Der Tod im Doppelpack - H.C. Scherf - E-Book

Der Tod im Doppelpack E-Book

H.C. Scherf

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Beschreibung

Erwacht das Böse in uns, stirbt zuerst die Seele Die Erkenntnis darüber, dass sie sich im aktuellen Fall mutmaßlich mit einem mordenden Pärchen auseinandersetzen müssen, schockiert das Team um Gordon Rabe. Grausame Wunden, die alle Opfer aufweisen, zeigen, dass jemand lustvoll tötet und von Hass besessen sein muss. Wer bisher glaubte, dass nur Männer zu solchen Taten fähig sind, wird sein Weltbild korrigieren müssen. Ein Fall, der die Essener Soko vor Rätsel stellt, da die Täter perfekt verstehen, ihre Spuren zu verwischen. Als wäre das nicht ausreichend, muss sich Gordon um einen alten Fall kümmern, der ihn in tödliche Gefahr bringt.

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DER TOD IM DOPPELPACK

 

Von H.C. Scherf

 

Thriller

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im

Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

DER TOD IM DOPPELPACK

 

© 2020 H.C. Scherf

Ewaldstraße 166 – 45699 Herten

http://www.scherf-autor.de

[email protected]

 

Alle Rechte vorbehalten

 

Aktives Mitglied im Selfpublisher-Verband e.V.

 

Covergestaltung: VercoDesign, Unna

Bilder von:

majdansky / dgool / beide Clipdealer

Fabiana Ponzi / 4PM production /

Pindyurin Vasily / Roman 3d Art / alle shutterstock

 

Lektorat/Korrektorat: Heidemarie Rabe

[email protected]

 

Dieses E-Book ist geschützt und darf ohne Genehmigung des Autors nicht

vervielfältigt oder weitergegeben werden.

 

 

Warum die Hölle

im Jenseits suchen?

Sie ist schon im Diesseits vorhanden,

im Herzen der Bösen

 

Jean-Jacques Rousseau (1712 - 1778), Genfer Philosoph, Schriftsteller, Pädagoge und Naturforscher

 

1

»Entschuldigt bitte, wenn wir etwas früher da sind, als es verabredet war. Es fiel uns schwer, abzuschätzen, wie lange wir für den Weg brauchen. Dürfen wir schon reinkommen?«

Klaus und Karin Molchert hatten den Passat in einer Nebenstraße geparkt, da sie sich nicht sicher waren, ob die Nachbarschaft in die Unternehmen ihrer Gastgeber eingeweiht war. Zum ersten Mal hatten sie selbst den Mut zu solchen Treffen aufgebracht. Lange Diskussionen waren diesem Vorhaben vorausgegangen, um dann endgültig zu einem Entschluss zu kommen. Die Annonce in der Zeitung ließ Raum für Interpretationen. Erst ein Telefonat schaffte darüber Klarheit, dass man gewisse Vorlieben, was das Sexleben betraf, miteinander teilte. Heute sollte es passieren – ein neues Kapitel im Leben des Ehepaars Molchert aufgeschlagen werden.

»Aber das ist doch gar kein Problem. Wir freuen uns darüber, dass ihr gekommen seid. Wir haben schon mehrfach erlebt, dass die Gäste nicht kamen, da sie sich das im letzten Moment überlegt hatten. Rein in die gute Stube. Ihr dürft euch wie zu Hause fühlen. Richard kommt sofort. Er holt Wein aus dem Keller.«

Die Molcherts wechselten einen Blick der Erleichterung und kamen überein, dass der erste Eindruck, was ihre Gastgeber und das Umfeld betraf, absolut positiv ausfiel. Sie traten in die Diele des großzügig bemessenen Einfamilienhauses. Schon allein der Eingangsbereich besaß die Abmessungen von Molcherts halber Wohnung. Scarlett Rosbach, wie sie sich am Telefon vorgestellt hatte, ging voraus und öffnete die Schiebetür zum Wohnzimmer. Sie geleitete den Besuch zur Theke der Hausbar und bot freundlich lächelnd Plätze auf den Barhockern an. Karin und Klaus betrachteten die prallen Kurven der Gastgeberin, die sich hinter den Tresen begab. Beiden schien weiterhin zu gefallen, was sie sahen. Besonders hervor stach die üppige Oberweite von Scarlett, die sie scheinbar gerne zur Schau stellte, indem sie einen weiten Ausschnitt ihres Kleides zuließ. Das Zuschlagen einer Tür lenkte die Besucher von der Gastgeberin ab. Karins Mund öffnete sich einen Spalt, als sie den Partner von Scarlett bemerkte. Geschätzte muskelbepackte Einsfünfundneunzig waren in ein enges Sportdress gepresst worden und bewegten sich geschmeidig auf sie zu. Trotz seines glattrasierten Schädels war erkennbar, dass sich dieser Mann in den besten Jahren um die vierzig befand und topfit war. Ein Grund mehr für Karin, sich vorzustellen, dass sich diese bärenstarken Arme um ihren Körper schlingen könnten. Sicher, Klaus gehörte ebenfalls zu den aktiven Männern. Doch nach einer Blasen- und Prostataentzündung war seine Leidenschaft ein wenig zurückgefahren worden. Er wusste, dass Karin es hart liebte, und war schon deshalb auf ihren Vorschlag eingegangen, es einmal mit einem flotten Vierer zu versuchen. Statt mit einem Händedruck begrüßte Richard sie mit einem knappen, aber freundlichen Kopfnicken. Er stellte die vier Flaschen Rotwein ab und klopfte Scarlett auf den Hintern.

