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Sammelband 3: Drei Mal Liebe, Luxus, Leidenschaft im Hochadel zum Sparpreis
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"Fürsten-Romane" entführen in die Welt des Hochadels und lassen die Herzen der Leserinnen und Leser höherschlagen. Die Romanzen der Prinzessinnen und Prinzen spielen auf herrlichen Schlössern, erzählen von Mut und Hoffnung, von Glück und Tränen, Glanz und Einsamkeit - und von der ganz großen Liebe! Welche geheimen Wünsche, Träume und Sehnsüchte bewegen die Reichen und Adeligen?
Seit mehr als 50 Jahren bilden die Fürsten-Romane den Inbegriff für Geschichten aus der Welt des Hochadels. Tauchen Sie ein in eine ebenso aufregende wie glamouröse Welt!
In diesem Sammelband sind Folgen 2436 bis 2438 enthalten:
2436: "Hör auf dein Herz, Prinzessin!" von Sabine Stephan
2437: "Versuchung auf Schloss Habichtshöhe" von Marion Alexi
2438: "Liebeskarussell im Fürstenhaus" von Katja von Seeberg
Der Inhalt dieses Sammelbands entspricht ca. 250 Taschenbuchseiten.
Fürsten-Romane - Luxus zum Lesen
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Seitenzahl: 363
Sabine Stephan, Marion Alexi, Katja Von Seeberg
Fürsten-Roman Sammelband 3 - Adelsroman
Cover
Impressum
Hör auf dein Herz, Prinzessin!
Vorschau
Hör auf dein Herz, Prinzessin!
Als die hübsche Christina an der Liebe eines Fotografen zweifelte
Von Sabine Stephan
Christina Prinzessin von Dohrendorff arbeitet bei einem Hochglanzmagazin und hofft, sich dort als Journalistin einen Namen machen zu können. Doch ausgerechnet von ihrem ersten großen Auftrag ist sie wenig begeistert: Sie soll eine Reportage über das zu einem Museum umgebaute Schloss Palenburg schreiben. Das ist nicht die Art Geschichte, von der sie geträumt hatte – und dann soll auch noch ausgerechnet der viel umworbene Fotograf Matthias Brooksen sie begleiten. Mit so einem ewig lächelnden Schönling, der sich offensichtlich für ein großartiges Geschenk an die Damenwelt hält, kann man doch nicht vernünftig zusammenarbeiten, denkt Christina.
Als sie den attraktiven Fotografen jedoch näher kennenlernt, findet sie ihn zunehmend sympathisch. Immer wenn sie ihn sieht, hat sie Schmetterlinge im Bauch, und schon bald muss Christina sich eingestehen, dass sie sich offenbar gehörig in Matthias getäuscht hat – bis plötzlich verhängnisvolle Fotos auftauchen …
Mit einem dumpfen Seufzer erstarb der Motor des uralten Golfs, als wollte er seiner Fahrerin sagen: »Bis in diese Parklücke habe ich dich noch gebracht, aber weiter schaffe ich es wirklich nicht mehr.«
Und auch die Fahrerin seufzte. Prinzessin Christina zog den Zündschlüssel ab und stieg aus. Sie warf ihre weichen, dunklen Haare nach hinten und blickte sich auf dem weitläufigen Parkplatz vor dem Verlagsgebäude um.
Zahlreiche Autos standen dort bereits in Reih und Glied, beschienen von der sanften Morgensonne, Autos fast jeder Größe und jeder Farbe – aber keines war auch nur ansatzweise so betagt wie der vierrädrige Methusalem der Prinzessin.
Andere junge Frauen ihres Standes fuhren schnittige, teure Cabriolets, modische neue Modelle edler Marken oder mächtige Geländewagen mit viel PS und Allradantrieb – jedenfalls keine zwanzig Jahre alte, bordeauxrote, vom Rost zerfressene Blechkiste kurz vor der endgültigen Verschrottung.
Prinzessin Christina schüttelte unwillig den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben. Letztlich, das wusste sie, hatte sie sich ihr Schicksal selbst ausgesucht und war allein dafür verantwortlich. Sie hätte damals, vor sechs Jahren, in die Pläne ihrer Mutter einwilligen können, der stolzen, standesbewussten Barbara Fürstin von Dohrendorff.
Die hatte ihrer einzigen Tochter eröffnet, sie werde jetzt einen passenden Mann für sie suchen, doch Christina hatte sich entschlossen geweigert und sich nicht einmal eine Sekunde lang mit den potenziellen Kandidaten, die ihre Mutter für sie ausgewählt hatte, auseinandergesetzt.
Stattdessen war es zu einem fürchterlichen Streit mit ihrer Mutter gekommen, den ihr Vater, der stets ruhige und akkurate Johann Fürst von Dohrendorff, mit wachsender Verzweiflung verfolgt hatte. Schließlich hatte Christina wutentbrannt den Familiensitz Schloss Hemmelshaus verlassen. Mitgenommen hatte sie nur ihre Handtasche und einen Koffer mit der nötigsten Kleidung.
Prinzessin Christina musste unfreiwillig lächeln, als sie an diese Zeit zurückdachte und dabei gleichzeitig mit leichtem, elegantem Schritt dem Eingang des Verlagsgebäudes zustrebte.
»Guten Morgen, Frau Dohrendorff«, begrüßte sie der Pförtner freundlich.
»Hallo, Christina«, riefen ihr einige Kollegen zu.
In der Welt des Verlages gab es keine Prinzessin Christina, sondern nur Christina Dohrendorff, darum hatte Christina gebeten. Die Tätigkeit bei dieser Zeitschrift war ihre erste Anstellung nach dem Studium, und Christina war fest entschlossen, durch gute Arbeit zu überzeugen – und nicht durch ihre adelige Herkunft.
So hatte sie es bereits während ihrer Studienjahre gehalten, als sie sich ganz allein hatte durchkämpfen müssen – tagsüber in der Universität und abends in dem Restaurant, in dem sie gekellnert hatte, bis sie meist nach Mitternacht erschöpft in das Bett in ihrem winzigen Studentenzimmer gefallen war.
Es waren harte Jahre gewesen, aber Christina hatte sie durchgestanden, ohne einen Cent Unterstützung von ihrer Familie anzunehmen – obwohl die Fürstin und der Fürst ihr gern unter die Arme gegriffen hätten, nachdem die erste Wut verraucht war, und obwohl die Familie sich nach zwei Jahren unterkühlter Distanz wieder versöhnt hatte. Doch Christina hatte dennoch darauf bestanden, allein zurechtzukommen, nachdem sie diesen Weg einmal eingeschlagen hatte, und darauf war sie stolz.
Sie stieß die Tür zu ihrem kleinen Büro auf, in das gerade einmal der Schreibtisch, ein Stuhl und ein kleiner Aktenschrank hineinpassten. Sie schaltete den Computer ein und hörte nach einigen Sekunden das nachdrückliche »Pling«, mit dem angekündigt wurde, dass eine dringende verlagsinterne E-Mail eingegangen war.
