wenn wir Gewissheit haben!“

„Gut, dann will ich es euch gleichtun! Dann warten wir auf Nachricht. Auf gute Nachricht!“ Der Fürst stellte den Krug auf dem hölzernen Tisch ab.

Schweigend verging die Zeit und alsbald brach die Nacht herein. Noch immer hatten die schwarzen Wolken sich nicht endgültig für einen Sturm entschieden. Rank hoffte, dass auch jener Sturm mit einer guten Nachricht aus dem Gemach des Fürsten alles vertreiben würde, was er tief in seinem Innersten an Ungemach spürte.

Die Stille wurde nur durch das Prasseln des Feuers im großen Kamin gestört. Selbst der Wind schien urplötzlich sich zurückgezogen zu haben.

Dann, ein Schrei.

Der Schrei eines Kindes.

Der Fürst sprang empor und stieß dabei den Stuhl aus Eichenholz um.

„Bei Gott, ich bin Vater!“, schrie er durch die ganze Halle und wollte sich gerade auf den Weg machen, um in das Gemach seiner Frau zu gelangen, als sich ihm eine Nonne in den Weg stellte.

„Macht Platz für einen stolzen Vater!“, rief der Fürst barsch. Die Nonne lächelte den Fürsten an und hielt ein Bündel empor.

„Ihr habt einen Erben, mein Herr!“, sagte die Nonne mit einer milden Stimme.

„Bei meinem Barte! Nun, mein Freund, müsst ihr aber den Humpen mit mir leeren!“ Der Blick des Fürsten richtete sich auf Rank, der noch immer regungslos am Feuer stand.

„Was schaut ihr so grimmig? Ist es nicht ein Freudentag! Wollt ihr euch denn nicht mit mir freuen?“ Der Fürst klopfte Rank auf die Schulter. Doch dessen Blick war noch immer starr und eisig auf die Nonne gerichtet.

Nun spürte auch der Fürst, dass noch nicht alles gesagt war. Er drehte sich um und seine Augen funkelten fragend unter seinen buschigen Augenbrauen hervor.

„Sprecht!“, befahl er der Nonne, als sich eine zweite Nonne zur ersten gesellte. Auch diese hielt ein Bündel empor. Dieses war etwas kleiner und unscheinbarer.

„Herr, Ihr habt noch ein Kind!“

„Der Herr sei gelobt! Was ist es denn?“

„Noch ein Junge!“

„Ha, da brat mir doch einer den Storch! Was für ein Glück wird uns zuteil! Nun, edler Rank, werden wir auf die Geburt anstoßen!“ Der Fürst griff abermals zu seinem silbernen Humpen. Doch noch immer war der Blick seines Getreuen fest auf die Nonnen gerichtet. Und es war ein sorgenvoller Blick.

Der Graf hatte seinen Humpen bereits an den Lippen, als er mürrisch diesen wieder absetzte.

„Was denn noch?“, brüllte er ungeduldig, endlich seinen Wein zu trinken.

„Die Herrin! Es steht schlecht um sie!“, flüsterte die Nonne und faltete dabei ihre Hände.

Sie hatte noch nicht ausgesprochen, da war Rank schon an ihr vorbei und stürmte in das Gemach seines Herren.

Doch was er da sah, ließ den sonst so abgebrühten Krieger erstarren. Seine Herrin lag in einer Lache aus Blut. Überall, sogar auf dem Boden aus Stein war Blut. Die Baderin hatte ihre Ärmel hochgekrempelt und hantierte mit allerlei weißen Tüchern. In der hinteren Ecke knieten zwei Nonnen vor einem Kruzifix und beteten.

Instinktiv griff er nach dem Knauf seines Schwertes. Doch sogar ihm erschien es nicht klug, noch mehr Blut zu vergießen.

„Was geht hier vor?“, knurrte er.

Die Baderin drehte sich um und schaute Rank mit einem blutverschmierten Gesicht an.

„Was denkt ihr? Ich habe den Erben gerettet und den Frieden. Doch ich fürchte, für die junge Herrin war es zu viel!“ Ihr Blick fiel mitleidig auf die hübsche junge Frau auf dem blutgetränkten Laken.

„Ihr könnt die Blutung nicht stoppen?“, knurrte Rank. Die Baderin zog eine Augenbraue hoch.

„Natürlich konnte ich! Sonst wäre sie schon beim Herrn! Doch sagt an, woher versteht ein Krieger wie ihr so viel von der Kunst der Bader.

„Was ist dann?“ Rank ignorierte die Frage.