»Hast du unseren Gästen nichts angeboten? Sie werden sicherlich Hunger und Durst haben. In wenigen Minuten gibt es eine Kleinigkeit für alle. Doch zuvor möchte ich loswerden, dass wir uns auf euch freuen. Das wird bestimmt ein interessanter Abend. Ein Glas zum Einstimmen?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, goss Richard den Wein in die bereitgestellten Gläser. Schnell fand man bei lockeren Gesprächen zu einer guten Stimmung, zumal Scarlett relativ häufig ihre prallen Brüste an die Schulter von Klaus drückte, was dem zunehmend besser gefiel. Unter einer Kleinigkeit verstanden die Gastgeber allerdings etwas völlig anderes als die Molcherts. Schon die Vorspeise, bestehend aus jeweils zwei Austern auf grobem Salzbett, beeindruckte die beiden Besucher, die eher die Hausmannskost gewohnt waren. Als dann die Ochsensteaks auf Feigen, sowie die verschiedenen Salate auf Honig-Senf-Soße folgten, winkte Karin beim Dessert dankend ab. Die ersten beiden Flaschen hatten den Weg durch die Kehlen der zwei Pärchen gefunden, als Scarlett endlich die entscheidende Frage stellte.

»Ist das für euch das erste Mal? Ich meine damit, dass ihr es bisher nur miteinander getrieben habt. Mir scheint, als hättet ihr etwas Angst, besser gesagt, ihr seid ein bisschen befangen. Das müsst ihr nicht sein. Wir finden, dass jeder Mensch das Recht besitzt, tun zu dürfen, wonach es ihm ist. Wir waren auch schon einmal in der Phase, wo es für uns ein wenig langweilig im Bett wurde. Ich will damit nicht andeuten, dass ich Richard nicht mehr geliebt hätte. Da war eher so das Gefühl der Routine, wenn ihr wisst, was ich meine. Wie seht ihr das bei euch?«

Scarletts direkte Ansprache ließ zwei irritierte Besucher zurück, die sich mit einem kurzen Blickkontakt darüber verständigten, wer die Antwort geben sollte. Karin fühlte sich berufen, das zu erledigen.

»Nicht dass ihr meint, es wäre zwischen uns langweilig geworden, aber das mit der Routine trifft es recht gut. Das Feuer der früheren Tage fehlt ein wenig, obwohl es immer noch schön mit Klaus ...«

»Ich verstehe das gut«, unterbrach Scarlett sie und strich über Karins Unterarm. »Das schreit förmlich nach Abwechslung. Genau das haben wir uns vor Jahren gesagt und uns darauf eingelassen, ab und zu Gäste einzuladen. Wenn man sich auf dieser Ebene verstand, haben wir schon oft reichlich Spaß bekommen. Habe ich euch übrigens am Telefon gesagt, dass ihr hier gerne übernachten dürft? Ich denke, dass der Wagen sowieso stehen bleiben müsste.«

Um diese Aussage zu unterstreichen, hob Scarlett ihr Glas und prostete allen zu. Nachdem sie es wieder absetzte, gab sie Karin einen Kuss, die leicht errötend zurückwich.

»Oh, entschuldige, Liebste, das darfst du mir nicht übel nehmen, aber ich neige beim Trinken immer mal dazu, etwas bi zu sein. Ich mag es hin und wieder, es mit Frauen zu treiben. Würde dich das stören?«

Karins hilfloser Blick irrte zwischen Klaus und Richard, die beide ein aussageunfähiges Lächeln auf dem Gesicht zeigten, hin und her. Deshalb entschied sie sich für eine ausweichende Antwort.

»Nicht so direkt, Scarlett. Ich möchte nur damit sagen, dass ich es bisher nicht versucht habe. Schauen wir mal.«

Als Richards Hand Karins berührte, fühlte die sich unendlich befreit und beobachtete, wie sich gleichzeitig Scarletts Finger zwischen die Schenkel von Klaus bewegten.

