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Ein Schicksalsschlag verändert das Leben von Shona MacLean über Nacht: Ihre Schwester Freya, die auf der Insel Islay ein B&B führt und sich als alleinerziehende Mutter durchschlägt, hatte einen schweren Unfall. Sofort reist Shona nach Islay, um sich um die Pension und ihre Nichte Erin zu kümmern. Diese zeigt Shona eine Brosche, die sie beim Spazierengehen gefunden hat. Offensichtlicht stammt das Schmuckstück aus der Wikingerzeit. Gemeinsam beginnen Shona und Erin, die Geschichte der alten Brosche zu erforschen – unterstützt von Gavin Ramsay, dem sympathischen Inhaber einer kleinen Destillerie. Schon bald kommen sich Shona und Gavin näher. Doch mit ihren Nachforschungen machen sie sich schnell Feinde. Denn offenbar sind sie gefährlichen Geheimnissen auf der Spur ...
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Seitenzahl: 501
Ein Schicksalsschlag verändert das Leben von Shona MacLean über Nacht: Ihre Schwester Freya, die auf der Insel Islay ein B&B führt und sich als alleinerziehende Mutter durchschlägt, hatte einen schweren Fahrradunfall. Sofort reist Shona nach Islay, um sich um die Pension und ihre Nichte Erin zu kümmern. Diese zeigt Shona eine Brosche, die sie beim Spazierengehen gefunden hat. Offensichtlicht stammt das Schmuckstück aus der Wikingerzeit. Gemeinsam beginnen Shona und Erin, die Geschichte der alten Brosche zu erforschen – unterstützt von Gavin Ramsay, dem sympathischen Inhaber einer kleinen Destillerie. Schon bald kommen sich Shona und Gavin näher. Doch mit ihren Nachforschungen machen sie sich schnell Feinde. Denn offenbar sind sie gefährlichen Geheimnissen auf der Spur …
Informationen zu Constanze Wilken sowie zu lieferbaren Titeln der Autorin finden Sie am Ende des Buches.
Constanze Wilken
Roman
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Originalausgabe Juni 2024
Copyright © 2024
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,
Neumarkter Straße 28, 81673 München
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover
Covergestaltung: UNO Werbeagentur München
Coverfoto: © FinePic®, München
Redaktion: Regine Weisbrod
BH · Herstellung: ik
Satz: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-641-30495-9V002
www.goldmann-verlag.de
Smoke rose up on IslayIsle as homesteads burned there.South on Saltire bloodySwords felled many Scotsmen.
Magnúss Saga, 11. Jhd.
Im Sturm soll man den Baum schlagen, bei Wind auf See fahren,im Dunkeln mit dem Mädchen reden: Viele Augen hat der Tagauf dem Schiff soll man fahren, aber den Schild braucht man zum Schutz,das Schwert zum Schlag, aber das Mädchen zum Küssen.Ältere Edda, Sprüche des Hohen
Für Anja
Islay Gegenwart
Shona MacLean – arbeitet in einer Marketingagentur
Freya MacLean – ihre Schwester
Erin – Freyas Tochter
Coll & Bente MacLean – Freyas & Shonas Eltern
Gavin Ramsey – Brennmeister und Mitinhaber der Destillerie Darragh
Brian Ramsey – sein Bruder
Mary Ramsey – seine Schwester
Henry & Charlotte Ramsey
Dr. Quinton Lewis – Archäologe Universität Edinburgh
Charles Saunders – Verwalter auf Kellsay Lodge
Duff MacRae – Wildhüter auf Kellsay Lodge
Zachary Barkham – Automechaniker
Íl 1085
Fjell Halvorson – Krieger, Flottenführer
Halvor & Védis – Fjells Eltern
Báfurr, Pédr, Fálki – Fjells Brüder
Sváfa – Fjells Schwester
Hulda Rokadóttir
Róki & Brigida – Huldas Eltern
Netja, Eir – Huldas Schwestern
Alff, Benkt, Rian – Huldas Brüder
Jón, Ulfarr, Fionn – Krieger
Gormr – Heerführer
Sverrir – Krieger
Godred Crovan* – König von Man und den Inseln
Lagman Godredsson* – sein ältester Sohn
Harald* – Lagmans jüngerer Bruder
Olav Kyrre* – König von Norwegen bis 1093
William Rufus* – König von England ab 1087
Malcom III.* – König von Schottland
Donald III.* – Bruder von Malcolm
Muirchertach Ua Briain* – König von Munster
Herzog Robert von der Normandie* – nimmt am ersten Kreuzzug teil
Magnus (später Barefoot)* – König von Norwegen, Sohn von Olav Kyrre
Edgar (Etgair mac Maíl Choluim)* – König von Schottland ab 1097
* historische Personen
Der Sturm hatte das Meer aufgewühlt. Noch immer schlug die Gischt an den Felsen hoch. Aber der Wind hatte auch die grauen Wolken vertrieben, die seit Tagen wie ein schweres Segel über der Insel gehangen hatten. Mit einem Mal brach die Sonne hervor, und die junge Frau setzte ihren Korb ab und breitete die Arme aus. »Ich schenke dir den größten Fisch, wenn du uns endlich Wärme spendest, Sól!«, rief Hulda, deren hellblondes Haar glänzte, als wäre es aus gesponnenem Gold.
Die Sonnenstrahlen wurden kräftiger, und über der See bildete sich ein Lichtstrahl, der die weißen Schaumkronen leuchten und das Wasser grün schimmern ließ. Die Sonnengöttin hatte sie erhört. Lachend griff Hulda nach dem größten noch zappelnden Fisch und warf ihn zurück ins Meer.
»Warum tust du das, Hulda? Von dem Fisch wären wir alle satt geworden!«, rief ihre Schwester Eir und trat neben sie.
Eir war gerade vierzehn Jahre alt geworden, führte sich aber auf, als wäre sie ihre Mutter. Kleiner, mit aschblondem Haar und einem Mausgesicht, beneidete sie die hochgewachsene Schwester, der die Männer mit verrenkten Hälsen nachstarrten.
Hulda raffte ihr wollenes Kleid und tauchte einen Fuß ins kalte Wasser. Die Kälte durchfuhr sie, ließ sie erst zittern, und dann rauschte das Blut durch ihre Adern. Sie fühlte sich lebendig!
»Du holst dir ein Fieber, wenn du nass wirst«, mahnte Eir.
Wenn Hulda allein gewesen wäre, hätte sie sogar das Kleid abgelegt und wäre ins Wasser gegangen. Sie hatte schwimmen gelernt, bevor sie laufen konnte. »Warum hat uns Yggdrasil das Land und das Meer und den Himmel gegeben, wenn wir nicht darin sein sollen?« Mit herausforderndem Blick wandte sich Hulda um und stapfte durch den feuchten Sand an ihrer Schwester vorbei.
Auf einem Felsen oberhalb des Strands stand ein Krieger und beobachtete die See. Viele volle Monde waren die Männer schon fort, doch es hatte Kunde von einem Händler gegeben, dass die Drachenschiffe die Gewässer vor Dyflin verlassen hatten und auf dem Weg nach Ili waren. Wenn die Krieger zurückkehrten, würde es Feste geben, denn sie hatten gewiss reiche Beute gemacht. Huldas Bruder Rian war zum ersten Mal auf dem Drachenschiff von Fjell Halvorson mitgefahren. Fjell war der beste Schwertkämpfer und König Crovans erster Mann hier auf Íl.
Hulda bückte sich nach dem Korb mit den Fischen, die Aodh, einer ihrer Sklaven, gefangen hatte. Wo steckte der Mann überhaupt?
»Aodh!«, rief Hulda, und es dauerte nicht lange, und der junge Mann kam hinter einem der größeren Felsen hervor, in der Hand ein Netz, in dem ein Fisch zappelte.
»Wir haben genug Fische für das Mahl. Hilf uns lieber tragen!«, befahl sie und sagte zu ihrer Schwester: »Komm schon, Eir.«
Aodh, dessen wollene Hosen durchnässt waren, watete durch das auflaufende Wasser und warf seinen Fang in ihren Korb. Wortlos schulterte er den Korb und lief voraus.
»Bald wirst du deinen eigenen Haushalt haben, Hulda. Dann kannst du andere herumkommandieren, und ich habe endlich Ruhe vor dir.« Eir knuffte ihre ältere Schwester in die Seite.
»Warum sagst du das? Was weißt du, das ich nicht weiß? Haben die Eltern einen Mann für mich ausgewählt?« Erschrocken packte Hulda ihre Schwester am Arm.
»Au, du tust mir weh!« Eir machte sich los. »Ich habe sie heute Nacht flüstern hören, dass es Zeit werde für dich, dass du nicht ewig hier bleiben könntest und solcherlei.«
»Und solcherlei was?«
»Ja, das habe ich eben nicht verstanden. Frag sie doch selbst!« Eir hob eine Muschel auf und befreite sie vom Sand. »Du bist längst in dem Alter, wo du einen Mann haben solltest. Ich will nicht so lange warten!«
Hulda blickte den Weg entlang. Er führte hinauf zu den Dünen, hinter denen sich sattes Weideland und Wälder im Inselinnern erstreckten. »Ich will nicht irgendeinen Mann.«
»Als ob du das zu bestimmen hättest!«, spottete Eir. »Und wer sollte es denn sein? Etwa Sigbjørn von Grjótland?«
Hulda lachte. »Sigbjørn ist schon vierzig Jahre alt! Ich will keinen alten Mann heiraten, auch wenn er noch so viel Land besitzt.«
Der Großbauer galt als gute Partie, und ihm war vor Kurzem die Frau verstorben, weshalb er nun auf Brautschau war.
