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Die Würde des Menschen ist unantastbar Dieser wichtigste Artikel des Grundgesetzes wird in abstoßender Art und Weise von Menschenhändlern missachtet, als sie junge Frauen in Containern ins Land schmuggeln. Das Team um Gordon Rabe muss nicht nur um das Leben von unschuldigen Frauen bangen, die von brutalen Händlern zur Prostitution gezwungen werden. Ein scheinbarer Suizid wirft viele Fragen auf, deren Antworten ungeahnte Familiengeheimnisse preisgeben. Die Lösung scheint so einfach, bis eine unerwartete Wendung alle schockt.
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DER TOD KENNT DEIN GEHEIMNIS
Von H.C. Scherf
Thriller
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
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DER TOD KENNT DEIN GEHEIMNIS
© 2020 H.C. Scherf
Ewaldstraße 166, 45699 Herten
Alle Rechte vorbehalten
Aktives Mitglied im Selfpublisher-Verband e.V.
Covergestaltung: VercoDesign, Unna
Bilder von:
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Lektorat/Korrektorat: Heidemarie Rabe
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DER TOD
KENNT DEIN GEHEIMNIS
Von H.C. Scherf
Für einen Vater, dessen Kind stirbt, stirbt die Zukunft.
Für ein Kind, dessen Eltern sterben, stirbt die Vergangenheit.
© Berthold Auerbach (*1812)
1
Schon längst hatte die Nacht ihre Schleier über den Essener Stadthafen am Rhein-Herne-Kanal gedeckt, als am Anlegebereich Hektik aufkam. Container, die mit einem Kahn aus den Niederlanden transportiert worden waren, warteten darauf, gelöscht zu werden. Zwei der vier Brücken- und Portalkrane waren besetzt und griffen wie gewaltige Geisterfinger nach den schweren Behältern, die sofort auf wartende LKWs verladen wurden. Was in dieser Nacht für geübte Betrachter ungewöhnlich hätte erscheinen können, waren die beiden dunklen Limousinen, die in einiger Entfernung warteten. Ihre Insassen beobachteten genau, welchen Weg die einzelnen Container nahmen. Schließlich hängten sie sich an zwei bestimmte LKWs auf den Weg durch den Essener Norden.
Boris Bogdanow, was so viel bedeutete, wie Gottesgeschenk, verließ den großräumigen Mercedes und eilte auf den Fahrer des ersten Lastwagens zu, der schwerfällig vom Führerhaus auf den Schotter des Ladehofes stieg. Er rechnete nicht mit der Reaktion des heraneilenden Boris und musste die volle Wucht des Schlages gegen die rechte Niere hinnehmen. Er knickte in den Knien ein und konnte nur mit Mühe verhindern, dass seine Stirn gegen die Metallstufen des Wagens stieß. Als er sich am Boden wand, erwischte ihn abschließend die Fußspitze seines Auftraggebers in die Rippen. Während er sich schützend zusammenkrümmte, schrie er neben dem Schmerz die Frage heraus: »Was soll die Scheiße? Es hat doch alles hervorragend geklappt. Du bringst mich ja um.«
Mit in die Seiten gestemmten Fäusten stand Boris breitbeinig über dem Fahrer, wobei seine Augen zu schmalen Schlitzen geschlossen waren.
»Da liegst du nicht einmal falsch. Alles in Ordnung, sagst du? Nichts als Scheiße hast du im Hirn. Was glaubst du, hier zu transportieren, du Wahnsinniger? Du kannst diese Container nicht befördern, als wären da Stofftiere drin. Die Ware ist nur dann wertvoll und wirft hohe Gewinne ab, wenn sie gut erhalten ist. Geht das in deinen Schädel rein? Du heizt damit über die Straßen, als würdest du nach Zeit bezahlt. Ich sollte dir für diesen miesen Job keinen Rubel zahlen. Hörst du? Nicht einen Rubel. Wenn darin irgendwas beschädigt wurde, werfe ich dich ins Hafenbecken.«
Boris nahm den Stiefelabsatz wieder vom Ohr des Fahrers, den er dorthin gesetzt hatte. Als er schon mehrere Meter entfernt war, drehte er sich noch einmal um.
»Fahr die Kiste in die Halle und setz den Container vorsichtig auf dem Boden ab. Höre ich auch nur ein falsches Geräusch, bist du tot.«
Jewgeni, der Fahrer wusste genau, dass Boris meinte, was er sagte. Man hörte hier und da von den drakonischen Strafen bei Verrat oder Versagen. Der Boss hatte schon für weit weniger als das hier Leute beseitigen lassen. Er stieg wieder fluchend ins Führerhaus und rangierte rückwärts in die riesige Halle, wo eine Schar von Männern wartete. Betont vorsichtig senkte er den Behälter auf den Boden und beeilte sich damit, das Fahrzeug wieder nach draußen zu bewegen. Boris wirkte zufrieden und fasste mit an, als die Plomben entfernt und die Verschlüsse geöffnet wurden. Etliche Handlampen blitzten auf und beleuchteten den Innenraum des ersten Containers. Über dreißig Augenpaare richteten sich ängstlich auf die Männer, die neugierig die Ware betrachteten, die man ihnen angekündigt und nun mit Verzögerung endlich geliefert hatte.