»Wir haben euch bisher ja gar nicht das Spielzimmer gezeigt. Habt ihr Lust, mitzukommen, oder ist es für euch zu früh?«

Scarlett hatte, während sie die Frage stellte, längst ihre Arme um den jetzt errötenden Klaus gelegt und zog ihn hoch. Karin stieß einen Überraschungsruf aus, als Richards mächtige Arme sie aus dem Stuhl hoben und sie beide den anderen folgten. Als sich Scarlett vor Klaus rückwärts auf das breite Bett fallen ließ, offenbarte ihr hochrutschender Rock, dass sie komplett auf Unterwäsche verzichtet hatte. Unentschlossen stand Klaus vor ihr und suchte Karins Blick. Der war nur schwer zu erreichen, da sich Richard bereits mit seiner neuen Eroberung auf den Weg machte, das Zimmer zu wechseln. Eine feste Hand zerrte Klaus auf das Bett, wo er neben der schrill lachenden Scarlett zum Liegen kam. Sie riss ihm die Kleidung vom Körper und drückte ihren gewaltigen Busen auf sein Gesicht.

2

Leonie Felten biss herzhaft in den Berliner Ballen und fluchte laut, während ihr die Marmelade über die Wange lief, die seitlich aus der Zuckerhülle herausquoll. Fast hätte sie zum Abwischen den Zettel benutzt, den ihr der Kollege Kai Wiesner einen Moment zuvor auf den Tisch geschoben hatte. Noch während sie die Serviette zur Reinigung verwandte, las sie die Nachricht, die ihre Abteilung vor Minuten erreicht hatte.

»Muss ich da unbedingt mit hin? Kannst du nicht mit Gordon den Tatort besichtigen? Ich habe den Bericht vom gestrigen Suizid vor der Brust. Der soll bis vierzehn Uhr fertig sein.«

Kai, der sich schon auf dem Weg zur Garderobe befand, schüttelte den Kopf und griff nach dem Trenchcoat, der bereits zu seinem Aushängeschild innerhalb des Präsidiums geworden war.

»Gordon ist beim Alten und hat schon angeordnet, dass wir beide vor Ort erste Erkundigungen einholen. Ich brauche dort sowieso deine Hilfe. Hört sich ziemlich spektakulär an. Direkt zwei Tote in dieser elitären Umgebung. Die Presse ist schon vor Ort. Das hat sich rasend schnell rumgesprochen. Kommst du jetzt endlich? Nimm deine Kuchentüte mit. Ich fahre.«

Beide saßen bereits im Auto, als Kai seiner Partnerin entschlossen das Papiertaschentuch aus der Hand nahm und vorsichtig die letzten Marmeladenreste über ihrer Oberlippe abtupfte. Das aufflammende Flackern in Leonies Augen ließen ihn die Hand zurückziehen. Einmal mehr hatte Kai unterschätzt, wie empfindlich diese Frau darauf reagierte, wenn sie an ihren Damenbart erinnert wurde. Mit einer entschlossenen Geste entriss sie ihm das Taschentuch und stieß ihm die Faust gegen die Schulter.

»Was soll die Scheiße? Ich weiß selber, dass die paar Haare dort wachsen. Ich muss nicht jeden Tag aufs Neue daran erinnert werden. Kümmere dich um deine eigenen Gebrechen, verdammt. Es können nicht alle so glatt rasiert sein wie ein Kinderarsch, Glatzkopf. Geht es langsam vorwärts oder brauchst du das Navi?«

 

»Wow, das nenn ich mal eine geile Hütte. Gibt es hier möglicherweise ein Gesindehaus für die Angestellten?«

Leonie war sichtlich beeindruckt von dem traumhaft ausgestatteten Haus der Familie Rosbach, das inmitten einer Parkanlage gelegen war. Selbst hier im Reichenviertel von Essen-Bredeney fiel dieses Anwesen auf. Der gesamte Eingangsbereich war von der Polizei abgesperrt worden, damit die Fotografen der örtlichen Zeitungen nicht in den Wohnbereich eindringen konnten. Ein Beamter hob das Band, um die beiden Kripobeamten durchzulassen. Schon in der Diele wurden sie von etlichen Kollegen der Spurensicherung begrüßt, die in weißen Schutzanzügen eingehüllt, durch die Räume schlichen. Einer von ihnen reichte den beiden Überzieher für die Schuhe.

»Wieder einmal ist Dr. Lieken vor uns da. Siehst du ihn dort hinten? Gordon kann wohl nicht ohne ihn.«

Kais mächtiger Arm wies in einen der Nebenräume, folgte dann der Kollegin, die sich wortlos in die angezeigte Richtung bewegte. In der Tür blieb sie abrupt stehen und schlug die Hand vor den Mund.

»Oh Gott, was ist denn hier passiert? Das ist ja eine Riesensauerei. Das ist ja irre.«

Erst jetzt, nachdem er einen Blick in den Raum werfen konnte, wusste Kai, wovon Leonie sprach. Selbst er musste schlucken und sich einen Moment abwenden. Dr. Lieken tauchte neben dem Riesenkerl auf und sah zu ihm auf.