Kommen Sie bitte in mein Büro, sobald Sie im Haus sind – Vera Lindner, stand in der Mail.
Augenblicklich erhob sich Christina wieder von ihrem Stuhl und eilte auf den Gang hinaus. Niemand ließ Vera Lindner, die strenge Chefredakteurin der Zeitschrift, unnötig warten.
Von ihrem großen, rundum verglasten Büro heraus hatte die Lindner eine ausgezeichnete Sicht auf den gesamten Parkplatz. Vermutlich hatte sie schon registriert, dass Christina eingetroffen war – da bot sich Herumtrödelei wahrhaftig nicht an.
»Kommen Sie rein, Frau Dohrendorff, nur herein«, erklang Vera Lindners muntere, ein wenig tiefe Stimme, nachdem Christina an ihre Tür geklopft hatte.
Schwungvoll drehte sich die fast einsachtzig große, kräftige, durchtrainierte Frau auf ihrem Stuhl herum. Vera Lindner war lange Jahre als Leichtathletin ausgesprochen erfolgreich gewesen. Sie konnte sogar auf eine Teilnahme an den olympischen Spielen zurückblicken, und diese Vergangenheit merkte man ihr an.
Sie hatte sehr kurze, rote Haare und ein kantiges, klar geschnittenes Gesicht mit freundlichen braunen Augen. Die allerdings konnten auch gefährliche Blitze schleudern, wenn die Chefin in Zorn geriet.
»Setzen Sie sich.« Vera Lindner musterte ihre Besucherin.
Sie mochte Christina und glaubte, mit der Einstellung der ehrgeizigen, aparten jungen Frau einen guten Griff getan zu haben. Dass Christina darauf bestanden hatte, ihre adlige Herkunft möglichst geheim zu halten, gefiel Vera Lindner, wenngleich es mit dieser Geheimhaltung bei Weitem nicht so geklappt hatte, wie Christina es derzeit noch glaubte.
Tratsch und Klatsch blühten bei einem Hochglanzmagazin doppelt so gut wie in anderen Betrieben. So hatte es sich rasch herumgesprochen, dass jetzt eine Prinzessin in der Redaktion arbeitete, ohne dass Christina darauf direkt angesprochen worden wäre.
»Ich habe einen schönen Auftrag für Sie«, eröffnete Vera Lindner das Gespräch und holte einen Notizzettel hervor. »Kennen Sie Schloss Palenburg?«
Christina sah sie offen an.
»Dem Namen nach«, sagte sie. »Es soll sehr schön sein, aber in den vergangenen Jahrzehnten wurde dort wohl wenig getan.«
»Mittlerweile schon«, informierte Vera Lindner sie. »Das Schloss ist aufwendig restauriert und zu einem Museum umgebaut worden. Im nächsten Monat soll es eröffnet werden. Wir dürfen es uns allerdings bereits jetzt ansehen.«
Christina war genau die richtige Person für diesen Auftrag, befand Vera Lindner im Stillen. Es mochte ja sein, dass die Jungredakteurin ihren Titel gern unter den Teppich kehrte. Aber warum sollte sie, die Chefredakteurin, nicht trotzdem davon profitieren und die Prinzessin in das Schloss schicken – in eine Welt, in der sich Christina vermutlich mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegen würde?
Christina lächelte freundlich und, wie sie hoffte, professionell.
»Natürlich, das ist kein Problem. Für wann soll ich den Termin ausmachen, und wann soll der Artikel erscheinen?«, fragte sie und ließ sich ihre leichte Enttäuschung nicht anmerken.
Eine Schloss-Reportage – na großartig, dachte sie. Hübsche Fotos von alten Möbeln und alten Bildern, dazu ein wenig unverbindliches Geschwätz über den Glanz vergangener Tage. Das war keine Geschichte, die sie wirklich reizte. Andererseits durfte sie als Anfängerin bei einem Magazin, das vornehmlich von den Reichen, Schönen und Prominenten berichtete, auch nicht zu viel erwarten.
»Rufen Sie diesen Herrn bitte an«, sagte Vera Lindner und reichte Christina den Notizzettel. »Er heißt Dr. Hermann Haukohl und wird das Museum leiten. Er kann Ihnen alles zeigen. Wenn es geht, verabreden Sie sich direkt für morgen mit ihm. Dann könnte der Artikel in der nächsten oder spätestens in der übernächsten Ausgabe erscheinen.«
»Kein Problem«, sagte Christina und erhob sich von ihrem Stuhl.
Ausgerechnet der schlaue Hermann, ging es ihr durch den Kopf, das kann ja ein langer Termin werden.
Sie kannte den Historiker Dr. Haukohl noch aus Kindheitstagen. Immerhin war er einer der besten Freunde ihres Vaters, bis heute. Er hatte Christina und ihren Bruder Alexander schon mit langen, ermüdenden Vorträgen traktiert, als sie noch nicht einmal das Grundschulalter erreicht hatten.
Ich sollte auf jeden Fall den ganzen Tag einplanen, überlegte Christina.
Sie schickte sich an, Vera Lindners Büro zu verlassen, als die Chefin sie zurückrief.
»Christina, bevor ich es vergesse: Sie nehmen natürlich einen Fotografen mit«, erklärte die Lindner. »Am besten ist es, Sie gehen gleich in der Fotoredaktion vorbei. Ich möchte, dass Matthias Brooksen die Bilder macht. Und wenn er bereits andere Termine hat, soll er die verlegen. Der Artikel über Schloss Palenburg hat Vorrang, das können Sie ihm mit einem Gruß von mir ausrichten.«
Christina nickte und schloss die Bürotür hinter sich.
Das wurde ja immer unerfreulicher. Nicht nur, dass sie sich einen Tag lang den Geschichtstiraden von Dr. Haukohl würde ausliefern müssen, um einen oberflächlichen Bericht über vermeintlich adligen Glanz in einem alten Schloss abzuliefern. Jetzt musste sie auch noch diesen Schönling Brooksen ertragen, diesen smarten, ewig lächelnden Sonnyboy, der sich ganz offensichtlich für ein großartiges Geschenk an die Damenwelt hielt.
Christina seufzte zum zweiten Mal an diesem Tag und machte sich auf den Weg zur Fotoredaktion.
***
»Ja, so ist es gut. Das Kinn etwas anheben, und jetzt genau in die Kamera sehen. Die Haare ein bisschen zurück … sehr schön.«
Eine freundliche, tiefe Stimme gab immer weitere Anweisungen, ruhig und bestimmt. Sie passte so gar nicht zu der Szenerie, auf die Christina blickte und die sie wie angewurzelt in der Tür zur Fotoredaktion stehen bleiben ließ.
Matthias Brooksen, hochgewachsen und muskulös, blickte konzentriert durch den Sucher seiner teuren Spiegelreflex-Kamera. Er strich sich ab und zu sein dichtes, dunkelblondes Haar aus der Stirn und betätigte ein ums andere Mal den Auslöser.