Der Transport hatte sich durch unvorhersehbare Umstände um zwei Tage weiter hinausgezogen. So wunderte sich keiner darüber, dass die LED-Leuchten längst ihre Akkus aufgebraucht hatten und im Innenraum schon lange absolute Dunkelheit geherrscht haben musste. Sofort erkannte Boris, dass sämtliche Behälter, in denen man bei Transportbeginn Wasser bereitgestellt hatte, bis auf den letzten Tropfen geleert worden waren. Einige der Frauen hockten auf dem Boden und zeigten Wunden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit beim Kampf um das lebensnotwendige Nass entstanden waren. Nur mühsam erhoben sie sich in der Hoffnung, nun endlich in die versprochene Freiheit entlassen zu werden. Schützend hielten sie die Hände vor die Augen. Besondere Aufmerksamkeit brachte Boris Bogdanow einer Frau entgegen, um die sich zwei andere fürsorglich kümmerten. Um nach dem Rechten zu sehen, näherte er sich. Er stockte, als sich ihm eine fast gleichgroße dralle Frau mit wilden Augen in den Weg stellte.
»Fass sie bloß nicht an. Sie ist tot. Ihr habt sie umgebracht, ihr verfluchten Menschenschinder. Sie ist schon gestern gestorben. Niemand hat uns darauf vorbereitet, dass diese Teufelsfahrt so lange dauern würde. Habt ihr uns über Australien verschifft? Von der Ukraine bis Deutschland ist es doch nur ein Katzensprung.«
Die harte Faust traf Daria direkt hinter dem Ohr und ließ sie wortlos zusammensinken. Boris wusste, wo Schläge kaum Spuren hinterließen, aber dennoch wirksam waren. Er drehte sich um und winkte den erstbesten Helfer herbei.
»Ich brauche den Namen der Toten. Ruf in Odessa an und sage denen, dass ich für das Weib meine Kohle zurückhaben will. Für Kollateralschäden komme ich nicht auf. Dann ab mit ihr, lasst den Kadaver verschwinden. Ihr wisst, was zu tun ist. Die anderen Frauen in kleine Gruppen aufteilen und zur Erstversorgung in das Quartier. Sorgt dafür, dass sie sauber und satt sind, wenn die Kunden sie abholen. Gebt ihnen ordentliche Klamotten. Hier stinkt es wie in einem Ziegenstall. Und jetzt will ich den zweiten Container sehen.«
»Was soll das heißen – wenn die Kunden sie abholen? Wir wollen endlich wissen, wofür wir so viel Geld bezahlen mussten. Ist das mit den Arbeitspapieren geregelt?«
Diesmal war es der herbeigerufene Schläger, der die vorwitzige Natalya zur Ordnung rief, indem er ihr in die Mähne griff und den Kopf nach hinten riss. Boris wandte sich ihr zu.
»Ich mag das, wenn Frauen selbstbewusst sind. Ihr müsst die Natur einer Raubkatze besitzen. Das ist gut fürs Geschäft. Hör mir zu, du kleine Wildkatze – und das gilt auch für alle anderen – ihr werdet sehr schnell Arbeit und bulgarische Papiere dazu bekommen. Nicht jedem von euch wird das gefallen, aber das ändert sich mit der Zeit. Nun zu dem Geld, das ihr bezahlt habt. Die dreißigtausend Hrywnja, die ihr gelöhnt habt, reichen gerade einmal dazu, Leute zu schmieren, um euch über die Grenze zu kriegen. Transport und Unterbringung kosten hier ein Vermögen. Wir sind nicht mehr in der Ukraine. Eure paar Flöhe sind lediglich etwas mehr als neunhundertdreißig Euro wert. Ich habe viel Geld, sehr viel Geld investiert, um euch bis hierher zu transportieren. Das will ich zurück. Habt ihr mich verstanden? Jeden einzelnen Cent will ich zurück. Ich will an euch nichts verdienen. Nein, ich bringe euch legal in Lohn und Brot. Papiere müssen zusätzlich angeschafft werden. Wie ihr seht, geht es momentan noch darum, schnell das Geld wieder reinzuholen, das ich investiert habe, denn auch ich bin nicht auf Rosen gebettet.«
Boris drehte sich und blickte jeder Frau tief in die Augen. Kaum eine Frau war dabei, die den Blick nicht senkte – außer Natalya. Sie stellte trotzig eine weitere Frage.