„Fieber! Sie hat Fieber und ich bringe es nicht gesenkt!“

„Gebt ihr etwas von dem Lanceolata Kraut. Presst es aus und erstellt daraus einen Sud!“

Nun wich alle Farbe aus dem Gesicht der Baderin, sodass die Blutspritzer schon fast hell leuchteten.

„Bei unserem Herr! Ihr kennt euch aus!“

„Haltet euch nicht mit Geschwätz auf, sondern tut, was ich sage!“ Die Hand von Rank ruhte bereits wieder auf dem Knauf seines Schwertes.

„Jaaaa, ich habe keines hier!“, sagte nun die Baderin und wirkte plötzlich sehr nervös.

„Dann holt welches!“, befahl Rank.

„Bei dem Wetter und in der Nacht! Nein, mein Krieger, das müsst ihr schon selber tun! Ich bin nur eine hilflose Frau!“

„Gut! Ich werde gehen! Wo finde ich das Beste!“

„Hier gibt es keines! Aber etwas den Fluss hinauf, dort ist ein kleines Kloster der Johanniter. Oben im Kirchweiler Tal. Dort findet ihr, was wir brauchen.“

Rank kannte das kleine Tal, welches sich südlich von der Burg erstreckte von der Jagd mit seinem Herrn. Doch da war immer der Fürst der Wegbereiter. Alleine und in der Nacht würde er es schwer haben.

Auf ausdrücklichem Wunsch des Fürsten hatte er dessen Pferd genommen. Einen Arabischen Hengst. Ein durchaus wildes Tier, aber mit genügender Ausdauer.

Als Rank durch das Adler Tor über die Zugbrücke ritt, zuckten bereits die ersten Blitze durch die Nacht. Dunkles Grollen ertönte kurz darauf von den Höhen der Alb herab.

Doch auf den nächsten Tag konnte er nicht warten.

„Hüa!“, schrie er und trieb den Hengst den Berg hinunter vorbei am Kloster zu Stetten hinüber zur sicheren Furt. Die Blitze erhellten seinen Weg und so war es für ihn leichter.

Doch als er an der ersten Furt, die über den Reichenbach führte, stand, so sah er bereits die braunen, reißenden Fluten des ansonsten so friedlichen kleinen Bächleins. Sein Blick fiel auf die dunklen Wolken, die über der Alb hingen. Dort musste es schon geregnet haben.

Der Hengst war kaum zu bändigen. Noch einmal schaute er sich die Fluten an. Vielleich könnte er es hier schaffen! Vielleicht! Doch die nächste Furt über den Fluss aus dem Kirchweiler Tal würde er nicht mehr schaffen. Dann wäre er gefangen zwischen den Flüssen.

Seine Gedanken begannen sich zu drehen, als plötzlich ein weiterer Blitz den Himmel taghell erleuchtete. Er sah die Umrisse der Alb Höhe.

Ein Ausweg?

Ein anderer Weg, den er nicht kannte.

Von dem er nur gehört hatte.

Er wusste von den Gefahren, allein die wilden Tiere! Wölfe und Bären! Doch blieb ihm eine Wahl?

Als er auf seinem Rückweg wieder am Kloster zu Stetten vorbeikam, nahm er sich eine der Kienspanfackeln, die den Eingang erleuchten sollten.

Ein Stück des Weges soll sie ihm helfen. Vielleicht auch gegen die Bären.

Bei anhaltendem Regen trieb Rank den Hengst zurück zum Berg der Burg. Dann vorbei am Weiler Zell, wo die Quelle des Bröller schon bedrohlich sein Wasser zu Tale spuckte.

War dies der Weg?

War dies überhaupt ein Weg?

Rank erkannte nichts, doch er verließ sich auf sein Gespür. Dieses würde ihn schon zum Hof Jung Tal der Johanniter führen. Er, der Krieger, hatte weiß Gott schon Schlimmeres erlebt.

Es ging mal bergauf, dann wieder etwas bergab. Er überquerte Wasserläufe und Bäche.

Zu seinem Glück war das Wetter so schlecht, dass sogar die Bären sich nicht blicken ließen.

Rank wusste, dass diese gerne ein schwächendes Pferd sich einverleiben. Denn der Hengst hatte schon viel von seiner Kraft eingebüßt. Auch er merkte die Beschwerlichkeit des Weges. Und er hatte nichts an Proviant dabei. Wehmütig dachte er an den Humpen Wein auf dem Tisch seines Herrn. Hätte er ihn doch geleert, so wäre ihm genügend Kraft geblieben.

Doch so schien seine Mission aussichtslos.

Erschöpft glitt er mitten im dunklen und nassen Wald vom Pferd.

Wo war er?

Er hatte keine Ahnung und kein Gespür.