Vor ihm, auf einem kleinen Hocker, saß mit übereinandergeschlagenen Beinen Larissa Martens, die blutjunge Marketing-Assistentin des Verlages. Sie warf ihr schwarz gefärbtes langes Haar über die Schulter und zwinkerte kokett mit ihren wässrig-blauen Augen zu dem Fotografen hinüber.
Sie war grell geschminkt und verzog die tiefroten Lippen zu einem Lächeln, das offenbar verrucht wirken sollte. Dazu stemmte sie ihre beachtliche Oberweite, die von einem hauchdünnen Top kaum verdeckt wurde, aufreizend in die Kamera.
»Bei dir fühlt man sich wie ein Profi-Model, Matthias«, flötete sie schwärmerisch in Richtung des lässigen jungen Mannes, der nur verwaschene Jeans und ein helles T-Shirt trug.
Dennoch gab er selbst in diesem schlichten Aufzug ein weitaus attraktiveres Motiv ab als die stets ein wenig billig erscheinende Larissa.
Christina merkte, wie die Wut in ihr hochkochte. Dass Matthias Brooksen ein eingebildeter Schnösel war, der sein Geld vorrangig mit reißerischen Paparazzo-Fotos von Prominenten und Adligen verdiente, war ihr schon vorher klar gewesen. Dass er sich aber auch zu derart niveaulosen Aufnahmen herabließ, hätte sie ihm doch nicht zugetraut.
Und mit diesem peinlichen Menschen sollte sie morgen nach Schloss Palenburg fahren und ihn auf den überkorrekten, peniblen Freund ihres Vaters loslassen!
»Wir haben Besuch«, quietschte Larissa und kicherte.
Matthias Brooksen drehte sich um und erblickte Christina, die ihn mit hochgezogenen Augenbrauen musterte.
»Ah, die Frau Dohrendorff«, sagte er nur und wandte sich wieder seiner Kamera zu. »Was verschafft mir die Ehre eines so hohen Besuches?«
Er drückte erneut auf den Auslöser. Larissa verrenkte den Hals zu einer, wie sie anscheinend meinte, aufreizenden Haltung.
Christina räusperte sich. Dienst ist Dienst, sagte sie sich, und die Lindner will die Geschichte – und Brooksen. Sie wäre nicht erfreut, wenn Christina ihr mitteilen würde, dass sie den Fotografen ablehnte, weil er schäbige Bilder einer Mitarbeiterin von zweifelhaftem Ruf geschossen hatte.
»Ich komme von Frau Lindner«, setzte sie an. »Sie möchte einen Artikel über das restaurierte Schloss Palenburg haben. Sie will, dass Sie die Bilder machen, und wir sollen schon morgen hinfahren.«
Matthias Brooksen knipste ungerührt weiter, bis er sich nach einer, wie Christina fand, unverschämt langen Pause erneut zu ihr umwandte.
»Na, das ist doch mal etwas«, sagte der Fotograf. Seine graugrünen Augen blitzten Christina spöttisch an. »Ein Schloss-Termin bei vornehmen Herrschaften – und dann auch noch in Begleitung unserer Verlagsprinzessin.« Er grinste und nahm den Chip aus der Kamera. »Was haben Madame sich denn vorgestellt?«
Christina schnappte nach Luft. Dieser Mann war wirklich unmöglich. Für wen hielt er sich überhaupt? Woher wusste er von ihrer Herkunft? Und wie kam er dazu, das vor dieser geschwätzigen Larissa herauszuposaunen? Jetzt würde die Nachricht von Christinas Titel natürlich wie ein Lauffeuer im Verlag herumgehen, und ihre ganze sorgfältige Geheimhaltung war für die Katz!
Bleib ruhig, ermahnte sich Christina. Du musst lernen, auch mit solchen Menschen zu arbeiten. Sonst wirst du für alle Ewigkeit Kurzmeldungen schreiben und nie die Geschichten, von denen du träumst.
Sie richtete sich extra gerade auf.
»Falls Sie mit ›Madame‹ Frau Lindner meinen«, sagte sie mit eisiger Stimme, »dann hat sie sich eine Reportage über das künftige Museum Schloss Palenburg vorgestellt. Und von Ihnen möchte sie schöne, gelungene, professionelle Bilder – falls Sie sich dazu in der Lage sehen.«
Auch Matthias Brooksen hatte jetzt einen sehr kühlen Blick, verschwunden war das verschmitzte Blitzen aus seinen Augen.
»Das werde ich schon hinbekommen«, erklärte er, ohne eine Miene zu verziehen. »Sie werden das sicherlich entsprechend vorbereiten. Sie können einen Termin für morgen Vormittag ausmachen, ich hole Sie dann um zehn Uhr vor dem Verlagshaus ab.« Er schob den Chip ins Lesegerät. »Ich fahre natürlich«, fügte er noch hinzu, ohne Christina noch länger anzusehen. »Sie sind es vermutlich gewohnt, einen Chauffeur zu haben.«
Larissa kicherte im Hintergrund, und Christina spürte, wie sich erneut Wut in ihr breitmachte. Aber sie hatte nicht umsonst eine ausgezeichnete Kinderstube genossen und gelernt, sich auch in heiklen Momenten zu beherrschen.
»Gern«, gab sie zurück und wandte sich um. »Ach, Herr Brooksen«, meinte sie im Gehen, »es wäre übrigens eine nette Geste, wenn Sie morgen eine Hose ohne Löcher darin anziehen könnten. Auf dem Schloss wird man diese Rücksichtnahme zu schätzen wissen.«
Nachdrücklich schloss sie die Tür hinter sich und ging mit gemessenen Schritten den Gang hinunter. Der morgige Tag, das war ihr klar, würde eine echte Herausforderung werden.
***
»Bild Nummer achtzehn, Bild Nummer neunzehn, Bild Nummer zwanzig – fertig.« Mit einem erleichterten Seufzer ließ sich Matthias Brooksen nach hinten in seinen Bürostuhl fallen.
Müde blickte er auf die zwanzig Aufnahmen von Larissa Martens, die auf dem großen Bildschirm nebeneinander aufgereiht waren. Zwei Stunden hatte es den Fotografen gekostet, die Bilder einzuspielen, auszusuchen und zu bearbeiten, damit sie – nach seinen Maßstäben betrachtet – zumindest mittelmäßig aussahen.
Mehr als Mittelmaß, das war Matthias klar, hatte eine junge Frau wie Larissa nicht zu bieten. Die dicke Schicht bunter Schminke, das unnatürlich gefärbte Haar, der aufdringlich blinkende Modeschmuck, die stets zu tief ausgeschnittenen Oberteile, dazu ihr süßlich riechendes Parfum – ob gewollt oder nicht, Larissa verbreitete stets einen Hauch Rotlicht-Milieu.