»Wo bringt ihr uns hin und was müssen wir tun, um das Geld zu verdienen? Keine von uns wird auf den Strich gehen, damit das von vorneherein klar ist. Das haben wir schon vorher untereinander abgesprochen. Also, was geschieht mit uns?«
»Das wird erst entschieden, wenn die Kunden euch gesehen haben. Sie werden euch sagen, wo ihr arbeiten werdet. Ich bin nur für den Transport zuständig. Einen kleinen Obolus werde ich aufschlagen, da ich das größte Risiko trage. Wir werden euch jetzt in kleine Gruppen aufteilen und gut versorgen. Duschen, Essen, Trinken und ein bequemes Bett. Neue Klamotten bekommt ihr auch. Mit diesen Fetzen am Leib wird euch keiner haben wollen. Schlaft euch aus. Morgen sieht die Welt wieder besser aus. Das mit der Verzögerung tut mir leid, aber es war nicht unsere Schuld.«
Natalya schüttelte ihr Haar und half Daria auf die Beine, die langsam wieder zu sich fand und Boris mit hasserfüllten Augen verfolgte. Der nahm einen Mann zur Seite und flüsterte mit ihm.
»Nimm dir die beiden Drecksweiber in einer Sonderbehandlung vor. Die versauen uns die anderen und wiegeln sie gegen uns auf. Die gehen in Kostjas Puff. Der kriegt die schon zahm mit seinen Einreitern.«
2
»Hoch soll sie leben. Willkommen in unserem Verein, Mia. Und unsere herzlichsten Glückwünsche zum Geburtstag von uns allen.«
Mia Richter blieb in der offenen Tür stehen. Sie konnte nicht verhindern, dass ihr die Röte ins Gesicht schoss, als sie ihren Blick über den großen Kreis der Kollegen und Kolleginnen gleiten ließ. Leonie war es, die als erste die Arme hob und die restliche Mannschaft mit ihrer Begrüßung mitriss. Selbst Kollegen aus anderen Abteilungen waren zu diesem Anlass ins Morddezernat geeilt, da Mia Richter sich durch ihren selbstlosen Einsatz im Fall Pablo Gomez einen Namen gemacht hatte. Leonie war es auch, die auf die verdutzte Kollegin zueilte und sie zum Tisch geleitete, auf dem zwei Kuchen und etliche Teller und Tassen bereitgestellt worden waren.
»Woher wusstet ihr von dem Geburtstag?«
Völlig irritiert blickte sie sich um und sah in lachende Augen. Wie ein Chor verkündeten alle die unumstößliche Tatsache: »Du bist bei der Polizei.«
»Ich kann es noch gar nicht glauben«, begann Mia stockend, »dass ich ab heute zu euch gehöre. Ich muss sagen, dass es mich stolz macht, endlich das erste Ziel geschafft zu haben.«
»Hört, hört, Leute«, unterbrach Dino Wohlert Mias Antrittsrede. »Die Kollegin hat sich noch viel vorgenommen. Sie spricht vom ersten Ziel. Darf ich euch mit der kommenden Kriminalrätin bekannt machen.«
Hauptkommissar Gordon Rabe drängte in den Vordergrund und nahm Mia schützend in den Arm, die für einen Moment aus dem Konzept geraten war. Die schmale Frau drängte sich dankbar an den jeanstragenden Leiter des Dezernates.
»Lass deine fiesen Scherze, Dino. Das Mädel kann mit solchen Frotzeleien noch nicht umgehen. Ich denke, dass ich für alle hier spreche. Niemals werde ich persönlich vergessen können, was Sie damals für meine Familie getan haben, als Sie Ihr Leben für sie eingesetzt haben. Doch wir alle freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit. Jeder hier steht Ihnen zur Seite, wenn Fragen auftauchen, deren Antworten Sie noch nicht kennen können. Haben Sie keine Scheu, solche zu stellen. Jeder der hier Anwesenden wird sich daran erinnern können, wie auch ihnen geholfen wurde, als sie wie blutige Anfänger in diese Abteilung versetzt wurden. Das sollte keiner vergessen.« Gordon blickte in grinsende Gesichter, bevor er fortfuhr. »Ich achte sehr darauf, dass der Musketier-Gedanke gepflegt wird. Lasst uns jederzeit Spaß haben, doch auch den nötigen Ernst, wenn es um das Team und die eigentliche Aufgabe geht. Willkommen bei uns.«
Bei dem dröhnenden Applaus übersahen alle das Eintreten von Kriminalrat Kläver.
»Wie ich sehe, ist die Kollegin bereits begrüßt worden. Dann kann ich mir das ja sparen und mich direkt an den leckeren Kuchen wagen. Gibt es auch einen Kaffee dazu oder muss sich den jeder selbst von zu Hause mitbringen? An der Organisation müssen wir noch erheblich nachbessern.«
Leonie hakte sich bei Mia Richter unter und schob sie Richtung Küche. Kurz darauf tauchten die beiden Frauen wieder auf – in jeder Hand eine Warmhaltekanne. Lachend stellten sie die vor den Kriminalrat auf den Tisch.