Er war verloren. Allein in den tiefen Wäldern seines Herrn. Der Regen hatte etwas nachgelassen und auch schien das Gewitter an seiner Intensität nachzulassen.

Doch von hier schien es nicht weiterzugehen. Auch den Rückweg würde er nicht finden. Er würde warten müssen, bis der Morgen graute und so seine Herrin im Stich lassen.

Wenn er an Gott glauben würde, so wäre dies sicherlich der Zeitpunkt, um diesen um Hilfe zu bitten. Doch das tat Rank nicht.

Aber sollte es diesen Gott dennoch geben, so half er vielleicht auch jenen, die nicht an ihn glaubten.

Erschöpft auf Knien schrie er durch die Nacht.

„Komm, nun zeig dich und zeig mir, dass es dich gibt!“

Plötzlich bemerkte er den Schein eines Feuers. Rank stand auf. Ja, jetzt roch er auch verbranntes Holz.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass er am Fuße eines kleinen runden Hügels stand. Dort oben war jemand. Jemand, der ihm helfen konnte. Egal, ob Freund oder Feind. Er würde es herausfinden. Mit der Linken nahm er die Zügel seines Pferdes und mit der Rechten umklammerte er den Knauf seines alten Schwertes.

Mühsam stiegen sie auf. Plötzlich durchquerten sie einen alten Steinbogen. Diese waren die Reste einer Burg. Einer vergangenen Burg.

Sein Herr hatte diese nie erwähnt.

Außer dem Bergfried, der eher einem kleinen Haus glich, waren nicht viele Mauern übrig.

Inmitten des ehemaligen Hofes brannte ein loderndes Feuer. Daneben saß auf einem Stück Balken ein dicker Mann mit einem buschigen grauen Bart.

„Seid mir gegrüßt, Fremder!“, sprach ihn dieser plötzlich an, obwohl er Rank eigentlich noch nicht gesehen haben konnte.

Rank umklammerte den Knauf seines Schwertes noch fester. Bereit, sofort loszuschlagen, sollte er angegriffen werden.

„Wer seid ihr?“, knurrte Rank hinunter in den Hof.

„Ha, seid nicht ihr der, der hier eindringt und sich zuerst vorzustellen hat?“ Der Mann warf noch ein Stück Holz in das Feuer.

„Ihr habt recht! Mein Name ist Rank!“ Rank band den Hengst an eine kleine Buche und ging hinunter in den Hof.

„Rank! Nur Rank? Ein Ritter ohne Farbe und Wappen! Ihr scheint mir seltsam!“ Nun sah der Mann Rank direkt an. Dabei erschrak Rank. So waren die Augen des Mannes die eines Wolfes. Gelb und hellwach.

„Und ihr? Sitz hier in einer alten Burg mitten in der Nacht! Das ist auch seltsam!“

„Nicht weniger, als dass ein Ritter ohne Wappen sich der Burg nähert.“

„Sie steht auf dem Land meines Herrn! Somit ist sie sein Besitz und er auch euer Herr!“, sagte Rank und genoss die Wärme des Feuers.

„Nein, die Burg gehört den Mönchen von Jung Tal! Sie haben sie gekauft. Und was mich betrifft, so ist mein Herr lange tot!“

„Fürst Friedrich ist euer und mein Herr!“ Rank griff wieder nach dem Knauf.

„Mag sein! Doch ich will mich nicht streiten, oder seid ihr deshalb hier bei mir?“ Wieder sah der Mann Rank direkt an.

„Nein! Ich suche den Weg nach Jung Tal, von dem ihr soeben spracht.“

„Ja, da seid ihr auf dem richtigen Pfad! Doch nun setzt euch und labt euch an meinem Wein!“

„An eurem Wein? Ha hier? Ihr wollt hier Wein haben?“ Rank lachte. Doch der Mann blickte nun sehr finster drein.

„So ist es, und nur den Besten. Zehn Fässer voll! Wollt ihr sehen?“ Der Mann stand auf und griff nach einem glimmenden Stück Holz.

„Hahaha! Zehn Fässer! Ihr seid von Sinnen!“ Rank lachte.

„Wollt ihr?“

Rank stand auf, als er die Ernsthaftigkeit des Mannes spürte. Er nickte.

„Dann kommt und folgt mir!“ Der Mann ging voraus durch eine dichte Hecke aus schwarzem Holunder. Dahinter führte eine Treppe aus Stein in die Tiefe. Rank zögerte.

„Angst?“ Der Mann lachte und stieg hinab. Rank folgte.

Nein Angst hatte er nicht, denn er hatte ja sein Schwert bei sich.