Und meist mehr als nur einen Hauch, dachte Matthias und schüttelte unwillig den Kopf. Wieder klickte er eine Aufnahme nach der anderen an. Das ist Schrott, mein Lieber, sagte er zu sich selbst. Handwerklich gut gemachter, sorgfältig ausgeleuchteter Schrott.
Aber was sollte er machen? Zum einen war Larissa Martens immerhin Marketing-Assistentin im Verlag und somit eine Art Kollegin, der man eine Bitte nicht leichtfertig abschlagen sollte. Zum anderen hatte sie eine ordentliche Summe Geld für die Aufnahmen geboten. Sie brauche die Bilder, hatte sie Matthias anvertraut, weil sie sich bei einer Partnervermittlung im Internet anmelden und dabei einen möglichst guten ersten Eindruck machen wolle.
»Na, dann viel Glück«, sprach Matthias zum Bildschirm und schob die Bilder in einen mit Larissa beschrifteten Ordner.
Auf die Information über die Partnersuche im Internet hätte er gern verzichtet, wie ihn überhaupt die plumpen Vertraulichkeiten der jungen Frau abgestoßen hatten. Der Fotograf mochte weder das aufgedonnerte Erscheinungsbild noch Larissas Geschwätzigkeit.
Ihre eindeutigen Versuche, mit ihm zu flirten, waren Matthias regelrecht peinlich. Er bevorzugte einen ganz anderen Typ Frau – natürlich, elegant, zurückhaltend, intelligent.
Wie Christina Dohrendorff, fuhr es ihm durch den Kopf. Er dachte an die anmutigen Bewegungen der schlanken, attraktiven Redakteurin, die ihr Haar meist achtlos zusammengebunden trug und damit immer noch besser aussah als die meisten Frauen nach einem zweistündigen Besuch beim Friseur. Dazu die klaren, blauen Augen, Christinas schlichte, stilsichere Art, sich zu kleiden, die ruhige, beherrschte Stimme und das sanfte Lächeln …
Schluss jetzt! Matthias rief sich selbst zur Ordnung. Christina Dohrendorff spielte erstens in einer ganz anderen Liga – immerhin war sie Prinzessin, in den Kreisen des Hochadels aufgewachsen und gewiss nur das Beste vom Besten gewohnt, und zweitens schien sie eine ausgesprochen arrogante Person zu sein, jedenfalls gemessen an ihrem Auftritt heute Morgen im Fotostudio.
Na gut, er hatte sie ein bisschen provoziert, musste Matthias einräumen. Er verzog sein Gesicht unwillkürlich zu jenem umwerfenden Lächeln, das ihn für Frauen so unwiderstehlich machte.
Er hatte Christina beiläufig behandelt, wie eine lästige, neugierige Praktikantin. Und die Verrenkungen der aufgetakelten Larissa vor seiner Kamera hatten wohl auch nicht den besten Eindruck hinterlassen.
Trotzdem, dachte er, und sein Blick verfinsterte sich. Christina hätte nicht so überheblich reagieren müssen.
Aber die Prinzessin ließ ihn, davon war er überzeugt, mit jeder Geste und jedem Satz spüren, dass Matthias in ihren Augen nur ein aufdringlicher Paparazzo ohne moralische Bedenken war. Einer, der alles und jeden fotografierte, wenn er dafür nur bezahlt wurde. Einer, der sich hinter Autos und in Büschen verborgen auf die Lauer legte, um Prominente heimlich »abzuschießen«. Prominente wie ihre Eltern, Prominente wie letztlich Christina selbst …
Matthias schüttelte den Kopf, um weitere lästige Gedanken abzuwehren. So kam er nicht weiter. Er durfte seine Zeit nicht länger mit Grübeleien über Christina Dohrendorff verschwenden. Den Termin auf diesem Schloss Sowieso morgen würde er schon überstehen. Fotografisch schien das Unternehmen jedenfalls eine leicht lösbare Aufgabe zu sein.
Matthias schob einen USB-Stick in seinen Rechner und lud die Bilder von Larissa herunter, damit sie sie direkt verwenden konnte. Das Geld für die Fotos würde er noch in dieser Woche an die Hilfsorganisation überweisen, für die er fast seine gesamte karg bemessene Freizeit opferte.
Gerade sammelten er und seine Mitstreiter für die Herausgabe eines neuen Heftes, mit dem sie für die Idee werben wollten, systematisch Brunnen in Afrika zu bauen. Der Gedanke daran, wie wichtig diese Aufgabe war, vertrieb alles andere aus Matthias’ Kopf. Das tat sein brennender Wunsch, mehr für die Menschen auf diesem Kontinent zu tun, immer.
Seit seiner ersten Afrika-Reise vor nunmehr fünfzehn Jahren fühlte sich der große, durchtrainierte Fotograf mit dem wilden, heißen Kontinent eng verbunden.
Seither war er immer wieder nach Afrika gereist – um zu fotografieren und um zu helfen, zwei Leidenschaften, die Matthias dort perfekt miteinander verbinden konnte und für die er bereit war, in Deutschland einen Haufen Arbeit zu erledigen, der weder Prestige noch künstlerische Befriedigung brachte – aber Geld, das wiederum denjenigen zugutekam, die es wirklich brauchten.
Dass sich der scheinbar lässige und umschwärmte Matthias Brooksen für diese Sache mit vollem Herzen einsetzte, musste seiner Meinung nach aber niemand wissen. Schon gar nicht im Verlag.
***
Die Wiese vor dem Verlagsgebäude war gut gefüllt. Die Mitarbeiter drängten sich um die weißen Pagodenzelte oder standen in Grüppchen an Stehtischen. Sie diskutierten über Auflagenzahlen, einen anstrengenden Anzeigenkunden oder die neuesten Klatsch-Geschichten, die die nächste Ausgabe gewiss füllen würden.
Es war früher Abend, und die Juni-Sonne gab ihr Bestes, damit das alljährliche Sommerfest seinen Namen auch verdiente.
Es war eine alte Tradition, sämtliche Angestellten in der warmen Jahreszeit zu einer lockeren Betriebsfeier einzuladen, die es an Beliebtheit mit der Weihnachtsfeier durchaus aufnehmen konnte. Es war undenkbar, zu dieser Veranstaltung nicht zu erscheinen, und so waren nur diejenigen dem Fest ferngeblieben, die ernsthafte Gründe wie Krankheit oder unaufschiebbare Termine vorbringen konnten.
Wie immer wurde vor allem Erdbeer-Bowle reichlich ausgeschenkt, und einige Mitarbeiter hatten ihr auch schon erkennbar intensiv zugesprochen. Christina hingegen begnügte sich mit einem alkoholfreien Holundersaft-Cocktail. Sie wollte noch mit dem Auto nach Hause fahren und ohnehin nicht zu lange bleiben, damit sie den morgigen Termin auf Schloss Palenburg ausgeschlafen und mit klarem Kopf wahrnehmen konnte.
Außerdem graute es ihr vor der Vorstellung, bei der Betriebsfeier angetrunken aufzufallen. Da sie generell wenig Alkohol trank, würde ihr die berüchtigte Bowle mit Sicherheit schnell zu Kopf steigen.