»Reicht das für den Augenblick, Chef?«, konnte sich Leonie nicht verkneifen.
»Das kann ich nur bejahen, Frau Felten. Befehl zur vollsten Zufriedenheit ausgeführt. Sie dürfen wegtreten.«
»Aber nicht, bevor ich Ihnen eingeschenkt habe«, erwiderte Mia, die seine Tasse randvoll auffüllte. Ihre Hand zitterte immer noch. Die Aufregung war ihr anzumerken. Sie wurde erst ruhiger, als sich Leonies Hand fest auf ihre legte und ihr Augenzwinkern verdeutlichte, dass sie in diesem Kreis nun endgültig aufgenommen worden war.
Kai Wiesner war es, der die Idylle störte, indem er den Hörer an seinem Schreibtisch an sein Ohr hielt, bevor das Telefon ein zweites Mal läuten konnte. Alle Anwesenden stellten die Gespräche ein, als Kai wortlos zuhörte und sein Gesicht genau den Ausdruck annahm, den jeder von ihnen kannte. Es musste was Schreckliches passiert sein. Das wir kommen sofort war ein Signal dafür, dass die Feier ein jähes Ende nehmen würde. Gordon ging auf seinen Kollegen zu und bekam Aufklärung.
»Es wurde von einer Tauchergruppe im Stadthafen gemeldet, dass sich eine tote Frau im Becken befindet. Sie bemerkten die Tote, als sie routinemäßig das Hafenbecken kontrollierten. Die Kollegen von der Wasserschutzpolizei sind schon vor Ort und haben sich gerade gemeldet. Wer fährt mit?«
Gordon war schon auf dem Weg in sein Büro, um sich die Jeansweste überzuwerfen, die über der Stuhllehne hing. Stumm zeigte er auf Leonie Felten und nach kurzem Zögern auch auf Mia Richter.
»Das wäre doch was für Sie – so als Premierenopfer. Los geht´s, worauf wartet ihr?« An die restlichen Kollegen gewandt ergänzte er: »Und lasst uns was übrig von dem Kuchen!«
Für Gordons BMW gab es am Kai kaum ein Durchkommen. Sämtliche Zugänge zur Fundstelle waren durch Einsatzfahrzeuge der Rettungsdienste verstellt, die nach und nach den Ort des Geschehens wieder verließen. Einige mit Latexanzügen vermummte Gestalten standen abseits und diskutierten heftig. Schnell waren sie als Taucherstaffel der Feuerwehr ausgemacht. Eine große Plane deckte eine Person ab, bei der es sich vermutlich um die tote Frau handelte. Gordon drängte einige Uniformierte der Polizei zur Seite und kniete sich neben der Frauenleiche auf den nackten Beton. Als er die Plane anhob, konnte er deutlich erkennen, wie Mia Richter einen Schritt nach hinten machte und sich an Leonie abstützte. Ihr Gesicht hatte fast die Blässe der Leiche erreicht.
»Verdammt! Da hat sich aber jemand große Mühe gegeben, die Herkunft der Toten zu verschleiern. Ohne Gesicht dürfte uns das Feststellen der Identität einige Probleme bereiten. Da wird sich Dr. Lieken aber freuen. Ahnenforschung ist seine Spezialität.«
Gordon entfernte nun die gesamte Plane, sodass der Blick aller auf die schwere Kette fiel, die sich um die Unterschenkel der Toten wand. Kai hob die mächtige Kette an und bemerkte lakonisch: »Ich denke mal, dass die Täter davon ausgingen, dass man die Leiche so schnell nicht finden würde. An dem Metall befinden sich noch keine Ablagerungen und die Haut der Frau deutet darauf hin, dass sie erst kurz im Wasser lag. Dr. Lieken wird uns bestimmt sagen können, wie lange das Opfer bereits tot ist.«
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, erklang es aus dem Rücken der Ermittler. »Zumindest ist die Frau nicht ertrunken. Das dürfte schon von Anfang an feststehen, Herrschaften. Die hat man versenkt, nachdem sie schon längst diese Welt verlassen hatte. Ich habe mir das Opfer bereits angesehen.«
Dr. Lieken trat durch die sich gebildete Gasse und bückte sich über das Opfer. Er wies auf die Beine der Frau und erklärte seine erste Prognose.
»Seht her. Hätte das Herz noch funktioniert, als man ihr die Ketten so eng um die Beine geschlungen hatte, würden wir Blutstauungen entdecken können. Das Einzige, was ich sehe, sind Totenflecken über den gesamten Körper verteilt. Man muss ihre Position also mehrfach verändert haben. Kein Schaumpilz am Mund. Die Waschhaut ist noch nicht stark ausgeprägt und nur in der Hohlhand und am Fußrücken feststellbar. Das weist darauf hin, dass sie mindestens sechs Stunden, aber höchstens einen Tag im Wasser lag. Genaueres kann ich allerdings erst sagen, wenn ich die Lunge kontrolliert und den Mageninhalt analysiert habe. Kann ich sonst noch etwas für euch tun?«
Doktor Lieken blickte jeden Einzelnen an, der um ihn herum stand und seinen Ausführungen lauschte. Bei einer Person blieb er hängen und sein Gesicht zeigte das erste Lächeln.