»Ich weiß es!«, rief Eir. »Du wartest auf die Kriegsschiffe! Einer von den Kriegern ist es, nach dem du dich sehnst!«
»Sei nicht albern, und jetzt lass uns endlich nach Hause gehen.« Energisch schritt Hulda aus.
»Das werden die Eltern niemals zulassen. Du wirst einen Mann vom wahren Glauben heiraten.« Triumphierend tanzte Eir um ihre Schwester herum.
Langsam wurde Hulda wütend. »Hör auf damit!«, schrie sie gegen den Wind, der mit Macht durch die Dünen fegte. »Die Götter sind mächtig und werden mir helfen, hast du mich verstanden?«
Doch Eir zog eine Grimasse und rannte davon.
Noch in der Nacht würde Hulda der großen Freya heimlich ein Opfer bringen, und dann würden sie schon sehen.
Shona MacLean stand an der Reling und beobachtete, wie die Fähre in Port Askaig anlegte. Die Dieselmotoren der Finlaggan dröhnten, die Wellen schlugen gegen die Kaimauer, und über ihnen schrien die Möwen. Zuerst verließen die großen Lastwagen den Bauch der Fähre. Tankwagen, die Whisky zu den Abfüllereien aufs Festland gebracht hatten, kamen leer zurück, und in einem offenen Container lagen Dutzende Whiskyfässer. Das ist Islay, dachte Shona. Auf der Insel lebte wohl die Hälfte der Einwohner von den Destillerien.
Ein junges Paar hatte ihr angeboten, sie nach Portnahaven mitzunehmen. »Danke fürs Bringen!«, sagte Shona und warf die Autotür zu.
»Gern geschehen und viel Glück!« Die Frau winkte, und dann fuhren sie weiter zu ihrem Cottage.
Das kann ich brauchen, dachte Shona, zog den Griff aus ihrem Koffer, schulterte ihren Rucksack und lief die vertraute schmale Straße hinunter. In Portnahaven, dem kleinen verschlafenen Ort am Loch Indaal, war sie aufgewachsen, und sie verband viele schöne Kindheitserinnerungen mit dem Haus, das am Ende einer Reihe von blitzweißen Cottages oberhalb der Klippen stand. Ein leichter Wind trieb die würzige Seeluft herauf, die Wellen schlugen schmatzend gegen die Felsen, und unten am Strand spielten Kinder mit ihrem Hund.
Doch Shona war nicht hier, um Ferien zu machen, sie hatte sich von ihrem Chef auf unbestimmte Zeit beurlauben lassen, weil ihre ältere Schwester sie brauchte. Freya lag nach einem schweren Verkehrsunfall im Koma. Irgendein verdammter Rowdy, und das war noch das schmeichelhafteste Wort, hatte Freya samt ihrem Fahrrad von der Straße gedrängt und sie verletzt liegen gelassen. Shona sah das leuchtend grüne Meer, bei dessen Anblick ihr normalerweise leicht ums Herz wurde. Heute jedoch entfuhr ihr ein Seufzer, als sie vor dem Cottage stehen blieb, über dessen Tür der schwarze Schriftzug »Zazzles« stand.
Zazzles war der Name von der Katze ihrer Nichte Erin gewesen. Der Name war so ungewöhnlich wie das kleine Gästehaus, das Shona nun mitsamt Erin betreuen sollte. Auf dem Parkplatz stand Freyas Auto, ein alter Jeep, und Shona schluckte ihre Tränen hinunter. Sie musste einfach daran glauben, dass sich alles zum Guten wenden würde.
Beherzt griff sie nach dem Türklopfer. Blumenkästen waren liebevoll mit Geranien bepflanzt, und im kleinen Vorgarten blühten wilde Nelken zwischen Steinen und einem Buchsbaum. Es dauerte nicht lange, und die Tür öffnete sich.
»Sie müssen Shona sein, ja?«, wurde sie hoffnungsvoll von einer älteren Dame begrüßt.
Shona lächelte und ergriff die angebotene Hand. »Ja, freut mich. Dann sind Sie Thea?«
Die ältere Frau nickte. Sie war kleiner als Shona, trug eine Jeans, eine geblümte Bluse und eine Schürze. Es duftete nach Bratkartoffeln und Zwiebeln. »Kommen Sie, meine Liebe. Gott, bin ich froh, dass Sie hier sind. Die Kleine macht mir Sorgen. Aber alles zu seiner Zeit. Ich habe gekocht. Haben Sie Hunger?«
»Ein wenig, danke. Wo ist denn Erin?« Shona zog ihren Koffer herein und nahm die Veränderungen in ihrem Elternhaus wahr, die Freya vorgenommen hatte, nachdem sie beschlossen hatte, Gäste zu beherbergen.
Sie erkannte die alte Kommode im Flur wieder, und die Ölbilder ihres Großvaters schmückten Eingangsbereich und Treppenaufgang. Lange hatte die Familie nicht gewusst, was mit dem Haus auf Islay geschehen sollte, denn ihre Eltern waren nach Edinburgh gezogen, wo auch Shona lebte. Die letzten Mieter hatten dem Haus nicht gutgetan, und als Freya den Wunsch geäußert hatte, mit Erin auf der Insel neu anzufangen, waren alle glücklich gewesen.
»Oben, in ihrem Zimmer. Da verkriecht sie sich die meiste Zeit. Heute ist das ja wohl so mit den jungen Leuten. Die tippen den ganzen Tag auf ihrem Handy herum, anstatt an den Strand zu gehen«, beschwerte sich Thea.
Shona lachte. »Na, ganz so schlimm wird’s nicht sein. Ich weiß, dass Freya gern mit Erin wandert.«
»Hm, ja, kann sein. Der Unfall Ihrer Schwester hat die Kleine sehr mitgenommen.« Thea ging in die Küche, in der es nach Fisch duftete.
Die hellgrün gestrichene Cottageküche war schon früher der Mittelpunkt des Hauses gewesen, und heute bereitete Freya hier Frühstück für die Feriengäste zu. »Haben wir Gäste im Haus?«
Überrascht sah Thea sie an. »Aber ja! Hat Molly Ihnen das nicht gesagt? Wir haben einen Dauergast. Ein seltsamer Kauz, wenn Sie mich fragen. Der wohnt in der Eins, in der Zwei ein junges Paar aus London und in der Drei eine Deutsche, aber die reist morgen ab. Dafür kommen zwei Japaner.«
»Wow, das hätte ich nicht erwartet. Im Mai schon so viele Gäste!«
»Die Touristen kommen jetzt fast das ganze Jahr durch. November bis Januar weniger, Regen und Sturm halten die dann doch nicht aus. Mir soll’s recht sein. Ich will auch mal meine Ruhe haben. Wissen Sie, die klingeln ja sogar schon bei mir und trampeln durch meinen Garten!«
Thea lebte nebenan in einem kleinen Cottage, und Shona konnte verstehen, dass Gäste zwar eine gute Sache waren, aber es auch überhandnehmen konnte. Das spürten sie auch in Edinburgh.
»Ich gehe nach oben zu Erin, und dann essen wir gemeinsam. Sie sind ein Schatz, Thea.« Kurz umarmte sie die ältere Frau und verließ die Küche.
Im ersten Stock hatte Freya drei Zimmer und ein Bad für die private Nutzung abgetrennt. Shona betrat den Flur, und sofort schallte ihr laute Musik entgegen. Energisch klopfte sie, und als keine Antwort kam, öffnete sie vorsichtig die Tür. Ihre Nichte saß an ihrem Schreibtisch und schien zu zeichnen. Voller Mitgefühl ging Shona zu dem Mädchen: »Hallo, Erin!«
Das Mädchen fuhr herum und sah sie mit verweinten Augen an. »Tante Shona, hast du mich erschreckt!«, sagte sie vorwurfsvoll.
Es war ein Jahr her, dass sie sich auf dem Festland gesehen hatten, bei einem Teenager war das viel. Erin hatte sich verändert. Langes braunes Haar rahmte ihr schmales Gesicht. Ihre weiblichen Formen verbarg sie unter einem weiten Sweatshirt und einer formlosen Jeans. Die graublauen Augen hatten dieselbe Farbe wie die von Freya, dachte Shona und nahm das Mädchen in die Arme.
Erin drückte sich an sie und fragte schluchzend: »Wie geht es Mum? Warst du bei ihr? Ich will nicht alleine hierbleiben. Warum kann ich nicht mit nach Edinburgh kommen? Grandpa und Grandma sind da und können auf mich aufpassen, obwohl ich sowieso schon allein klarkomme, und …«
»Hey, Erin, deshalb bin ich doch hier. Damit du nicht allein bist. Hier hast du deine Schule, deine Freunde, und wir besuchen deine Mum bald. Ihr Zustand ist unverändert. Sie müssen ihre Verletzungen erst auskurieren, und dafür braucht sie ganz viel Ruhe und Zeit.«
Sie verschwieg Erin, dass Freyas Zustand noch immer kritisch war, und die Ärzte alles taten, um das Leben ihrer Schwester zu retten. Es durfte einfach nicht zum Äußersten kommen, betete Shona seit Tagen.