So nippte sie nur hin und wieder an ihrem Glas mit dem eiskalten, hellrosafarbenen Getränk, schlenderte über die Wiese und blieb mal hier und mal dort stehen. Sie achtete darauf, mit möglichst vielen Kollegen einige nette Worte zu wechseln.
Dabei kam ihr die ausgezeichnete Erziehung zugute, in deren Verlauf sie gelernt hatte, mehrere Stunden mit unverbindlichem Small Talk zu meistern und stets die passenden Themen und ein Kompliment für ihre jeweiligen Gesprächspartner zu finden.
»Schau an, schau an, die Frau Dohrendorff!«, ertönte eine laute, bereits ein wenig lallend klingende Stimme hinter Christina.
Die junge Redakteurin drehte sich überrascht um. Oh nein, fuhr es ihr durch den Kopf, als sie die leicht schwankende Gestalt von Fred Naumann erblickte, der entschlossen auf Christina zusteuerte und dabei ein Glas Erdbeerbowle in der Hand schwenkte.
Bestimmt nicht sein erstes Glas, dachte Christina. Fred Naumann war als Redakteur für die besonders schrillen Seiten beim Magazin zuständig. Dort wurden unter Überschriften wie Erwischt! oder So aber nicht! vorzugsweise peinliche Aufnahmen von Prominenten in unglücklichen Situationen gezeigt.
Fred trug sein dunkles Haar mit viel Gel nach hinten gelegt, eine schwarz umrandete Brille und einen dünnen Schnauzbart. Dieses Auftreten zusammen mit seiner Arbeit für den eher anrüchigen Teil des Magazins hatte ihm den Spitznamen »Sudel-Naumann« eingebracht, den ihm aber niemand direkt ins Gesicht zu sagen wagte.
Fred Naumann war auf eine große Karriere aus. Und wer wusste schon, ob es dieser rücksichtslose Boulevard-Journalist nicht doch bis in die Chefetage schaffen würde?
»Wohlsein!« Fred Naumann erhob sein Glas und ließ es gegen Christinas klingen. Dabei betrachtete er die junge Frau mit offensichtlichem Wohlgefallen. »Schön, dass Sie sich hier sehen lassen – und dieses Kleid steht Ihnen wirklich ausgezeichnet.«
Fred Naumann zeigte bei seinem Lächeln unnatürlich weiß wirkende Zähne. Er zwinkerte Christina auf eine, wie er augenscheinlich meinte, verführerische Weise zu.
»Zum Wohl.« Christina nahm einen Schluck von ihrem Cocktail und blickte mit einem kühlen Lächeln an Fred Naumann vorbei.
Äußerlich blieb sie unbewegt, während es sie innerlich schüttelte. Ausgerechnet den Sudel-Naumann hatte sie jetzt am Hals, diesen eingebildeten Möchtegern-Starschreiber, der im Verlag nach dem Radfahrer-Prinzip nach oben buckelte und nach unten trat, wann immer sich die Gelegenheit dazu bot.
Seit Christina angefangen hatte, bei dem Magazin zu arbeiten, war keine einzige Woche vergangen, in der Fred Naumann nicht versucht hatte, sie zu einem Getränk oder gleich einem Essen bei Kerzenschein einzuladen – was sie bisher allerdings stets erfolgreich hatte abwenden können.
Fred Naumann trat noch einen Schritt näher an Christina heran und versenkte dabei eine Hand in seiner zerknautschten Cordhose, in die er seinen aufgedunsenen Körper anscheinend nur mit Mühe hineingezwungen hatte. Er grinst siegesgewiss.
»Heute Abend werden Sie mich nicht abwimmeln«, verkündete er.
Christina sah ihn irritiert an. Sie tat so, als wüsste sie nicht, wovon Fred Naumann sprach. Aber so leicht gab der nicht auf.
»Wir gehen zusammen einen trinken«, sagte er und griff nach Christinas Arm, um sie in Richtung eines der Zelte zu dirigieren, wobei er erneut schwankte.
»Entschuldigung.« Sanft, aber resolut befreite Christina ihren Arm und stellte ihr Glas auf einem der Tische ab. »Das ist sehr freundlich von Ihnen, Herr Naumann, aber ich muss jetzt los«, erklärte sie. »Ich habe morgen einen frühen Termin. Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend.«
Sie rang sich ein, wie sie hoffte, höfliches Lächeln ab. Dann drehte sie sich um und schritt in Richtung Verlagsgebäude davon, wobei sie einigen Kollegen ein fröhliches »Bis morgen!«, zurief.
Christina ging noch einmal zu ihrem Büro und schloss erleichtert die Tür hinter sich.
»Geschafft«, murmelte sie, froh, den aufdringlichen Reporter losgeworden zu sein.
Ein letztes Mal für diesen Tag kontrollierte sie ihre E-Mail-Eingänge, schaltete den Computer aus und ging hinaus auf den Parkplatz.
Mittlerweile hatte die Dämmerung eingesetzt. Von der Wiese her wehten leise Klänge der Live-Band hinüber, die zum Tanz aufspielte. Christina hörte Gelächter und Gemurmel.
Vor den Zelten würde heute Abend noch lange gefeiert werden, aber ohne sie. Schließlich wollte sie nicht die nächsten Stunden damit verbringen müssen, einen Betrunkenen abzuwehren. Außerdem wollte sie zu Hause im Internet noch einiges über Schloss Palenburg nachlesen. Es konnte nicht schaden, morgen gründlich vorbereitet zu sein.
Gerade hatte Christina die Fahrertür ihres Autos aufgeschlossen, als sie plötzlich von hinten zwei Hände an der Taille packten. Erschrocken fuhr sie herum – und bekam direkt eine Wolke von Fred Naumanns alkoholgeschwängertem Atem ab.
»Endlich allein, meine Prinzessin«, stieß er hervor und setzte zu einem äußerst plumpen Versuch an, Christina zu küssen.
»Was bilden Sie sich ein?« Empört stieß Christina den nur wenige Zentimeter größeren, untersetzten Mann von sich.
Fred Naumann prallte gegen ein hinter ihm geparktes Auto, wobei ihm eine Piccolo-Flasche Sekt aus der Sakko-Tasche rutschte. Die Flasche zerschellte auf dem Pflaster, der Sekt verteilte sich zu einer sprudelnden Pfütze.
Fred Naumann setzte zu einer zweiten Attacke an. Er drückte Christina mit einer heftigen Umarmung an sich.
»Komm schon, Süße«, lallte er in ihr Ohr.
Christina wand sich verzweifelt, aber es war, als wäre sie in einem Schraubstock gefangen.
»Lassen Sie das!«, rief sie.
Aber niemand schien sie zu hören, am allerwenigsten Fred Naumann.
Christina schnappte nach Luft, als Fred auf einmal von ihr fortgerissen wurde und erneut gegen den Wagen hinter ihm prallte.