»Na das ist ja wohl eine Überraschung. Frau Richter ist endlich fertig und wie ich sehe, der richtigen Abteilung zugeteilt worden. Es freut mich ehrlich, dass Sie bei dieser Chaotentruppe arbeiten dürfen. Es wird zwar nicht einfach für Sie, aber endlich gesellt sich dieser Abteilung auch Intelligenz und Mut hinzu. Lassen Sie sich von der Erfolglosigkeit dieses Haufens nicht entmutigen. Ab und zu finden die auch mal ein Korn.«
Niemand der Umstehenden protestierte, da alle wussten, den Humor des Rechtsmediziners richtig einzuordnen. Leonie hatte noch immer den Arm um die Kollegin gelegt und sprach ihr Mut zu. Mias Gesichtsblässe war zwischenzeitlich einer normalen Farbe gewichen und wurde nun von einem dankbaren Lächeln bestimmt.
»Danke, Herr Dr. Lieken. Ich glaube auch, dass ich von der Truppe hier sehr viel lernen kann. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Doch darf ich Ihnen eine Frage stellen zu der Toten?«
»Aber jederzeit, junge Frau. Legen Sie los.«
»Wie wir alle erkennen können, hat man der Frau das Gesicht bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Selbst die Fingerspitzen sind entfernt worden. Werden wir jemals erfahren, wer augenblicklich vor uns liegt?«
»Aber sicher werden wir das. Es gibt immer wieder Merkmale, die nur einem bestimmten Menschen zuzuordnen sind. Wir suchen nach Narben, wir beurteilen das Gebiss. Doch das Wichtigste ist die DNA. Die passt mit Sicherheit nur auf einen Menschen und ist maximal bei einem Zwilling identisch. Ist diese DNA in einer Datenbank enthalten, wissen wir, wer sich hier verbirgt. Vermisstenlisten dürften ebenfalls erste Hinweise liefern. Bisher haben wir noch jedem seine wahre Identität zuordnen können. Die Zeiten sind vorbei, in denen man uns in dem Punkt etwas vorenthalten konnte.«
Gordon zog seinen Freund ein wenig zur Seite und stellte eigene Fragen.
»Ist dir das Tattoo auf dem Arm aufgefallen? Das sieht danach aus, als würde es eine Gruppenzugehörigkeit bezeugen. Ich werde ein Foto davon machen lassen und Kai darauf ansetzen. Der beschäftigt sich doch gerne mit dem Okkulten und solchem Zeug. Und außerdem hat man es wohl vergessen, die Ohrringe zu entfernen. Die sind ebenfalls außergewöhnlich. So was habe ich früher einmal in Rumänien gesehen. Dort trägt man diese auffälligen Dinger.«
»Da kann ich dir jetzt nichts zu sagen, Gordon. Das ist nicht mein Gebiet. Ich lass dir die Schmuckstücke zukommen. Oder besser, nimm sie dir doch sofort mit. Die sind leicht zu entfernen, ohne dass du was kaputt machst. Morgen Mittag kann ich dir bestimmt Näheres zu der Frau sagen. Lass bitte die Ketten entfernen, damit wir im Institut nicht so schwer heben müssen. Außerdem klappert das im Zinksarg.«
3
»Daria? Daria – wach auf. Komm endlich wieder zu dir. Du bist jetzt in Sicherheit.«
Natalya Popow beugte sich über die Frau, die ihr in den letzten Tagen schon zur Freundin geworden war. Immer wieder tupfte sie mit dem feuchten Tuch über die Schwellungen, die sich vor allem rund um den Intimbereich abzeichneten. Daria presste ihre Fäuste fest gegen den Schritt und wimmerte leise. Jeder im Raum konnte sich vorstellen, dass sie starke Schmerzen haben musste. Natalya wusste allerdings, wie schlimm es um die Frau wirklich stand, da sie erst gestern das Gleiche erleiden musste. Sie wünschte diesen Kerlen, die ihnen beiden das angetan hatten, einen schrecklichen Tod.