Ihre Nichte wischte sich die Augen und sah sie trotzig an. »Warum denkt ihr, dass ihr besser wisst, was gut für mich ist? Ich gehe nicht mehr zur Schule!«
Es würde schwieriger werden als gedacht. Shona legte ihrer Nichte die Hände auf die Schultern. »Süße, jetzt gehen wir erst einmal runter zum Essen, ja? Thea hat toll gekocht.«
Erin rollte die Augen. »Sie will mich herumkommandieren. Ich brauche keinen Aufpasser.«
»Nein, das will auch niemand für dich sein, Erin. Aber du bist erst zwölf, und da kannst du eben noch nicht allein entscheiden.« Sie schaute über Erins Schulter auf deren Schreibtisch. »Hast du das eben gezeichnet?«
Das Mädchen drehte sich um. »Wer denn sonst!«
»Das ist richtig gut!« Sie betrachtete die Zeichnung einer Frau in mittelalterlicher Tracht, deren Mantel von einer Brosche gehalten wurde. »Wen stellt sie dar? Ist das eine Heilige aus dem Mittelalter?«
Erin klappte den Skizzenblock zu. »Nein. Ich komme mit zum Essen. Aber wenn du jetzt hier bist, dann geht Thea wieder?«
Shona lachte. »Sie kocht besser als ich, das ist mal sicher. Vielleicht …«
»Nein! Wieso? Kannst du nicht kochen?« Erin ging an ihr vorbei zur Tür. Das Zimmer war nicht groß, bot gerade genügend Platz für ein Bett, einen Kleiderschrank, Bücherregale und den Schreibtisch vor dem Fenster. Aber der Ausblick auf das Meer war unvergleichlich. Der Rhinns-of-Islay-Leuchtturm erhob sich nur wenige Hundert Meter von ihnen auf der winzigen Insel Orsay, und hin und wieder tuckerte ein Boot in den kleinen Hafen.
Shona grinste. »Dafür hatte ich nie Zeit. In Edinburgh sitze ich von morgens bis abends in der Firma, und danach gehe ich laufen oder mit Freunden …« Sie hielt inne. Mit dem Ausgehen war es nun vorbei, aber das war nicht wichtig.
Kurz öffnete sie die Tür zu Freyas Zimmer, das sie beziehen würde, und sah die Stapel von Papieren und Ordnern, die auf und unter dem Schreibtisch ihrer Schwester lagen. In die Buchführung musste sie später einen Blick werfen.
»Kommst du jetzt?«, murrte Erin auf dem Treppenabsatz.
»Aber ja. Thea, es kann losgehen!«, rief Shona.
Whisky ist flüssiges Sonnenlicht.
George Bernhard Shaw
Die Hände tief in den Taschen seiner Wachstuchjacke vergraben, lief Gavin Ramsey die Uferstraße in Bowmore entlang. Bevor er sich den prüfenden Fragen von Bankdirektor Hardy Campbell stellte, brauchte er frische Luft. Am Morgen hatte es noch geschüttet, doch seit einer Stunde zeigte sich die Sonne wieder, und die grauen Wolken verzogen sich aufs Meer. Vom Geräusch der Wellen, die sich an den Felsen brachen, konnte er nicht genug bekommen. Nicht ohne Grund war er nach Jahren auf dem Festland zurück nach Islay gekommen. Dass dann alles schiefgelaufen war, hatte er nicht vorhersehen können.
Das gesamte Kapital der Familie Ramsey steckte in der kleinen Destillerie bei Kilchoman. Nach der alten Eiche auf dem Land seiner Vorfahren hatten sie ihre Destillerie Darragh genannt. Seine Eltern, sein Bruder Brian und seine Schwester Mary hatten ihre Ersparnisse in das Start-up-Unternehmen gesteckt und auf sein Fachwissen vertraut. Er hatte in verschiedenen Destillerien gelernt und genügend Erfahrungen gesammelt, um seinen eigenen Whisky zu produzieren. Einen Teil des Startkapitals hatte außerdem Veronica beigesteuert. Bei dem Gedanken an seine Ex-Frau stieß Gavin hörbar die Luft aus. Ihretwegen stand ihnen das Wasser jetzt bis zum Hals.
»Hey, wo sind Sie denn mit Ihren Gedanken?«, rief eine Frauenstimme, und er spürte eine Hand an seiner Brust.
»Verzeihung«, sagte er automatisch und hob den Blick.
»Oh, du? Ich wusste gar nicht, dass du wieder auf Islay bist«, sagte Shona MacLean und streckte ihm die Hand entgegen.
Überrascht nahm er ihre Hand und sah in amüsiert funkelnde grüne Augen. Sie hatte sich nicht verändert. Ihr wildes rotbraunes Haar fiel ihr bis auf die Schultern, und ihre Haltung entsprach einer Frau, die fest im Leben stand und glücklich zu sein schien. Auf der Highschool hatten sie miteinander geflirtet, und dann hatten sich ihre Wege getrennt. Das Schicksal vieler Inselkinder.
»Dasselbe könnte ich von dir sagen.« Er hielt inne, und seine Miene verdunkelte sich. »Ich hab’s gehört. Du bist sicher wegen deiner Schwester hier. Wir alle sind entsetzt, dass jemand auf Islay so rücksichtslos gefahren ist und sich nicht um Freya gekümmert hat. Tut mir sehr leid, Shona. Wie geht es Freya?«
Shona stellte ihren Rucksack ab. »Nicht gut, Gavin. Aber behalte das bitte für dich. Es ist schwer genug, Erin ruhig zu halten. Heute ist sie das erste Mal seit dem Unfall wieder zur Schule gegangen. Freya liegt noch im Koma. Die Ärzte halten das für das Beste. So können ihre schweren Verletzungen heilen. Scheiße, wer macht denn so was?«
Er sah, dass sie mit den Tränen kämpfte. »Hey, wollen wir einen Kaffee trinken und reden? Ich muss nur eben zur Bank.«
Sie fing sich wieder und schien nachzudenken, bevor sie antwortete: »Okay, gern. Ich muss auch noch einige Sachen einkaufen. Wir haben Gäste aus London, die mich mit ihren Sonderwünschen in den Wahnsinn treiben.« Shona verdrehte die Augen, und Gavin lachte.
»Du hast wohl sonst nicht viel mit Gästen zu tun?«
»Zum Glück nicht! Ich bin Mediaplanerin, und das gefällt mir auch ausgesprochen gut. Aber ich kann Freya nicht hängen lassen.«
Ein Familienmensch, dachte Gavin und lächelte.
»In der Peatzeria, in, sagen wir, einer halben Stunde?«, schlug er vor.
Sie nickte, packte ihren Rucksack und ging davon.
Gavin schaute auf seine Uhr und beschleunigte seine Schritte. Das Gebäude der Bank of Scotland lag auf der anderen Straßenseite und unterschied sich kaum von den übrigen weißen Häusern. Es könnte einen neuen Anstrich gebrauchen, dachte Gavin, als er sich dem Eingang näherte. Bei den Zinsen, die er für seinen Kredit zahlte, sollte das drin sein.
Die junge Frau am Schalter klingelte, und Campbell trat aus seinem Büro. Der Banker war mittelgroß, untersetzt und hatte eine Halbglatze. Das breite Lächeln konnte er nach Belieben ein- und ausschalten. Es erreichte nie seine Augen.
»Mr Ramsey, wie schön, Sie bei uns begrüßen zu dürfen. Möchten Sie einen Tee oder einen Kaffee? Bitte, hier entlang.«
Gavin kannte den Weg und folgte Campbell in dessen Büro, ein kleiner Raum, in dem es nach kaltem Schweiß roch. Wahrscheinlich der Angstschweiß vorheriger Klienten.
»Danke, nein. Lassen Sie uns gleich zur Sache kommen, Mr Campbell.« Gavin setzte sich in den Stuhl vor dem Schreibtisch, während Campbell dahinter Platz nahm und seine Krawatte gerade rückte.
»Es tut mir leid, aber Mrs Ramsey, also Ihre Ex-Frau …«, begann Campbell.
»Entschuldigung, Hutchinson, sie hat ihren Mädchennamen wieder angenommen, worüber ich sehr froh bin. Bitte«, sagte Gavin.
»Mrs Hutchinson, ja, ich verstehe. Gut, also sie besteht darauf, ihr Kapital aus dem Unternehmen zu ziehen, was bedeutet, dass Sie sie auszahlen müssen. Wir haben uns wirklich bemüht, ihr ein attraktives Anlageangebot zu machen.« Entschuldigend breitete Campbell die Handflächen aus.
Grimmig sagte Gavin: »Sie will uns oder – besser – mich ruinieren.«
»Auf der Destillerie liegt bereits eine Hypothek. Haben Sie noch Landbesitz? Wir brauchen einen Gegenwert, wenn wir Ihnen einen Kredit gewähren sollen.«
Gavin legte die Hand auf seine Brusttasche, in der der Grundbuchauszug steckte. Zögerlich nahm er die Urkunde heraus. »Dieses Land ist seit vielen Generationen im Besitz unserer Familie.«
Campbell streckte die Hand nach der Urkunde aus. Gierig, fand Gavin und gab sie dem Banker.
»Das ist ja die Landspitze bei Cnoc Mòr!« Campbell sah auf. »Der Hügel mit den Mauerresten gehört dazu, einige fruchtbare Felder und der Rest, na ja …« Campbell legte die Urkunde ab.
»Das ist gutes, wertvolles Land. Das wissen wir beide!« Gavin musste an sich halten, denn natürlich wollte der Banker das Land schlechtmachen, um seinen Wert zu drücken und noch mehr Gegenleistungen zu verlangen.