»Finger weg!«, ertönte eine tiefe, erzürnte Stimme.
Christina erblickte Matthias Brooksen. Er hielt Fred Naumann am Kragen gepackt und drückte den wesentlich kleineren Mann scheinbar mühelos von sich weg.
Fred Naumann versuchte, Matthias’ kräftigen Arm zur Seite zu schieben, gab aber schnell wieder auf.
»Was willst du denn?«, nuschelte er zornig.
»Verschwinde!« Matthias schien seine Wut nur mühsam zu zügeln. Sein Blick war eiskalt. Er schubste Fred Naumann ein Stück weiter und ließ ihn dann los. »Du wirst diese Frau nicht noch einmal belästigen!«
Fred Naumann machte einen Schritt beiseite, rückte sein Sakko zurecht und starrte Matthias an.
»Das wird dir noch leidtun!«, stieß er hervor. »Du willst wohl selbst Eindruck bei der Prinzessin schinden, was? Viel Glück!«
Abrupt drehte Fred Naumann sich um und torkelte zur Wiese zurück, wobei er mit einem seiner teuren Lederschuhe in die Sektpfütze trat.
»Was für ein Idiot.« Kopfschüttelnd sah Matthias der schwankenden Gestalt hinterher und wandte sich dann Christina zu. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, erkundigte er sich.
Christina atmete tief durch.
»Ja, ich glaube schon«, erwiderte sie und bemühte sich, ihre Fassung zurückzugewinnen. »Vielen Dank. Das war sehr nett von Ihnen.«
»Kein Problem.« Matthias sah ihr ruhig in die Augen.
Für einen Moment schienen Fred Naumann, der Parkplatz und die Geräusche der feiernden Menschen auf der Wiese weit in den Hintergrund zu rücken.
Seine Augen sind graugrün, schoss es Christina durch den Kopf, während sie in Matthias’ Blick zu versinken schien. Die Sekunden dehnten sich schier endlos aus, bis schließlich das Knallen zuschlagender Autotüren Christina und Matthias aus ihrer Versunkenheit riss.
»Ja, dann.« Matthias räusperte sich. »Ich muss los. Wir sehen uns ja morgen um zehn.« Er schulterte seine Kameratasche und drehte sich um.
»Ja, okay. Bis morgen.« Christina fiel nichts mehr ein, was sie hätte sagen können.
Sie sah der hochgewachsenen Gestalt nach, die sich mit langen, federnden Schritten von ihr entfernte. Dann öffnete sie die Tür ihres Autos, setzte sich hinters Steuer und fuhr vom Parkplatz.
***
Sanft wehte eine leichte Morgenbrise durch die weit geöffneten Flügeltüren in das prächtige Speisezimmer von Schloss Hemmelshaus. Die kostbare Eichenholzvertäfelung an den Wänden schimmerte in dem Sonnenschein, der durch die großen Fenster brach und auch den gewaltigen Esstisch aus Mahagoni, der inmitten des beeindruckenden Raumes stand, in mildes Licht tauchte.
An diesem Tisch saßen, wie jeden Morgen, Barbara Fürstin von Dohrendorff und ihr Mann, Johann Fürst von Dohrendorff, mit ihrem einzigen Sohn, Prinz Alexander. Sie genossen ein üppiges Frühstück.
Die Fürstin, eine stets adrett gekleidete Dame mit blond gesträhntem Pagenkopf und kühlen blauen Augen, legte großen Wert auf exzellentes Essen, was ihrer zwar sportlichen, aber auch ein wenig rundlichen Figur anzusehen war.
Ihr Mann, Fürst Johann, musste hingegen keinerlei Kalorien zählen. Er war groß und schlank, beinahe hager, hielt sich immer kerzengerade aufrecht und repräsentierte mit seinen klugen grauen Augen und den kurzen, eisgrauen Haaren das perfekte Bild eines adligen Ehrenmannes.
»Alexander, nimm noch ein Croissant, du hast ja kaum etwas gegessen.« Mit einem freundlichen Lächeln reichte die Fürstin ihrem Sohn den Brotkorb.
Seufzend nahm ihn der junge Mann entgegen und lächelte zurück. Er hatte die gleichen blauen Augen wie seine Mutter, allerdings mit einem deutlich wärmeren Schimmer. Sein blindes Haar war akkurat geschnittene, und seine schlanke, durch Golf und Reiten trainierte Figur, steckte fast immer in Maßanzügen.
Der freundliche, stets zuvorkommende Prinz Alexander war der ganze Stolz seiner Eltern. Er hatte ihre Erwartungen bislang noch nie enttäuscht – im Gegensatz zu seiner Schwester, ging es Fürstin Barbara durch den Kopf, als sie Alexander betrachtete, der sorgsam etwas Butter auf sein Croissant strich.
Die Schlossherrin hatte es Christina nie ganz verziehen, dass die sich damals von ihren Eltern abgewandt hatte und völlig allein hinaus in die Welt gezogen war – ohne einen Cent des ihr eigentlich zustehenden Geldes zu nehmen und ohne alte Verbindungen der Familie oder ihren Titel zu nutzen.
Fürstin Barbara verzog traurig das Gesicht, als sie an den damaligen Streit zurückdachte. Zwar hatten sie und der Fürst sich inzwischen wieder mit Christina versöhnt, und die Tatsache, dass die Prinzessin sowohl ihr Studium bewältigt als auch eine Anstellung gefunden hatte, rang zumindest ihrem Vater heimlich Respekt ab, doch insgeheim träumte Fürstin Barbara immer noch davon, Christina mit einem passenden Mann ihres Standes zu vermählen.
Der Gedanke, dass ihre Tochter derzeit für eines dieser bunten Klatsch-Magazine arbeitete, bereitete der Fürstin mitunter regelrecht Bauchschmerzen.
Zum Glück war Prinz Alexander von ganz anderem Schlag. Er war nach Ansicht der Fürstin in jeder Hinsicht gut geraten und ein würdiger Nachfolger, der Schloss Hemmelshaus – ein weißes Renaissance-Schloss aus dem sechzehnten Jahrhundert, inmitten einer prächtigen Parklandschaft gelegen – umsichtig verwalten und erhalten würde. Mit seiner Familie, dachte die Fürstin und lächelte.
Die anstehende Verlobung von Prinz Alexander mit Sophia Prinzessin von Schlenkenbach ließ das Herz der Fürstin höherschlagen. Mit dieser Verbindung erfüllte Alexander seiner Mutter einen ihrer sehnlichsten Wünsche, was ihre Verbitterung über Christinas Lebensweg auszugleichen vermochte.
Seit Wochen war Fürstin Barbara mit den Vorbereitungen für die Verlobungsfeier beschäftigt und fand kaum noch ein anderes Gesprächsthema.
»Wirst du Sophia heute noch besuchen?«, fragte die Fürstin.
»Ja, Mutter, wir sehen uns heute Abend.« Alexander lächelte unverbindlich, er wusste schon, was jetzt kam.