Rank folgte dem Mann, dessen Namen er noch immer nicht kannte, hinab in das alte Gewölbe der ehemaligen Burg der Herren von Jungingen.

Kaum zu erkennen waren die Treppenstufen. Nicht mehr als ein Stück alter abgetretener Fels.

„Kommt! Kommt nur, edler Herr!“ Der Mönch machte ein sehr fröhliches Gesicht. Rank legte seine Hand nun fest um den Knauf seines Schwertes. Er rechnete mit einer Finte. Eine Falle von Wegelagerern. Zudem mochte er die Diener des Herrn nicht sonderlich. Sein Herr war der Fürst.

Eine Tür gab es nicht. Nur ein Loch, das von üppigem Efeu fast zugewuchert war.

Rank war sich sicher: Hinter diesem Loch gab es keinen Wein.

„Kommt! Kommt herein, edler Herr!“ Die Stimme des Mönches, jetzt sehr fröhlich, kam aus der Tiefe.

Rank zog sein breites Schwert aus der Scheide und schnitt damit das Efeu ab. Dann trat er mit erhobenem Schwert durch das Loch. Bereit, seinem Gegner die Stirn zu bieten.

„Holla! Der edle Tropfen in meinen Fässern wird euch nichts zuleide tun. Nicht einmal, wenn ihr gar zu viel davon trinkt!“ Der Mönch bückte sich zu einem Fass, dass mindestens drei Mann hoch war und füllte einen silbernen Humpen.

Rank hielt noch immer das Schwert erhoben. Doch sein Gesicht war erstarrt. Hatte er doch ein feuchtes Verlies, ja ein besseres Loch gefüllt mit Halsabschneidern erwartet. Jetzt blickte er auf zehn Fässer aus bestem Eichenholz. Alle höher als drei Männer.

Die Wände waren aus rohem Mauerwerk, jedoch gepflegt. Der Mönch hatte nun noch mehrere Fackeln angezündet, sodass nun alles in einem warmen Licht erstrahlte.

„Um zu Kräften zu kommen, trinkt diesen. Er ist stark und doch süß!“ Der Mönch reichte Rank den silbernen Humpen.

Rank war noch immer sprachlos. Langsam steckte er das Schwert zurück in die Scheide.

„Ich danke euch!“, knurrte er.

„Trinkt so viel ihr wollt!“ Der Mönch lächelte.

Schon nach dem ersten Schluck spürte Rank, wie die Kraft zu ihm zurückkehrte. Wärme förderte die Zirkulation seines Blutes.

„Habt Dank! Doch dies muss genügen! Es eilt! Vielleicht gebt ihr mir noch etwas mit auf den Weg! Ich zahle auch dafür!“ Rank kramte in seinem Wams.

„Nein, das braucht ihr nicht. Auch mitgeben kann ich euch nichts, da ich nur diesen Humpen habe. Aber ich zeige euch den sichersten Weg nach Jung Tal!“ Der Mönch nahm eine Fackel und trat aus dem Keller.

„Kommt, wenn es eilt.“

Rank trabte wie ein Pferd hinterher. Kaum stapfte er die Treppe zurück in den Burghof, merkte er den sich wieder verstärkenden Regen.

„Nehmt euer Pferd mit!“, rief der Mönch ihm zu, war aber schon halb den Berg hinunter.

„Wartet!“, knurrte Rank und band sein Pferd los. „So wartet doch!“, rief er durch die dunkle, klamme Nacht. Der Schein der Fackel war fast nicht mehr zu sehen. Aufsitzen und reiten war zu gefährlich. Als er den Berg hinunter war, ging es auch schon wieder bergauf. Der Regen und die feuchte Luft machten das Atmen schwer. Endlich, nach zahlreichen Biegungen sah er den Mönch am Fuße eines steilen, mit Geröll beladenen Abhangs stehen.

„Ihr seid gut zu Fuß! Das muss ich euch lassen.“ Rank keuchte wie ein alter Mann.

„Bei so einem Wetter und in so einer Nacht müsst ihr den Pfad über den hohen Berg nehmen. Er ist beschwerlich, aber sicher!“

Rank ließ seine Augen wandern. Doch beim besten Willen konnte er keinen Pfad erkennen.

„Ich sehe keinen Pfad!“

Der Mönch bückte sich mit der Fackel ganz tief zum moosbewachsenen Boden.