»Schon gut. Also schön, wir würden das Land als Sicherheit akzeptieren. Aber, mein Bester, Sie müssen sich Ihrer Sache ja sehr sicher sein. Haben Sie das auch wirklich alles bedacht? Ihr Whisky ist neu auf dem Markt, und es wird dauern, bis er sich durchsetzt, wenn er sich denn verkaufen lässt. Immerhin werden hier auf Islay die ganz großen Whiskys produziert. Wer schaut da schon nach einem Newcomer?«
»Das lassen Sie unsere Sorge sein. Unser Whisky ist von hervorragender Qualität. In diesem Herbst werden wir aus Fässern abfüllen, die fünfzehn Jahre lagern. Ich bin mir sicher, dass wir bei der World Spirits Competition eine Medaille gewinnen«, sagte Gavin voller Überzeugung.
Campbell lächelte. »Ich wünsche es Ihnen und Ihrer Familie, und das meine ich ehrlich. Ihren Vater kenne ich, seit ich die Filiale übernommen habe, und von meinem Vorgänger weiß ich, dass auch Ihr Großvater ein zuverlässiger Kunde war. Mir gefällt es, unter uns gesagt, nicht, dass immer öfter Land an ausländische Investoren verkauft wird.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Vor allem die Jagdveranstaltungen auf Kellsay Lodge sind eine Schande für die Insel.« Gavin fuhr sich durch die dichten dunkelblonden Haare. Seit einigen Jahren veranstalteten die Besitzer des Waldgebiets rund um die Lodge Jagden für zahlungskräftige Besucher, die sich mit Helikoptern einfliegen ließen.
Es klopfte an der Tür, und Campbells Assistentin schaute herein. »Mr Saunders möchte Sie sprechen, Sir. Hätten Sie gleich ein paar Minuten?«
»Wenn man vom Teufel spricht«, murmelte Gavin, denn Saunders war der Verwalter von Kellsay Lodge.
»Ja, das passt. Wir sind ja auch so weit durch, was, Mr Ramsey?«, meinte der Bankier. »Ich lasse die Papiere fertig machen, und wir vereinbaren einen Termin zur Unterzeichnung. Ist das in Ihrem Sinne?«
Gavin nickte, obwohl er sich wie der Verräter der Familie fühlte. Wenn die Destillerie keinen Erfolg hatte, würde er seiner Familie nie wieder in die Augen sehen können.
Ihm wurde erst leichter, als er Shona MacLean vor der Peatzeria stehen sah.
»Hallo, Shona, konntest du alles erledigen?« Er hielt die Tür auf.
»Auf dieses bestimmte Müsli, das die Herrschaften zum Frühstück wollten, werden sie verzichten müssen. Himmel, wenn man Urlaub macht, will man doch auch mal was anderes essen, oder nicht?« Shona zog eine Grimasse.
»Sollte man meinen. Ich habe mal Gäste, die eine Unterkunft suchten, zu deiner Schwester geschickt. Die waren begeistert von Freyas Frühstück. Du trittst also in große Fußstapfen.«
Sie setzten sich, und Shona sagte: »Rührei und Porridge kriege ich hin.«
Während sie sich unterhielten, vergaß Gavin seine Sorgen und sprach vielmehr Shona Mut zu. Alle, die Freya kannten, hofften, dass sie bald genesen würde, denn sie war freundlich und hilfsbereit und brachte sich bei lokalen Veranstaltungen ein.
»Ich finde es mutig von euch, eine Destillerie zu gründen«, sagte Shona schließlich. »Ich weiß nicht, ob ich das könnte. Selbstständig sein, meine ich. Freya hat es ja auch gewagt, und einfach ist es nicht.«
»Wenn das Business stimmt und das Risiko überschaubar ist, spricht nichts dagegen. Die Arbeit macht uns allen Spaß, und wir haben etwas vorzuweisen. Wir wären schon viel weiter, wenn nicht …« Er biss sich auf die Lippen und sah Shona an.
»Ja?«
»Ach, es wird ja doch überall herumgetratscht. Ich war mit Veronica Hutchinson verheiratet.«
»Aus der Unternehmerfamilie Hutchinson?«, hakte Shona nach und trank ihren Kaffee aus.
»Hm, ja, sie hatte Kapital eingebracht, und das fehlt jetzt.« Er seufzte.
»Verstehe, das ist nicht gut, aber ihr schafft das, oder?« Shona legte den Kopf schief, musterte ihn und lächelte. »Ihr schafft das.«
Draußen fuhr ein Schulbus vorbei, und Shona fluchte leise. »Verdammt, ich habe Erin versprochen, sie abzuholen. Danke, Gavin. Es hat gutgetan, über Freya zu sprechen.«
»Jederzeit«, sagte er.
»Tut mir leid, dass ich zu spät war, Erin.« Shona konzentrierte sich auf die schmale Uferstraße, konnte aber aus den Augenwinkeln sehen, dass ihre Nichte mit den Schultern zuckte.
»Du musst dich nicht entschuldigen. Gibt eben Wichtigeres als mich …«, murmelte Erin und starrte durch die Windschutzscheibe, auf der vereinzelte Regentropfen landeten.
»Nein, ja, hör auf, dich wie eine Fünfjährige aufzuführen! Ich bin nicht deine Mutter, aber ich gebe mein Bestes!« Shona hätte nicht gedacht, dass das Mädchen sie derartig an ihre Grenzen bringen würde. Aber sie hatten sich sonst nur in den Ferien gesehen, Ausnahmezustand. Das hier war Alltag, Schule, die Sorgen von Teenagern, und obwohl Shona sich noch gut an ihre eigene Jugend erinnerte, war ihr Erins Welt offenbar fremd.
»Ihr könnt mich ja auch zu meinem Vater schicken, wenn ihr mich schon nicht in Edinburgh haben wollt.« Das Mädchen lehnte die Stirn gegen die Fensterscheibe. »Aber der will mich ja auch nicht.«
Leider hatte Erin damit sogar recht, denn ihr Vater, Jean Pierre Vasseur, war ein französischer Winzer, den Freya während ihrer wilden Wanderjahre, wie sie sich auszudrücken pflegte, kennen- und lieben gelernt hatte. Dass er die schottische Studentin nicht heiraten würde, hatte er von Anfang an deutlich gemacht, und Freya hatte sich dafür entschieden, ihre Tochter allein großzuziehen. Ihre Schwester war viel zu stolz, als dass sie Jean Pierre um Geld gebeten hätte, und mithilfe ihrer Familie hatte sie ihr Leben gemeistert. Nun ja, dachte Shona und verkniff sich ein Lächeln. Der Dickkopf lag wohl in der Familie.
»Dein Vater weiß ja gar nicht, was er verpasst, Erin. Ich jedenfalls bin gern hier, und es macht mir Freude, mich um dich und euer Gästehaus zu kümmern.«
Eine Gruppe Schafe lief gemächlich auf der Fahrbahn, und Shona drosselte das Tempo. Sie hatte Zeit, doch jemand hinter ihr offensichtlich nicht. Lautes Hupen schreckte sie auf.
»Idiot!«, schimpfte Shona, stellte ihren Wagen quer auf die Straße und stieg aus.
Ein großer Geländewagen mit dunklen Scheiben hielt notgedrungen an, und ein Seitenfenster wurde heruntergelassen.
»Jetzt fahren Sie schon! Haben Sie noch nie Schafe gesehen, oder wie?«, rief ein Mann mittleren Alters. Er trug eine Tweedmütze und Jagdkleidung.
Er konnte nicht überholen, weil rechts Geröll lag und er links die Böschung hinuntergerauscht wäre. Einen Kratzer an seinem teuren Wagen wollte er anscheinend nicht riskieren. Seinem Dialekt nach zu urteilen, kam er vom Festland. Ein Engländer.
In breitem Inselslang sagte sie: »Aye, Schafe habe ich viele gesehen, und diese hier brauchten etwas länger, um von einer Seite auf die andere zu gehen. Haben Sie keine Zeit? Wir sind auf einer Insel, nicht in der Londoner Rushhour. Sir«, fügte sie sarkastisch hinzu.
»Schon gut. Ich hab’s verstanden. Machen Sie jetzt die Straße frei?« Das Telefon des Fremden klingelte, und sie hörte ihn sagen: »Bin gleich da. Irgendeine Insulanerin spielt sich hier auf. Schenkt eine Runde Champagner aus und serviert die Canapés. Irgendwas wird euch ja wohl einfallen.«
Sie hatte den Mann noch nie gesehen, zumindest erinnerte sie sich nicht an ihn. Es hörte sich so an, als arbeitete er in einer der Luxuslodges. Als sie plötzlich das laute Dröhnen eines Helikopters hörte, der über ihre Köpfe hinweg Richtung Loch Gorm flog, rief sie: »Sind das da oben Ihre Gäste? Dann wundert es mich nicht, dass Sie keinen Respekt vor Tieren haben.«
Nur Kellsay Lodge hatte einen Hubschrauber-Landeplatz.
»Wenn Sie jetzt nicht sofort Platz machen, rufe ich die Polizei!«, brüllte der Mann und hupte.