»Da hat jemand ganze Arbeit abgeliefert. Ich werde eine Zeit brauchen, bevor ich die Einzelteile zusammengesetzt habe. Doch das hier ist nur ein Vorspiel. Der Hauptakt spielte sich zwei Räume weiter ab. Da liegt etwas, das vorher einmal ein Mann gewesen sein muss. In der letzten Nacht hat jemand das Tor zur Hölle sperrangelweit offen gelassen. Da war Satan persönlich am Werk. Eine verschluckte Handgranate hätte nicht mehr angerichtet. Kommt mal mit nach nebenan. Wo ist Gordon? Fehlt ihm die Lust an der Arbeit oder hat der arme Kerl keine Zeit?«

Die beiden Ermittler ließen die Frage des Rechtsmediziners unbeantwortet und folgten ihm mit einem mulmigen Gefühl. Was sie vorfanden, überstieg all ihre Vorstellungen. Völlig entsetzt starrten sie auf das Kunstwerk, das sich ihren Augen bot. Vor ihnen präsentierte sich ein riesiges Bett, das von pompösen Möbeln aus der Chippendale-Epoche umrahmt wurde. Nicht im Traum hätte sich damals der englische Tischler Thomas Chippendale vorstellen können, dass seine von ihm kreierten Möbel einmal als Kulisse einer solch unglaublichen Szene hätten dienen können. Leonie suchte die Hand des Kollegen und drückte sie fest. Die andere Hand lag wieder über ihrem Mund. Leonies Augen suchten die Wände ab, die vor allem im Kopfbereich des Bettes große Blutflecken aufwiesen, so als hätte es jemand mit der Kelle dort verteilt. In den Augen des Mannes, dessen Glieder weit ausgestreckt das einst weiße Laken bedeckten, spiegelten sich all das Grauen und die Schmerzen, denen das Opfer vor seinem schrecklichen Tod ausgesetzt war. Ein Panzerband überdeckte den Mund. Der Leib war vom Hals an bis zum Penisansatz aufgeschnitten worden. Die Organe wurden dem Opfer herausgerissen und lagen neben dem Körper. Nur das Herz war an seiner angestammten Stelle verblieben, so als wollte der Mörder, dass es bis zum Ende der Tortur weiter schlug. Der Fäkaliengeruch in dem großen Raum war unerträglich. Leonie drehte sich endgültig ab und eilte an die frische Luft.

Erst bei Wiederholung der Frage wurde ihr bewusst, dass inzwischen ihr Chef Gordon Rabe eingetroffen war und sie schüttelte.

»Was ist mit dir? Du siehst beschissen aus. Setz dich auf die Treppe und beruhige dich. Ich sage einem Sani Bescheid, damit man sich kümmert.«

»Nein, nein, Gordon. Es geht schon wieder. Ich hätte die Berliner nicht essen dürfen. Ich vertrage so viel Süßes einfach nicht.«

»Jetzt häng mal nicht die Harte raus. Ich habe schon erfahren, was hier los ist. Du bleibst noch einen Moment sitzen und ich werde mir das da drin mal genauer ansehen. Ist Klaus da?«

»Jau – Dr. Lieken war zuletzt mit Kai im hintersten Zimmer auf dem Flur. Doch mach dich auf was gefasst. Das ist der absolute Wahnsinn.«

Obwohl Gordon schon vorgewarnt war, blieb er dennoch erschüttert im Eingang des Schlafzimmers stehen. Stumm beobachtete ihn Dr. Lieken, bevor er langsam auf den Hauptkommissar und Freund zusteuerte.

»Da hat sich jemand heute Nacht so richtig ausgetobt. Hast du schon das andere Zimmer gesehen? Da liegt eine Frau, die Ähnliches mitgemacht haben muss. Aber dennoch ist da etwas anders. Das Ergebnis ist zwar vergleichbar blutig, doch an gewissen Details ist erkennbar, dass da ein anderer am Werk war. Wir haben es meiner Meinung nach mit zwei Tätern zu tun. Zumindest wurde die Frau nicht so pervers ausgeweidet wie dieser arme Kerl. Doch wurde sie mehrfach brutal vergewaltigt, bevor der Täter ihr den Hals zudrückte. Warum er ihr diese vielen Messerstiche zufügte, kann ich nicht erklären, denn das geschah post mortem. Das erkenne ich an der relativ geringen Blutung. Das Herz pumpte da schon nicht mehr.«

Immer wieder überraschte Klaus Lieken den Hauptkommissar damit, wie sachlich und unberührt vom Geschehen er die Situation erfasste und analysierte. Er zog ihn zurück in die Diele und suchte den Blickkontakt mit dem Freund, den er um mindestens Haupteslänge überragte.

