Fürsten-Roman 2532 - Katja von Seeberg - E-Book

Fürsten-Roman 2532 E-Book

Katja von Seeberg

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Beschreibung

Als Aurelia von Lautenthal nach dem Studium auf das Schloss ihrer Familie zurückkehrt, soll es eigentlich nur ein angenehmer Urlaub werden. So wie früher will sie durch den geliebten benachbarten Wald streifen, ihre Lieblingsplätze aufsuchen und nach der stressigen Zeit einfach nur entspannen.
Doch dann findet die junge Frau auf dem Dachboden das Tagebuch ihrer Großmutter, das von einer unglücklichen Liebe zu Frederick Prinz von Belmont zeugt, der ihr einst das Herz gebrochen hat. Damit nicht genug, erfährt Aurelia Ungeheuerliches: Die Familie Belmont will bald den wundervollen Wald abholzen, um dort ein hässliches Luxushotel zu bauen. Aurelia schäumt vor Wut: Diesen Leuten muss ein Denkzettel erteilt werden!
Und so schleicht sich Aurelia als Assistentin des heutigen Prinzen von Belmont auf das benachbarte Anwesen ein, um "ihren" Wald zu retten und ihre Großmutter zu "rächen". Ein gefährliches Spiel nimmt seinen Lauf - mit ungeahnten Folgen für alle Beteiligten ...

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Inhalt

Cover

Impressum

Eine fürstliche Scharade

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Lucky Business

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5216-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Eine fürstliche Scharade

Packender Roman um Aurelias gefährliches Spiel mit der Liebe

Von Katja von Seeberg

Als Aurelia von Lautenthal nach dem Studium auf das Schloss ihrer Familie zurückkehrt, soll es eigentlich nur ein angenehmer Urlaub werden. So wie früher will sie durch den geliebten benachbarten Wald streifen, ihre Lieblingsplätze aufsuchen und nach der stressigen Zeit einfach nur entspannen.

Doch dann findet die junge Frau auf dem Dachboden das Tagebuch ihrer Großmutter, das von einer unglücklichen Liebe zu Frederick Prinz von Belmont zeugt, der ihr einst das Herz gebrochen hat. Damit nicht genug, erfährt Aurelia Ungeheuerliches: Die Familie Belmont will bald den wundervollen Wald abholzen, um dort ein hässliches Luxushotel zu bauen. Aurelia schäumt vor Wut: Diesen Leuten muss ein Denkzettel erteilt werden!

Und so schleicht sich Aurelia als Assistentin des heutigen Prinzen von Belmont auf das benachbarte Anwesen ein, um »ihren« Wald zu retten und ihre Großmutter zu »rächen«. Ein gefährliches Spiel nimmt seinen Lauf – mit ungeahnten Folgen für alle Beteiligten …

»Was hast du in den Semesterferien vor?«, fragte Aurelia ihre Kommilitonin.

»Ich weiß es noch nicht. Ausruhen! Nach all den Prüfungen.«

Aurelia lachte. Oh ja. Ausruhen wollte sie sich auch. Aber nicht hier in München.

Nach all den Jahren würde sie endlich wieder nach Warmuth fahren, das im schönen Brandenburg lag. Ihre Familie mütterlicherseits besaß dort ein Schloss. Alter Adel. Manchmal konnte Aurelia es selbst kaum glauben, aus welcher altehrwürdigen Familie sie stammte!

Ihre Mutter hatte damals aus Liebe den Namen ihres Vaters angenommen, weswegen Aurelia nun nicht Prinzessin von Warmuth hieß, sondern einfach nur Aurelia Lautenthal. Das störte sie jedoch nicht. Ganz im Gegenteil – sie war auch stolz auf den bürgerlichen Teil ihrer Familie. Nichtsdestotrotz vermisste sie die Schlossatmosphäre und den wunderschönen Wald, der an Schloss Warmuth grenzte.

Als Kind hatte sie es geliebt, sich dort zu verstecken, jeden Busch und jede Wurzel zu erforschen. Auch heute noch war sie sehr naturverbunden und tierlieb, was auch der Grund war, weshalb sie sich für ein Studium der Veterinärmedizin entschieden hatte.

»Und was wirst du unternehmen?«, fragte die Kommilitonin, während sie gemeinsam über den Campus schlenderten.