Shona spuckte auf die Straße und ging gemächlich zu ihrem Wagen zurück, wo sie von einer grinsenden Erin erwartet wurde. »Das war ja cool, Shona! Weißt du, wer das war?«
Shona startete den Wagen und fuhr langsam weiter. Die Schafe grasten inzwischen auf einem Grünstreifen am Ufer. »Ich habe da so eine Vermutung. Gehört der Kerl zu Kellsay Lodge?«
Erin nickte eifrig. »Mum kann ihn nicht ausstehen. Das ist Charles Saunders, der Verwalter. Der ist so arrogant! Ehrlich, Tante Shona, der führt sich hier auf, als gehörte ihm die Insel!«
»Und stimmt das? Besitzt er Land?«
»Keine Ahnung. Mum weiß das.« Erin vergrub die Hände in den Ärmeln ihrer Jacke, und ein drückendes Schweigen machte sich im Wagen breit.
»Ich habe Pizza mitgenommen. Die magst du, oder?«, versuchte Shona, die Stimmung aufzuhellen.
Ein unverständliches Murmeln war die Antwort.
Als sie wenig später in die Straße vor dem Gästehaus bogen, sah Shona ein Paar mit Koffern vor dem Eingang stehen »Oh, verdammter …«
»Das sind dann ja wohl neue Gäste?«, meinte Erin. »Ganz toll, Shona. Die kommen doch nie wieder!«
»Molly wollte doch … oder habe ich vergessen, ihr das zu sagen?« Shona parkte den Wagen in der Einfahrt und sprang mit einem strahlenden Lächeln heraus. »Hallo, wollten Sie zu uns?«
Der Mann wirkte verärgert, während die Frau ihn anstieß und sagte: »Wir haben eine Reservierung für das Zazzles. Von heute bis nächsten Mittwoch. Ich habe eine Bestätigung in meinem Handy …«
»Das machen wir gleich. Kommen Sie doch bitte mit hinein.« Shona sandte ein Stoßgebet zum Himmel. Zumindest regnete es nicht mehr.
»Meiner Mutter wäre das nicht passiert«, zischte Erin, als sie an Shona und den Gästen vorbei ins Haus stürmte.
»Ja, wissen Sie …«, sagte Shona zu dem Paar und ging durch die Diele in den Frühstücksraum, der auch als Wohnzimmer diente, »… es ist tatsächlich so, dass eigentlich meine Schwester das Zazzles führt. Leider hatte sie einen schweren Unfall und liegt im Krankenhaus. Also, ich kann mich nur entschuldigen und hoffe, Sie fühlen sich dennoch wohl hier. Waren Sie schon einmal auf Islay?«
»Nein, wir sind zum ersten Mal auf den Hebriden. Das ist der Beginn einer Rundreise, wissen Sie, nachgeholte Flitterwochen«, meinte die Frau.
»Ich wäre lieber nach Martinique geflogen«, sagte ihr Mann.
»Die Karibik wird überschätzt. Wir haben die schönsten Strände, kristallklares Wasser und den besten Whisky. Was will man mehr?«, scherzte Shona.
»Dreißig Grad und einen Daiquiri am Pool«, blaffte der Mann und sah sich kritisch um.
Nur die Ruhe, ermahnte sich Shona und holte den Zimmerschlüssel und die Unterlagen aus der Küche. Dabei entdeckte sie einen Zettel von Molly, der Aushilfe. »Musste früher weg. Zimmer ist fertig. Frühstück Mr Wilcox morgen: Eier Benedict.« Großartig, was zum Henker waren Eier Benedict?
Müde setzte sich Shona später an diesem Abend an den Schreibtisch ihrer Schwester und betrachtete ein Foto, auf dem Freya mit der kleinen Erin auf dem Arm am Strand von Islay stand. Wie lange war das her? Seufzend öffnete Shona ihren Computer und suchte nach einem Rezept für Eier Benedict.
»Spiegeleier werden es auch tun«, sagte sie und nahm sich die Rechnungen vor, die am dringendsten schienen. Die Stromrechnung zuerst, dachte sie, dann der Installateur. Handwerker musste man sich gewogen halten, besonders, wenn man Gäste beherbergte.
Nach einer viel zu kurzen Nachtruhe ging Shona um sieben Uhr hinunter in die Küche und bereitete das Frühstück vor. Sie kochte Kaffee, Tee, briet Würstchen, rührte Waffelteig an und schnitt Obst klein.
»Guten Morgen!«, begrüßte Mr Wilcox sie als erster Gast. Ein kleiner, drahtiger Mann mit Brille und Wanderkleidung, der sich nichts daraus zu machen schien, dass er heute mit Spiegeleiern vorliebnehmen musste.
Shona schloss gerade das Waffeleisen, als ihr Telefon klingelte.
»Guten Morgen, Shona!«, begrüßte ihr Arbeitgeber, Agenturchef Steve Fraser, sie. »Entschuldige, dass ich dich überfalle, aber wir brauchen deine Hilfe. Wir haben doch die große Kampagne für die Sportfirma bekommen, und du fehlst! Ohne dich schaffen wir das nicht. So ein paar Gäste laufen doch nebenher. Deiner Schwester geht es besser, ja?«
Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass das eher eine rhetorische Frage war. »Nein, nicht wirklich, Steve, aber danke, dass du fragst.«
»Äh, ja. Also, pass auf, ich sende dir die Dateien für die Kampagne zu. Miranda hat angefangen, aber das Konzept ist noch nicht rund. Ja? Du bist die Beste! Du weißt ja, wir stehen voll hinter dir. Und weiterhin alles Gute für deine Schwester. Das wird schon!«
»Steve, ich habe hier wirklich viel zu tun! Ich weiß nicht, ob …«
»Ich muss Schluss machen. Wenn du Fragen hast, wende dich an Miranda. Danke, Shona.«
Aufgelegt. Sie starrte auf ihr Handy und roch erst jetzt die verbrannten Waffeln.
»Die kannst du wegwerfen, Shona«, sagte Erin und goss sich Tee in einen Becher. »Wer war das denn eben?«
»Mein Chef. Er hat mich freigestellt, aber das hält ihn nicht davon ab, mich für ein Projekt einzuspannen.« Seufzend kratzte Shona den schwarzen Waffelteig aus dem Waffeleisen.
»Klingt nicht nett«, konstatierte Erin.
»Mit Nettigkeit bringst du es nicht zum Chef einer der größten Medienagenturen des Landes.«
Es klingelte im Frühstücksraum.
»Das sind die Coopers. Und sie wollten Waffeln!« Shonas Wangen waren gerötet, und ihr stand der Schweiß auf der Stirn.
»Ich mache das. Du kannst ja schon den Kaffee rübertragen«, bot Erin an.
Shona gab ihrer Nichte einen Kuss auf die Stirn und bereitete ein Tablett vor. Vielleicht war das hier ein Anfang.
Er konnte die Heimat riechen. Tief sog Fjell den Geruch des Meeres ein, der sich hier mit dem würzigen Duft von Torf und fettem Weideland mischte. Íl, seine Heimat. Die Männer fingen an, zu rufen und auf ihre Schilde zu klopfen, während er Sturmpfeil, sein Drachenschiff, in die Weiße Bucht steuerte. Die anderen drei Schiffe fuhren weiter die Küste hinauf, um in den Hafen von Naustvík zu fahren. Den Großteil des Winters hatten sie auf Man verbracht, bevor sie die Küsten von Munster und schließlich Uí Néill im Norden von Írland besucht hatten. Reiche Beute hatten sie auf ihren Raubzügen gemacht und konnten sich heute von ihren Familien feiern lassen.
»Fjell, sie haben uns gesehen!«, rief Jón, sein Freund und Kampfgefährte. Keiner bewegte sich schneller als der drahtige Däne, der ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte.
Tatsächlich standen auf den Felsen entlang der Bucht Männer, Frauen und Kinder, die johlten und winkten. Viele seiner Krieger hatten hier Frau und Kinder, und Fjell spielte mit dem Gedanken, sich eine Frau zu nehmen. Er brauchte Söhne, die seinen Namen trugen, und eine Frau, die auf ihn wartete. Jóns Gesicht veränderte sich, wenn er von seiner Frau und seinen Kindern sprach. Dann war er nicht mehr der Krieger, dessen Schwert durch das Blut ihrer Feinde pflügte, sondern ein Mann, dessen Herz verwundbar war, weil er liebte.
Jón packte seinen Arm. »Sie wird jedes Mal schöner!«
Fjell lachte. »Kára ist eine prachtvolle Frau. Und sie trägt ein Kind auf dem Arm.«
Eine großgewachsene Rothaarige hielt ein Kleinkind im Arm. Doch Fjells Blick blieb an einer blonden Frau haften, die neben Kára stand. Ihr langes goldblondes Haar leuchtete in der Sonne, die endlich ihre Strahlen auf die Bucht und den Strand warf. Bevor er sich weitere Gedanken machen konnte, stieß das Schiff gegen den Steg. Die Balken und Planken ächzten, das Wasser spritzte zwischen Bordwand und Steg hoch, als eine Welle hereinrollte, doch die Männer sprangen schon von Bord. Stolz trat auch Fjell an Land. Sie hatten für ihren Heerführer, ihr Land und ihr Leben gekämpft. Ein Leben ohne Kampf war nicht möglich. Immer gab es andere Jarls oder Könige, die sich nach neuem Land und Sklaven umsahen. Also mussten sie verteidigen, was sie ihr Eigen nannten.
»Eh, Fjell Halvorson, willkommen, das Bier wartet auf dich und deine Männer. Erzählt uns, was ihr erlebt habt! Kommt ans Feuer, esst, trinkt, und wir singen von euren Taten!« Der dicke Mann, dessen graue Mähne ihm über die Schultern und in zwei Zöpfen ins Gesicht fiel, breitete die Arme aus.