„Nur zwei Handbreit! Nicht mehr! Ihr müsst das Tier führen oder zurücklassen. Oben auf dem Plateau geht es nach Osten. Aber rasch! Denn die Wölfe sind immer hungrig!“

Rank atmete hörbar ein. Sollte er dieses Wagnis eingehen? Er, nur mit seinem Schwert bewaffnet. Keine Armbrust, keine Saufeder oder Spieß. Wenn er zögern würde, dann wäre die Herrin tot. Kurz blinzelte sein rechtes Auge. Kurz sah er die Bilder aus vergangenen Tagen. Er hatte Schlimmeres bewältigt.

„Gut!“, knurrte er und nahm die Zügel des Hengstes straff in seine linke Hand.

„Noch eines, edler Herr!“

„Ich bin kein Herr!“

„Gewiss! Doch lasst mich euch noch eines mit auf den Weg geben!“

Rank nickte und hielt noch einmal inne.

„Achtet auf den Bären! Er ist groß und schützt das Tal. Doch euch droht keine Gefahr, denn ich habe die Güte und die Rechtschaffenheit in euren Augen gesehen. Und dennoch seid gewarnt. Der Bär wird alle vernichten, die schlechten Herzens sind. Das Kirchweiler Tal ist sein Revier und er duldet keine Niedertracht.“

„Ein Bär? Sagt, wie ist denn …“, doch als sich Rank umdrehte, war der Mönch weg, als wäre er nie da gewesen.

„Achtet auf den Bären, den Bären, den Bären, den …“ Plötzlich brach sich die Stimme des Mönches an allen Bäumen und an den Hängen des Berges.

Rank nahm nun die Zügel des Pferdes noch fester. Langsam stieg er den Pfad empor. In der anderen Hand hielt er die Fackel. Hätte er diese nicht, so wäre er nicht sicher, ob er dem Mönch tatsächlich begegnet wäre. Mit jedem Schritt nahmen der Regen und der Sturm wieder Fahrt auf. Die Bäume ächzten und knarrten. Es würde nicht einfach werden.

Mehrfach rutschte Rank fast die steile Böschung hinunter. Immer stärker regnete es, sodass bereits das Wasser den Pfad hinunterfloss, als wäre dies ein Bachbett.

Völlig erschöpft gelang es ihm dennoch, das Plateau zu erreichen. Rank lehnte sich an eine mächtige Tanne, welche mit ihren Ästen ihn etwas vor dem Regen schützte. Doch es half nichts, es musste weitergehen.

Nun war der immer schwieriger zu erkennende Pfad noch gesäumt von dichtem Unterholz. Zum Glück gab der Regen nach und der Mond kam hinter den Wipfeln der mächtigen Tannen hervor.

„So könnten wir es schaffen!“, murmelte er zu seinem Pferd. Doch dann stockte ihm plötzlich der Atem, als er das Heulen der Wölfe hörte. Rank erkannte sofort, dass es sich um ein großes Rudel handeln musste. Allein nur mit seinem Schwert wäre er verloren. Er würde gezwungen sein, den Hengst zurückzulassen. Dies wäre dann seine einzige Chance.

Und die seiner Herrin.

Nach Stunden der Qual stand er nun plötzlich auf einer Lichtung. Ein guter Platz, um kurz zu rasten. Jedoch auch ein guter Platz für einen Angriff durch das Rudel. Rank hob ein altes Brett auf, welches er im aufgeweichten Boden entdeckt hatte.

>Jung Tal< stand in lateinischer Schrift darauf. Doch in welche Richtung es einst zeigte, dass konnte er nicht erkennen. Jedoch den kleinen Pfad, der sich erneut eine steile Böschung hinunterschlängelte.

Das Heulen der Wölfe kam näher. Auch bemerkte er die dunklen Augen nicht, die ihn, seit er den Pfad bestiegen hatte, nicht aus dem Blick ließen.

Am unteren Ende quoll eine üppige Quelle aus dem Geröll. Rank beschloss, dem Wasser zu folgen, denn dies würde ihn unweigerlich ins Tal führen.

Plötzlich rutschte er aus und verlor auch den Halt durch die Zügel. Wie ein Schlitten im Winter rutschte Rank fluchend weiter bergab. Durch Dornen und Gestrüpp bis …

„Verdammt!“ Rank lag mit dem Rücken auf einer duftenden Wiese. Die Sonne war aufgegangen und tauchte alles in ein warmes, friedliches Licht. Rank stand auf. Der Hengst hatte wohl auch seinen Weg gefunden und äste genüsslich rechts von ihm.

Der Blick von Rank wanderte durch das Tal. Ein friedliches Tal. Vor ihm lag ein kleines Gehöft mit einer Kapelle. Das Gehöft war nicht mehr als eine Scheune. Sanfte Hügel und Wiesen wechselten sich mit kleinen Äckern. Ausgedehnte Obstgärten konnte er erkennen. Im Hintergrund lag ein kleines Dorf mit Dächern aus Stroh.