»Ich werde meinen Onkel und meine Tante besuchen.«

»Ach, wie nett. Ich wünsche dir eine schöne Zeit.«

»Ich dir auch.«

Die jungen Frauen verabschiedeten sich und gingen ihrer Wege. Die sechsundzwanzigjährige Aurelia zog es zunächst in die Münchener Innenstadt, wo sie ein kleines Apartment angemietet hatte. Damit sie so viel Zeit wie möglich in Warmuth würde verbringen können, hatte sie mit Tante und Onkel schon alles geklärt. Sie erwarteten sie übermorgen.

Vorher war noch einiges zu erledigen: Reiseproviant musste besorgt, die Reisetasche gepackt werden. Außerdem wollte Aurelia sich im Internet schlaumachen, was sie rund um Warmuth noch würde besichtigen können. Als Kind hatte sie sich nicht unbedingt für die vielen kleinen Städte interessiert, die historisch sicher einiges zu bieten hatten und deren Geschichte möglicherweise sogar mit dem Namen ihrer Adelsfamilie verknüpft war.

Oh, es war wirklich schon einige Jahre her, seit sie zuletzt auf Schloss Warmuth gewesen war. Sie rechnete nach und stellte erschrocken fest, dass es sogar zehn Jahre waren! Zuletzt hatte sie Onkel und Tante als Sechzehnjährige besucht. Und das auch nur sehr kurz. Als Kind hingegen hatte sie oft die Sommerferien in Warmuth verbracht. Eigenartig. Warum war sie eigentlich in den letzten zehn Jahren kein einziges Mal nach Brandenburg gefahren? Gelegenheiten hätte es doch gegeben.

Sie konnte nicht sagen, warum diese Lücke entstanden war. Manchmal verliefen Kontakte im Sand. Aber auch das traf nicht zu, hatte man sich doch regelmäßig gemeldet oder geschrieben, zu Weihnachten und Geburtstagen Päckchen verschickt. Wahrscheinlich war es das Alter gewesen.

Plötzlich hatten sie ganz andere Dinge interessiert. Die Jungs aus ihrer Schulklasse zum Beispiel. Und dann war irgendwann die Nachricht eingetroffen, dass ihre Großmutter Irmgard, die gemeinsam mit Onkel und Tante auf Schloss Warmuth gelebt hatte, verstorben war. Ihr Tod hatte Aurelia sehr zugesetzt, so sehr, dass sie nicht einmal zur Beerdigung hatte anreisen wollen und sich nur im Stillen von ihrer Großmutter verabschiedet hatte.

Selbst jetzt verspürte sie, trotz aller Freude auf das Wiedersehen mit ihren Verwandten, ein merkwürdiges Gefühl in der Brust. Vielleicht war es sogar Angst. Angst davor, Schloss Warmuth zu betreten in dem Wissen, dass Irmgard nicht mehr da war.

Sie schluckte. Aurelia hatte ihre Großmutter sehr geliebt. Sie war eine sehr gütige und schöne Frau gewesen. Die alte Fürstin … Ja, sie hatte noch diesen Glanz ausgestrahlt, den man mit Adel in Verbindung brachte: in der alten Schule des Benimms unterrichtet, stets korrekt gekleidet und doch herzlich und aufgeschlossen.

Aurelia hatte nur gute Erinnerungen an Irmgard. Aber irgendetwas hatte sie nach dem Davonscheiden der Großmutter gehemmt. Sie hatte es nicht über sich bringen können, früher nach Warmuth zurückzukehren. Jetzt war sie jedoch bereit. Sie versuchte sich auf andere Gedanken zu bringen. Es sollte trotz allem ein schöner Urlaub werden. Irmgard hätte nicht gewollt, dass sie sich zu sehr grämte.

Der Gedanke gab ihr Mut und Kraft. Und wenn sie dann wieder an diesen atemberaubenden Wald dachte, der das Schloss umgab, fühlte sie sich voller Energie. Lebendig.

***

Als Aurelia Lautenthal zwei Tage später aus dem Zug stieg, entdeckte sie auch schon den Chauffeur der Familie, der am Bahnsteig stand, ein Schild mit ihrem Namen in den Händen. Den Fahrer, sein Name war Phillip, kannte sie noch aus alten Zeiten. Er hatte schon früher für die Familie gearbeitet. Es freute Aurelia sehr, ihn wiederzusehen. Er hatte sich gut gehalten. Nur wenige graue Haare an den Schläfen waren hinzugekommen. Und die eine oder andere Lachfalte.