»Hat sie sich endlich für ein Kleid entschieden?« Fürstin Barbara ließ bei diesem Thema nicht locker, wenngleich ihr Mann beinahe unmerklich die Augen verdrehte und leicht den Kopf schüttelte.
Dass Prinzessin Sophia ihrer künftigen Schwiegermutter immer noch nicht mitgeteilt hatte, was sie anlässlich ihrer Verlobung anziehen würde, ließ der Fürstin keine Ruhe. Schließlich sollte die große Feier bereits in zwei Wochen stattfinden, und sie musste endlich die Blumen-Arrangements bestellen – die farblich natürlich zum Kleid der Prinzessin passen sollten.
»Mutter, ich weiß es wirklich nicht. Das ist Sophias Angelegenheit. Aber ich werde sie bitten, sich mit dir in Verbindung zu setzen.« Das war Alexanders Art, Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen.
Er wich lieber aus, im Gegensatz zu seiner Schwester, die eine direkte Konfrontation bevorzugte. Alexander musste innerlich grinsen, als er an seine eigenwillige, hübsche Schwester dachte. Dass sie darauf bestand, allein zurechtzukommen, beeindruckte ihn sehr. Manchmal wünschte sich der Prinz, auch so zu leben wie Christina – frei, ohne Verantwortung gegenüber der Familie und jahrhundertealten Traditionen.
Alexander seufzte. Ein solches Leben würde für ihn nie infrage kommen, das war ihm klar. Dazu fühlte er sich seiner Familie viel zu sehr verpflichtet. Außerdem war er glücklich, mit Sophia eine Frau gefunden zu haben, die er aufrichtig liebte und die gleichzeitig in den Lebensplan passte, der für ihn vorgesehen war.
Trotzdem: Christinas Weg hatte durchaus seinen Reiz, und Alexander freute sich schon sehr auf den morgigen Abend, wenn er seine Schwester in der Stadt treffen und anschließend in ihrer bescheidenen Zwei-Zimmer-Wohnung übernachten würde.
***
Das kleine, schnittige Oldtimer-Cabriolet schnurrte beinahe, als es die glatte, gerade Landstraße entlangrollte, vorbei an grünen, mit Wildblumen bunt gesprenkelten Wiesen, träge vor sich hin kauenden Kühen und einzeln gelegenen, verwunschen wirkenden Gehöften.
»Mein Auto ist noch älter als deines«, hatte Matthias vorhin angemerkt, als er Christina am Morgen vor dem Verlagsgebäude abgeholt hatte – pünktlich auf die Minute, wie sie anerkennend festgestellt hatte.
Tja, älter schon, aber auch wesentlich schöner, hatte sie gedacht und sich schon beim Anblick des italienischen Klassikers aus den Sechzigerjahren mit dem offenen Verdeck auf eine Fahrt darin gefreut. Denn wenn Christina auch nicht mit teuren, protzigen Wagen zu locken war, konnte sich ihr Herz durchaus für einen liebevoll gepflegten Oldtimer erwärmen.
Es war der perfekte Tag für einen Ausflug im Cabriolet. Die Sonne schien bereits frühmorgens mit aller Kraft, die sie hatte, von einem milchig-blauen Himmel, den nur vereinzelt einige Schönwetterwolken zierten. Ein leichter Wind sorgte dafür, dass es nicht zu heiß wurde. In der Luft lag der frische, verheißungsvolle Duft nach Juni, ohne schon von der drückenden Schwüle des August zu künden.
Das ist kein Ausflug, rief sich Christina zur Ordnung. Du fährst mit dem Fotografen zu einem Termin, das hier ist Arbeit.
Ab und zu warf sie Matthias von der Seite heimliche Blicke zu. Der groß gewachsene Mann passte offenbar so gerade eben in den Sitz seines kleinen Autos, das dennoch wie geschaffen für ihn schien.
Der Fotograf hatte sich frisch rasiert, trug eine moderne Sonnenbrille, ein hellblaues Hemd und – wie Christina in Gedanken an ihre gestrige spitze Bemerkung amüsiert registrierte – eine anscheinend sogar gebügelte Jeans ohne Löcher darin. Matthias fuhr zügig, aber sicher. Er sparte sich riskante Überholmanöver und wies lieber Christina in regelmäßigen Abständen auf etwas am Straßenrand hin, das ihm besonders erwähnenswert erschien.
»So, nun erzähl mal, was du über Schloss Palenburg weißt. Ich will dort schließlich nicht durch Unkenntnis auffallen«, sagte Matthias jetzt.
Sie waren bereits zwei Stunden unterwegs, in etwa dreißig Minuten mussten sie am Ziel sein. Vor lauter Plauderei waren sie noch gar nicht dazu gekommen, über den Inhalt ihres heutigen Termins zu sprechen.
Es war wie verhext – Matthias hatte das Gefühl, dass mit Christina ein Wort das andere ergab. Sie teilte viele seiner Interessen und wusste zu jedem Thema etwas Kluges zu sagen, ohne dabei überheblich zu wirken. Als sie sich über verschiedene Aspekte ihrer Arbeit für das Magazin ausgetauscht hatten, war ihre Unterhaltung fast schon vertraulich geworden.
Verschwunden war die arrogante, kühle Prinzessin, die Matthias gestern Nachmittag noch, wie er es empfunden hatte, im Fotostudio heruntergeputzt hatte. Jetzt saß neben ihm eine fröhliche, intelligente, offenherzige junge Frau, die noch dazu ausgesprochen hübsch war. Vor allem, wenn sie sich die Haare aus dem Gesicht strich, die sich im Fahrtwind aus ihrem Zopf gelöst hatten.
»Also gut.« Christina lehnte sich in ihrem Sitz zurück und rekapitulierte, was sie über Schloss Palenburg wusste.
Sie hatte am Abend zuvor noch im Internet darüber recherchiert, nachdem sie sich von dem unangenehmen Vorfall mit Fred Naumann einigermaßen erholt hatte.
»Das Schloss wurde Mitte des neunzehnten Jahrhunderts erbaut, als Herrenhaus«, sagte Christina. »Es ist, verglichen mit anderen Häusern dieser Art, eher klein. Das Besondere ist, dass es im englischen Tudorstil errichtet wurde.«
Sie kramte in ihrer Tasche und suchte einen Ausdruck hervor, den sie Matthias hinhielt.
Er warf einen schnellen Blick darauf, bevor er sich wieder auf die Straße konzentrierte.
»Sieht aus wie ein typisches Märchenschloss«, meinte er.