Alle Anspannung wich aus ihm. Sollte es ihm einmal vergönnt sein, einen Lebensabend zu haben, dann wäre dies der Ort, an dem er ihn verbringen wollte. Hier an einem so schönen friedlichen Ort.

„Na du, wenn es ein Paradies gibt, so wäre es hier!“, sagte er und nahm die Zügel des Hengstes.

Plötzlich krachte es im Unterholz hinter ihm. Rank zog sein Schwert.

„Der Bär!“, keuchte er und war auf das Schlimmste gefasst. Rank zog sein Schwert und starrte auf das dichte Unterholz.

Noch immer krachte es und an den Bewegungen der Blätter sah er, dass etwas auf ihn zukam. Doch dies war kein Bär. Nein, es war eine alte Frau mit einem Buckel, den es keinen zweiten geben konnte. Darauf hatte diese noch ein Bündel Holz gebunden. Mit ihrer Rechten stützte sie sich auf einen krummen Stab. Sie trug einen ledernen Schurz und ein blaues Kopftuch. Dazu klobige lederne Schuhe.

„Wer isch er? Wer isch er?“, murmelte diese und umrundete Rank unaufhörlich.

„Halt! Bleibt stehen!“ Rank drehte sich um die eigene Achse.

„S isch a Rittr! A Rittr!” Die alte Frau umrundete Rank immer schneller.

„Halt sage ich!“ Rank war nun wütend. Auch verstand er den Dialekt der Frau kaum.

Die Frau blieb stehen und stützte sich auf ihren Stab. Dann schaute sie Rank mit ihrem wettergegerbtem Gesicht und sehr dicken Tränensäcken durchdringend an.

„A Rittr! Ohne Farb und Wappa!“

„Wer seid ihr?“ Rank hatte noch immer das Schwert in der Hand. Doch es schien ihm nun plötzlich mehr als unpassend. Hier drohte ihm nun keine Gefahr.

„D Kättr! Und wer bischt du?“ Rank antwortete zuerst nicht.

„Rank!“

„So, jajaja!“ Die Alte legte ihren Kopf etwas zur Seite.

„Was wollt ihr Kätter?“

„I zeig dür dr Weg! Det leids, Jung Tal! Gang schnell, stot schlächt ums Land!“

„Woher wisst ihr?“, schrie Rank, doch die Kätter war weg. Erschrocken drehte er sich noch einmal um die eigene Achse. Doch sie war plötzlich und lautlos verschwunden.

Rank nahm die Zügel des Hengstes und machte sich auf zum Gehöft. Dies sollte das Kloster der Johanniter sein. Jung Tal?

Nein, dies war nur ein Gehöft. Doch dann wäre er falsch. Und es war sicherlich kaum noch Zeit.

Die Vögel zwitscherten und Rank wurde ruhiger.

„Ja, einen solchen Ort hätte ich mir nie erträumt!“, murmelte er und ging zielstrebig auf einen Mann zu, der gerade dabei war, in einem Feld mit einer Hacke zu arbeiten.

„Ich suche das Kloster der Johanniter! Jung Tal!“, rief er dem Mann zu.“ Dieser legte die Hacke beiseite und kam auf Rank zu.

„Ja Herr, ihr habt es gefunden! Seid willkommen!“ Der Mönch hatte nicht den eigentümlichen Dialekt des Tales. Auch sah Rank hinter den Augen des Mannes mehr als der äußere Schein hergab. Doch noch konnte er die Dinge nicht zusammenreimen. Der Mönch verneigte sich vor Rank.

„Lasst das, ich bin kein Herr! Ist das wirklich euer Kloster?“

„Gewiss! Das Land ist fruchtbar und der heilige Johannes hat auch schon eine Unterkunft erhalten. Zwar noch klein, aber sehr beschaulich.“ Der Mönch zeigte auf eine sehr kleine Kapelle, welche in hellem Weiß erstrahlte. Er wusste nichts von der tiefen Abneigung von Rank gegen alles, was mit Glauben zu tun hatte. Noch nicht.

„Und wer ein solches Schwert führt, der ist ein Herr!“ Der Mönch zeigte auf den Knauf von Rank Schwert. Dieser warf seinen Umhang darüber, antwortete jedoch nicht.

„Euer Herr schickt mich! Es eilt, ich muss mit dem Prior sprechen, sofort!“, sagte Rank lauter als er wollte.

„Den habt ihr bereits gefunden! Mein Name ist Bruder Arkas, doch ihr könnt mich auch Guther von Wertmann nennen. So wurde ich getauft. Doch wenn ihr wirklich von unserem Herrn komm, so müssen wir noch eine Kapelle bauen. Eine für euch!“ Der Mönch lächelte.