Fjell ließ sich von seinem Onkel umarmen. Einst ein stattlicher Krieger, humpelte er nach einer Verletzung und konnte mit den Fingern, die ihm an der Schwerthand geblieben waren, nicht mehr kämpfen.
»Sebbi, es ist gut, dich zu sehen. Aber wo ist mein Vater?« Fjell sah zu, wie seine Männer das Schiff entluden, und zeigte auf eine mit Eisen beschlagene Kiste. »In mein Haus!«
»Ja, Herr!«, sagte Ulfarr, ein junger Krieger, der seine erste Fahrt mit Fjell gemacht hatte. Sie teilten alles gerecht auf, und ihm als Anführer stand ein Fünftel mehr zu. Nicht immer nahm sich Fjell mehr, aber bei diesem reichen Beutezug hatte er auf seinem Silberanteil bestanden. Er suchte in der Menge der lachenden und gestikulierenden Menschen nach den blonden Haaren, doch sie war verschwunden.
Sein Onkel legte ihm den Arm um die Schultern. »Er ist in der Großen Halle. Der Schlag hat ihn getroffen, Fjell. Erschrick nicht, wenn du ihn siehst.«
Fjell, dessen Schwert auf seinem Rücken befestigt war, musterte seinen Onkel, der trotz seiner Verletzungen ein wehrhafter Mann war, so dass man ihm während der Abwesenheit der Krieger die Aufsicht über die Verteidigung der Familien anvertraut hatte. Fjells Vater, Halvor, war zwei Jahre jünger. »So schlimm? Und wie geht es Mutter?«
»Gut. Und deine Brüder?«
Sebbi hatte seine Frau und drei Kinder vor Jahren während einer Seuche verloren. Die Todesgöttin hatte damals ein Drittel der Bewohner von Íl geholt. Seine beiden Söhne standen in Crovans Diensten und lebten auf Man.
»Báfurr ist mit Ottarr bei Crovan auf Man geblieben. Eigentlich wollte er mit mir zurück, aber Crovan hat irgendetwas vor«, sagte Fjell düster und sah sich um, doch die anderen waren mit dem Schleppen der Kisten und Säcke oder dem Wiedersehen mit ihren Freunden und Familien beschäftigt.
Sie gingen den lose mit Baumstämmen befestigten Pfad durch die Dünen hinauf, hinter denen sich die Siedlung und die Festung befanden. Kúla nannten sie den Turm, von dem aus sie über die Bucht und bis weit aufs Meer sehen konnten.
»Fálki und Pédr müssten gleich kommen.« Fjell sah sich nach seinen jüngeren Brüdern um, die es unter seiner Führung nicht leichter hatten als andere junge Krieger. Aber sie respektierten ihn, weil er nicht nur der beste Schwertkämpfer, sondern auch der erfolgreichste Heerführer war. Wenn es darum ging, eine Burg zu erobern oder eine Schlacht zu planen, verließ sich sogar Crovan auf Fjells Rat.
Endlich erreichten sie den Grat der Dünen. Unter ihnen breitete sich die Siedlung aus, die aus der Großen Halle und einem Dutzend Häusern bestand. Das Land hier im Westen der Insel war fruchtbar und lag unmittelbar an Loch Gorm, dem größten Süßwasserreservoir von Íl. Loch Gorm war voller Fische und umgeben von flachem, sattem Weideland. Fjell und vor ihm Sebbi und sein Vater hatten sich den besten Platz in Íls Westen als Krieger verdient.
Rauch stieg aus den Langhäusern auf. Die Frauen trugen Körbe mit Fladenbrot und Fleisch über den Platz, und zwischen ihnen rannten Kinder und Hunde umher. In den Ställen stand das Vieh, die Pferde weideten in der Einfriedung hinter den Häusern. Ein kühler Wind wehte vom Meer herüber, doch Fjell verspürte eine große innere Wärme, als er sein Dorf sah mit den Menschen, die er liebte.
Plötzlich hörte er glockenhelles Lachen, und Jón kam mit seiner Frau durch die Dünen herauf. »Wie schön, dass du mir meinen Mann heil zurückgebracht hast, Fjell! Weil ich so glücklich bin, werde ich dich küssen!«
Übermütig kam Kára auf ihn zu, nahm sein Gesicht in ihre Hände und gab ihm einen laut schmatzenden Kuss auf den Mund. Bevor Fjell sie an den Hüften packen konnte, war Jón, der sein Kind auf dem Arm hielt, bei ihnen.
»Das reicht, Kára! Wenn du Küsse willst, Fjell, nimm dieses Frauenzimmer!« Jón trat zur Seite und schob die blonde Schönheit vor, die Fjell aus blauen Augen ernst musterte.
»Und wer bist du? Dein Haar glänzt wie Gold«, sagte Fjell und griff nach einer Strähne.
Sebbi lachte dröhnend. »Du warst zu lange fort, Fjell. Das ist Hulda Rokadóttir!«
Die junge Frau hob das Kinn und hielt seinem Blick stand. Ihr blaues Kleid aus feinem Wollstoff wurde vom Wind gegen einen kräftigen, wohlgeformten Körper gedrückt. Ihre Züge waren ebenmäßig, und in ihren Augen funkelte ein wissendes Feuer.
»Wie konnte ich dich vergessen, Hulda, Tochter von Róki«, sagte Fjell und legte einen Finger unter ihr Kinn. Er würde sie nicht küssen. Nicht hier.
Sie verzog den Mund zu einem schmalen Lächeln. »Ich kann wohl von Glück sagen, dass du mich nicht bemerkt hast, Fjell Halvorson.« Damit drehte sie sich um und schritt den Weg zum Dorf hinunter.
Jón lachte. »Lass die Finger von ihr. Die bringt nur Ärger!«
Seine Frau stupste ihn. »So sprichst du nicht über meine Freundin. Hulda ist ein reizendes Mädchen.«
Mit seinem Onkel und den anderen Männern machte sich Fjell auf den Weg. Als er die Große Halle betrat, das Versammlungshaus, in dem sie sich berieten, Besucher empfingen und feierten, wich seine Freude über die ruhmreiche Heimkehr der Sorge um seinen Vater. Aus dem einst großen Krieger, dessen Schultern Panzer und Kettenhemd getragen und dessen Arme Schild und Schwert geführt hatten, war ein zusammengesunkener alter Mann geworden.
Fjell musste sich die Tränen verbieten, als er auf seine Eltern zuging, die auf fellbedeckten Stühlen saßen. Seine Mutter war noch immer eine beeindruckende Frau von vornehmer Haltung, und ihre Augen schimmerten feucht, als sie ihm die Arme entgegenstreckte und ihn an sich zog.
»Mein Sohn«, sagte sie und küsste ihn auf die Wangen. »Wir sind sehr stolz auf dich!«
Es duftete nach Fleisch und Gewürzen, und jemand begann zu singen.
»Vater«, brachte Fjell mit gepresster Stimme heraus und ging vor seinem Vater auf die Knie, um ihn umarmen zu können.
Der schiefe Mund zitterte, und das kantige Kinn bewegte sich, doch Halvor brachte nur ein Stammeln hervor. Fjell drückte seinen Vater fest an sich. »Ich bin froh, euch zu sehen. Es war eine lange Fahrt. Viel zu lang.«
Er spürte eine Hand auf dem Rücken.
»Fürchte nicht den Tod, denn die Stunde deines Todes ist vorausbestimmt, und niemand kann ihr entrinnen«, sagte sein Onkel. »Wenn die Stunde gekommen ist, wird dein Vater als Krieger an Odins Tafel sitzen und von seinen Taten erzählen.«
»Aber bis dahin wollen wir uns an eurer Rückkehr erfreuen!«, sagte Fjells Mutter Védis und strich ihrem Mann über die Wange.
Als Fjell aufsah, fing er Huldas Blick auf. Sie stand neben einem Holzpfeiler und beobachtete ihn.
Nacht wurde es im Gehöft,
Nornen kamen,
die dem Edlen
die Lebenszeit schufen;
sie bestimmten, dass dieser Heerführer
der berühmteste werde
und als der Fürsten
bester erscheine.
Edda
Fjell wischte sich den Mund mit dem Handrücken und spülte den letzten Bissen Fisch mit einem Schluck hinunter. Sein Bruder Pédr saß mit Onkel Sebbi und Fionn bei ihm. Jón saß neben Kára und zog sie immer wieder an sich. Seine Männer hatten sich das ausgelassene Fest verdient, denn sie hatten sich tapfer im Kampf geschlagen, und nur wenige waren gefallen, aber das ehrenhaft. Jeder, der im Kampf fiel und sein Schwert im Tode hielt, durfte einziehen in Walhall, die prächtige Halle in Odins Burg Gladsheim.
»Was grübelst du, mein Freund?« Fionn stieß ihn an und schenkte ihm Bier nach.
»Ich habe an unsere Freunde gedacht, die nicht mehr unter uns sind. Mögen sie lachen und ihre Tapferkeit preisen und sich göttlichen Met von den Walküren einschenken lassen!«
Fionn stand auf, hob seinen Becher und rief: »Gedenken wir unserer tapferen Freunde, die heute in Walhall feiern!«
Ein Raunen ging durch die Menge, und alle stimmten in seinen Ruf mit ein. Namen wurden laut gerufen, und die Witwen der Gefallenen weinten, doch heute durften die Lebenden feiern und sich ihrer Taten preisen lassen. Ein Mann in auffällig bunter Kleidung, behangen mit Knochen- und Silberschmuck, trat in die Mitte der Halle und begann, in Versen von den Taten der Helden zu singen. Nikulás war ein Skalde, ein Dichter, der von Hof zu Hof, von Insel zu Insel zog und von alten und neuen Taten der Heerführer erzählte.