»Hast du weitere Hinweise auf den oder die Täter gefunden?«

»Nein, bisher nicht«, antwortete der Rechtsmediziner, »außer einer Tatsache. Nach Aussage der Reinigungskraft, die das hier heute Morgen vorgefunden hat, handelt es sich nicht um die Eigentümer. Sie kennt diese Leute gar nicht. Die Kollegen haben aber eine Handtasche gefunden, in denen Papiere gewesen sein sollen. Die müssten dir mehr dazu sagen können. Ich mach mich wieder an die Arbeit. Spätestens übermorgen hast du den Bericht von mir auf dem Tisch.«

3

»Jetzt setzt euch doch endlich mal hin, verdammt. Wir kommen nicht weiter, wenn jeder mit seinem Nachbarn diskutiert.« Gordon klopfte energisch auf die Platte des Besprechungstisches und fuhr fort, nachdem alle ihren Platz eingenommen hatten. »Ich begrüße an dieser Stelle die Kollegen und Kolleginnen, die uns für diese Soko zur Seite stehen werden. Und mein Dank an den Kriminalrat Kläver, der kurzfristig die Genehmigung dazu erteilt hat. Der Name für diese Soko ist Bredeney. Ich habe direkt zu Beginn den Kollegen Lieken aus der Rechtsmedizin hinzugebeten, der uns Details zum Zustand der Opfer und erste Ergebnisse seiner Untersuchungen geben kann.«

An dieser Stelle unterbrach Gordon Rabe seine Einleitung und wartete ab, bis auch der Letzte damit aufhörte, auf den Tisch zu klopfen. Er fuhr fort.

»Etwas Bedeutsames stelle ich direkt an den Anfang. Bei den Opfern handelt es sich nicht, wie zuerst angenommen wurde, um die Besitzer der Villa. Die Familie Rosbach erfreut sich bester Gesundheit und ist von uns benachrichtigt. Sie dürften sich längst auf dem Rückflug von Argentinien befinden, wo sie bereits seit drei Wochen ihren Urlaub verbringen. Wir haben es bei den Opfern mit dem Ehepaar Molchert zu tun, das sich aus einem bestimmten Grund in diesem Haus aufhielt. Wie wir aus den ermittelten Handydaten herausfiltern konnten, waren sie mit einem anderen Pärchen dort verabredet, um einen Partnertausch durchzuführen. Diese Leute und vermutlichen Täter benutzten augenscheinlich den Namen der tatsächlichen Eigentümer.«

Gordon unterbrach das aufbrandende Gemurmel mit einem energischen Klopfen auf die Tischplatte. Kai meldete sich zu Wort und ergänzte dessen Andeutungen.

»Wir konnten bei der Analyse der Handydaten herausfinden, dass es einen intensiven SMS-Kontakt zwischen der besagten Familie Molchert und einem Anschluss gab, der zu einem Prepaidtelefon gehörte. Unter dieser Nummer meldet sich allerdings niemand mehr, die Leitung ist tot. Wir können aber festhalten, dass sich der Teilnehmer, besser gesagt die Teilnehmerin, mit dem Namen Scarlett Rosbach ansprechen ließ. Man verabredete sich nach tagelangem Hin und Her in diesem Haus. Wir sollten davon ausgehen, dass der Vorname Scarlett ebenfalls falsch sein dürfte und sie den nur benutzte, weil die Hausbesitzerin so heißt.«

An dieser Stelle übernahm Leonie, die zur Magnetwand ging und eine Planskizze dort befestigte, die einen klaren Abriss der unteren Etage der Rosbach-Villa zeigte. Ihr Finger wies auf eine Tür, die sich an der Rückseite des Hauses befand und vermutlich den Eingang zur Terrasse zeigte.

»Genau hier an dieser Tür fanden wir Einbruchsspuren. Das erklärt aber immer noch nicht, wie die Einbrecher es schafften, die Alarmanlage auszuschalten. Die wurde direkt neben der Haustür installiert und arbeitet mit einer Verzögerung von maximal zehn Sekunden. Jemand muss innerhalb dieses Zeitfensters von der Terrassentür bis zum Eingang gesprintet sein. Das setzt zwei Dinge voraus. Derjenige muss sich im Haus ausgekannt haben und ...«, hier machte Leonie eine bedeutsame Pause. »... er kannte den PIN-Code!«

Zustimmendes Nicken und beifälliges Gemurmel folgten dieser Aussage. Leonie klatschte einmal in die Hände, woraufhin wieder Ruhe einkehrte.

»Wir können davon ausgehen, dass sich Familie Rosbach und die Täter kannten. Woher sonst sollte jemand den Code kennen? Es wäre ansonsten nur möglich, wenn die oder der Täter die Anlage selbst installiert haben. Das überprüfen wir derzeit und warten auf die Liste der aktiven Mitarbeiter und der ehemaligen, die Zugriff auf interne Daten der Installationsfirma hatten. Übrigens, bevor die Rosbachs eintreffen und uns nähere Angaben machen werden – es wurden vermutlich einige Gegenstände gestohlen. Das erkennen wir daran, dass alle Räume intensiv durchsucht wurden. Allerdings ließ man scheinbar bewusst Wertgegenstände zurück, die sich nur schwer verkaufen lassen und deren Herkunft zurückverfolgt werden könnten. Man nahm bewusst nur das mit, was sich schnell und unauffällig zu Geld machen lässt. So, das war es erst einmal von mir.«

Gordon übernahm wieder und blickte seinen Freund Dr. Lieken auffordernd an, der mit bekannt ruhiger Stimme seine Erkenntnisse zusammenfasste.