»Daria, sei vernünftig. Du wirst es überstehen und sie werden uns damit nicht zerbrechen. Eines Tages können wir es denen heimzahlen. Nimm die Tabletten, es hilft, den Schmerz zu ertragen. Bald spürst du ihn nicht mehr.«
»Ich werde das immer spüren, Natalya! Immer! Für den Rest meines Lebens. Diese Bestien haben mich entehrt, als sie zu viert über mich herfielen. Es tut so weh. Ich weiß nicht, ob ich das ein weiteres Mal ertragen könnte. Der Schwanz soll denen dafür abfaulen.«
Jede der anwesenden Frauen nickte bestätigend. Einige zogen sich ängstlich in den hintersten Winkel des Raumes zurück in der Hoffnung, dass ihnen das erspart bleiben würde. Aus Natalyas Schilderungen hatten sie erfahren, wie diese Bestien über sie hergefallen waren und sie mehrfach vergewaltigt hatten – jeder Einzelne dieser brutalen Kerle. Einreiten nannten sie so was in dem Gewerbe. Auf diese Art wurden renitente Frauen gefügig gemacht, quasi auf ihren späteren Job vorbereitet. Aus Erzählungen hatte man zu Hause von Prostitution zwar gehört, doch würde das auf keinen Fall sie betreffen. Man versprach ihnen die Unterbringung in wohlhabenden Familien, wo sie als Alten- oder Haushaltshilfen gutes Geld verdienen würden. Nun saßen sie in diesem Horrorhaus und warteten darauf, von ihren neuen Besitzern abgeholt zu werden. In der Wohnung nebenan hatten sie ebenfalls Geschrei gehört, als einige Frauen abgeholt worden waren. Besonders schrecklich fanden sie die Nachricht, dass sogar zwei Schwestern getrennt verkauft worden waren.
Darias Weinen wurde weniger, als sie die Wirkung der Tablette spürte. Willig ließ sie sich von Natalya und einer anderen Frau versorgen. Immer wieder zuckte sie zusammen, wenn man ihre wunden Schamlippen berührte, die blutig und geschwollen waren.
»Was ist, wenn ich ein Kind von diesen Tieren bekomme? Was erzähle ich meinen Eltern? Ich hätte nicht einfach weglaufen sollen, ohne mich von ihnen zu verabschieden. Sie werden sich Sorgen machen. Oh Mama, was habe ich dir und Papa angetan?«
Die Bürste, die Natalya in ihrer Reisetasche mitführte, glitt immer wieder durch Darias dichtes schwarzes Haar und befreite sie dadurch von Schmutz, der sich während der Vergewaltigungen auf dem dreckigen Boden darin verteilt hatte. Die Gepeinigte lauschte jetzt Natalya, die ein ukrainisches Kinderlied sang. Jede im Raum kannte das Stück. Schließlich stimmten sie alle ein, wobei sie darauf achteten, dass man sie außerhalb des Raumes nicht hören konnte. Daria schlief in Natalyas Armen ein.
Die vor die Wand schlagende Tür und das grelle Licht riss alle aus dem Schlaf. Natalya hielt schützend die Arme vor die Augen, um nicht geblendet zu werden. Zu spät bemerkte sie die Hand, die sie von der Liege zerrte und brutal festhielt. Auch Daria, die direkt neben ihr lag, wurde hochgerissen und konnte den Schrei nicht zurückhalten, als sich der Schmerz im Schritt wieder bemerkbar machte. Angst breitete sich augenblicklich unter den Frauen aus, die noch schlaftrunken in das Licht starrten. Vier riesige Kerle mit kurzgeschorenen Schädeln und Holzfällerbärten hatten den Raum betreten und suchten gezielt nach Personen, zu denen auch Daria und Natalya gehörten.
»Nehmt eure Plörren und dann ab durch die Tür. Eure Arbeitgeber wollen euch sehen. Das Spiel kann beginnen. Geht das ein bisschen schneller, Ladys?«
»Fass mich nicht an, du schmieriger Hund. Ich kratz dir die Augen aus!«, schrie Natalya dem Typen entgegen, der sie immer noch festhielt. Sie befreite sich fluchend aus dem harten Griff und suchte nach ihrer Tasche, die sie unter dem Bett fand. Mit fliegenden Fingern sortierte sie ihre Habseligkeiten zusammen und tat das Gleiche für Daria, die starr vor Angst und zitternd vor einem ihrer Vergewaltiger stand. In einer Gruppe von sechs Frauen liefen sie den Gang entlang auf eine Doppeltür zu, die in einen saalähnlichen Raum führte. In der Mitte erkannte Natalya eine freistehende Bühne, deren Bedeutung ihr sehr schnell bewusst wurde. Beherzt griff sie nach Darias Hand und presste sie fest an ihren Körper. So leise, dass es keiner der Schläger hören konnte, flüsterte sie Daria ins Ohr: »Bitte tue alles, was die Kerle gleich von dir verlangen werden. Bitte Daria. Sie werden dir sonst sehr wehtun. Frage nicht warum – tu es einfach.«
Dem fragenden Blick der Freundin wich sie aus und konzentrierte sich auf das Geschehen um sich herum. Lautes Lachen begleitete den Einmarsch einer großen Gruppe von Frauen und Männern, die sich rund um den Laufsteg auf Stühlen niederließen. Man nahm erst Notiz von den zitternden Frauen, als Boris Bogdanow laut um Aufmerksamkeit bat.