»Hallo Phillip«, grüßte sie ihn.

Der Chauffeur musterte sie, als wäre sie eine Fremde. Dann aber strahlte er über das ganze Gesicht.

»Aurelia! Wie schön, ich hätte Sie fast nicht wiedererkannt.«

»Ja, das sagen viele. Die Jahre zwischen sechzehn und zwanzig verändern sehr.« Sie zwinkerte ihm zu.

»Sie sehen wie immer prächtig aus. Warten Sie, geben Sie mir Ihre Tasche.« Er nahm ihr die Reisetasche ab und führte sie aus dem kleinen Bahnhof zu der Limousine, die in einer Seitenstraße parkte.

Hier in Warmuth, der Ortschaft, die nur wenige Kilometer vom gleichnamigen Schloss ihrer Familie entfernt lag, wirkte alles so freundlich und sauber, ganz anders als in der Großstadt. Aurelia atmete tief durch. Auch die Luft schien hier viel besser.

Phillip verstaute ihre Tasche im Kofferraum. Dann hielt er ihr die Tür auf.

»Vielen Dank«, sagte Aurelia und nahm auf der geräumigen Rückbank Platz.

Die Fahrt dauerte nicht lange. Doch je näher sie Schloss Warmuth kamen, desto schneller klopfte ihr Herz. Sie hatte Tante Carla und Onkel Gunther zehn Jahre nicht gesehen. Wie sie wohl heute aussahen? Ob sie sich sehr verändert hatten?

Phillip sah fast aus wie früher. Das beruhigte sie. Vielleicht traf dies auch auf Onkel und Tante zu. Es dauerte nicht lang, da rückte auch schon das ehrwürdige alte Gemäuer in ihr Sichtfeld.

»Es hat sich kaum verändert«, stellte Aurelia begeistert fest.

»Oh, Sie irren. Sie werden staunen, wie sehr sich alles verändert hat«, widersprach Phillip. Ohne es zu wollen, sorgte er für abermaliges Herzklopfen bei ihr. Er lenkte den Wagen die Einfahrt hoch.

»Ihre Tante und Ihr Onkel haben das Schloss renovieren lassen«, erklärte der Chauffeur.

»Tatsächlich.«

Phillip parkte im Innenhof. Aurelia stieg aus und schaute sich um. Hier draußen sah alles aus wie in ihrer Erinnerung. Efeuranken, die sich am höchsten Turm hochschlängelten. Das Gackern der Hühner, die nahe der Ställe gehalten wurden. Die angesprochenen Instandsetzungsarbeiten schienen sich auf die Innenräume zu beziehen.

Mit einem Knarren ging eine Seitentür auf. Erna kam herausgeheilt. Die propere Köchin des Hauses lebte also auch noch hier! Aurelia konnte es kaum glauben. Auch Erna sah fast aus wie früher. Nur ihre blonden Haare waren jetzt weiß. Und das eine oder andere Pfund mehr auf den Rippen war hinzugekommen.

»Aurelia! Aurelia! Sind Sie es wirklich?« Erna blieb außer Atem vor ihr stehen und musterte sie ähnlich skeptisch, wie es zuvor Phillip getan hatte.

»Sie ist es, Erna«, bestätigte Phillip und holte ihre Tasche aus dem Kofferraum.

»Nein, ich hätte Sie fast nicht wiedererkannt, Aurelia. Sie sind aber sehr groß geworden.«

Das stimmte. Mit sechzehn hatte Aurelia noch mal einen Wachstumsschub bekommen. Jetzt war sie groß, schlank, und, wenn sie den Worten ihrer Mutter glauben durfte, zauberhaft schön.

»Es freut mich sehr, wieder hier zu sein, Erna«, gestand die junge Frau und ließ sich von der Köchin ins Schloss führen.

»Ich bringe Ihr Gepäck in Ihr Gästezimmer«, hörte sie Phillip hinter sich.

»Danke!«

»Ich habe Ihr Lieblingsessen gekocht«, plauderte die Köchin munter. »In Absprache mit der Fürstin, meine ich. Sie wissen ja, abends möchte das Fürstenpaar ungern warm essen. Aber heute gibt es eine Ausnahme. Dafür habe ich mich eingesetzt. Nach der langen Fahrt brauchen Sie etwas Ordentliches im Magen.«

»Oh, das ist aber sehr nett, Erna. Vielen Dank.«

Aurelia hatte tatsächlich Hunger. Ihr Magen knurrte unentwegt. Und als sie durch die Lobby schritten, vernahm Aurelia hallende Schritte. Keinen Augenblick später stand auch schon Fürstin Carla vor ihr.