»Mit den Fotos dürfte deutlich geworden sein, mit welch unvorstellbarer Brutalität der oder besser gesagt die Täter vorgegangen sind. Insbesondere das männliche Opfer wurde praktisch ausgeweidet, was vermuten lässt, dass sich der Täter in einem Rausch befunden haben muss. Die Schnitte durch den Körper wurden nicht gradlinig geführt, sondern offensichtlich mit einer zwar scharfen, aber kurzen Klinge. Das geschah nicht in einem Zug, sondern in mehreren Phasen. Das Opfer muss noch gelebt haben, was sich an dem hohen Blutfluss erkennen lässt, der post mortem nicht mehr vorhanden gewesen wäre. Ich möchte mir die Qualen nicht vorstellen, die das Opfer erleiden musste. Anhand von diversen Fasern an den Gelenken konnten wir erkennen, dass man das Opfer vorher an den Bettpfosten festgebunden hatte. Warum die Stricke später entfernt wurden, kann ich nur dadurch erklären, dass man daran etwas hätte finden können, was auf die Täter hinweist. Es handelte sich nach unseren Erkenntnissen um eine handelsübliche Wäscheleine, die man in jedem Laden kaufen kann.«

»Wurden sexuelle Handlungen an den Opfern vorgenommen?«, wollte Kai wissen.

»Das ist eine gute Frage, die mir schon Kopfzerbrechen bereitete. Bei der toten Frau kann ich das mit Sicherheit bestätigen, obwohl dabei mit großer Wahrscheinlichkeit ein Präservativ benutzt wurde. Ich fand entsprechende Spuren in der Vagina. Dagegen konnte ich bei dem Mann keinerlei Spuren einer Lubrikation feststellen. Zur Erklärung: Das nennt man das Ausscheiden der Gleitflüssigkeit, also des Vaginalsekrets. Dieses produzieren die Bartholinischen und Skeneschen Drüsen der Frau. Nichts davon ist am Penis des Mannes vorhanden. Allerdings gibt es in der Schambehaarung ausgetrocknete Samenspuren von ihm selbst. Er muss, auf welchem Weg auch immer, einen Samenerguss erlebt haben.«

Niemand im Raum wollte diese Bemerkung kommentieren. Es herrschte eisige Ruhe. Dr. Lieken ergänzte seinen Vortrag.

»Ich habe jedoch im Gesicht des Toten zwei Schamhaare sicherstellen können, die nicht vom Opfer stammten. Es steht jetzt jedem von Ihnen frei, sich die Positionen der Personen vorzustellen. Bevor die Frage überhaupt aufkommt: Nein, es existieren keinerlei Speichelspuren am Penis des Opfers. Es handelt sich in diesem Fall definitiv um eine Täterin, die keinen Oralsex mit dem Opfer trieb. Ja, sie hören richtig, Herrschaften. Wir sprechen über eine Frau, die wir als Täterin vermuten müssen, wogegen es im Nebenraum klar einen männlichen Täter gab. Dort fand ich die Schamhaare eines Mannes, die sich mit denen des Opfers vermischt hatten. Die DNA der beiden Personen wird genau in diesem Moment mit der Datenbank des BKA abgeglichen. Möglicherweise haben wir ja Glück und es handelt sich um einen uns bekannten Wiederholungstäter.«

»Ich danke dir, Klaus«, bemerkte Gordon, nachdem der Mediziner seinen Bericht abgeliefert hatte. »Ich werde morgen versuchen, mit der Reinigungskraft, der Frau Karasek, ein Gespräch zu führen. Die arme Frau musste gestern vorsorglich in psychologische Betreuung. Sie liegt im Krankenhaus. Ich hoffe, dass sie morgen vernehmungsfähig ist und uns zur Aufklärung wertvolle Hinweise liefern kann. Ich möchte, dass ihr euch in Zweierteams zusammenschließt und die Nachbarschaft abklappert. Vielleicht hat jemand was in den letzten Tagen bemerkt, was uns hilft. Die Täter müssen die Rosbachs besucht und ausgespäht haben. Dass die sich dort eingenistet haben, kann kein Zufall sein. Bezeichnend für ihre Abgebrühtheit ist, dass sie vermutlich sogar für die Opfer gekocht haben. Die haben tatsächlich in aller Ruhe mit denen gespeist, bevor die ihnen die Organe aus dem Leib gerissen haben. Wir müssen diese Tiere fassen, denn ich glaube nicht, dass sie das zum ersten Mal taten. Außerdem besteht die Gefahr, dass sie es wiederholen. Los geht´s, Leute. Jeder weiß, was er zu tun hat.«

4

Mit argwöhnischen Blicken verfolgte Gordon Rabe das Geschehen in der Diele. Dort stand Jonas, sein autistischer Sohn, mit dem Telefon am Ohr und hörte konzentriert zu. Er hatte bereits das Gespräch angenommen, bevor Gordon seine nassen Spülhände abgetrocknet hatte und auf das hartnäckige Klingeln reagieren konnte. Aus einiger Entfernung wartete er die Entwicklung ab und vertraute darauf, dass ihm sein Sohn zeitnah das Gerät weiterreichen würde. Immer wieder kamen seine kurzen, emotionslosen Bemerkungen, die Gordon allmählich nervös werden ließen.