»Ich hoffe, dass euch das Buffet geschmeckt hat. Nun kommen wir aber zum wichtigsten Teil des Treffens. Wir fangen mit dieser Gruppe an und ich hoffe, dass jeder von euch etwas Brauchbares findet. Wir machen es wie immer. Es wird in Fünfhundert-Euro-Schritten geboten.«
Erst jetzt richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die Frauen, die zum größten Teil nicht erfassten, was sich da gerade vor ihren Augen abspielte. Die Furcht vor dem Unbekannten, da sie die deutsche Sprache nur teilweise verstanden, ließ sie noch enger zusammenrücken.
»Was ist los, Oleg? Wieso haben alle noch ihre Klamotten an? Du machst das doch nicht zum ersten Mal. Sollen die Freunde die Katze im Sack kaufen? Runter mit den Sachen und hoch mit der Ersten auf die Bühne. Wir beginnen bei jeder mit Zehntausend Euro Mindestgebot.«
Der Schrei des Entsetzens war kaum verklungen, als dem ersten Mädchen, das höchstens das siebzehnte Lebensjahr vollendet haben konnte, die Kleider vom Körper gerissen wurden. Laut weinend bemühte sie sich darum, wenigstens Slip und Büstenhalter behalten zu dürfen. Erste Pfiffe aus der Bietergegend zeigten die Ungeduld der Gäste. Das Mädchen zuckte zusammen, als sie den brutalen Schlag mit dem nassen Handtuch in der Nierengegend spürte. Kaum hatte sie die Hände auf die schmerzende Stelle gelegt, als sich die Klingen von zwei Stiletts unter ihre Unterwäsche schoben. Als die letzten Kleidungsstücke auf den Boden fielen, schob man sie die drei Stufen zum Laufsteg hoch.
»Nimm die Pfoten von der Muschi! Wir wollen sehen, wofür wir unser sauerverdientes Geld ausgeben.«
Die Aufforderung kam aus den Reihen der Besucher und gehörten einer Frau. Die Bemerkung wurde vom Gejohle der anderen begleitet. Natalya hielt den Atem an und verfolgte das Leiden der jungen Frau, die immer weiter vorwärtsgetrieben wurde. Kaum war sie am Ende der Bühne angekommen, hatte ein kahlköpfiger, drahtiger Kerl den Zuschlag bei vierundzwanzigtausend Euro erhalten. Er winkte einen im Hintergrund stehenden einem Bären ähnelnden Mann heran, der das Mädchen und deren Kleidung aus dem Raum zerrte. Natalya war währenddessen aufgefallen, dass sich Boris angeregt mit einem Mann unterhielt, der als Einziger neben der Besucherschar stand und bisher noch keine Bietung vorgenommen hatte. Immer wieder glitt deren Blick zu Daria und Natalya herüber. Ihnen wurde sofort klar, dass sie beide nicht diesen Laufsteg betreten würden. Sie waren bereits verkauft, bevor das Ganze hier richtig begonnen hatte. Aufmerksam betrachtete Natalya den wahrscheinlichen Käufer und hätte lügen müssen, wenn sie diesen nicht als ausgesprochen attraktiv angesehen hätte. Ein stattlicher Mann in gepflegter Lederkluft und einem versteckten Lächeln in den auffällig blauen Augen.
Sollten wir Glück haben und in einen Club kommen, der die bessere Gesellschaft bedient? Warum wir beide?
Sofort verwarf sie den Gedanken wieder, dass es ausgerechnet sie besser treffen würden als den Rest der Frauen. Ein Traum, der von Anfang an zum Scheitern verurteilt war. Die Auktion war relativ schnell vorbei und man gönnte sich unter den Gästen einen Drink, bevor die zweite Gruppe hereingeführt wurde.
4
»Sitzt ihr bequem da hinten? Es ist nicht so weit. Übrigens heiße ich Kostja. Wie ihr sicher bemerkt haben werdet, habe ich euch nicht auf diese erniedrigende Art ersteigert. So was macht man nicht mit Menschen. Versteht ihr? Das gehört sich einfach nicht.«
Als Daria und Natalya schwiegen, redete er einfach weiter, während er den Range Rover durch den dichten Verkehr lenkte. Der Riese, der neben ihm saß, sprach kein Wort, betrachtete nur die Menschen, an denen der große Geländewagen vorbeifuhr.