Fjell lehnte sich zurück und hörte zu, wie der Skalde vom Ruhm seiner Vorfahren sang. Dabei fiel sein Blick auf ein schlankes Mädchen mit langen braunen Haaren.
»Sváfa!«, rief Fjell, und seine Schwester drehte sich um und kam zu ihm.
Sie umarmte ihn und drückte sich an ihn. Dann setzte sie sich auf sein Bein und strich ihm durch die wilden braunen Haare. »Niemand hat sich um dich gekümmert, Fjell. Ich habe dir immer gern das Haar gekämmt. Hast du denn noch keine Frau, die das für dich macht, Bruder?«
Er hielt den schmalen Körper seiner Schwester. Ihre Hüften konnte er beinahe mit seiner Hand umfassen. »Du bist mager, Sváfa, habt ihr nicht genug zu essen gehabt?«
»Lenk nicht ab, Fjell. Ich bin genau richtig, jedenfalls hat Fionn das gesagt.« Ihre dunklen Augen leuchteten herausfordernd, und Fjell warf seinem Waffenkameraden einen kritischen Blick zu.
»Hast du meiner Schwester etwa schöne Augen gemacht? Sie ist noch ein Kind!«
Fionn hob die Augenbrauen. Er war ein ansehnlicher Bursche mit grünen Augen, kurzem dunklen Haar und einer kräftigen Kinnpartie. Sein breiter Mund war immer zu einem Lächeln bereit. Nur wenn er in den Kampf zog, wurde seine Miene zu einer furchterregenden Fratze, wie bei ihnen allen.
»Sieh mal genauer hin, Fjell, deine Schwester ist ein Weib geworden, und ich bin nicht der Einzige, der das bemerkt hat.«
»Was, hast du einen Verehrer, Sváfa? Wer ist es? Ich werde nicht zulassen …«, begann Fjell, doch Sváfa rutschte von seinem Bein und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
»So ein Unsinn! Fionn, was redest du da?« Sie hielt ihre Hand ins Licht der flackernden Flammen. »Die Ringe sind wunderschön, Fjell! Wo hast du sie gefunden? Auf einem Markt in Lundene? Wart ihr da unten? Oder aus Dyflin? Irgendwann musst du mich mitnehmen!«
»Auf einem Markt ja, an der Küste von Connacht«, schwindelte er, denn auf welchem der Beutezüge er den Schmuck gefunden hatte, wusste er nicht mehr.
Seine hübsche Schwester beugte sich zu ihm hinunter und flüsterte an seinem Ohr: »Und hast du auch ein Kleinod für meine Freundin Hulda mitgebracht? Ich habe gesehen, wie du sie angeschaut hast. Ihre Eltern sind viel zu streng mit ihr. Ihre Mutter betet zum Christengott und liegt ihr dauernd mit Sünde und Schuld in den Ohren.«
Fjell horchte auf. Seine Schwester war mit der blonden Hulda befreundet. »Sicher habe ich auch etwas für deine Freundin.«
»Soll ich sie zu dir schicken?« Sváfa ließ ihn los und nahm einen leeren Bierkrug vom Tisch.
»Nein«, sagte Fjell und war froh, als sein Onkel sich an ihn wandte.
»Was hat Crovan vor, Fjell? Er ist kein Mann des Friedens. Sein Hunger nach Land und Macht ist groß. Die Schmach von Jórvík sitzt tief.«
Fjell schickte seine Schwester mit einer Handbewegung weg, und die Männer rückten zusammen.
Seit der großen Niederlage bei Jórvík vor neunzehn Jahren hatte sich das Schicksal gegen die Nordmänner gewendet. Es schien so, als hätten sie die Götter erzürnt. Weder das große Blutopfer der Neun für Thor noch ihre Opfer für Snotra hatten ihnen geholfen. Das Kriegsglück hatte sie verlassen. Crovan, Sebbi und Fjells Vater hatten damals gemeinsam an der Seite von Hardråde gekämpft. Die Erinnerung an die Niederlage und den Tod Tausender tapferer Krieger vergiftete die Atmosphäre.
Sebbi, der Älteste unter ihnen, knurrte grimmig: »Ich gäbe meinen Schwertarm, wenn wir die verfluchten Engilsaxar schlagen könnten.«
»Ihr seid im Nachteil gewesen, Sebbi«, sagte Fionn. »Erst habt ihr im Süden von Jórvík die Truppen von Morcar und Edwin von Mercien besiegt und musstet keine fünf Tage später gegen Harold Godwinson kämpfen.«
»Dreihundert Schiffe! Mit dreihundert Schiffen ist Hardråde von Norvegr gekommen, und zusammen mit Tostigs Männern waren wir acht mal tausend Mann stark!« Sebbi stürzte einen Becher Bier hinunter.
Fjell konnte den Schmerz der Männer verstehen. Es war nicht nur die Niederlage der Nordmänner gegen den König von Engilsaxa, sondern das Ausmaß der Niederlage. Nur fünfundzwanzig Schiffe waren ihnen damals geblieben. Mit denen hatten sich die überlebenden Männer der blutigen Schlacht, in der Hardråde und Tostig gefallen waren, zuerst nach Skotland zu König Malcolm geflüchtet und dann auf den Inseln im Norden niedergelassen. Dabei war auch das Kriegsglück von Harold Godwinson nur von kurzer Dauer, denn er wurde kurz darauf bei Hastengas im Süden Englands von Wilhelm dem Normannen geschlagen. Seither saß der Normanne in Lundene und ließ sich König von England nennen.
»Also, was hat Crovan vor? Will er gegen die Engländer ziehen?«, rief Sebbi mit schwerer Zunge.
Fjell schlug seinem Onkel auf die Schulter. »So wahnsinnig ist selbst Crovan nicht. Es ist eher anzunehmen, dass wir bald nach Bretland aufbrechen. Grudffud ap Cynan, der König von Gwynedd, hat uns um Hilfe gebeten.«
Bretland war das fruchtbare grüne Hügelland im Westen Englands, das Fjell auf der Suche nach Sklavenmärkten besucht hatte.
»Ich will mir ein Schwert schmieden lassen, das die Feinde das Fürchten lehrt!«, rief Fálki, dessen Gesicht rot vom Met war.
Der Trank der Götter schmeckte süß und würzig, und Fjell goss sich ebenfalls Met in seinen Becher. Im Halbdunkel der Halle sah er Huldas goldenes Haar im Schein der Flammen schimmern. Er leerte seinen Becher und erhob sich.
»Wohin willst du, Fjell? Erzähl von Crovan und euren Fahrten!«, verlangte Sebbi.
Fionn legte dem Onkel den Arm um die Schulter. »Lass ihn, Sebbi. Ich erzähle dir, wen wir um sein Silber erleichtert haben, was, Pédr?«
Fjells jüngster Bruder grinste und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Und wie wir erzählen werden! Drei Männer habe ich beim Sturm auf die Feste von …«
Doch Fjell hörte nicht länger zu. Die blonden Haare zogen ihn an, als hätten die Nornen eine Schnur zwischen ihnen gespannt. Er bahnte sich seinen Weg durch die Feiernden, machte sich los, als er von einem seiner Gefolgsleute umarmt wurde, und stolperte über einen Schemel, bevor er die Feuerstelle erreichte, hinter der Hulda mit einem seiner Krieger stand. Sverrir war ein großer Mann und ihm an Jahren voraus. Erstes Grau durchzog seine Schläfen und den Bart, in den er Knochen und Silber flocht. Fjell hätte Sverrir nicht mit auf sein Schiff genommen, doch Crovan hatte es befohlen. Sverrir war sein treuer Gefolgsmann, seine Augen und Ohren. Doch er strebte nach einem eigenen Schiff und neidete Fjell seinen Ruhm. Deshalb misstraute Fjell dem Krieger, dessen Gesicht von einer tiefen Narbe geteilt wurde.
»Sverrir, hat man dir ein Quartier gegeben? Geh zu Fionn, der teilt euch ein.«
Der Hüne sprach mit rauer Stimme: »Ich gehe, wenn ich hier fertig bin.«
Hulda wirkte nicht ängstlich, aber die Nähe zu dem muskulösen Krieger, der sie um zwei Köpfe überragte, war ihr sichtlich unangenehm. Fjell packte Hulda am Arm und zog sie hinter sich.
»Du bist hier fertig, Sverrir!«
Ein drohendes Grollen schwoll in der Brust des Hünen an, der nach seinem Dolch griff, doch mit einem gezielten Faustschlag von Fjell daran gehindert wurde.
»In meiner Halle wird kein Messer gezogen, Sverrir! Du bist mein Gast!«, sagte Fjell mit scharfer Stimme.
Einige Männer sahen zu ihnen hinüber, und Fionn war aufgesprungen und mit wenigen Sätzen bei ihnen.
»Wir haben Seite an Seite gekämpft, Sverrir. Das Mädchen gehört Fjell. Lass es gut sein!«, sagte Fionn mit Nachdruck.
Sverrir, dessen Augen gerötet waren, stierte Hulda an und riss sich drei silberne Armreifen vom Oberarm. »Hier, ich will sie heute Nacht haben!«
Fjell spürte, wie Hulda sich an ihn drängte und sich an seinem Lederpanzer festhielt. Sie zitterte jetzt vor Angst.