„Fürst Friedrich schickt mich! Es ist sein Land und somit ist er euer Herr.“ Dieses Mal war es der Mönch, der nicht antwortete.

Er führte Rank durch mehrere hölzerne Gatter, in denen abwechselnd Schweine und Ziegen weideten.

„Hört, ich benötige Lanceolata Kraut! Die Gräfin hat schlimmen Wundbrand.“

Der Mönch drehte sich um und schaute Rank tief in die Augen. Rank sah die Augen des Mönches, die eine unheimliche Güte und Milde ausstrahlten. Zum ersten Mal seit einer langen Zeit dachte er darüber nach, seine Meinung über die Männer Gottes zu ändern.

„Ihr seid ein tapferer Mann. Der Graf kann stolz sein, einen solchen wackeren Kämpfer in seinem Banner zu haben. Doch seid ihr müde und erschöpft. Ich hole das Kraut und einer meiner Brüder wird euch ein einfaches, aber gutes Mahl servieren. Wein gibt es keinen, dafür ist das Tal zu kalt, aber Bruder Ambros braut einen trinkbaren Met!“

Bruder Arkas verschwand im Gehöft und Rank merkte erst jetzt, wie seine Knochen schmerzten. Die Kämpfe aus den vergangenen Tagen hatten doch Spuren hinterlassen.

Ächzend sank Rank auf eine hölzerne Bank vor dem Gehöft. Es war still. Nur der einsame Schrei eines großen Milans, der sanft seine Runden in den Strahlen der Sonne drehte, sorgte für Abwechslung.

„Doch wirklich, hier würde ich bleiben, wenn ich könnte!“ Rank brummte in sich hinein. Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und ein äußerst korpulenter Mönch trat heraus. In der einen Hand hielt er einen hölzernen Humpen. In der anderen ein Brett mit verschiedenen Fleischsorten darauf.

„So, edler Herr, lab euch an den Speisen, die uns der Herr in seiner ewigen Güte zuteilwerden lässt!“ Der Dicke Mönch stellte die Speisen direkt vor Rank.

„Habt Dank!“, murmelte dieser und genoss die wärmende Sonne, welche die Kälte aus der vergangenen Nacht aus seinen Gliedern vertrieb.

Der Dicke setzte sich Rank gegenüber und beobachtete jeden einzelnen Bissen. Offensichtlich hätte dieser auch Hunger, auch wenn seine Leibesfülle eher den Eindruck vermittelte, dass er auf Monate keinen verspüren konnte.

„Das ist also das Kloster Jun Tal!“ Rank war neugierig.

„Ja, Herr, wir sind noch im Aufbau! Doch das Tal ist sehr fruchtbar!“ Der Mönch ließ das Brett mit den Speisen dabei nicht aus dem Blick.

„Ihr seid nicht lange im Tal!“ Rank war neugierig.

„Nein, erst den zweiten Sommer!“

„Wie viele seid ihr?“

„12 Brüder, die gleiche Zahl wie die Apostel des Herrn!“ Der Mönch wirkte stolz. Doch die Erklärung wäre nicht nötig gewesen. Rank wusste über das Christentum mehr als es ihm lieb wäre.

Rank nahm einen großen Schluck aus dem Humpen, der mit Met gefüllt war.

„Außerordentlich!“, platze es aus ihm heraus. Noch nie hatte er einen so guten Met getrunken.

„Der steht dem Wein in nichts nach!“

„Danke, Herr!“, sagte der Mönch und wirkte noch stolzer.

„Ich bin kein Herr!“, brummte Rank.

„Und doch tragt ihr ein solches Schwert!“ Der Mönch deutete auf den Knauf des Schwertes von Rank. Rank antwortete nicht.

„Sagt, kennt ihr eine alte Frau, kaum größer als der Tisch und mit einem Buckel als wäre sie ein Bär?“

Der Mönch lächelte.

„Ja, die Wetter Kätter! Ein altes Kräuterweib. Manche sagen, sie stünde mit dem Teufel im Bunde!“

„Warum?“

„Nun, sie ist überall. Plötzlich taucht sie auf! Niemand weiß, wo sie wohnt. Niemand weiß, wie alt sie ist. Sie lebt mit den Wölfen und man sagt, sie weist dem Bären den Weg!“

Rank horchte auf. Schon wieder wurde der Bär erwähnt. Er nahm noch einen großen Schluck, bevor er mehr erfahren wollte.