»Ja ... ja ... nein ... ja.«

Ungewöhnlich war es für Jonas nicht, dass er derart sparsam mit Antworten umging. Dennoch spürte Gordon, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Anruf handelte. Er war nicht schnell genug, Jonas das Telefon zu entreißen, bevor dieser das Gespräch kommentarlos beendete, indem er die rote Trenntaste drückte.

»Was war das, Jonas? Warum hast du mich nicht gerufen? Jetzt sag mir bitte, wer da am Telefon war.«

»Ein Mann.«

»Das ist ja toll. Und was wollte der Mann? Hat er nicht nach mir verlangt? Nun sag schon.«

»Weiß nicht. Nur ein Mann. Er war nett.«

»Das sagt mir nichts. Du kannst doch nicht einhängen, wenn man nach mir verlangt. Es könnte wichtig sein.«

»War es nicht.«

Jonas drehte sich um und verschwand ohne jede weitere Bemerkung in dem Zimmer, was ihm Gordon für die allmonatlichen Aufenthalte bei sich eingerichtet hatte. Es gab Augenblicke, in denen er an seine Grenzen stieß, wenn es um Verständnis dem erkrankten Sohn gegenüber ging. Das hier war so einer. Leicht genervt griff er nach dem Telefon und rief die Liste der Anrufer auf. Das Display zeigte ihm eine Nummer, die er nicht kannte, jedoch zu einem Mobilanschluss gehörte. Entschlossen drückte er die Rückruftaste.

»Ich habe deinen Anruf erwartet. Du hast einen netten Sohn, wenn man einmal von seiner Zurückhaltung absieht, die er konsequent durchzieht. Kein Wort zu viel. Aber zumindest ist er ein guter Zuhörer. Hat er dir berichtet, welches Anliegen ich habe?«

»Wer spricht da? Ich habe Ihren Namen nicht verstanden.«

Die Pause am anderen Ende der Leitung dauerte nur Sekunden.

»Du weißt genau, wer hier anruft. Hast du wirklich geglaubt, dass ich so schnell aus deinem beschissenen Leben verschwinde? Außerdem gehöre ich in die Gattung der Menschen, die nachtragend sind. Ich vergesse niemals Leute, die sich mir gegenüber schlecht benommen haben. Na? Dämmert es dir langsam? Richtig. Der See hat mich nicht gefressen. Er hat mich verschont. Du musst wissen, dass meine Zeit noch nicht gekommen ist. Dein Gott hat mich in seiner ungeheuren Gnade zurück ins Leben geholt. Haha ... so könnte man es ausdrücken. Aber die Wahrheit liegt woanders. Satan hat seine schützende Hand über mich gelegt. Er verlangt allerdings dafür eine Gegenleistung, mein Freund.«

Mittlerweile hatte sich ein dünner Schweißfilm über Gordons Körper gelegt. Er war nicht fähig zu antworten. In seiner Mundhöhle breitete sich Trockenheit aus, die er durch Schlucken zu beseitigen versuchte. So ganz hatte Gordon sowieso nicht an den Tod des Mannes geglaubt, den er noch vor Tagen in den Fluten des Baldenysees verschwinden gesehen hatte. Die Hoffnung, dass dieser Serienkiller dort den Tod gefunden haben sollte, erschien ihm von Anfang an als zu simpel. Nach einer Weile des Schweigens fuhr Pablo Martinez-Gomez fort.

»Ich sehe, dass du sprachlos bist. Diese Eigenart scheint dein Sohn von dir geerbt zu haben. Ich sagte ja schon, dass ich nachtragend sein kann. Sieh das einmal so. Ich war echt sauer, weil mir nicht geholfen wurde. Du siehst, dass ich absaufe – du bewegst aber keinen Finger, um mir zu helfen. Stattdessen versuchst du, den Arsch einer wertlosen Frau zu retten. Ich hätte dich wirklich freigelassen, du Saukerl. Ich habe bisher noch keinen Mann getötet. Ich sehe nur die Schuld in den Frauen, die ihre Männer betrügen. Und damit kommen wir dem Grund meines Anrufs schon ein klein wenig näher.«

»Was willst du von mir, du Dreckskerl? Verschone mich mit diesen bescheuerten Andeutungen und sage endlich, worauf du hinauswillst.«

»Warum so eilig, Bulle? Du solltest deine Gefühle besser im Zaum halten. Hat man dir das nicht auf der Polizeischule beigebracht?«

»Es reicht jetzt, Martinez. Ich gebe gleich eine Fahndung nach dir raus. Besonders stark dürftest du dich in der kurzen Zeit nicht verändert haben. Wir werden dich schnell zu fassen kriegen und dann für immer in eine Zelle sperren und den Schlüssel wegwerfen. Ich habe wenig Lust und keine Zeit, mich lange mit dir zu beschäftigen. Du bist nur ein rachsüchtiger Niemand.«

Gordon spürte, dass er einen empfindlichen Nerv bei seinem Gegenüber getroffen haben musste, denn ein verhaltenes Schnaufen war zu vernehmen. Dann endlich kam eine Reaktion, die Gordon allerdings so nicht hören wollte. Es baute sich eine Schockstarre bei ihm auf, die sogar noch anhielt, nachdem Pablo gesprochen und aufgelegt hatte.