»Ich will euch nichts vormachen. Ich habe für euch eine gewaltige Stange Geld hingelegt. Boris hat mir versichert, dass ihr es allemal wert seid. Ich glaube ihm das. Dafür habe ich einen Blick. Das könnt ihr mir glauben.«
Der Wagen kam neben einem großen Mietshaus zum Stehen. Kostja und sein Beifahrer machten keine Anstalten, auszusteigen. Sie suchten jeden Winkel der Umgebung ab, bevor sie ausstiegen. Natalya konnte es kaum glauben, als die Männer ihnen sogar die Tür aufhielten und die Reisetaschen übernahmen. Die Frauen standen vor einem Haus, in dem mindestens fünfzig Parteien wohnten. Dennoch machte es einen ordentlichen Eindruck.
»Ich denke, dass ihr gerne zusammen wohnen möchtet. Kein Problem. Die Appartements sind sauber und groß genug. Euch wird es an nichts fehlen – ihr werdet sehen. Lasst uns raufgehen. Wir müssen was besprechen.«
Geduldig wartete Natalya, bis Daria mit kleinen Schritten das Wohnzimmer betreten hatte, das auch gleichzeitig als Mehrzweckraum diente. Die offene Küche mit angesetzter Essbar war gut und modern ausgestattet. Beide Männer warteten in der Diele und flüsterten miteinander. Endlich, als Daria die Beine hochgelegt hatte und erleichtert für einen Moment die Augen schloss, trat Kostja in den Raum und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Natalya hatte Gelegenheit, diesen Mann genauer zu analysieren, dessen Mund stets ein freundliches Lächeln zeigte. Bei der ersten Begegnung in dem Horrorhaus waren ihr besonders diese strahlend blauen Augen aufgefallen, die jedoch bei näherer Betrachtung eine beängstigende Besonderheit zeigten. Sie waren vermutlich nicht in der Lage, die scheinbare Freundlichkeit des restlichen Gesichtes wiederzugeben. Natalya wusste im gleichen Moment, dass höchste Vorsicht geboten war. Sie kannte solche Typen aus der Heimat, die durch ihr Auftreten bei leichtgläubigen Frauen schnell Eindruck hinterließen. Das sollte ihr nicht passieren, nahm sie sich vor.
»Hinten habt ihr ein großes Doppelbett. Wie ihr seht, ist alles sauber. Ich erwarte, dass es so bleibt. Es hat sich so eingebürgert, dass ihr als Mieter für jeden Schaden an der Einrichtung aufkommt. Es wird euch vom Lohn abgezogen. In diesem Punkt verstehe ich keinen Spaß, da es hier schon viel zu oft zu Missverständnissen kam. Ich vermiete euch die Bude und verlange lediglich, dass alles pfleglich behandelt wird. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Darf ich denn auch wissen, was uns dieser Luxus einer eigenen Wohnung monatlich kosten wird. Noch habe ich keine Ahnung, was wir tun müssen und wie es bezahlt wird.«
Es gehörte zu Natalyas Natur, mit Fragen nicht lange hinter dem Berg zu bleiben. Die Antwort glaubte sie allerdings schon zu kennen. Kostjas Lächeln vertiefte sich, wobei seine Augen die Wärme eines Gletschers zeigten.
»Du redest nicht lange um den Brei herum, Natalya. Das gefällt mir. Ich denke, dass du dich auf den weiten Weg gemacht hast, um hier gutes Geld zu verdienen. Das liegt selbst hier nicht einfach so auf der Straße. Doch wenn man clever ist, kann es schnell verdient sein. Ihr beide werdet sicher nicht daran gedacht haben, dass man euch zum Spargelstechen hier vermitteln wollte. Obwohl ...«, hier machte Kostja eine bedeutsame Pause, »... ganz so weit weg davon ist es eigentlich gar nicht. Euer Job hat in gewissem Maße auch mit Stechen zu tun. Ich will nicht lange rumquatschen. Ihr werdet in meinen Clubs arbeiten. In den ersten Wochen erlernt ihr das Geschäft hinter dem Tresen. Ihr werdet von den älteren Kolleginnen erfahren, wie man Männern, besser gesagt großzügigen Kunden, das Geld aus den Taschen zieht. Sie kommen zu uns, um vom Alltag abzuschalten, Vergnügen zu haben. Und ihr werdet ihnen dabei helfen.«
»Wir sind keine Nutten. Damit das klar ist. Bedienen ja, aber wir werden für diese geilen Böcke nicht die Beine breitmachen. Ich wollte das nur von Anfang an klarstellen. Und nun zurück zu Punkt zwei: Was bekommen wir dafür und was kostet die Hütte hier?«
Längst schon hatte Daria die Augen wieder geöffnet und verfolgte das Gespräch mit großer Aufmerksamkeit. Selbst ihr war mittlerweile klar geworden, was genau Kostja von ihnen beiden erwartete. Einen Vorgeschmack, wie die ihre Forderungen durchsetzten, hatten sie bereits erhalten. Umso erstaunter war sie über die Feststellung von Natalya, die doch genau wie sie die Brutalität dieser Männer zu spüren bekommen hatte. Gespannt sah sie in das Gesicht dieses attraktiven Mannes, das für den Augenblick ohne jede Regung blieb.