„Ein Bär! Gibt es denn welche hier im Kirchweiler Tal?“ Rank schnitt sich noch ein Stück der vorzüglichen Wurst ab.

„Die Menschen drüben im Dorf berichten, dass es früher viele Bären gab. Doch jetzt sei nur noch ein altes riesiges Tier übrig, das über das Tal wachen würde.“ Der Mönch machte dabei ein sorgenvolles Gesicht.

Rank hingegen war zufrieden. Alles nur eine Geschichte aus den Köpfen der einfältigen Menschen.

„So, hier habt ihr frisches Lanceolata Kraut.“ Bruder Arkas reichte Rank einen ledernen Beutel. Rank sprang auf und nahm den Beutel an sich.

„Habt Dank! Mein Herr ist tief in eurer Schuld!“, sagte Rank.

Der Mönch verneigte sich schweigend.

Plötzlich durchbrachen laute Schreie die friedliche Stille.

„Was ist da los?“ Rank eilte um das Gehöft. Dort standen einige Soldaten, die ein fremdes Banner bei sich trugen. Rank erkannte es! Es war das Banner der freien Reichsstadt Rottweil.

Die Soldaten zerrten an einem Ochsen. Ein sehr dünner und junger Mönch hielt dagegen.

„Nein, den brauchen wir für die Feldarbeit!“, schrie er.

„Ihr schuldet uns noch immer den 10.!“, rief der Kommandant und grinste hämisch. Rank wollte sein Schwert ziehen, als er auf dem Knauf bereits eine fremde Hand spürte. Es war die Hand von Bruder Arkas.

„Es ist nicht die Zeit dafür!“, flüsterte dieser Rank in das Ohr.

„Was geht hier vor?“, brüllte dieser jetzt an die Soldaten. Augenblicklich verstummten diese.

„Wen haben wir denn da? Einen dunklen Herrn?“ Der Kommandant der Rottweiler lachte.

„Dies ist das Land des Fürsten Friedrich zu Zollern. Nur er hat das Recht, den 10. zu fordern!“

„Das ist ein Gut der Johanniter! Hier bedienen wir uns so lange wir wollen! Hat dein Herr nur einen Recken? So ist er wohl ein armer Herr?“

Das war zu viel! Rank wollte nun sein Schwert ziehen, doch der Prior hielt ihn mit einer Kraft zurück, die Rank von dem kleinen hageren Manne nicht erwartet hatte.

„Noch nicht! Noch ist die Zeit nicht reif dafür!“, flüsterte er wieder in das Ohr von Rank. Dann wandte er sich an den Kommandanten der Rottweiler.

„Nehmt den Ochsen, und dann geht!“

„Aber Bruder …“ Der junge Mönch war fassungslos.

Bruder Arkas drehte sich noch einmal um.

„Und geht mit Gottes Segen!“, sagte er, als er Rank zurück um das Gehöft zog.

Rank war mehr als unzufrieden. Er hätte das Land seines Herrn hier und jetzt verteidigen müssen. Doch spürte er auch eine Kraft, welche von dem unscheinbaren Mönch ausging, die stärker zu scheinen schien als die eigene.

„Ich muss mich entschuldigen, edler Rank, denn ich schulde euch noch eine Antwort!“, sagte Bruder Arkas.

„Inwiefern?“ Rank band den Hengst los.

„Nun, dies ist nicht Besitz eures Herrn, dem Grafen zu Zollern.“

„Es ist sein Land, seine Grafschaft!“ Bruder Arkas hatte die Hand erhoben, um Rank zu signalisieren, dass er noch nicht ausgesprochen hatte.

„Unser Orden hat diesen Grund von den freien Herren zu Jungingen rechtmäßig gekauft. Wir sind frei und unser Herr ist Gott.“

Rank brummte etwas Unverständliches. „Mag sein, doch dann stünde jenen erst recht kein 10. zu!“ Rank zeigte auf den Trupp der Rottweiler, die talabwärts zogen und den Ochsen mit sich nahmen.

„Es gibt Zeiten des Kampfes, aber auch welche der Besonnenheit! Ich weiß, dass ihr mich versteht, edler Rank! Und nun noch eines: Nehmt mein Pferd, es ist schneller und ausgeruhter als das eure.“

Rank, der bereits aufgesessen war, kletterte noch einmal herunter und schaute auf das edle Tier, das der junge Mönch aus dem Gehöft führte.

„Das ist ein arabisches Tier! Schnell wie der Wind und dennoch kühn!“ Die Augen von Rank weiteten sich.

„Ich wusste, dass ihr seine Fähigkeiten erkennt!“

„Das ist ein Vermögen wert, ich kann dies nicht annehmen!“ Rank begann zu stottern.