»Du solltest vorsichtiger mit deinen Beleidigungen umgehen. Du bewegst dich auf dünnem Eis, du Drecksbulle. Ich meine, mich daran erinnern zu können, dass du von deiner Frau Denise getrennt lebst und deinen Sohn nur ab und zu bei dir zu Besuch hast. Da gibt es doch jemanden, dem sie sich zugewandt hat – oder irre ich mich da? Irgend so ein Unternehmer, der sie vögelt, wenn ihm danach ist. Ein tolles Gefühl. Ich kenne das. Für mich habe ich dafür eine einfache Lösung gefunden. Du kennst sie. Ich überlege ernsthaft, ob ich deine hässlichen Beleidigungen einfach wegstecken und dir dennoch helfen soll. Ja, der Gedanke ist gut – sogar sehr gut. Ich werde mich um deine Denise kümmern und mich dann endgültig hier verpissen. Grüße den kleinen Jonas von mir. Ich mag den Jungen.«

»Du verdammtes Stück Scheiße. Lass deine Finger von dieser Frau. Sie hat mich nicht betrogen – sie ist frei und kann schlafen, mit wem sie möchte. Wenn du sie anrührst, dann ... Martinez? Bist du noch dran? Melde dich gefälligst!«

Die Leitung war tot. Nur das Rauschen dröhnte in Gordons Ohren. Er wählte eine neue Nummer.

»Kai, Leonie? In dreißig Minuten sehe ich euch im Büro. Bitte keine Fragen – kommt einfach.«

5

Gordon blickte in gespannte Gesichter, als er das Büro betrat und feststellte, dass seine Kollegen erwartungsvoll am Besprechungstisch auf ihn warteten. Sein verschlossenes Gesicht verriet ihnen, dass es sich um etwas Ernstes handeln musste. Es war nicht nötig, voreilig Fragen an ihn zu richten, denn sie wussten, dass Gordon einen triftigen Grund haben musste, wenn er sie am freien Wochenende einbestellte.

»Er ist wieder da.«

»Wovon sprichst du, Gordon? Ich fürchte, dass wir dir nicht folgen können«, antwortete Leonie. »Du sprichst doch wohl nicht von ...?«

»Doch, genau den meine ich. Martinez hat mich vorhin angerufen. Sagen wir besser, er hatte Jonas am Apparat. Ich kann euch nicht wiedergeben, was er dem Jungen erzählt hat und ob Jonas überhaupt begriffen hat, wovon das Schwein sprach. Als ich den Kerl zurückrief, ohne vorher zu wissen, wer sich hinter der unbekannten Nummer verbirgt, hatten wir ein langes Gespräch.«

Kai reagierte ungeduldig, als Gordon stoppte und versuchte, den Frosch aus dem Hals zu bekommen.

»Was hat er gesagt? Mach es nicht so beschissen spannend, verdammt.«

Leonies warnenden Blick ignorierte der Riesenkerl und stieß Gordon an.

»Er hat mir erschreckend deutlich gemacht, dass er seine Mission nicht als beendet ansieht und das Morden an anderer Stelle fortsetzen werde. Dabei erwähnte er ... er wusste, dass Denise ein Verhältnis mit diesem John hat, und wertet das als Untreue mir gegenüber. Er ließ kaum Zweifel daran, dass er sie dafür bestrafen werde.«

»Wir müssen Denise beschützen«, ereiferte sich Leonie und griff nach ihrem Telefon.

»Lass das, Leonie. Das ist schon organisiert. Wofür hältst du mich? Das war das Erste, was ich geregelt habe. Eine Beamtin sitzt ständig im Haus und wird regelmäßig abgewechselt. Es hat lange gedauert, bis ich Denise davon überzeugen konnte, dass es so besser für sie ist und ich keine Widerrede zulassen würde. In unregelmäßigen Abständen patrouilliert ein Wagen in der Straße.«

»Gut so«, resümierte Kai und fuhr sich durch die nicht mehr vorhandenen Haare. »Jetzt müssen wir den Kerl oben auf die Fahndungsliste setzen. Und das nicht nur regional. Hast du schon Interpol verständigt? Und was ist mit dir? Lässt du dich ebenfalls beobachten?«

»Natürlich nicht, Kai. Er hat mich selbst nicht bedroht. Der ist nach wie vor auf Frauen fixiert. Und was Interpol betrifft – verdammt, das ist gerade einmal zwei Stunden her, dass ich mit dem Schwein gesprochen habe. Wir müssen jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, damit Martinez hinter Gitter kommt.

---ENDE DER LESEPROBE---