»Stimmt.« Christina blickte auf das Papier in ihren schmalen Händen. »Dieser Eindruck entsteht wohl vor allem durch die vielen Zinnen, die wirken fast schon ein wenig übertrieben.« Sie faltete das Blatt wieder zusammen. »Jedenfalls liegt das Schloss in einem riesigen Landschaftspark und wurde nach den Plänen des damaligen Gutsherrn errichtet. Vor etwa dreißig Jahren ist die Familie aber in finanzielle Nöte geraten und hat das Schloss an einen offenbar windigen Geschäftsmann verkauft. Der ist wegen dubioser Machenschaften schnell von der Bühne verschwunden, und das Schloss stand wegen der ungeklärten Besitzverhältnisse über Jahrzehnte leer. In der Zeit ist es natürlich nach und nach verfallen.«
Sie sah Matthias von der Seite an. Langweilte sie ihn mittlerweile? Aber es wirkte nicht so. In diesem Moment dreht er rasch den Kopf zu ihr hin, und sie blickte für einige Sekunden, in denen die Zeit stillzustehen schien, in seine faszinierenden graugrünen Augen.
Dann wandte der Fotograf den Kopf wieder nach vorn.
Christina räusperte sich. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich. Du erzählst gerade etwas über die Arbeit und bist hier nicht auf einer Romantik-Tour. Sie spürte, wie leichte Röte ihre Wangen heraufkroch, und ärgert sich über sich selbst. Sie sollte sich konzentrieren, statt sich albernen Tagträumen hinzugeben.
Die schienen sich an diesem Morgen allerdings automatisch einzustellen, wann immer Matthias sie ansah.
»Irgendwann gelang es jedenfalls, die Erben dieses Geschäftsmannes doch noch ausfindig zu machen«, berichtete Christina weiter. »Sie waren an dem Schloss nicht interessiert und haben wohl die Erhaltungskosten gefürchtet. Jedenfalls haben sie es dem Land überlassen. Eine Stiftung hat dann eine sehr hohe Summe zusammengebracht und das Schloss von Grund auf renovieren lassen. Das hat mehrere Jahre gedauert. Jetzt ist es ein Museum und soll noch in diesem Monat eröffnet werden.«
Sie holte tief Luft. »Den Rest werden wir gleich erfahren, und zwar vermutlich ausführlicher, als wir es uns gewünscht hätten.«
»Warum?« Matthias setzte den Blinker und bog rechts ab.
Schloss Palenburg – 5 Kilometer, war auf einem Schild zu lesen. Vor ihnen erstreckte sich eine von üppig blühenden Kastanienbäumen gesäumte Allee.
»Der Museumsleiter ist ein Freund meiner Eltern«, sagte Christina.
Sie hatte erst gezögert, Matthias davon zu erzählen, aber er würde es ohnehin vor Ort erfahren. Schließlich hatte sich Dr. Hermann Haukohl bereits gestern am Telefon vor Begeisterung gar nicht beruhigen können, als er hörte, dass ausgerechnet »seine kleine« Christina ihn besuchen und über sein neues Projekt berichten würde. Die Begrüßung würde wahrscheinlich überschwänglich ausfallen.
»Hermann, ich meine Dr. Haukohl, ist Historiker«, erklärte Christina. »Mein Vater und er waren auf demselben Internat, sie sind beinahe wie Brüder.«
»Warst du auch auf einem Internat?«, fragte Matthias.
Er verzog dabei keine Miene, aber Christina überlegte dennoch, ob in dieser Frage vielleicht eine leichte Spitze gegen ihre Herkunft verborgen sein könnte. Aber den Eindruck erweckte der Fotograf in diesem Moment nicht.
»Ja, war ich. Das war eine schöne Zeit«, erwiderte Christina nur knapp und ließ das Thema dann fallen.
Sie redet offenbar nicht gern darüber, dachte Matthias. Es sprach seiner Ansicht nach nur für Christina, dass sie die Tatsache, dass sie eine Prinzessin war, allem Anschein nach vergessen machen wollte und sich nicht damit brüstete – oder gar versuchte, Vorteile daraus zu schlagen.
Die junge Frau gefiel Matthias immer besser. Ihr könnte ich sogar von der Afrika-Hilfe erzählen, ging es ihm durch den Kopf. Doch das musste warten, denn jetzt tauchte Schloss Palenburg vor ihnen auf.
Die Begrüßung durch Dr. Haukohl war genauso überschwänglich, wie Christina es erwartet hatte. Der kleine, korpulente Herr mit der randlosen Brille strahlte über das ganze Gesicht, als er sie erblickte, und hörte beinahe gar nicht mehr auf, Matthias’ Hand zu schütteln.
Schon begann er, Erinnerungen an Christinas Kindheit zu referieren. Aber davon konnte sie ihn schnell ablenken, indem sie ihn mit Fragen über Schloss Palenburg löcherte.
Dr. Haukohl war in seinem Element. Wieselflink, trotz seiner Leibesfülle, flitzte der – wie immer mit Sakko und Fliege gekleidete – Geschichtsexperte durch die zahlreichen Räume des beige verputzten Herrenhauses mit seinen prächtigen Türmen und den verspielten Zinnen.
Matthias mochte kaum die Kamera abzusetzen, so viel gab es zu fotografieren. Die hohe Eingangshalle mit ihren wunderbaren Wandmalereien. Die traumhafte Orangerie, die durch den einfallenden Sonnenschein in geradezu unwirkliches Licht getaucht wurde. Der gemütliche Salon. Das beeindruckende Speisezimmer. Die riesige Küche. Die geheimnisvollen Kellergewölbe.
Christinas Schreibblock füllte sich mit Notizen. Das alte Eichenparkett knarrte unter ihren Füßen, als sie Zimmer für Zimmer das liebevoll wiederhergestellte Schloss besichtigten.
»Und hier, meine Dame, mein Herr: das Trauzimmer!« Mit einer schwungvollen Geste öffnete Dr. Haukohl eine weitere, mit aufwendigen Schnitzereien verzierte Holztür.
Christina und Matthias blickten in einen mittelgroßen Raum, an dessen Kopfseite ein beeindruckender Holztisch prangte. Davor standen einige Reihen Stühle, die mit rotem Samt gepolstert waren. An den Wänden waren pastellfarbene Bilder glücklicher, altmodisch wirkender Paare zu sehen. Der Blick durch die hübschen Butzenscheiben ging hinaus auf den überwältigenden Landschaftspark.
»Wie schön!«, entfuhr es Christina.
Dieser Raum übte sofort einen Zauber auf sie aus. Fast konnte sie vor sich sehen, wie die Hochzeitsgäste auf den Stühlen Platz nahmen, während vorn an dem mächtigen Holztisch der Standesbeamte ein großes Buch aufschlug und das glückliche Brautpaar …
»Geh bitte mal zur Seite, sonst bekomme ich die Stühle nicht richtig mit drauf.« Matthias verstellte den Blitz an seiner Kamera und ging leicht in die Hocke, um eine geeignete Perspektive quer über die Stühle und den Holztisch auf die Fenster zu bekommen. »Sehr gut«, erklärte er dann zufrieden und richtete sich wieder auf.
»Dieses Zimmer ist von Anfang an für Trauungen vorgesehen worden. Der damalige Schlossherr hat es extra dafür einrichten lassen«, erklärte Dr. Haukohl. »Hier haben schon viele glückliche Paare den Bund fürs Leben geschlossen.«