Aurelia war so froh, als sie merkte, dass die Zeit auf Schloss Warmuth insgesamt nur sehr langsam vorangeschritten war. Auch ihre Tante hatte sich bestens gehalten. Carla schloss sie überglücklich in die Arme.

»Wie schön, Kind, dich endlich wiederzusehen. Großartig siehst du aus. Wir haben so viel zu besprechen.« Tante Carla nahm sie bei der Hand und zog sie ins Speisezimmer, wo sich auch wenig später der Fürst einfand, sie ebenso herzlich begrüßend.

Aurelia sah es in den Gesichtern ihres Onkels und ihrer Tante. Sie hatten sie wirklich sehr vermisst und freuten sich ehrlich, dass sie wieder auf Schloss Warmuth war.

Erna hatte nicht zu viel versprochen, sie tischte voller Stolz das Ratatouille auf, das früher Aurelias Lieblingsspeise gewesen war. Und es schmeckte auch heute köstlich. So gut wie damals. Ach, noch besser! Es war so schön, wieder hier zu sein. Fast fühlte es sich an, als wäre sie in die Vergangenheit gereist.

Würde nicht eine wichtige Person fehlen …

Aurelias Blick glitt zu dem Porträt, das an der gegenüberliegenden Wand hing und ihre Großmutter, Fürstin Irmgard, zeigte. Sie fühlte sich schlecht, dass sie sich so lange nicht hatte sehen lassen, auch nicht zu einer Zeit, als Tante und Onkel sie gebraucht hätten. Auch Irmgard gegenüber hatte Aurelia ein schlechtes Gewissen. Als hätte sie alle, die ihr wichtig waren, im Stich gelassen.

Aber niemand machte ihr Vorwürfe. Stattdessen sah sie nur Freude in den glänzenden Augen ihrer Verwandten.

»Du musst uns alles über dein Studium erzählen«, forderte Tante Carla, nachdem sie das Hauptgericht verspeist und schließlich auch den Nachtisch gegessen hatten. Aurelia hatte sogar zweimal nachgenommen – im Zug hatte sie vor lauter Aufregung kaum mehr als einen Hotdog essen können.

»Lass sie doch erst mal hier ankommen. Ich bin sicher, die lange Bahnfahrt war anstrengend«, sagte der Fürst.

»Das war sie. Aber ich will euch dennoch gern alles erzählen. Ich studiere nämlich immer noch mit großer Leidenschaft Veterinärmedizin.«

»Es bleibt also dabei, dass du Tierärztin wirst?«, fragte die Fürstin.

»Ja, das ist mein Ziel.«

»Schön. Du hattest schon immer einen guten Draht zu Tieren und der Natur.«

»Das stimmt. Das war auch der Grund, warum ich mich für dieses Studium entschieden habe. Um ehrlich zu sein, freue ich mich auch schon sehr auf einen ausgiebigen Waldspaziergang. Den mache ich natürlich nicht mehr heute, dafür bin ich dann doch zu müde.«

Die Gesichter von Onkel und Tante wurden seltsam ernst. Aurelia hatte das Gefühl, sie wäre in ein Fettnäpfchen getreten.

»Habe ich etwas Falsches gesagt?«, wunderte sie sich.

Tante Carla schüttelte den Kopf, legte behutsam ihre Hand auf die von Aurelia.

»Aber nein, es hat nichts mit dir zu tun. Genieße deine Ferien bei uns.«

»Aber irgendetwas stimmt doch nicht. Als ich den Wald erwähnte, habt ihr ganz merkwürdig geschaut. Ist etwas passiert? Gab es einen Waldbrand?« Das wäre ja schrecklich! Aber davon hätte sie doch selbst in München in der Presse erfahren. Und bei einem Telefonat zwischen Carla und Aurelias Mutter wäre das doch sicher auch zu Wort gekommen, und die hätte es wiederum ihrer Tochter berichtet.

»Nein, ganz so dramatisch ist es auch wieder nicht«, erklärte Onkel Gunther.

»Allerdings wird uns der schöne Wald nicht mehr allzu lange erhalten bleiben.« Tante Carla senkte den Blick.