»Du hast Fionn gehört. Sie gehört mir! Nimm dein Silber und such dir eine andere!« Fjell schaute sich nach den Sklavinnen um, von denen einige sehr hübsch waren.
Als auch Pédr und Ulfarr dazukamen und schließlich Sebbi herbeihumpelte und sich breitbeinig vor Sverrir aufstellte, ging ein Ruck durch den Hünen.
Zwischen zusammengepressten Lippen zischte er: »Das wirst du noch bereuen, Fjell Halvorson.«
Wütend wandte sich Sverrir ab, griff sich eins der Sklavenmädchen und verschwand mit ihr nach draußen.
Hulda stieß einen tiefen Seufzer aus und nahm seinen Arm. »Danke, Herr!«
Fjell sah die noch immer zitternde junge Frau an und strich ihr über die Haare. »Solange ich ein Schwert führen kann, wird dir niemals jemand ein Leid tun.«
Die Besuchergruppe heute war nur klein, aber die Gäste hörten interessiert zu, als seine Schwester ihnen die Geschichte der Destillerie erzählte.
»Auf Islay wird Whisky schon seit über sechshundert Jahren gebrannt. Wir gehen davon aus, dass auch unsere Vorfahren gewiefte Schwarzbrenner waren«, sagte Mary, und wie erwartet lachten die Besucher.
Seine Schwester sah in der Jeans, dem dunkelblauen Sweatshirt mit dem Logo der Destillerie und ihren kurzen Haaren jünger aus, als sie war. Ihr spitzbübisches Lächeln begrüßte ihn, als sie ihn in der Empfangshalle der Destillerie entdeckte.
»Die Schwarzbrennerei hat tatsächlich eine lange Tradition. 1644 wurden Steuern auf das Whiskybrennen erhoben, aber glauben Sie nicht, dass sich ein Steuereintreiber auf die Insel getraut hat!«, sagte Mary stolz.
Ein Amerikaner meinte: »Waren da noch Wikinger auf Islay?«
Mary lachte. »Also zu der Zeit sicher nicht mehr, vorher schon, aber das ist nicht mein Fachgebiet. Ich kann Ihnen sagen, dass sich der erste Steuereintreiber 1797 nach Islay getraut hat. Damals wurde die gesamte Gerste für die Mälzereien hier angebaut. Wir bauen auch heute noch unsere Gerste an und mälzen selbst. Gleich werde ich Ihnen erklären, warum die Mälze so wichtig für den unverwechselbaren Geschmack des Whiskys ist. Bitte, schauen Sie sich ruhig um, machen Sie Fotos. Nur in der Brennerei selbst dürfen Sie nicht fotografieren.«
Mary winkte einladend und trat zu Gavin, der hinter dem Empfangstresen den Terminplaner durchsah. Schwarz gebeizte Holzbalken gliederten die Decken und unterteilten als Pfosten den langgestreckten Raum. Die Gebäude der Destillerie waren nach Entwürfen von Gavins Vater, der viele Jahre als Architekt gearbeitet hatte, errichtet worden. Sie hatten fast ausschließlich Materialien verwendet, die auf der Insel zu finden waren. Das alte Farmhaus neben der Destillerie hatten sie in ein Mehrfamilienhaus umgebaut, in dem sich drei Wohnungen befanden. Gavin teilte sich mit Mary den ersten Stock, und seine Eltern bewohnten das Erdgeschoss. Nur sein Bruder Brian lebte mit seiner Frau und zwei Kindern in einem nahe gelegenen Cottage. Die namensgebende Eiche stand in der Mitte des Hofes, und ihre breite Krone spendete im Sommer Schatten.
»Du machst das so gut, Mary!«, lobte Gavin seine Schwester.
»Pah, das sagst du nur, weil du keine Führungen übernehmen willst.« Sie tippte auf den offenen Terminplaner. »Hast du gesehen? Morgen sind wir für beide Termine ausgebucht.« Sie senkte die Stimme. »Und die hier gehen auch nicht ohne unsere T-Shirts, Becher und mindestens eine Flasche des Zehnjährigen nach Hause.«
Sie hatten viel Zeit und Mühe auf das Erstellen des Firmenlogos verwendet, das nun die Eiche und den Schriftzug zeigte. In den Regalen des Verkaufsraums gab es neben T-Shirts und Hoodies Becher, Schlüsselanhänger aus Holz und Schiefer, Mousepads, Geschirrtücher, Holzschalen und Gläser mit dem Logo der Destillerie. Außerdem verkauften sie biologische Produkte ortsansässiger Farmer und natürlich ihren Whisky. Der Verkauf dieser Werbeartikel war eine zusätzliche Einnahmequelle, die sich als lukrativ herausgestellt hatte.
»Ich habe mit Hardy Campbell gesprochen«, sagte Gavin und behielt die Besucher im Auge, die sich nach einem Rundgang wieder näherten.
»Und?«
»Er wollte eine Sicherheit. Verdammt, Mary, es tut mir so leid. Ich hätte es nie so weit kommen lassen dürfen. Unser Land, dein Land, das Land unserer Familie steht jetzt auf dem Spiel!«, sagte er leise.
»Hey.« Sie legte ihm die Hand auf den Arm und sah ihn an. »Wir haben das besprochen, Gav. Es geht nicht anders, und du glaubst doch auch an den Erfolg von Darragh, oder etwa nicht?«
Gavin nickte und räusperte sich. »Ja natürlich. Wir werden es schaffen. Hat Brian etwas aus der Werkstatt gehört?«
Ihr Traktor stand derzeit mit einem Motorschaden in der Werkstatt von Fergus Callender.
»Keine Ahnung. Ich habe ihn nur heute früh kurz getroffen und bin dann gleich hier in den Laden gegangen. Hast du den Honig gesehen? Ich glaube, der wird gut laufen. Ach, und die Kühlschrankmagnete sind gekommen. Die müssen wir zurückschicken.«
Sie stieß mit dem Fuß gegen einen Karton unter dem Tresen. Gavin bückte sich und zog eine Plastiktüte mit Kühlschrankmagneten heraus.
»Wie dämlich kann man sein? Das muss man doch sehen! So was verschickt man doch gar nicht erst!« Verärgert betrachtete er den schiefen Druck und warf die Tüte wieder in den Karton.
»Hallo, Miss, wir wären dann so weit!«, rief eine der Besucherinnen, und Mary winkte.
»Okay, dann mal los!«
Mary begann ihre Tour durch die Destillerie mit einem Halt vor einer großen Tafel, auf der die einzelnen Schritte der Whiskyherstellung gezeigt wurden.
Gavin ging nach hinten, wo sich ein großes Büro befand, das er sich mit Mary teilte. Nur Brian hatte ein eigenes Büro, denn er machte die Buchhaltung und brauchte seine Ruhe, wobei sein älterer Bruder schon immer ein Eigenbrötler gewesen war. Obwohl oder gerade weil sie als Geschwister von so unterschiedlichem Temperament waren, arbeiteten sie gut zusammen.
»Hey, Brian!«, sagte Gavin, nachdem er geklopft hatte und als Antwort ein mürrisches Knurren erhalten hatte.
»Du störst!«, murmelte Brian, der gebannt auf seinen Computerbildschirm starrte. »Ah, da habe ich es! Fehler gefunden!«
Zufrieden tippte er etwas und schaute dann auf.
»Ich war bei Campbell.« Gavin zog die Papiere aus seiner Hosentasche. Sie würden von allen unterzeichnet werden müssen.
»Ehrlich, Gavin, wie kann man Dokumente nur so zerknüllen. Gib schon her. Wir haben das besprochen, also machen wir kein Drama draus. Ich habe die Zahlen im Griff, und es sieht gut aus. Der Verkauf in der ersten Jahreshälfte ist im Vergleich zum Vorjahr bereits um fünf Prozent besser. Und dann haben wir ja noch die World Spirit Competition im Oktober. Das gibt einen weiteren Anschub. Der Fünfzehnjährige hat großes Potenzial. Ich habe vorhin mit Vater und Tom verkostet.«
Sein Bruder lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Brian kam mit dem dunklen Haar und den blauen Augen nach seiner Mutter. Wie alle Ramseys hatte er ein schmales ovales Gesicht und ein ansteckendes Lachen. Jetzt sah er Gavin ernst durch seine Brille an. »Hast du etwa Zweifel?«
»Um Himmels willen, nein! Ich war und bin von unserer Destillerie überzeugt. Ich könnte es mir nur nicht verzeihen, wenn wir alles verlieren, weil …«
»Weil was? Das Schlimmste, was geschehen konnte, ist eingetreten, und es war nicht deine Schuld. Kapier das endlich, Gavin! Du hättest sie vor Gericht bluten lassen können. Warum du Veronica so billig hast davonkommen lassen, verstehe ich nicht. Aber das ist deine Sache. Wir als Familie haben uns für die Destillerie entschieden. Ich habe meinen Job aufgegeben, weil ich es liebe, hier mit euch zu arbeiten, durch die Hallen zu gehen, die Maschinen zu hören, mit dir und Tom über die Destillation zu diskutieren, und vor allem sehe ich meine Familie täglich.« Ein warmer Ausdruck trat auf Brians Gesicht.
Erleichtert sah Gavin zu, wie Brian die Dokumente auseinanderfaltete und glattstrich. »Du prüfst das noch mal, ja? Ich denke nicht, dass Campbell uns über den Tisch ziehen will. Vertrauen ist gut.« Er hielt inne.