»Was? Wieso denn das?« Jetzt war Aurelia wirklich entsetzt.

»Auch wenn das Waldgebiet an Schloss Warmuth grenzt, gehört es nicht zum Familienbesitz, sondern ist Teil des Grundes derer von Belmont.«

Aurelia erinnerte sich dunkel an die benachbarte Adelsfamilie von Belmont. Auf irgendeinem Fest auf Schloss Warmuth war sie dieser Familie begegnet. Und später noch mal, dann aber auf Schloss Belmont. Das war jedoch lange her. Damals war sie noch sehr klein gewesen. Sie erinnerte sich kaum an diese Leute.

»Das Land gehört also euren Nachbarn.«

»Ganz recht, Aurelia. Und die wollen gern ein Luxushotel darauf bauen.«

»Was?«

Das durfte doch nicht wahr sein! Ein Luxushotel? In ihrem geliebten Wald! Das war unglaublich!

»Kann man denn da nichts machen?«

»Es ist ihr Land, Aurelia. Wir haben keinen Einfluss. Auch wenn es uns wie dir geht. Wir mögen die Natur sehr und finden es schade, wenn der Wald dem Luxushotel weichen muss«, sagte Tante Carla.

Es war ihr anzumerken, dass sie ebenso wütend über die Entwicklung war wie Aurelia, doch dass sie inzwischen resignierte. Aurelia aber konnte das nicht einfach so hinnehmen! Der Wald war einzigartig. Luxushotels gab es viele. Sollte die Familie von Belmont doch ein Hotel in ihrem Schloss eröffnen, das hatte sowieso viel mehr Flair.

»Zerbrich dir nicht den Kopf, Kind. Du bist hier, um dich zu entspannen«, erinnerte sie der Onkel.

Aurelia nickte nur. Sie war tatsächlich ziemlich erschöpft. Und müde. Vielleicht sollte sie morgen noch mal in Ruhe über alles nachdenken. Im Moment war sie zu keinem klaren Gedanken fähig.

***

Am späten Abend lag Aurelia in dem warmen Bett ihres Gästezimmers. Schon als Kind hatte sie dieses Zimmer bewohnt. Die Puppen, mit denen sie früher gespielt hatte, saßen immer noch im Regal. Nichts war verändert worden. Oder zumindest nichts Grundlegendes. Es war wie früher. Beinahe. Sie rollte sich zur Seite und blickte aus dem Fenster. Der Mond schien herein.

Sie hatte sich wirklich sehr auf den Urlaub hier gefreut, doch die Tatsache, dass die Familie von Belmont ihren geliebten Wald abholzen wollte, setzte ihr immer noch zu. Sie konnte einfach keinen Schlaf finden.

Seltsamerweise hatte sie so gut wie keine Erinnerungen an die adelige Nachbarsfamilie. Der Name sagte ihr etwas, aber wer waren diese Leute? Warum hatte Aurelia sie nie zu Gesicht bekommen? Oder waren sie unter den zahlreichen Gästen gewesen, wenn Großmutter früher eine ihrer berühmten Festivitäten auf Schloss Warmuth veranstaltet hatte?

Es waren so viele Leute dort gewesen, Adlige aus nah und fern, Aurelia hatte sich nicht so sehr dafür interessiert, wie sie hießen. Sie war damals auch noch viel zu klein gewesen. Kein Kind interessierte sich für die Belange von Erwachsenen.

Aber war sie nicht auch wenigstens einmal mit Onkel und Tante in diesem anderen Schloss gewesen? Ein Schloss, das noch viel größer und prunkvoller gewesen war als Schloss Warmuth? Ja, langsam kamen die Bilder zurück. Sie waren dennoch farblos und verschwommen.

Die junge Frau seufzte. Obwohl sie erschöpft und kraftlos war, hielten ihre Gedanken sie wach. Früher war sie nachts durch die Schlossflure geschlichen, wenn sie keinen Schlaf hatte finden können. Bei Nacht wirkte das alte Schloss noch viel größer. Und aufregender. Es juckte Aurelia in den Füßen, genau dieses Herumschleichen jetzt zu wiederholen.

Sie schlüpfte aus dem Bett in die Pantoffeln, schnappte sich einen Kerzenständer und zündete die Kerze an. War es nicht albern? Sich jetzt wie ein kleines Mädchen zu verhalten?